JudikaturJustiz1Ob229/16g

1Ob229/16g – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Dr. Walter Stefan Funovics, Rechtsanwalt in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei S***** K*****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun, Rechtsanwälte in Neusiedl am See, wegen Herausgabe, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 7. September 2016, GZ 13 R 133/16f 14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom 19. Mai 2016, GZ 5 C 202/15g 10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist die Tochter des Beklagten, der an Multipler Sklerose leidet. Anlässlich der Feier zum 21. Geburtstag am 5. 9. 2012 überraschte sie der Beklagte, indem er ihr ein Kraftfahrzeug, das er zuvor von seinen Eltern gekauft hatte, ohne Gegenleistung überlassen wollte. Zu diesem Zweck wurde eine rote Masche um das Fahrzeug gebunden und eine Nummerntafel mit der Aufschrift „M***** [Vorname der Klägerin] 1“ am Fahrzeug angebracht. Der Beklagte teilte der Klägerin mit, dass es sich beim Fahrzeug um ein Geburtstagsgeschenk an sie handle. Dazu wurden ihr der Fahrzeugschlüssel und der Zulassungsschein übergeben. Der Beklagte sagte nicht, dass sie das Fahrzeug bloß bis auf weiteres benützen dürfe und er es ihr allenfalls in weiterer Zukunft schenken würde, wenn er mit ihrer Fahrweise zufrieden sein sollte. Zum damaligen Zeitpunkt wohnten die Parteien noch zusammen.

Da die Klägerin erst am 9. 10. 2012 ihren Führerschein erhielt, blieb das Fahrzeug einstweilen in der Garage des Beklagten stehen. Unmittelbar nachdem die Klägerin ihren Führerschein bekommen hatte, meldete der Beklagte das Fahrzeug auf seinen Namen an. Sämtliche mit dem Fahrzeug verbundenen Kosten, wie Treibstoff und Versicherungskosten, trug die Klägerin. Der Beklagte begleitete die Klägerin zunächst noch bei gemeinsamen Übungsfahrten als Beifahrer, bis er das Gefühl hatte, dass sie ausreichend gut mit dem Fahrzeug umgehen und deshalb auch alleine fahren konnte.

Aufgrund diverser Vorkommnisse, die zum Bruch zwischen der Klägerin und dem Beklagten führten, verlangte er das Fahrzeug im November 2014 wieder von ihr heraus und drohte ihr mit einer Diebstahlsanzeige, sollte sie sich der Herausgabe widersetzen. Um dies zu vermeiden, brachte ihm die Klägerin das Fahrzeug samt Schlüssel und Dokumenten widerwillig und enttäuscht zurück. Der Beklagte meldete das Fahrzeug in der Folge ab.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Herausgabe des Kraftfahrzeugs samt Fahrzeugschlüssel und Typenschein des Fahrzeugherstellers.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision – ohne eine Belegstelle anzuführen – für zulässig, weil eine „einheitliche“ Rechtsprechung zum Einfluss der Zulassung eines Personenkraftwagens auf den Namen des Übergebers auf die Wirksamkeit der Übergabe nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der vom Beklagten erhobenen Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung der ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

1. Gemäß § 943 ABGB erwächst dem Geschenknehmer aus einem mündlichen, ohne wirkliche Übergabe geschlossenen Schenkungsvertrag kein Klagerecht. Nach § 1 Abs 1 lit d Notariatsaktsgesetz bedürfen Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsakts. Eine „wirkliche Übergabe“, also ein neben dem Schenkungsvertrag als Übergabe erkennbarer weiterer Akt liegt dann vor, wenn er sinnfällig nach außen zu Tage tritt und so beschaffen ist, dass aus ihm der Wille des Geschenkgebers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen (RIS Justiz RS0011295 [T16]; RS0011383). Der Ausdruck „wirkliche Übergabe“ bedeutet nichts anderes als „das Gegenteil“ der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens (RIS Justiz RS0011295 [T2]; RS0011383 [T6]; vgl RS0018908 [T1]). „Wirkliche Übergabe“ gemäß § 943 ABGB ist die körperliche Übergabe, die Übergabe durch Zeichen, die Besitzauflassung und die Besitzanweisung (RIS Justiz RS0011143). Bei Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, insbesondere Familienangehörigen, ist, wenn die zu übereignende Sache gemeinsam benützt wird, eine besondere körperliche Übergabe nach der Verkehrsauffassung nicht zu erwarten. Es genügt die einverständliche Erklärung, dass einer der Mitinhaber (Mitbenützer) Eigentümer sein soll, sodass der Mitinhaber dadurch den Alleinbesitz und das Eigentum an der Sache erwirbt (RIS Justiz RS0010152). Wie die „wirkliche Übergabe“ zu erfolgen hat, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl RIS Justiz RS0018975 [T2]; zuletzt 4 Ob 189/12s).

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die („wirkliche“) Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin sei nach der Überlassung an sie als Geburtstagsgeschenk spätestens mit der laufenden Nutzung samt alleiniger Kostentragung erfolgt, ist nicht zu beanstanden. Die Aushändigung und der Besitz des Typenscheins haben für die Frage des Eigentumserwerbs an einem Kraftfahrzeug keine ausschlaggebende Bedeutung, weil der Typenschein das Eigentum an einem Kraftfahrzeug, das nach seiner Beschaffenheit eine körperliche Übergabe zulässt, nicht verbrieft (3 Ob 525/76 = ZVR 1977/104, 148; RIS Justiz RS0011142; 6 Ob 129/61; 3 Ob 501/89). Aus der Zulassung eines Kraftfahrzeugs (§ 37 Abs 2 KFG) kann nicht zwingend auf die Eigentümereigenschaft des Zulassungsbesitzers geschlossen werden (8 Ob 94/75 = ZVR 1976/21, 20 = RIS Justiz RS0065847; 10 Ob 43/15v; RS0035118). Wenn das Berufungsgericht hier davon ausging, dass die Zulassung des Kraftfahrzeugs auf den Beklagten nicht dessen Übergabe an die Klägerin und damit die Wirksamkeit der erfolgten Schenkung hinderte, ist diese Beurteilung jedenfalls vertretbar.

3.1. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellt sich daher nicht. Die Revision ist damit unzulässig und zurückzuweisen.

3.2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 und 40 ZPO. Die Klägerin hat auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass ihr mangels zweckentsprechender Rechtsverteidigung kein Kostenersatz zusteht (RIS Justiz RS0035962 [T16]; RS0035979 [T9]).

Rechtssätze
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