JudikaturVwGH

Ra 2017/18/0005 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des A Y alias A E alias Y alias Y H in W, vertreten durch Y I als einstweiliger Sachwalter, dieser vertreten durch Mag. Clemens Canigiani, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Josefstädter Straße 6/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 2016, Zl. W168 2124168- 1/12E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber ist ein somalischer Staatsangehöriger und stellte am 8. Oktober 2015 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Schreiben vom 18. November 2015 stimmte die zuständige italienische Behörde einer Wiederaufnahme des Revisionswerbers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) zu. Am 10. März 2016 wurde der Revisionswerber nach Italien abgeschoben.

2 Mit Bescheid vom 15. März 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 5 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Zudem wurde die Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG angeordnet. Demzufolge sei die Abschiebung nach Italien zulässig.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 15. November 2016 ab, stellte gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG fest, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 In der nun vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, dass die vom BVwG getroffenen Länderfeststellungen nicht den in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Erfordernissen - im Sinne einer "breiten Recherche" und der Notwendigkeit, "ausreichende Querschnitte von Länderberichten verschiedener Quellen" zu berücksichtigen - entsprächen. Weiters habe das BVwG keine Einzelfallprüfung vorgenommen, obwohl es genügend Anhaltspunkte gebe, dass eine erniedrigende Behandlung vorliege, da der Revisionswerber in Italien obdachlos gewesen sei und seine psychische Erkrankung erkennbar sei. Darüber hinaus sei das BVwG von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen, wonach allein die Zustimmung eines Mitgliedstaates zur Übernahme eines Asylwerbers für eine Entscheidung nach § 5 AsylG 2005 nicht ausreiche.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des BVwG gemäß § 41 VwGG auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu prüfen hat (vgl. etwa VwGH vom 8. Mai 2017, Ra 2017/18/0060, mwN). Dementsprechend entziehen sich Änderungen der Sach- und Rechtslage, die sich nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses im November 2016 ereignet haben, einer Prüfung im gegenständlichen Revisionsverfahren.

9 Das vorausgeschickt, zeigt die Revision zunächst insoweit sie sich gegen die Länderfeststellungen wendet, keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, weil das BVwG seinem Erkenntnis umfassende und aktuelle Länderberichte unterschiedlicher Quellen zugrunde legte. Ein Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist diesbezüglich nicht zu erkennen. Ebenso wenig vermag die Revision aufzuzeigen, dass das BVwG in Abweichung von der Rechtsprechung keine Einzelfallprüfung durchgeführt habe. Das BVwG beschränkt sich nämlich nicht auf generelle Aussagen zur Situation in Italien, sondern geht insbesondere auch auf den konkreten Gesundheitszustand des Revisionswerbers und auf seine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich ein. Es verneint jedoch - ausgehend von der Sachlage im Entscheidungszeitpunkt - im Einklang mit der hg. Judikatur (vgl. etwa VwGH vom 28. April 2015, Ra 2014/19/0172, vom 22. März 2017, Ro 2017/18/0001, oder vom 18. Jänner 2017, Ra 2016/18/0241) sowohl im Hinblick auf die bestehende posttraumatische Belastungsstörung bzw. schwere Depression als auch hinsichtlich des in Österreich lebenden, volljährigen Bruders eine Verletzung von Art. 3 bzw. 8 EMRK. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht zu erkennen, dass das BVwG seine Entscheidung ausschließlich auf die Zustimmung Italiens zur Wiederaufnahme des Revisionswerbers gestützt habe.

10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 27. Juni 2017

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