JudikaturBFG

RV/4100107/2022 – BFG Entscheidung

Entscheidung
04. August 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Volker Mayer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Ungarn, über die Beschwerde vom 19. Mai 2021 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 28. April 2021 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***Bf1-StrNr*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom 28. April 2021 wurde von der belangten Behörde der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 erlassen.

Mit Beschwerde vom 19.05.2021 wurde von der beschwerdeführenden Partei das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) des Jahres 2020 erhoben.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass Herr ***Name*** im Jahr 2012 eine ungarische Staatsbürgerin geheiratet hätte und im selben Jahr nach Ungarn gezogen sei, somit seinen Lebensmittelpunkt nach Ungarn verlagert hätte. Aus den Art. 17 und Art. 18 des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit Ungarn lasse sich entnehmen, dass prinzipiell Ruhegehälter aus früheren Dienstverhältnissen im Ansässigkeitsstaat (also Ungarn) zu besteuern wären. Nach Art. 18 des genannten Doppelbeteuerungsabkommens ergäbe sich, dass jedoch der Staat, der die Ruhebezüge auszahle, das Besteuerungsrecht habe, wenn die Vergütungen an eine natürliche Person gezahlt werden, die für diesem Staat oder eine Gebietskörperschaft (des Staates) in Ausübung öffentlicher Funktionen Dienste erbracht habe. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) lege das Tatbestandsmerkmal "Ausübung öffentlicher Funktionen", im Gegensatz zum VwGH, sehr weit aus. Nach Ansicht des Beschwerdeführers liege diese Auslegung nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH). Der Beschwerdeführer wäre in seiner gesamten Laufbahn ausschließlich in der Buchhaltungsabteilung des Landes ****Land**** tätig gewesen, er habe keinen einzigen Bescheid oder hoheitlichen Akt erlassen, seine Tätigkeit sei keine in Ausübung hoheitlicher Funktionen gewesen. Aus Art. 17 des DBA ergäbe sich somit, dass dem Staat Ungarn das Besteuerungsrecht an den Ruhebezügen zukäme. Der Pensionsbezug des Beschwerdeführers unterliege somit keiner Einkommensteuerpflicht in Österreich.

Durch Beschwerdevorentscheidung vom 16.07.2021 wurde die Beschwerde abgewiesen. Nach Ansicht des Finanzamtes handle es sich in Anlehnung an den Salzburger Steuerdialog 2008 bei der früheren Tätigkeit in der Landesbuchhaltung um Dienste "in Ausübung öffentlicher Funktionen" und demnach sei die Kassenstaatsregel auf die Ruhegehälter anzuwenden und im Sinne des DBA Österreich - Ungarn, Artikel 18 Absatz 1, im Kassenstaat (Österreich) zu besteuern.

Im Vorlageantrag vom 28.07.2021 begehrte die beschwerdeführende Partei die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht und führte im Wesentlichen aus wie in der Beschwerde.

Im Vorlagebericht vom 02.03.2022 amplifizierte die belangte Behörde wie folgt: Laut ZMR-Abfrage (Zentrales Melderegister) vom 09.02.2022 sei die beschwerdeführende Partei in der Zeit vom 31.07.2012 bis 14.05.2020 an der Adresse ****Adresse**** , Österreich mit Hauptwohnsitz polizeilich gemeldet gewesen. Im Zeitraum vom 15.05.2020 bis 25.03.2021 schiene eine inländische Meldeadresse nicht auf. Seit 26.03.2021 sei der Beschwerdeführer wieder an derselben Adresse mit Nebenwohnsitz gemeldet. Die Liegenschaft an dieser Adresse stehe seit dem Jahr 2000 im Eigentum des Herrn ***Name***. Neben Herrn ***Name*** seien an dieser Adresse auch die Eltern der beschwerdeführenden Partei gemeldet. Für das Finanzamt liege es daher auf der Hand, dass Herr ***Name*** durchgehend (auch in der Zeit, in der er laut ZMR nicht gemeldet war) bis dato eine Wohnung in Österreich hatte, die er zu jeder Zeit benutzen konnte. Der Beschwerdeführer besitze aktuell außerdem ein österreichisches Bankkonto (auf welches zuletzt die Gutschrift aus der Arbeitnehmerveranlagung 2020 antragsgemäß überwiesen worden sei) und eine österreichische Handynummer. Aus der ressortinternen KFZ-Datenbank sei weiters ersichtlich, dass auf den Namen des Beschwerdeführers nach wie vor ein KFZ mit dem Kennzeichen ****Kennzeichen**** zugelassen sei. In sämtlichen Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung der Jahr 2013 bis 2019 habe der Beschwerdeführer außerdem seine österreichische Wohnadresse angeführt. Erst in der am 29.03.2021 eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 habe er eine ungarische Adresse angegeben. In keiner dieser Erklärungen bis auf jene zur Arbeitnehmerveranlagung des Jahres 2016 habe er angeführt, dass er verheiratet sei. Nur in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung des Jahres 2016 gab er an, seit tt.06.2012 verheiratet zu sein, ohne aber die Daten der Ehegattin anzuführen. In den Erklärungen der Jahre 2013 und 2014 habe er unter dem Punkt Personenstand die Auswahl "dauernd getrennt lebend" angekreuzt. Des Weiteren habe der Beschwerdeführer weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag den Namen der Ehegattin angeführt oder eine Heiratsurkunde übermittelt. Bis dato habe der Beschwerdeführer zum Nachweis seiner Ansässigkeit in Ungarn nur eine Ansässigkeitsbescheinigung aus Ungarn datiert mit 20.05.2020 vorgelegt. Dieser Bescheinigung sei nicht zu entnehmen, für welchen Zeitraum diese Gültigkeit habe und wann die Ansässigkeit nach Ungarn verlegt worden sei. Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts habe der Beschwerdeführer nach Ansicht des Finanzamts nicht nachgewiesen, dass er im gegenständlichen Zeitraum in Ungarn ansässig gewesen sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Beschwerdezeitraum nicht nur eine jederzeit nutzbare Wohnung, sondern auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich hatte. Unabhängig davon, ob die Pension des Beschwerdeführers aufgrund seiner Tätigkeit unter Art. 17 oder Art. 18 des Doppelbesteuerungsabkommens zu subsumieren sei, habe daher Österreich als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht. Welche Tätigkeiten er konkret während seiner gesamten Berufslaufbahn ausgeübt habe, gehe aus den bisher vorliegenden Unterlagen nicht hervor, sodass nicht beurteilt werden könne, ob der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall Dienste im Sinne des Art 18. Abs. 2 des DBA erbracht habe.

Mit Vorhalt vom 13.09.2024 begehrte das Gericht von der beschwerdeführen Partei Auskünfte zum gewöhnlichen Aufenthalt, zu der von Ihr ausgeübten Tätigkeit sowie zur Besteuerung in Ungarn.

In der Vorhaltsbeantwortung vom 07.10.2024 führte die beschwerdeführende Partei aus wie in der Beschwerde und im Vorlageantrag und ergänzte grundsätzlich hierzu, dass Herr ***Name*** in Ungarn gut integriert gewesen sei, die Umbauten und Sanierungen an seinem Haus in Ungarn einen dauernden Aufenthalt bedingt hätten, dass er in seiner Wahlheimat Ungarn sich "zu Hause gefühlt" hätte, ein PKW im Jahr 2021 umgemeldet worden sei und er eine Steuerbescheinigung und eine Steueridentifikationsnummer in Ungarn gehabt hätte.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

****Name2****, geboren am tt.mm.jjjj, war österreichischer Staatsbürger. Er wurde in Österreich geboren, arbeitete beim Land ****Land**** in der Landesbuchhaltung und verfügte über einen Wohnsitz in Österreich, sowie einen Wohnsitz in Ungarn.

Er war seit tt.06.2012 mit Frau ****Name3**** verheiratet. Aus erster Ehe entstammt die Tochter ****Name 4 *****, geb. ****Datum****. Die nicht im gemeinsamen Haushalt wohnende Tochter war unterhaltsberechtigt.

Herr ***Name*** zählte zum Kreis der begünstigten Behinderten mit einem Behinderungsausmaß von 80%.

Herr ***Name*** bezog eine Beamtenpension vom Land ****Land****. Die Pension erhielt er für seine jahrelange Tätigkeit (vom 1. März 1979 bis 31. August 2012) in der Landesbuchhaltung, einer vom sonstigen Verwaltungsdienst gesonderten Abteilung des Landes ****Land****. Sein Aufgabenbereich lag im Wesentlichen in der Prüfung des Rechnungswesens des Landes und seiner Körperschaften. Zu seinem Aufgabengebiet gehörte nicht die Erlassung von Bescheiden oder anderen hoheitlichen Akten.

[...]

Auf seinem Namen waren hintereinander mehrere Kraftfahrzeuge angemeldet. Bei der Anmeldung wurde als Adresse der österreichische Wohnsitz angegeben. Er erlangt hierdurch ein österreichisches Kennzeichen. Im Jahr 2021 wurde schließlich ein Automobil auf ein ungarisches Kennzeichen umgemeldet.

Seit dem Jahr 2021 wurde Herr ***Name*** steuerlich nicht mehr in Österreich veranlagt. Laut seinem Steuerakt bestand ab dem Jahr 2020 eine beschränkte Steuerpflicht.

Laut Einantwortungsbeschluss wurde die Verlassenschaft der Witwe des Verstorbenen und Erbin Frau ****Name3****, geb. tt.mm.jjjj, wohnhaft in ****Adresse 2 ****, ****Anschrift **** , Ungarn eingeantwortet.

Das Land seiner Ansässigkeit im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich-Ungarn und der Mittelpunkt der Lebensinteressen lag im streitgegenständlichen Jahr in Ungarn.

2. Beweiswürdigung

Die persönlichen Daten des Herrn ***Name*** ergaben sich aus den Vorbringen der Parteien, den Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung und dem Steuerakt, insbesondere der Grunddatenverwaltung. Die Heirat von Herrn ***Name*** mit Frau ***Name*** ist dem übermittelten Ausdruck aus dem Hazassagi Anyakönyvi Kivonat (Auszug aus der Heiratsverzeichnis) zu entnehmen.

Die Eigentumsverhältnisse waren aus dem Grundbuch ersichtlich. Die letzte Wohnanschrift ergab sich aus dem im Verlassenschaftsverfahren erfolgten Einantwortungsbeschluss. Die Wohnanschrift in Ungarn ergab sich auch aus der vorgelegten Bescheinigung des Gemeindedirektors der Gemeinde ****Anschrift **** sowie der vorliegenden notariellen Bestätigung der Wohnanschrift durch die Notarin in Szombathely. Die österreichische Bankverbindung war aus der Arbeitnehmerveranlagung zu entnehmen.

Zur beruflichen Tätigkeit des Herrn ***Name*** war die Bestätigung des Amtes der *** Landesregierung, dass Herr ***Name*** vom 01.03.1979 bis 31.08.2012 in der Finanzbuchhaltung des Amtes der *** Landesregierung als Sachbearbeiter im gehobenen Verwaltungsdienst beschäftigt war, einschlägig.

Zum Wohnsitz in Ungarn war festzuhalten, dass das Wohnhaus in Ungarn sich zumindest in morphologischer Betrachtungsweise nach Ansicht des Gerichts in einem guten, gepflegten Zustand befindet und sich äußerlich nicht als klassischer Zweitwohnsitz, vielmehr als gediegene Wohnstätte von Ehegatten oder einer Kleinfamilie erkennbar macht. Es liegt in einer ruhigen Umgebung, welche für Pensionisten willkommen und geeignet erscheint. Aus einem Vergleich der Bildern im Jahr 2011 und 2022, die im Internet unter "google maps" aufzufinden sind, ist ein bautechnischer und ästhetischer Fortschritt ersichtlich, eine Gestaltung zur dauernden Nutzung scheint für das Gericht daraus ableitbar. Während es im Jahr 2011 noch als sanierungsbedürftiger Rohbau erscheint, befindet es sich im Jahr 2022 im durchwegs schönen und ingeniös hergerichteten Zustande. Es erscheint ersichtlich, dass es mit viel Liebe hergerichtet worden ist.

Wie hierzu auch der glaubhaften Aussage der Witwe zu entnehmen ist, haben der Umbau des Hauses und die Sanierungsarbeiten Zeit in Anspruch genommen und wurden von Herrn ***Name*** mit großem Engagement betrieben. Frau ***Name*** führte weiter aus, dass sie jeden Tag miteinander verbracht haben, was bei einer Gestaltung eines gemeinsamen Wohnhauses nachvollziehbar ist.

Da Frau ***Name*** in ihrer Vorhaltsbeantwortung explizit auch die Beziehungen zu den Eltern, deren Gebrechlichkeit und die große Anzahl von Besuchen bei den Eltern, sowie das Haus in ****Land**** erwähnt, erscheinen ihre Aussagen dem Gericht sehr glaubwürdig. Sie führt auch aus, dass sie zumindest monatlich in ****Land**** waren.

Weiters war die Scheidung von Herrn ***Name*** und die Tatsache, dass seine Tochter bereits volljährig war, zu berücksichtigen. Als engster emotionaler Anknüpfungspunkt scheint dem Gericht nach der Hochzeit die Ehefrau zu sein. Es erscheint dem Gericht naheliegend, dass die Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt bezogen und hierfür das zu adaptierende Wohnhaus in Ungarn wählten.

Die Ummeldung seines Automobils als auch die Erklärung natürlicher Personen zum Zwecke der DBA-Quellensteuerentlastung, nach der kein Wohnsitz mehr in Österreich gegeben ist, lassen für das Gericht die Feststellung zu, dass Herr ***Name*** im Jahr 2020 bereits den Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Ungarn verlegt hatte.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Zum Mittelpunkt der Lebensinteressen

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Beurteilung der Frage, in welchem Staat ein Steuerpflichtiger den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, im Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtabwägung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu ermitteln und hängt damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab (VwGH 21.04.2020, Ro 2017/13/0014 mwN.).

Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (vgl. etwa VwGH 25.07.2013, 2011/15/0193; VwGH 15.09.2016, Ra 2016/15/0057; VwGH 17.10.2017, Ra 2016/15/0008).

Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. wiederum VwGH 15.09.2016, Ra 2016/15/0057; VwGH 17.10.2017, Ra 2016/15/0008).

Wie ausgeführt, waren Herr und Frau ***Name*** seit 2012 verheiratet.

Die Ehe ist nach § 44 ABGB ein Vertrag, mit dem zwei Personen gesetzmäßig ihren Willen erklären, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen, und sich gegenseitigen Beistand zu leisten. Gemäß § 90 Abs. 1 ABGB sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. Wegen der Verpflichtung zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, insbesondere zum gemeinsamen Wohnen, steht dem über die Ehewohnung nicht verfügungsberechtigten Eheteil bei aufrechter Ehe ein aus dem familienrechtlichen Verhältnis abgeleitetes Mitbenützungsrecht zu.

Das österreichische Zivilrecht geht somit davon aus, dass verheiratete Personen gemeinsam an einem Ort wohnen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen haben.

Auch der EuGH sieht, wenn eine Gesamtwürdigung eine Ortsbestimmung nicht zulässt, in den persönlichen Bindungen den entscheidenden Faktor zur Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen (SWK 34, Dezember 2001, Seite R 118)

Wie ausgeführt, geht das erkennende Gericht davon aus, dass die Ehegatten gemeinsam in Ungarn gelebt haben und hier ihre eheliche Lebensgemeinschaft geführt haben, weshalb der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Ungarn gelegen ist.

Zum innerstaatlichen Recht

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf die gesamten in- und ausländischen Einkünfte.

Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Den gewöhnlichen Aufenthalt hat gemäß § 26 Abs. 2 BAO jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt.

Steuerrechtlich ist das Bestehen eines Wohnsitzes stets an die objektive Voraussetzung der Innehabung einer Wohnung geknüpft. Innehaben bedeutet nach den von Judikatur und Lehre entwickelten Grundsätzen, über eine Wohnung tatsächlich oder rechtlich zu verfügen, diese also jederzeit für den eigenen Wohnbedarf benützen zu können (VwGH 16.9.1992, 90/13/0299; VwGH 26.11.1991, 91/14/0041). Maßgeblich ist die tatsächliche Gestaltung der Lebensumstände. Um einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften zu begründen, bedarf es daher nur der tatsächlichen Verfügungsgewalt über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung in den persönlichen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (vgl. ständige Rechtsprechung des VwGH, etwa vom 16.11.1991, 91/14/0041, vom 16.9.1992, 90/13/0299, vom 24.1.1996, 95/13/0150 und vom 3.7.2003, 99/15/0104).

Bei aufrechter Ehe kann davon ausgegangen werden, dass Ehegatten einen gemeinsamen Wohnsitz dort haben, wo die Familie wohnt (vgl. VwGH 11.12.1978, 2019/78).

Zum Doppelbesteuerungsabkommen Österreich-Ungarn

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sind Bestandteile des österreichischen Rechts (VwGH 30.4.64, 0880/62).

Das hier einschlägige Doppelbesteuerungsabkommen ist das Abkommen zwischen Österreich und Ungarn aus dem Jahre 1976 (BGBl 52/1976).

Zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Ungarischen Volksrepublik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen, Ertrag und vom Vermögen StF: BGBl. Nr. 52/1976 (NR: GP XIII RV 1535 AB 1667 S. 150. BR: AB 1409 S. 344.) ist auszuführen:

Dieses Abkommen folgt den Regelungen des OECD-Musterabkommens aus dem Jahr 1963.

Artikel 4 dieses Abkommens bestimmt wie folgt:

(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist.

(2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragstaaten ansässig, so gilt folgendes: a) die Person gilt als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, zu dem sie die engeren familiären und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). b) Kann nicht bestimmt werden, in welchem Vertragstaat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Nach Artikel 17 dürfen- vorbehaltlich des Artikels 18 Absatz 1- Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Arbeit gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.

Artikel 18 bestimmt hierzu:

(1) Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die von einem Vertragstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft in Ausübung öffentlicher Funktionen erbrachten Dienste gezahlt werden, dürfen in diesem Staat besteuert werden.

(2) Auf Vergütungen oder Ruhegehälter für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit eines der Vertragstaaten oder einer seiner Gebietskörperschaften erbracht werden, finden die Artikel 15, 16 und 17 Anwendung.

Für die Beurteilung der Besteuerungshoheit ist somit im vorliegenden Fall relevant, wie die Formulierung "in Ausübung öffentlicher Funktionen" zu verstehen ist.

Hierzu ist festzuhalten:

Das BMF legt das Tatbestandselement "Ausübung öffentlicher Funktionen" nicht so eng aus wie der VwGH. (siehe hierzu auch Erlass des BMF vom 15.12.2008, BMF-010221/3364-IV/4/2008 gültig ab 15.12.2008 "Zweifelsfragen zum Außensteuerrecht und Internationalen Steuerrecht 2008")

Das DBA Österreich-Ungarn basiert noch auf dem OECD-Musterabkommen aus dem Jahr 1963. Dieses enthielt noch das Erfordernis, dass die Dienste seinerzeit "in Ausübung öffentlicher Funktionen" geleistet worden sind. Enthält ein DBA diese Formulierung, ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts der Anwendungsbereich der Norm im Vergleich zur heutigen Fassung eingeschränkt. Auch der Verwaltungsgerichtshof führt aus, dass der Begriff der "öffentlichen Funktion" an die Tätigkeit des betreffenden Dienstnehmers anknüpft, nicht (allein) an den Aufgabenbereich der betreffenden Einrichtung (VwGH 17.10.2007 2007/13/0088, 19.9.2007. 2007/13/0080).

Nach dieser Rechtsprechung nimmt der Begriff auf jene Dienstnehmer Bezug, die als Organe bei der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse und Aufgaben tätig werden, und knüpft damit an die Tätigkeit des betreffenden Dienstnehmers und nicht auf den Aufgabenbereich der betreffenden Einrichtung an. Werden Dienste in "Ausübung öffentlicher Funktionen' erbracht, ist daher nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse und Aufgaben und konkret auf die Erlassung individueller Verwaltungsakte (Bescheide) Bezug zu nehmen.

Die dem Gericht vorgelegten Beweismittel und Informationen lassen nicht darauf schließen, dass Herr ***Name*** Bescheide oder andere Hoheitsakte erlassen oder hierbei mitgewirkt hat.

Auch die notabene etwas kurz und prägnant gehaltenen Bestätigung des Amtes der *** Landesregierung, wonach Herr ***Name*** in der Finanzbuchhaltung als Sachbearbeiter im gehobenen Verwaltungsdienst gearbeitet hat, lässt nicht auf ein Aufgabengebiet, welches die Erlassung von Bescheiden beinhaltet, schließen.

Zur BAO

Laut § 167 BAO haben die Abgabenbehörden (bzw. das Bundesfinanzgericht) nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es , von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 23.9.2010,2010/15/0078).

Nach § 269 BAO haben im Beschwerdeverfahren die Verwaltungsgerichte die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind.

Gemäß § 279 BAO hat außer in den Fällen des § 278 BAO das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Für den Fall ergibt sich daraus:

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen und Ansässigkeit im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens Österreich-Ungarn war im Jahr 2020 als in Ungarn gelegen festzustellen.

Eine Steuerpflicht in Österreich lag im streitgegenständlichen Jahr nicht mehr vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Auf die Möglichkeit, einen Antrag auf Rückzahlung/Erstattung der österreichischen Lohnsteuer für nicht selbständige Arbeit zu stellen, wird ergänzend hingewiesen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Bei der Frage, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der beschwerdeführenden Partei befindet, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage, sondern um eine Tatsachenfrage, die nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beantworten ist.

In diesem Zusammenhang soll auch noch amplifiziert werden, dass die Beweiswürdigung des Gerichts nur insofern der Kontrolle des VwGH zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (zB VwGH 9.9.2013, 2010/17/0268; 13.12.2013, 2009/13/0230; 24.3.2016, 2013/17/0912; 23.1.2020, Ra 2019/15/0099; 10.5.2021, Ra 2021/15/0031; 10.5.2022, Ra 2022/15/0033), also ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut (zB VwGH 23.1.2020, Ra 2019/15/0099; 4.8.2022, Ra 2022/13/0070; 2.9.2022, Ra 2022/13/0057; 28.12.2022, Ra 2020/13/0014; 14.2.2023, Ra 2020/13/0007) bzw den Erfahrungen des täglichen Lebens (VwGH 27.1.1998, 93/14/0181; 29.10.1998, 98/16/0134; 5.4.2011, 2010/16/0168) entsprechen.

Ob die Beweiswürdigung materiell richtig ist, dh ob sie mit der objektiven Wahrheit übereinstimmt, entzieht sich der Überprüfung durch den Gerichtshof (zB VwGH 17.12.2009, 2009/16/0197; 27.4.2011, 2007/13/0134; 23.5.2012, 2017/17/0057; 30.10.2014, 2011/15/0140; 4.8.2022, Ra 2022/13/0070). Der VwGH prüft die Beweiswürdigung somit nur auf ihre Schlüssigkeit (zB VwGH 26.5.2011, 2011/16/0011; 9.11.2011, 2009/16/0187; 23.1.2013, 2009/15/0017; 21.2.2013, 2009/13/0258; 21.9.2016, 2013/17/0610).

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (iSd Art 133 Abs 4 B-VG) liegt in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hat (zB VwGH 19.12.2018, Ra 2017/15/0072; 10.5.2021, Ra 2021/15/0031; 10.5.2022, Ra 2022/15/0033).

Bei Überprüfung der Beweiswürdigung kommt es nicht darauf an, ob jeder einzelne Denkvorgang schlüssig und mit menschlichem Erfahrungsgut vereinbar ist. Diesem Erfordernis muss lediglich das Ergebnis der Beweisaufnahme entsprechen (VwGH 15.7.1998, 93/13/0297).

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Entscheidungswesentlich waren die in freier Beweiswürdigung vorgenommenen Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes, insbesondere die Frage, wo der Beschwerdeführer im beschwerdegegenständlichen Zeitraum seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen hatte. Die aufgetretenen Rechtsfragen wurden im Einklang mit der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung gelöst. Eine ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am 4. August 2025