JudikaturJustiz13Os93/23k

13Os93/23k – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Drach in der Strafsache gegen MMag. Dr. * K* und einen Angeklagten wegen Vergehen der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Vergabeverfahren nach § 168b Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten MMag. Dr. * K* und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Mai 2023, GZ 519 Hv 1/22p 195, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, sowie des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Wess, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung der Angeklagten, nicht jedoch jener der Staatsanwaltschaft, wird Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe auf zehn Monate herabgesetzt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last, die nicht durch die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft verursacht worden sind.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch eines Angeklagten enthält, wurde MMag. Dr. * K* mehrerer Vergehen der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Vergabeverfahren nach § 168b Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie vom April 2019 bis zum Juni 2021 in Vergabeverfahren nach § 46 BVergG 2018 Angebote als unmittelbare Täterin (§ 12 erster Fall StGB) gelegt und abgesondert verfolgte Personen, nämlich * Be* MA, MBA und * G*, zur Legung von Angeboten bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), die auf rechtswidrigen (nämlich gegen § 1 KartG und § 879 ABGB verstoßenden) Absprachen beruhten, die darauf abzielten, die Auftraggeber zur Annahme des jeweiligen Angebots der ihr zurechenbaren K* GmbH zu veranlassen, und zwar

1) im Verfahren des B* (BMÖ*) über die Studie zum Thema „Motivanalyse Bewegung und Sport“,

2) im Verfahren des B* (BMK*) über die Studie zum Thema „Frauen im Vereinssport“ und

3) im Verfahren des BMK* über die Studie zum Thema „Kinder und Jugendliche im Vereinssport“.

[3] Nach den Feststellungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite (US 15 f) wusste die Angeklagte jeweils, dass es sich um ein Vergabeverfahren handelte und kam es ihr darauf an, selbst ein Angebot in einem Vergabeverfahren zu legen. Ebenso wusste sie, dass ihre gelegten Angebote sowie jene der * G* und der * Be* MA, MBA auf einer rechtswidrigen, nämlich insbesondere gegen das Kartellgesetz verstoßenden, Absprache beruhen, weil durch die abgesprochenen Angebote der freie Wettbewerb beschränkt wurde. Die Angeklagte wusste weiters, dass sie * Be* MA, MBA zur Legung der jeweils auf einer rechtswidrigen Absprache beruhenden Angebote in einem Vergabeverfahren des BMÖ* bzw des BMK* bestimmte, welche darauf zielte, das BMÖ* und das BMK* zur Annahme des Angebots der K* GmbH zu veranlassen. Ebenso wusste die Angeklagte, dass sie * Be* MA, MBA dazu bestimmte, in weiterer Folge * G* dazu zu bestimmen, in den im angefochtenen Urteil bezeichneten Fällen ebenfalls ein auf einer rechtswidrigen Absprache beruhendes Angebot in einem Vergabeverfahren zu legen, welches darauf zielte, dass das Angebot der K* GmbH angenommen werde. Die Angeklagte wusste auch, dass sie vor dem Vergabeverfahren nicht mit der Durchführung der Studie beauftragt worden war.

[4] Hingegen wurde die Angeklagte gemäß § 259 Z 3 StPO von dem weiters gegen sie erhobenen Vorwurf freigesprochen, sie habe

„von 9. Jänner 2018 bis 6. Februar 2018 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Bedienstete des Bundeskanzleramtes durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen, nämlich zur bescheidmäßigen Zuerkennung des Anspruchs für den Zeitraum von 19. Dezember 2017 bis höchstens 18. Juni 2018 und in der Folge Auszahlung der Bezugsfortzahlung gemäß § 6 Abs 1 BBezG bis 22. Mai 2018 sowie Abstandnahme von der Rückforderung der für Dezember 2017 ausbezahlten Beträge verleitet, die die Republik Österreich in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt 78.589,95 Euro am Vermögen schädigten, indem sie einen Antrag gemäß § 6 Abs BBezG stellte und dabei sowie in der diesen Antrag ergänzenden Kommunikation wahrheitswidrig verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit mit dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Ministeramt nahtlos fortsetzte, sie bereits Aufträge im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit für das erste Halbjahr 2018 fixiert hatte, sie in der Zeit der Bezugsfortzahlung geldwerte Ansprüche in beträchtlichem Ausmaß erwerben würde und am 6. Februar 2018 gegenüber den für die Prüfung ihres Antrags zuständigen Mitarbeitern im Bundeskanzleramt tatsachenwidrig mitteilte, sie 'werde nichts verdienen'“.

[5] Das Erstgericht erachtete zwar den Tatbestand des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB in Bezug auf den Zeitraum vom 26. Jänner 2018 bis zum 22. Mai 2018 als erfüllt, ging aber von tätiger Reue (§ 167 Abs 1 StGB) aus, weil die Angeklagte den aus der Tat entstandenen Schaden rechtzeitig (§ 167 Abs 2 StGB) gutgemacht habe (US 73 bis 76).

Rechtliche Beurteilung

[6] Gegen den Schuldspruch richtet sich die au f § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10a StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde de r Angeklagten, gegen den Freispruch die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten:

[7] Mit dem unter der Überschrift „Einleitende Bemerkungen zur Ausführung der gegenständlichen Nichtigkeitsbeschwerde – allgemeine Bewertung eines Vergabeverfahrens im Lichte des § 168b StGB“ erstatteten Vorbringen orientiert sich die Rüge – wie sie im Übrigen selbst einräumt – nicht an den Kriterien der Nichtigkeitsgründe. Solcherart entzieht sie sich mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung Nichtigkeit begründender Umstände einer inhaltlichen Erwiderung.

[8] Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) und der Tatsachenrüge (Z 5a) ist der Ausspruch des Gerichts über entscheidende, also – soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden insoweit nicht angesprochen) – für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsame Tatsachen (RIS Justiz RS0106268).

[9] Entscheidend für das Tatbestandsmerkmal „bei einem Vergabeverfahren“ sind die Feststellungen des Erstgerichts, wonach die Angeklagte, * Be* MA, MBA und * G* unter ausdrücklichem Hinweis auf die Art der Auftragsvergabe, nämlich direkt nach § 46 BVergG 2018, am 8. Mai 2019 vom BMÖ* (US 9) sowie am 18. Juni 2020 (US 12) und am 31. Mai 2021 (US 14) vom BMK* eingeladen wurden, Angebote für Studien zu den im Urteil beschriebenen Themen zu legen. Denn nach diesen Feststellungen wurden von den öffentlichen Auftraggebern (§ 1 Z 1 BVergG 2018) jeweils Vergabeverfahren der Direktvergabe (§ 31 Abs 11 BVergG 2018) eröffnet, also von mehreren Unternehmen Angebote eingeholt, um die jeweilige Leistung sodann von einem ausgewählten geeigneten Unternehmer formfrei gegen Entgelt zu beziehen.

[10] Indem die Beschwerde die Verwirklichung des angesprochenen Tatbestandsmerkmals in Zweifel zieht, dabei aber (aus Z 5 zweiter, dritter und vierter Fall sowie aus Z 5a) bloß Vorgänge im Vorfeld der Einladung zum Legen von Angeboten releviert, die Feststellungen, wonach solche Einladungen (vom jeweils zuständigen Bundesministerium) ergangen sind, jedoch unbekämpft lässt, verfehlt sie somit den Bezugspunkt der vorgenommenen Anfechtung.

[11] Zur Ausfüllung des Tatbestandselements „Angebot“ kann die Legaldefinition des § 2 Z 3 BVergG 2018 herangezogen werden ( Kirchbacher/Ifsits in WK 2 StGB § 168b Rz 29, vgl auch 11 Os 112/23i). Danach ist ein Angebot die Erklärung eines Bieters, eine bestimmte Leistung unter Einhaltung festgelegter Bedingungen erbringen zu wollen. Entscheidend im Sinn der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO sind daher insoweit die – teils durch Verweis auf die bezughabenden Aktenteile getroffenen – Feststellungen, wonach das BMÖ* und das BMK* die Angeklagte, * Be* MA, MBA sowie * G* eingeladen haben, zu den Themen, welche Personengruppen in welchem Umfang Bewegung und Sport ausüben und warum sie dies tun oder unterlassen, welche persönliche Motivation dafür ausschlaggebend ist (US 9 iVm ON 18 S 43 f), wie man Frauen ansprechen und für den Vereinssport begeistern könne (US 12 iVm ON 18 S 117 f) und wie man Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene als Mitglieder für Sportvereine gewinnen könne (US 14 iVm ON 181 f), Daten zu erheben oder vorhandene Daten auszuwerten, und die Angeklagte, * Be* MA, MBA sowie * G* diesen Einladungen nachgekommen sind (US 10, 12 und 14).

[12] Die Beschwerde, die in Bezug auf dieses Tatbestandselement (aus Z 5 zweiter und vierter Fall sowie aus Z 5a) nähere Details zu den Angebotsinhalten und zeitlich nach dem Einbringen der Angebote liegende Abläufe thematisiert, orientiert sich demnach auch insoweit nicht an der Prozessordnung.

[13] Über die Aussagen der Angeklagten (US 28 ff und 52 f), des Zweitangeklagten (US 27) und des Zeugen Dr. * A* (US 35, 37 f, 39 f und 46), den von der Beschwerde angesprochenen E-Mail Verkehr (US 26, 36, 42, 45 und 49), die Dauer der Befristung im Einladungsschreiben (US 39) sowie Verfahrensergebnisse betreffend * Be* MA, MBA und das Projektteam (US 56) setzten sich die Tatrichter beim Ausspruch über entscheidende Tatsachen nicht hinweg (Z 5 zweiter Fall). Vielmehr legten sie – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) – mängelfrei dar, weshalb sie der Verantwortung der Angeklagten, sie sei ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens mit den gegenständlichen Studien beauftragt worden, nicht folgten (US 28 ff, 35 f, 37 f und 49 f).

[14] Indem die Rüge eigene Überlegungen zum Beweiswert der vom Erstgericht (wie dargestellt) umfassend gewürdigten Verfahrensergebnisse anstellt und anhand dieser für die Angeklagte günstige Schlüsse ableitet, erschöpft sie sich in einem unzulässigen (vgl RIS Justiz RS0099419) Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[15] Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Dafür aber müssen die die Aufrichtigkeit von Zeugen angeblich ernsthaft in Frage stellenden, gleichwohl unerörtert gebliebenen Tatumstände deutlich und bestimmt bezeichnet werden (RIS Justiz RS0119422). Mit der bloßen Behauptung eines „Aussagenotstands“ und dem Hinweis auf eine freundschaftliche Verbundenheit des Zeugen Dr. A* mit dem Zweitangeklagten, welche der Zeuge nach der Aktenlage im Übrigen selbst einräumte, zeigt sie keine derartigen Umstände auf.

[16] Rechtliche Erwägungen des Erstgerichts in der Urteilsausfertigung sind nicht Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde (RIS Justiz RS0100877 [T11]).

[17] Die Feststellungen zur objektiven Tatseite erschloss das Erstgericht in vernetzter Betrachtung einer Mehrzahl von Beweisergebnissen, insbesondere aus den Angaben der für glaubwürdig erachteten Zeugen und den sichergestellten Daten und Urkunden, im Zusammenhalt mit daran geknüpften Plausibilitätserwägungen (US 26 f und 35 ff). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit ist diese Ableitung nicht zu beanstanden.

[18] Kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) besteht zwischen den Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 15 f) und jenen, wonach auftraggeberseitig Bedenken bestanden, die intellektuelle Leistung der Angeklagten an andere weiterzugeben (US 38). Widersprüchlich sind zwei Urteilsaussagen nämlich nur dann, wenn sie nach den Denkgesetzen oder der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nebeneinander bestehen können ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 438), was hier keineswegs der Fall ist.

[19] Die Herleitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen (US 52 f) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS Justiz RS0098671 und RS0116882).

[20] Soweit die Mängelrüge aus einzelnen Beweisergebnissen anhand eigenständig entwickelter Spekulationen von jenen des Erstgerichts abweichende Schlüsse zur objektiven und zur subjektiven Tatseite gezogen wissen will, erschöpft sie sich erneut in einem Angriff auf die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[21] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind – wie dargelegt – schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS Justiz RS0118780).

[22] Die tatrichterliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) ist – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist (was hier nicht behauptet wird) – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde generell entzogen (RIS Justiz RS0106588 [T13]).

[23] Mit dem Hinweis auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse, wonach die Angeklagte ihre Arbeiten und Methoden bereits vor den Einladungen des BMÖ* zur Angebotslegung präsentiert und dem Zweitangeklagten ein ausgearbeitetes und mit Preisen versehenes Konzept übermittelt habe, weckt die Tatsachenrüge beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

[24] Das übrige Vorbringen der Tatsachenrüge orientiert sich nicht an den dargestellten Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.

[25] Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung zur Voraussetzung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (RIS Justiz RS0099810), wobei die Beschwerde die behauptete rechtliche Konsequenz aus dem Gesetz methodengerecht ableiten muss (RIS Justiz RS0116565 und RS0116569). Mit dem Hinweis auf Vorarbeiten (dazu § 25 BVergG 2018), der Kritik am Zuwiderhandeln sowohl gegen Dokumentationspflichten als auch gegen Grundsätze des Vergabeverfahrens (§ 20 BVergG 2018; vgl dazu §§ 327 ff, 369, 370 BVergG 2018) und der Geltendmachung von Verstößen gegen geistige Eigentumsrechte der Angeklagten (dazu § 27 BVergG 2018) wird sie diesen Anforderungen nicht gerecht.

[26] Hinzugefügt sei, dass das Tatbild des § 168b Abs 1 StGB ganz allgemein auf Vergabeverfahren abstellt. Dazu zählen jedenfalls sämtliche Vergabeverfahren, die den bundesvergabegesetzlichen Regelungen des § 31 Abs 1 BVergG 2018 unterliegen ( Fuchs/Schröder in Kert/Kodek , HB Wirtschaftsstrafrecht 2 Rz 14.35 mwN). Liegt eine Vergabe in diesem Sinn vor, ist es unter dem Aspekt des § 168b StGB bedeutungslos, ob sie im Wege eines Wettbewerbs oder ohne einen solchen durchgeführt wird (ErläutRV 1005 BlgNR 21. GP 34).

[27] Bei der Direktvergabe wird – soweit hier von Bedeutung – eine Leistung, gegebenenfalls nach Einholung von Angeboten (zu [im BVergG 2018 insoweit auch genannten] unverbindlichen Preisauskünften siehe Kirchbacher/Ifsits in WK 2 StGB § 168b Rz 23) von einem oder mehreren Unternehmern, formfrei von einem ausgewählten geeigneten Unternehmer gegen Entgelt bezogen (§ 31 Abs 11 BVergG 2018, § 203 Abs 11 BVergG 2018). Dabei folgt schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, dass die Direktvergabe selbst bei der Einholung von Angeboten ein formloses Vergabeverfahren bleibt ( Gölles in Gölles , BVergG 2018 § 31 Rz 43). Auch eine Pflicht zum Wettbewerb kennt das Gesetz insoweit nicht, weil es weder eine Bekanntmachung noch das Einholen von Angeboten oder unverbindlichen Preisauskünften (zwingend) vorschreibt ( Diem/Ziniel in Gölles , BVergG 2018 § 46 Rz 4).

[28] § 46 Abs 1 BVergG 2018 regelt, welche Vorschriften des BVergG 2018 für die Vergabe von Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber im Wege der Direktvergabe gelten.

[29] Nach § 2 Abs 1 Z 3 BVergG 2018 ist ein Angebot die Erklärung eines Bieters, eine bestimmte Leistung gegen Entgelt unter Einhaltung festgelegter Bedingungen erbringen zu wollen.

[30] Durch die in Beantwortung der Mängelrüge zusammengefassten Feststellungen (US 9 f, 10 und 14) hat das Erstgericht in Bezug auf die angesprochenen Tatbestandselemente eine hinreichende Sachverhaltsbasis geschaffen.

[31] Rechtswidrige Absprachen zwischen der Angeklagten und einer Person auf der Auftraggeberseite wurden im Urteil nicht festgestellt, womit das auf der Basis solcher Absprachen argumentierende Vorbringen der Rechtsrüge von vornherein den gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt (siehe erneut RIS Justiz RS0099810). Im Übrigen hätte auch ein solches rechtswidriges Zusammenwirken nicht zur Straflosigkeit der Angeklagten nach § 168b StGB geführt (dazu Kirchbacher/Ifsits in WK 2 StGB § 168b Rz 43 sowie Zeder SbgK § 168b Rz 82).

[32] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf der Basis der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS Justiz RS0124801 und RS0116823).

[33] Diese Kriterien verfehlt die Rüge schon deshalb, weil sie die für eine diversionelle Erledigung erforderliche – entsprechendes Unrechtsbewusstsein voraussetzende (RIS Justiz RS0126734 und RS0116299 [T3]) – Verantwortungsübernahme der Angeklagten (aktenkonform) nicht behauptet.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

[34] Diese bekämpft die zum Freispruch führende Annahme des Erstgerichts, der Angeklagten komme der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach § 167 Abs 4 StGB zugute.

[35] Die Feststellungen (US 24 f, 59 f und 74) zum Kriterium der Schadensgutmachung durch einen Dritten im Namen der um Schadensgutmachung ernstlich bemühten Täterin (dazu Kirchbacher/Ifsits in WK 2 StGB § 167 Rz 122 ff) leitete das Erstgericht aus mehreren Verfahrensergebnissen der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO), insbesondere aus einem Einzahlungsbeleg des Schwagers der Angeklagten Dr. * Sch* über 62.193,70 Euro (US 25, 67, 74 iVm ON 66 S 32, auf US 67 irrig 63.193,70 Euro), Aussagen zum zeitlichen Ablauf der Geschehnisse (US 68) und Urkunden ab, nach denen die Angeklagte den Geldbetrag dem Einzahler retournierte (US 69). Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist diese Ableitung entgegen der Rüge nicht zu beanstanden.

[36] Dass sich die kritisierte Konstatierung aus bestimmten Beweismitteln nicht ableiten lässt, stellt die behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht her (vgl RIS Justiz RS0098646 sowie Ratz , WK StPO § 281 Rz 421).

[37] Die Vorstellungen der Angeklagten von der Schadenshöhe sind unter dem Aspekt der Strafaufhebung nach § 167 StGB irrelevant ( Kirchbacher/Ifsits in WK 2 StGB § 167 Rz 81), womit sich ein Eingehen auf das diesbezügliche Vorbringen erübrigt.

[38] Die Höhe des Betrugsschadens erschloss das Erstgericht aus den dazu vom Bundeskanzleramt übermittelten (in der Hauptverhandlung vorgekommenen) Aufstellungen (US 59 f), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken begegnet.

[39] Indem die Beschwerde Urteilsaussagen über die Bezugsfortzahlung an die Angeklagte im Zeitraum vom 19. Dezember 2017 bis zum 22. Mai 2018 kritisiert, bezieht sie sich prozessordnungswidrig nicht auf entscheidende Tatsachen (RIS Justiz RS0099497 und RS0117264), weil die hier schadensrelevanten Ansprüche der Angeklagten auf Geldleistungen aus selbständiger Erwerbstätigkeit nach dem Urteilssachverhalt im Zeitraum vom 26. Jänner 2018 bis zum 22. Mai 2018 entstanden sind (US 18 f). Die diesbezüglichen Feststellungen, wonach aus dem Titel der Bezugsfortzahlung auf diesen Zeitraum ein „Bruttobetrag“ von 59.322,73 Euro entfallen ist, wovon der Bund 20.204,72 Euro an Lohnsteuer einbehalten hat (US 18), sind weder undeutlich (Z 5 erster Fall) noch widersprüchlich (Z 5 dritter Fall).

[40] Aktenwidrigkeit im Sinn der Z 5 fünfter Fall des § 281 Abs 1 StPO liegt dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS Justiz RS0099431).

[41] Soweit die Rüge unter dem Aspekt der Z 5 fünfter Fall des § 281 Abs 1 StPO die aus einer – in der Hauptverhandlung vorgekommenen – Urkunde (ON 66) gezogenen Schlüsse des Erstgerichts kritisiert, orientiert sie sich nicht an den dargestellten Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.

[42] Ebenso wenig werden damit Verfahrensergebnisse aufgezeigt, die der angefochtenen Feststellung erörterungsbedürftig entgegenstehen.

[43] Im Übrigen erschöpft sich die Rüge darin, aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für die Angeklagte ungünstigere Schlüsse abzuleiten als das Erstgericht, womit sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) wendet.

[44] Nach den Feststellungen zum Freispruch entfiel auf den Zeitraum vom 26. Jänner 2018 bis zum 22. Mai 2018 aus dem Titel der (insoweit nicht zustehenden) Bezugsfortzahlung für die Angeklagte ein Bruttobetrag von 59.322,73 Euro, wovon der Bund 20.204,72 Euro an Lohnsteuer einbehielt. Zusätzlich leistete der Bund an die BVAEB 1.213,88 Euro und an die SVS 2.648,07 Euro (US 18). Der aus dem Bundesvermögen abgeflossene Gesamtbetrag belief sich danach auf 42.979,96 Euro.

[45] Nach medialer Berichterstattung, wonach sie zu Unrecht Bezugsfortzahlung erhalten haben könnte, beauftragte die Angeklagte ihren Verteidiger, die erhaltenen Beträge zur Gänze zurückzubezahlen. Am 9. März 2022 langten am Konto des Bundeskanzleramts 62.193,70 Euro mit dem Betreff „Refundierung Ministergehaltsfortzahlung“ ein. Die Überweisung wurde von Dr. * Sch* im Auftrag der Angeklagten durchgeführt (US 24).

[46] Am 10. März 2022 nahm die Staatsanwaltschaft einen Bericht eines Online-Mediums, wonach der Verdacht bestehe, dass die Angeklagte die Gehaltsfortzahlung zu Unrecht bezogen haben könnte, zu den Akten und leitete entsprechende Erkundigungen gegen die Angeklagte ein (US 25).

[47] Dem Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider tragen diese Feststellungen die rechtliche Annahme des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue nach § 167 Abs 4 StGB.

[48] Ob der festgestellte Sachverhalt die aus ihm gezogenen Schlüsse trägt, ist unter dem Aspekt materieller Nichtigkeit daran zu messen, ob der Wille der Tatrichter, die erforderlichen Feststellungen zu treffen, aus der Sicht des Rechtsmittelgerichts unter Gesamtbetrachtung der angefochtenen Entscheidung erkennbar ist ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 19 mwN). Dies ist hier in Bezug auf das Erfordernis der Schadensgutmachung „im Namen“ der Angeklagten mit Blick auf die Feststellungen zu deren Auftrag dazu und zur diesem folgenden Überweisung durch ihren Schwager Dr. * Sch* mit dem Betreff „Refundierung Ministergehaltsfortzahlung“ zu bejahen.

[49] Indem die Rechtsrüge die Feststellungen zu den Zeitpunkten der Schadensgutmachung (US 24 und 74) sowie der Kenntnisnahme der Behörde vom Verschulden (US 25 und 75) bestreitet, ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RIS Justiz RS0099810).

[50] Unrichtig ist die Behauptung der Rüge, die Angeklagte hätte zur Erlangung der Straffreiheit nach § 167 StGB auch den auf die Lohnsteuer entfallenden Betrag überweisen müssen.

[51] Bei der im Strafrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist unter Vermögen die Gesamtheit aller wirtschaftlich ins Gewicht fallenden und rechnerisch feststellbaren Werte zu verstehen (RIS Justiz RS0094171). Die Schadenshöhe (hier) beim Betrug bemisst sich nach der Differenz im Gesamtvermögen des Geschädigten (RIS Justiz RS0094420 [T3]). Für die Frage des Schadenseintritts ist der wirkliche Geschehensablauf und der Erfolg in seiner konkreten Gestalt maßgebend (RIS Justiz RS0129293). In welcher Höhe das Gesamtvermögen des Geschädigten gemindert wurde, ist durch Vergleich der Vermögenslage vor und nach der täuschungsbedingten Verfügung im Weg einer Gesamtsaldierung unter Berücksichtigung allfälliger unmittelbarer Schadenskompensation zu ermitteln (RIS Justiz RS0094376).

[52] Da die Einbehaltung der Lohnsteuer (vgl dazu § 78 EStG) unter dem Blickwinkel der dargelegten Kriterien im Vermögen des Bundes keinen effektiven Verlust an Vermögenssubstanz bewirkte, war er bei der Schadensberechnung nicht in Anschlag zu bringen.

[53] Unter Gutmachung des ganzen Schadens ist die Wiederherstellung des vor der Tat gewesenen Zustands zu verstehen (RIS Justiz RS0095268). Diesem Erfordernis wurde nach den Feststellungen des Erstgerichts – wie dargelegt – entsprochen.

[54] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zu verwerfen (§ 288 Abs 1 StPO).

Zu den Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft:

[55] Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte nach § 168b Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 15 Monaten.

[56] Dabei wertete es das Zusammentreffen von mehreren Vergehen und den längeren Deliktszeitraum (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) sowie die führende Tatbeteiligung und die Bestimmung anderer (§ 33 Abs 1 Z 4 StGB) als erschwerend, hingegen keinen Umstand als mildernd.

[57] Die Berufung der Angeklagten strebt eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an, jene der Staatsanwaltschaft zielt auf die (gänzliche, in eventu teilweise) Ausschaltung der gewährten bedingten Strafnachsicht.

Zur Berufung der Staatsanwaltschaft:

[58] Mit Blick auf das verspürte Haftübel und den jahrzentelangen ordentlichen Lebenswandel vor den Taten ist anzunehmen, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein genügen wird, um die Angeklagte von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

[59] Umstände, welche die spezialpräventiven Erwägungen, die für den Vollzugsverzicht sprechen, aus generalpräventiven Erwägungen zurückdrängen könnten, zeigt die Staatsanwaltschaft nicht auf. Insbesondere ist weder ein gehäuftes Auftreten von Delinquenz im Sinn des § 168b Abs 1 StGB noch eine Tendenz zu beachten, solche Vergehen als sogenannte Kavaliersdelikte anzusehen (vgl zum Ganzen Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 43 Rz 18).

[60] Der Berufung der Staatsanwaltschaft war somit nicht Folge zu geben.

Zur Berufung der Angeklagten:

[61] Soweit die Berufungswerberin auf das Gewicht anderer Straffälle verweist, übersieht sie, dass Grundlage für die Bemessung der Strafe stets die Schuld des jeweiligen Täters ist (§ 32 Abs 1 StGB) und den Maßstab für die Bewertung der Schuld die Modellfigur des mit den rechtlich geschützten Werten verbunden Menschen gibt ( Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 32 Rz 2).

[62] Den Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 3 StGB hat das Erstgericht nicht angenommen (US 76), aus welchem Grund die diesbezüglichen Berufungsausführungen auf sich zu beruhen haben.

[63] Der in Abrede gestellte besondere Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 4 StGB liegt schon mit Blick auf die festgestellte (US 8 f, 12 und 14 bis 16) führende Beteiligung (§ 33 Abs 1 Z 4 zweiter Fall StGB) jedenfalls vor.

[64] Im Recht ist die Berufung hingegen mit ihrer Sicht, dass der bisher ordentliche Lebenswandel der Angeklagten (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) sowie der Umstand, dass sie als Folge der Tat (hiezu Riffel in WK 2 StGB § 33 Rz 40 ff) gewichtige Nachteile erlitten hat (§ 34 Abs 1 Z 19 StGB), mildernd hinzutreten.

[65] Ausgehend von den zu Gunsten der Angeklagten korrigierten Strafbemessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erweist sich auf der Grundlage ihrer Schuld (§ 32 Abs 1 StGB) unter Berücksichtigung der Kriterien des § 32 Abs 2 und 3 StGB die aus dem Spruch ersichtliche Sanktion als angemessen.

[66] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO (dazu im gegebenen Zusammenhang eingehend Lendl , WK StPO § 390a Rz 2 f).

Rechtssätze
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