JudikaturVwGH

Ra 2024/10/0165 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. Ing. F J und 2. A J, beide in S und vertreten durch Nenning Tockner Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 26. Juli 2024, Zl. KLVwG 754 755/11/2023, betreffend eine naturschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 26. Juli 2024 wurde den revisionswerbenden Parteien die nachträglich beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Waldkapelle und eines Hühnerstalls mit Bienenhütte auf einem näher genannten Grundstück in der KG B. nicht erteilt und diesen zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes aufgetragen, bis längstens 30. Juni 2025 die ohne naturschutzrechtliche Genehmigung errichtete Waldkapelle und den Hühnerstall mit Bienenhütte samt Zufahrt, Trittstufen etc. zu entfernen, das ursprüngliche Gelände wiederherzustellen und eine Fläche von 650 m 2 laut einem näher genannten Lageplan mit insgesamt 217 Pflanzen (66 Rotbuchen, 66 Hainbuchen, 65 Weißkiefern und 20 anderen standortgerechten Arten wie Manneresche, Hopfenbuche oder Felsenbirne) auf näher genannte Art aufzuforsten sowie solange zu pflegen und bei Ausfällen mit Pflanzen nachzubessern, bis sich ein Anwuchserfolg eingestellt habe. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

2 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 3. Oktober 2024, E 3486/2024 7, deren Behandlung ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG zur Entscheidung abtrat.

3Die vorliegende, innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG erhobene außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 13.9.2023, Ra 2023/10/0063; 3.3.2023, Ra 2022/10/0094; 28.10.2022, Ra 2022/10/0135). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 14.10.2022, Ra 2022/10/0122; 29.9.2022, Ra 2022/10/0095; 31.7.2020, Ra 2020/10/0073).

8 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zur Rechtsfrage, inwieweit bei gemeinsam verhandelten Verfahren verschiedene Bewilligungen bzw. Genehmigungen widersprüchlich bzw. völlig konträr beurteilt werden können“. Dazu bringen die revisionswerbenden Parteien im Wesentlichen vor, dass im vom Verwaltungsgericht gemeinsam geführten forstrechtlichen und naturschutzrechtlichen Verfahren „eine Rodungsbewilligung letztendlich erteilt“ worden sei, wogegen „die negative naturschutzrechtliche Einschätzung dazu völlig konträr aufrecht“ geblieben sei. Es liege „die unschlüssige Situation vor, dass ein bewilligtermaßen gerodeter Wald vom naturschutzrechtlichen Sachverständigen dennoch als zu schützender thermophiler Kalk Buchenwald eingestuft“ werde. Es sei „forstrechtlich wie ebenso in der Natur ... augenscheinlich kein Wald auf den hier gegenständlichen Grundstücken“ vorhanden, dennoch werde „sowohl auf Ebene des Naturschutz Gutachtens als auch auf Ebene des angefochtenen Erkenntnisses angenommen bzw. fingiert, es wäre gerade auf den gerodeten Stellen ein schützenswerter thermophiler Kalk Buchenwald“ vorhanden gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das Verwaltungsgericht „am selben Tag zwei Erkenntnisse“ ausstelle, wobei „in forstrechtlicher Hinsicht dem dort eingeholten Gutachten folgend der gerodete Wald als nicht schützenswert angesehen“ werde, während „für Zwecke des Naturschutzverfahrens fingiert“ werde, dass der Wald „faktisch und rechtlich vorhanden und schützenswert“ sei. Eine „derart in sich widersprüchliche Entscheidungsfindung des Verwaltungsgerichtes in einem gemeinsam geführten Verfahren“ widerspreche der Rechtseinheit und der Rechtssicherheit.

9 Mit diesen Ausführungen wird allerdings keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt: Durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist geklärt, dass gemäß dem sich aus der Regelung der Kompetenzverteilung im BVG ergebenden Kumulationsprinzip jeweils die sich aus den verschiedenen Rechtsmaterien ergebenden Anforderungen einzuhalten sind. Nach dem Kumulationsprinzip können auf einen bestimmten Sachverhalt die Bestimmungen mehrerer Verwaltungsmaterien anzuwenden sein, wenn dieser unter verschiedenen Aspekten durch mehrere Regelungen erfasst wird. In einem solchen Fall sind grundsätzlich mehrere Bewilligungen nebeneinander notwendig (vgl. VwGH 4.2.2021, Ra 2018/04/0201, mwN). Entgegen der offenbar dem oben wiedergegebenen Vorbringen zugrundeliegenden Ansicht der revisionswerbenden Parteien begegnet es daher von vornherein keinen Bedenken, dass eine Bewilligung nach einer Verwaltungsmaterie erteilt, nach einer anderen hingegen versagt wird. Entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Parteien bietet § 39 Abs. 2b AVG keine Grundlage für deren Annahme, die (inhaltlichen) Entscheidungen in den verbundenen Verfahren müssten „einheitlich“ gemeint hier: jeweils stattgebend sein. Soweit mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen aber auf die nachträglich unter forstrechtlichen Gesichtspunkten bewilligte Entfernung des forstlichen Bewuchses Bezug genommen wird, genügt es nochmals darauf hinzuweisen, dass für diese Entfernung die notwendige naturschutzrechtliche Bewilligung unstrittig nicht vorlag.

10 In der Zulässigkeitsbegründung wird im Weiteren geltend gemacht, das Verwaltungsgericht weiche bei „der Beurteilung, wonach es nur darauf ankomme, ob eine Bewirtschaftung der Fläche ohne die Baulichkeit bei objektiver Betrachtung unmöglich wäre“, von den Bestimmungen des Kärntner Naturschutzgesetzes 2002 (K NSG 2002) sowie der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, sodass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege.

11 Zu diesen Ausführungen ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemachtder Revisionswerber konkret darzulegen hat, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Dabei reicht es nicht aus, bloß Rechtssätze zu verschiedenen hg. Erkenntnissen wiederzugeben oder hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl zu nennen, ohne auf konkrete Abweichungen von dieser Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. VwGH 19.2.2024, Ra 2024/10/0011; 16.11.2023, Ra 2022/10/0146; 22.8.2022, Ra 2022/10/0005, 0006). Diesen Begründungserfordernissen wird mit den oben wiedergegebenen Zulässigkeitsausführungen die keine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nennen, von der das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll nicht entsprochen. Gleiches gilt für das Zulässigkeitsvorbringen, das Verwaltungsgericht übergehe die „ständige Judikatur“, wonach „eine nachteilige Beeinflussung des Landschaftsbildes durch Vorschreibung einer der umgebenden Landschaft entsprechenden Gestaltung ausgeglichen werden“ könne.

12 In der Zulässigkeitsbegründung wird sodann ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „im Zusammenhang mit der Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes in landschaftsbildlicher Hinsicht“ (Verweis auf VwGH 19.5.2009, 2008/10/0280) sowie im Hinblick auf die Annahme einer Zersiedelung im Sinne des K NSG 2002 (Verweis auf VwGH 2.10.2007, 2006/10/0147; 14.7.2011, 2009/10/0192) behauptet. Im Kern wird in Ansehung des Versagungsgrundes der nachhaltigen Beeinträchtigung des Charakters des betroffenen Landschaftsraumes (§ 9 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 lit. a K NSG 2002) gerügt, dass sich das Verwaltungsgericht „auf lediglich punktuell und kleinsträumig angenommene Verhältnisse“ stütze und mit seiner „ausufernden Interpretation“ des Begriffs „Zersiedelung“ von der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.

13 Es wird allerdings nicht dargelegt, warum das rechtliche Schicksal der Revision von diesen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung abhängen sollte, geht das Verwaltungsgericht doch auch vom Vorliegen des Versagungsgrundes einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Gefüges des Haushaltes der Natur (§ 9 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. c K NSG 2002) aus, weil durch das Vorhaben der Bestand einer gefährdeten Biotoptype (hier: thermophiler Kalk Buchenwald) beeinträchtigt werde (angefochtenes Erkenntnis, S. 15 und 19). Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG in Ansehung dieses Versagungsgrundes werden in der allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht geltend gemacht. Die Bewilligung gemäß § 9 Abs. 1 K NSG 2002 darf aber bereits dann nicht erteilt werden, wenn auch nur einer der (alternativ) genannten Versagungstatbestände erfüllt ist (vgl. das von den revisionswerbenden Parteien genannte Erkenntnis VwGH 2.10.2007, 2006/10/0147). Es wird daher nicht konkret dargetan, warum das rechtliche Schicksal der Revision von den behaupteten Rechtsfragen in Bezug auf den Versagungsgrund der nachhaltigen Beeinträchtigung des Charakters des betroffenen Landschaftsraumes abhängen sollte.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2024