Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27. Dezember 2024, I425 2301006 1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Partei: M T, in 6235 Reith im Alpbachtal, Bischofsbrunn 2), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 13. Dezember 2022 nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 28. August 2024 ab, erteilte dem Mitbeteiligten keinen Aufenthaltstitel besonderer Schutz nach § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Dagegen erhob der Mitbeteiligte mit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gesendeten E-Mail vom 4. Oktober 2024 Beschwerde.
4 Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2024 stellte der Mitbeteiligte weiters einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 28. August 2024.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten statt und erkannte ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status eines Asylberechtigten zu. Gleichzeitig stellte es fest, dass gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 dem Mitbeteiligten damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Im Abschnitt „Verfahrensgang“ des angefochtenen Erkenntnisses ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Mitbeteiligte „fristgerecht“ mit Schriftsatz vom 3. Oktober 2024 vollumfänglich Beschwerde erhoben habe.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhobene Revision, die vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet. Vom Mitbeteiligten wurde eine Revisionsbeantwortung erstattet.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat über die Revision erwogen:
9 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl macht zur Zulässigkeit der von ihm erhobenen Revision geltend, das Bundesverwaltungsgericht weiche von näher genannter Rechtsprechung ab, indem es die Unzulässigkeit der Beschwerde aufgrund der verspäteten Einbringung nicht von Amts wegen wahrgenommen habe, sondern inhaltlich über den Asylantrag, über den bereits rechtskräftig entschieden gewesen sei, abgesprochen habe.
10 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch berechtigt.
11 Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
12 Gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde wegen Rechtswidrigkeit vier Wochen. Sie beginnt gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung zu laufen. Ein Fall des § 16 Abs. 1 BFA Verfahrensgesetz liegt hier nicht vor.
13 Die Außerachtlassung der verspäteten Einbringung eines Rechtmittels betrifft tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes und die Rechtssicherheit, weil eine in Rechtskraft erwachsene Entscheidung der inhaltlichen Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde nach § 28 VwGVG entgegensteht (vgl. VwGH 5.9.2024, Ra 2024/09/0025, mit Verweisen auf VwGH 20.9.2023, Ra 2023/09/0129 und 24.3.2015, Ra 2015/09/0011).
14 Der im Verwaltungsakt erliegenden Verständigung von der Hinterlegung des mit 28. August 2024 datierten Bescheides ist das Datum der erfolgten Hinterlegung mit 4. September 2024 und als Beginn der Abholfrist der 5. September 2024 zu entnehmen. Demgegenüber ging das Beschwerdevorbringen von einer Zustellung am 9. September 2024 (Anmerkung: Datum der eigenhändigen Übernahme durch Ausfolgung) aus.
15 Das Verwaltungsgericht hätte schon aufgrund dieser Indizien und der Kenntnis von einem vom Mitbeteiligten bereits eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Zweifel an der Rechtzeitigkeit der mit 4. Oktober 2024 per E Mail eingebrachten Beschwerde hegen und von Amts wegen vor einem Eingehen in die Sache Ermittlungen zum Zustellzeitpunkt durchführen müssen. Zu diesen wären sodann Feststellungen zu treffen gewesen.
16 Indem das Verwaltungsgericht hiezu jedoch ohne nähere Feststellungen und Erwägungen in seinem Erkenntnis bei der Wiedergabe des Verfahrensgangs lediglich ausführte, der Beschwerdeführer habe „fristgerecht“ Beschwerde erhoben, trotz offenkundiger Hinweise auf eine mögliche Verspätung kein Verfahren zur Prüfung der Rechtzeitigkeit durchführte und keine Feststellungen im Zusammenhang mit der Rechtzeitigkeit der Beschwerde traf, sondern dessen ungeachtet in der Sache selbst entschied, belastete es seine Entscheidung mit einem sekundären Feststellungsmangel.
17 Der Mitbeteiligte bringt in der Revisionsbeantwortung vor, das Bundesverwaltungsgericht habe mit Beschluss vom 21. November 2024 das Beschwerdeverfahren und das Verfahren auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Er vertritt die Ansicht, dass durch den inhaltlichen Abspruch über die Beschwerde durch Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten an den Mitbeteiligten „implizit auch über den Wiedereinsetzungsantrag positiv abgesprochen“ worden sei. Dazu ist festzuhalten, dass dem Verhandlungsprotokoll und dem angefochtenen Erkenntnis keinerlei wie immer gearteten Ausführungen zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entnehmen sind. Dieser Antrag wird seitens des Verwaltungsgerichtes nicht einmal erwähnt. Eine wie der Mitbeteiligte meint „implizit“ über diesen Antrag vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Entscheidung liegt nicht vor. Der das angefochtene Erkenntnis fällende Richter hat im Vorlagebericht zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof mitgeteilt, dass der seitens des Mitbeteiligten zwischenzeitig gestellte Wiedereinsetzungsantrag dem Bundesamt für Fremdenwesen rückübermittelt und im Zuge des weiteren Verfahrens inhaltlich nicht mehr adäquat berücksichtigt worden sei. Es ist weder aus dem Akt ersichtlich noch wird vom Mitbeteiligten behauptet, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Rahmen einer in der dafür vorgesehenen Form getroffenen Entscheidung zudem: vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses bewilligt worden wäre.
18 Das angefochtene Erkenntnis leidet daher an Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
19 Aufgrund dieses Ergebnisses war dem Mitbeteiligten gemäß § 47 Abs. 3 VwGG kein Aufwandersatz für die Erstattung der Revisionsbeantwortung zuzusprechen.
Wien, am 5. März 2025