JudikaturVwGH

Ra 2022/10/0095 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. September 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision des Fonds Soziales Wien in Wien, vertreten durch die Rudeck Schlager Rechtsanwalts KG in 1080 Wien, Piaristengasse 19, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 31. Jänner 2022, Zl. VGW 141/043/1240/2021 9, betreffend Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: I B in W, vertreten durch Mathias Pretzl, BA, als gerichtlicher Erwachsenenvertreter in W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. November 2020 wurde die mitbeteiligte Partei über Antrag des revisionswerbenden Fonds „als Empfängerin der Hilfe (Pflege)“ dazu verpflichtet, für jeweils näher genannte Zeiträume vom 1. Oktober 2018 bis zum 31. Dezember 2019 eigene Mittel aus dem Einkommen in jeweils näher genannter Höhe „einzusetzen“. Als Rechtsgrundlagen wurden dazu die §§ 8, 10, 11 Abs. 1 Z 2, 15, 34 Abs. 3 Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG) angeführt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 31. Jänner 2022 wurde einer dagegen von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde dahin Folge gegeben, dass der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben wurde. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, aus dem Wortlaut des § 37 Abs. 2a WSHG ergebe sich klar und eindeutig, dass der Fonds Soziales Wien den Antrag auf Pflegegewährung als Träger von Privatrechten erledige und nur der Antragsteller, der diese Erledigung nicht anerkenne, einen Antrag auf Bescheiderlassung stellen könne. Dies werde auch durch die Materialien zur Novelle LGBl. Nr. 59/2006 bestätigt. Die Bescheiderlassung könne daher nur der Antragsteller begehren, der mit der Erledigung des Trägers der Sozialhilfe nach § 34 Abs. 3 WSHG nicht einverstanden sei. Dem Träger der Sozialhilfe stehe kein Antragsrecht bezüglich Bescheiderlassung zu, auch ein amtswegiges Vorgehen scheide durch die Normierung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes aus. Da im Revisionsfall kein Antrag der mitbeteiligten Partei, sondern ein solcher des nicht antragslegitimierten revisionswerbenden Fonds vorliege, habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid antragslos erlassen und damit mit Rechtswidrigkeit belastet. Dieser sei daher spruchgemäß zu beheben gewesen.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 18.5.2022, Ra 2022/10/0017; 24.2.2022, Ra 2021/10/0029; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 31.7.2020, Ra 2020/10/0073; 4.5.2020, Ra 2019/10/0200; 30.3.2020, Ra 2019/10/0180 182, 0187).

8 Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 24.2.2022, Ra 2021/10/0029; 24.2.2022, Ra 2021/10/0194; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081).

9 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, die angefochtene Entscheidung weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab und stehe „zu der Bestimmung des § 30 Abs. 1 WSHG in Widerspruch“. Das WSHG sehe in § 30 Abs. 1 ausdrücklich die Legitimation des Fonds Soziales Wien, „Ersatzansprüche gemäß § 26 Abs 1 gegenüber dem Empfänger der Hilfeleistung geltend zu machen“, vor. Wenn das Verwaltungsgericht dennoch die Antragslegitimation des revisionswerbenden Fonds verneine, sei ihm eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die die Zulässigkeit der Revision begründe. Das Verwaltungsgericht sei auch von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 22.10.2019, Ro 2018/10/0044; 16.10.2006, 2003/10/0201; 7.6.2000, 98/03/0349) abgewichen, in der der Verwaltungsgerichtshof „einen Ersatzanspruch nach § 26 Abs 1 WSHG iVm § 10 WSHG und eine Antragslegitimation und Parteistellung des Trägers der Sozialhilfe“ bejaht habe.

10 Mit diesen Zulässigkeitsausführungen wird allerdings nicht dargelegt, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte, wurde mit dem vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheid doch wie sich aus dessen Spruch und Begründung zweifelsfrei ergibt kein Kostenersatz gemäß § 26 Abs. 1 WSHG auferlegt, sondern unter Berufung auf die §§ 8, 10, 11 Abs. 1 Z 2, 15, 34 Abs. 3 WSHG der „Einsatz eigener Mittel für die monatlich zu erbringende Pflege“ vorgeschrieben. Ausführungen dazu, dass entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes aus § 37 Abs. 2a WSHG eine Antragslegitimation des revisionswerbenden Fonds betreffend Bescheiderlassung abzuleiten wäre, enthalten die Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden Revision nicht. Diese enthalten auch keinerlei Ausführungen dazu, der vor dem Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid sei als ein auf § 26 Abs. 1 WSHG gestützter Kostenersatzbescheid anzusehen gewesen (vgl. im Übrigen zur Unzulässigkeit einer „rückwirkenden Kostenbeitragsvorschreibung“ aus dem seinerzeitigen Einkommen in einem Kostenersatzverfahren nach § 26 Abs. 1 Z 1 WSHG bereits VwGH 28.5.2019, Ro 2019/10/0002).

11 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. September 2022

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