JudikaturJustiz1Ob235/01t

1Ob235/01t – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** verstorbenen Louise Annette G***** infolge Revisionsrekurses des erblasserischen Sohnes Philipp Georg G*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Juni 2001, GZ 43 R 287/01a 198, womit infolge Rekurses dieses erblasserischen Sohnes der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien als Rechtshilfegericht vom 24. April 2001, GZ 1 Hc 990/00a 189, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Revisionsrekurswerber ist pflichtteilsberechtigter Sohn der Verstorbenen. Er hat im Verfahren unter anderem mehrfach vorgebracht, in der Wiener Wohnung der Erblasserin befänden sich wertvolle Fahrnisse, die in die Verlassenschaft fallen, es werde daher deren Inventarisierung und Schätzung beantragt. Nach Aufhebung des diesen Antrag abweisenden Beschlusses des Abhandlungsgerichts sowie der die Beendigung der Abhandlung ausdrückenden Teile des Mantelbeschlusses und der Einantwortungsurkunde durch das Rekursgericht übersandte das Abhandlungsgericht den Akt dem Erstgericht mit dem Ersuchen um Schätzung und Errichtung eines Teilinventars der in der Wohnung befindlichen erbl. Fahrnisse, "bestehend nach dem Protokoll vom 14. 3. 2000 (ON 143) aus der Einbauküche Regina Küche, Farbe rot" (ON 161). Anlässlich der vom Gerichtskommissär im Auftrag des Erstgerichts vorgenommenen Inventierung und Schätzung verweigerte der erbserklärte Erbe, der Bruder des Revisionsrekurswerbers, diesem den Zutritt zu einem nach den Behauptungen des Revisionsrekurswerbers abgetrennten Teil der Wohnung, weshalb dieser von der Gerichtskommission nicht begangen wurde.

Mit Beschluss ON 189 nahm das Erstgericht das vom Gerichtskommissär errichtete Teilinventar mit einem Reinnachlass von ATS 39.800 zu Gericht an (Punkt 1.), bestimmte die Gebühren des Gerichtskommissärs und trug sie dem erbserklärten Erben zur Zahlung auf (Punkt 2.) und verfügte die Übermittlung des Aktes an das Abhandlungsgericht (Punkt 3.).

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des pflichtteilsberechtigten Sohnes nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des von den Punkten 1. und 3. des angefochtenen Beschlusses umfassten Entscheidungsgegenstands insgesamt ATS 260.000 nicht übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen diese Punkte zulässig, im Übrigen aber jedenfalls unzulässig, sei. Zum Vorbringen des Rekurswerbers, es seien Erhebungen unterblieben, ob weitere in das Inventar aufzunehmende Nachlasswerte in der Wohnung vorhanden seien, die vorgenommene Schätzung und Inventierung sei zu ergänzen, verwies das Gericht zweiter Instanz auf den Inhalt des Rechtshilfeersuchens des Abhandlungsgerichts. Das Erstgericht habe als Rechtshilfegericht nur solche Entscheidungen zu fällen gehabt, die ausschließlich die Rechtshilfehandlung betreffen. Soweit der Rekurswerber daher das Vorhandensein weiterer in die Inventierung einzubeziehender Vermögenswerte releviere, habe darüber das Abhandlungsgericht zu entscheiden und allfällige weitere Aufträge zu erteilen.

Dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs des pflichtteilsberechtigten Sohnes kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Vor Eingehen in die Sache selbst ist zu beachten, dass der Rechtsmittelwerber nicht nur einen von ihm selbst gefertigten, als ordentlicher Revisionsrekurs bezeichneten Schriftsatz eingebracht, sondern mit gesonderter Post einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt hat, "für den Fall, dass Eingabe ordentlichen Revisionsrekurs, datiert 27. Jul. 2001, von einem Anwalt einzubringen ist". Der angefochtene Beschluss wurde dem Revisionsrekurswerber laut internationalem Rückschein (bei ON 200) am 26. 7. 2001 zugestellt. Während der als ordentlicher Revisionsrekurs bezeichnete Schriftsatz bereits am 27. 7. 2001 zur Post gegeben wurde und somit jedenfalls rechtzeitig ist, datiert die Postaufgabe des Verfahrenshilfeantrags vom 13. 8. 2001. Gemäß § 11 Abs 1 AußStrG beträgt die Rekursfrist in Verfahren außer Streitsachen 14 Tage. Ihr Lauf wird durch die Vorschriften der ZPO über die Gerichtsferien nicht berührt, weil diese in Angelegenheiten des außerstreitigen Verfahrens gemäß Art. XXXVI EGZPO keine Anwendung finden. Letzter Tag der Rekursfrist gegen den angefochtenen Beschluss war somit der 9. August 2001, so dass der am 13. 8. 2001 zur Post gegebene Verfahrenshilfeantrag verspätet ist. Nur ein während der Rekursfrist eingebrachter Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe unterbricht die Rekursfrist (RIS Justiz RS0111923). Es muss daher weder erörtert werden, welche Bedeutung der im Schriftsatz gemachten, bereits dargestellten Einschränkung zuzumessen ist, noch ob ein (rechtzeitiger) Verfahrenshilfeantrag einem von der Partei persönlich verfassten Rechtsmittel vorgehen würde (vgl SZ 44/180). Da im Verfahren außer Streitsachen Anwaltszwang nicht besteht (§ 5 AußStrG), ist auf den vom pflichtteilsberechtigten Sohn selbst verfassten Revisionsrekurs meritorisch einzugehen:

Gemäß § 97 Abs 1 AußStrG hat das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis allen beweglichen und unbeweglichen Vermögens, in dessen Besitz sich der Erblasser zur Zeit seines Todes befunden hat, somit aller Aktiva, zu enthalten (RZ 1991/57; SZ 59/9; 1 Ob 530/95; 7 Ob 31/01m; RIS Justiz RS0007860; RS0005992; RS0005978). Ob sich eine Sache im Besitz des Erblassers befand, hat das Abhandlungsgericht ohne Verweisung auf den Rechtsweg zu entscheiden (6 Ob 2332/96a; 7 Ob 31/01m ua), auch wenn sie ein Dritter in Händen hat. Demgemäß hat die Entscheidung des Abhandlungsgerichts über die Aufnahme in das Inventar nur für das Verlassenschaftsverfahren Wirkung, nicht jedoch darüber hinaus (2 Ob 26/98g; RIS Justiz RS0006465). Nur strittige Eigentumsfragen sind im Prozessweg zu klären (RIS Justiz RS0007790; RS0007818). Da somit die Besitzverhältnisse zum Todeszeitpunkt darüber entscheiden, was in das Inventar aufzunehmen ist, unterliegen bewegliche Sachen nur dann nicht der Inventierung, wenn und soweit sie zur Zeit des Todes nicht mehr im Besitz des Erblassers waren (7 Ob 31/01m mwN). Da § 97 AußStrG keinen eigenständigen Besitzbegriff bestimmt, ist dabei im Sinne der Regeln des ABGB auf den Sach und/oder Rechtsbesitz abzustellen (1 Ob 530/95; 6 Ob 85/98p; 7 Ob 31/01m).

Gemäß § 94 AußStrG hat das Abhandlungsgericht befindet sich Vermögen im Sprengel eines anderen Bezirksgerichts dieses um die Inventur des Vermögens zu ersuchen. Dieses Gericht hat sodann die Amtshandlungen im Sinne der §§ 109 bis 111 AußStrG vorzunehmen, allerdings mit der Einschränkung, dass es das Inventar nicht im Sinn des § 109 AußStrG selbst aufzubewahren, sondern dem ersuchenden Gericht zu übersenden hat. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung EvBl 1987/170 unter Hinweis auf ältere Judikatur aussprach, hat das ersuchte Gericht daher nach Vornahme der Prüfung zu entscheiden, ob es das Inventar zu Gericht annimmt. Dem Abhandlungsgericht obliegt sodann gemäß § 110 AußStrG die Errichtung des Hauptinventars. Von dieser Rechtsprechung ist der Oberste Gerichtshof auch in seiner vom Rekursgericht zur Begründung des Zulassungsausspruchs zitierten Entscheidung 8 Ob 47/99s nicht abgegangen, sondern hat diese Frage als dort nicht entscheidungswesentlich ausdrücklich offen gelassen.

Wie bereits dargestellt, obliegt die Entscheidung darüber, ob sich eine Sache im Besitz des Erblassers befunden hat und damit in das Inventar aufzunehmen ist, dem Abhandlungsgericht, das dabei die ihm vorliegenden Beweise frei zu würdigen hat (SZ 51/51). Eine derartige Beurteilungsbefugnis kann dem Rechtshilfegericht für das aufgenommene Teilinventar schon deshalb nicht zukommen, weil ihm wie hier oftmals nicht alle Beweismittel unmittelbar zugänglich sein werden. Seine Überprüfungsbefugnis bezieht sich darauf, ob das Teilinventar ordnungsgemäß und vollständig im Sinne des Rechtshilfeersuchens zustande gekommen ist. Das Rechtshilfegericht hat nämlich lediglich Entscheidungen zu treffen, die ausschließlich die Rechtshilfehandlung zum Gegenstand haben, nicht aber Entscheidungen, die dem ersuchenden Gericht vorbehalten sind (RZ 1983/21; vgl auch 7 Ob 663/86).

Punkt 1. des erstinstanzlichen Beschlusses kann daher nur dahin verstanden werden, dass dem Rechtshilfeersuchen Genüge getan und ein diesem entsprechendes Teilinventar erstellt worden sei. Wie bereits das Rekursgericht zutreffend dargestellt hat, sind die Einwände des Rechtsmittelwerbers wegen Einbeziehung weiterer Gegenstände in das Nachlassinventar dem Abhandlungsgericht vorzutragen, weil nur dieses die allein entscheidungswesentliche Frage des Besitzes der Erblasserin im Todeszeitpunkt entscheiden kann.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Rechtssätze
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