JudikaturJustiz11Os109/15m

11Os109/15m – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Oktober 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel, Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ortner als Schriftführer in der Strafsache gegen Andreas K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen, AZ 37 Hv 15/15f des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 30. April 2015, GZ 37 Hv 15/15f 50, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen B, demzufolge auch in den Andreas K***** und Bozidar S***** betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Andreas K***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 30. April 2015, GZ 37 Hv 15/15f 50, wurden soweit hier von Bedeutung Andreas K***** und Bozidar S***** jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (A I) und nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B) schuldig erkannt.

Danach haben sie in B***** und andernorts einem „verdeckten Ermittler“ vorschriftswidrig Suchtgift

(B) am 5. November 2014 als Mittäter in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich „mehr als 500 Gramm“ Kokain mit einem „Reinheitsgehalt von zumindest 80 %“ und eine „unbekannte Menge Cannabisprodukte“, zum Kauf angeboten;

(A I) am 17. Jänner 2015 im einverständlichen Zusammenwirken mit weiteren Angeklagten in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich „ca 518 Gramm“ Kokain (mit einer Reinsubstanz an Cocain von mehr als 225 Gramm) überlassen.

Über die gegen dieses Urteil erhobene Berufung des Angeklagten K***** wurde bislang nicht entschieden; eine von ihm angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde (ON 51) wurde zurückgezogen (ON 65 S 3 verso). Die übrigen Aussprüche über die Schuld und die Strafe (betreffend die weiteren Angeklagten) erwuchsen unbekämpft in Rechtskraft.

In ihrer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes bringt die Generalprokuratur Folgendes vor:

„Die Subsumtion des Anbietens von mehr als 500 Gramm Kokain brutto sowie einer unbekannten Menge Cannabisprodukte an einen verdeckten Ermittler unter das Verbrechen nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B./) verletzt im konkreten Fall das Gesetz zum Nachteil der Angeklagten Andreas K***** und Bozidar S*****:

Beim 'Anbieten' (vierter Fall) handelt es sich zwar um eine zum 'Überlassen' oder 'Verschaffen' (fünfter oder sechster Fall) grundsätzlich kumulative Tatbestandsvariante des § 28a Abs 1 SMG, diese wird im Fall eines späteren Übertragungsvorganges in Bezug auf eine bereits vom Anbot umfasste identische Quantität desselben Suchtgiftes an jene Person, der dieses angeboten wurde, infolge stillschweigender Subsidiarität von § 28a Abs 1 fünfter oder sechster Fall SMG jedoch verdrängt (RIS Justiz RS0127080; 15 Os 53/13b).

Aus der Gesamtheit der Entscheidungsgründe ergibt sich, dass (bis auf die angebotenen Cannabisprodukte) ein Großteil des vom Schuldspruch B./ umfassten Anbots, nämlich das angebotene Kokain, 'dem verdeckten Ermittler' letztlich auch tatsächlich übergeben wurde (US 6 letzter Absatz). Insoweit liegt daher unabhängig vom abweichenden Reinheitsgehalt erkennbar sowohl Identität zwischen dem angebotenen und dem übergebenen Suchtgift als auch Identität von Übernehmer und Anbotsadressat vor, sodass das fallaktuelle Anbieten von Kokain durch dessen spätere Übergabe verdrängt wurde und es daher auch nicht Gegenstand eines gesonderten Schuldspruches wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG sein kann.

Darüber hinaus vermögen die tatrichterlichen Feststellungen auch in Ansehung des Anbots von Cannabiskraut die Annahme eines Anbietens von Suchtgift im Sinn des § 28 Abs 1 vierter Fall SMG nicht zu tragen, weil sich strafrechtlich relevantes Verhalten nach dem Suchtmittelgesetz nur auf konkrete, in der Suchtgiftverordnung oder Psychotropenverordnung erfasste Wirkstoffe bezieht, die vorliegenden Urteilsannahmen des Anbots von 'Cannabiskraut' (US 6 zweiter und vierter Absatz) und der Wissentlichkeit zu sämtlichen Tatbestandsmerkmalen (US 7 Mitte) die unabdingbaren Konstatierungen zur Wirkstoffart der tatverfangenen Substanz (15 Os 150/11i) jedoch nicht enthalten.

Der vorliegende Schuldspruch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (B./) verletzt das Gesetz in dieser Bestimmung daher in zweifacher Hinsicht.

Da sich diese Gesetzesverletzung zum Nachteil der Angeklagten Andreas K***** und Bozidar S***** auswirkte, wäre ihrem Aufzeigen gemäß § 292 letzter Satz StPO auch konkrete Wirkung zuzuerkennen.“

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

1. Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Den tatrichterlichen Feststellungen (US 6 f) kann unter Heranziehung des Urteilstenors (US 1 f) zu deren Verdeutlichung (RIS Justiz RS0114639) entnommen werden, dass K***** und S***** einem Dritten 400 Gramm Cocain (500 Gramm Kokain mit 80%igem Reinsubstanzgehalt) anboten (B) und später in Umsetzung des damit begonnenen Übertragungsvorgangs derselben Person mehr als 225 Gramm ebensolchen Suchtgifts überließen (A I; vgl US 6: „mit dem Suchtgift“). Es übersteigt daher rechtlich gesehen die angebotene Suchtgiftquantität das Fünfundzwanzigfache, der überlassene Teil derselben aber (bloß) das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) an Kokain-Reinsubstanz (15 Gramm).

Nach der Rechtsprechung verdrängt worauf die Generalprokuratur zutreffend hinweist ein „Überlassen oder Verschaffen“ von Suchtgift ein zuvor erfolgtes „Anbieten“ (zu dieser Tathandlung RIS Justiz RS0125860; ohne Abstützung auf das Gesetz, ja gegen die Intention des Gesetzgebers [EBRV SMG Novelle 2007 301 BlgNR 23. GP 10, dazu eingehend 15 Os 5/10i] differenzierend Schwaighofer in WK 2 SMG § 27 Rz 106), soweit beide Vorgänge auf idente Quantitäten desselben Suchtgifts gerichtet sind und der Empfänger jene Person ist, der angeboten wurde. Das „Anbieten“ stellt nämlich solcherart in Relation zum „Überlassen oder Verschaffen“ eine selbständig strafbare Vorbereitungshandlung im technischen Sinn dar, die sich in der Vorbereitung des dann versuchten oder vollendeten Delikts erschöpft, womit insoweit der Scheinkonkurrenztypus der stillschweigenden Subsidiarität vorliegt. Somit ergibt sich in Bezug auf die Weitergabe von Suchtgift eine Subsidiaritätskette zwischen den Tatbeständen des § 28 Abs 1 SMG, des § 28a Abs 1 vierter Fall SMG und des § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall SMG (RIS Justiz RS0127080).

Dies bedeutet jedoch nichts anderes, als dass (ein oder mehrere) Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG unter den genannten Voraussetzungen ebenso viele Verbrechen nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG verdrängen (vgl 13 Os 131/11f).

Stehen allerdings unterschiedliche Qualifikationen dieser Tatbestände in Rede, ist jeweils gesondert zu prüfen, ob die zusammentreffenden strafbaren Handlungen nach ihrem abstrakten Verhältnis zueinander unzweifelhaft erkennen lassen, dass eine davon nur begründet sein soll, wenn nicht eine andere begründet ist (zu diesem Kriterium Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 31 Rz 36 f; RIS Justiz RS0113812). Auch Vorbereitungsdelikte (im technischen Sinn; gemeint sind rechtliche Kategorien) treten gegenüber tauglichem Versuch und Vollendung nur dann als (materiell) subsidiär zurück, wenn sich das Vorbereitungsdelikt in der Vorbereitung der anderen Tat erschöpft ( Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 31 Rz 44; RIS Justiz RS0090566).

Dies trifft auf § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG im Verhältnis zu § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG gerade nicht zu. Denn das im Übrigen einem deutlich höheren Strafsatz unterliegende (vgl Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 31 Rz 40) „Anbieten“ einer das Fünfundzwanzig fache der Grenzmenge übersteigenden Menge Suchtgift erschöpft sich keineswegs in der Vorbereitung des „Überlassens“ einer (bloß) das Fünfzehn fache der Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftquantität.

Umgekehrt ist das spätere „Überlassen“ einer geringeren als der zuvor angebotenen Menge Suchtgift keine straflose (besser „mitbestrafte“) Nachtat des vorangegangenen (bloßen) „Anbietens“, weil damit ein über dieses hinausreichender Schaden bewirkt wird (dazu RIS Justiz RS0118182, RS0124023). Insoweit kommt daher der Scheinkonkurrenztypus der Konsumtion nicht in Betracht (vgl zum Verhältnis zwischen § 28 Abs 1 SMG und § 27 Abs 1 Z 1 SMG RIS Justiz RS0113820 Punkt 2. und 4.).

Andere Formen von Scheinkonkurrenz (zu diesem Begriffsfeld Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 31 Rz 26 ff) sind in der vorliegenden Konstellation nicht indiziert. Hat daher der Täter einem anderen von seiner Willensausrichtung erfasst zunächst eine das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigende Suchtgiftquantität angeboten und in der Folge (derselben Person) eine bloß das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigende Teilmenge davon überlassen, verantwortet er demnach entgegen der Auffassung der Generalprokuratur § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG in echter Konkurrenz.

Dem weiteren Beschwerdevorbringen ist insoweit beizupflichten, als das im Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zu Schuldspruch B erwähnte (US 2) und in den Urteilsgründen festgestellte (US 6) Anbieten von „ Cannabis für sich genommen eine rechtliche Unterstellung als (auch nur irgendeine) strafbare Handlung nach dem Suchtmittelgesetz nicht zuließe, weil Konstatierungen zur Beschaffenheit, also zur Wirkstoffart und -menge dieser tatverfangenen Substanz (RIS Justiz RS0114428 [T1]) gänzlich fehlen. Allein da die (zu B) angebotene Menge an Kokain bereits ein Fünfundzwanzigfaches der Grenzmenge überschreitet, trägt das Feststellungssubstrat (nach dem oben Gesagten) in objektiver Hinsicht ohnedies die Annahme eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG.

Die von der Generalprokuratur relevierten Gesetzesverletzungen liegen daher nicht vor, sodass ihre zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

2. Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz, 292 StPO), dass dem angefochtenen Urteil in seinen Schuldsprüchen B ein von der Generalprokuratur nicht geltend gemachter Rechtsfehler mangels Feststellungen anhaftet. Die dazu getroffenen Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite, es liege „Wissentlichkeit der Angeklagten in Bezug auf sämtliche Tatbestandsmerkmale“ „des § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG“ vor (US 7), bleiben nämlich ganz ohne Sachverhaltsbezug (RIS Justiz RS0119090).

Die darin begründete materielle Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) gereicht dem Angeklagten K***** und dem Verurteilten S***** zum Nachteil; sie war daher auf im Spruch ersichtliche Weise von Amts wegen wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0096667; Ratz , WK StPO § 292 Rz 39).

Da der S***** betreffende Strafausspruch bereits in Rechtskraft erwachsen und damit (in Ansehung der ihm gewährten bedingten Strafnachsicht) der Lauf der Probezeit bereits in Gang gesetzt worden war, wird deren Beginn mit lediglich deklarativer Wirkung ( Ratz , WK StPO § 290 Rz 55) mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des ursprünglichen Strafausspruchs festzuhalten sein (vgl RIS Justiz RS0092039).

Rechtssätze
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