Spruch
W295 2267787-1/27E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Susanne PFANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch HULE BACHMYR-HEYDA NORDBERG Rechtsanwälte GmbH, Rechtsanwälte in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Vermessungsamtes XXXX vom 04.02.2022, GFN XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Der angefochtene Bescheid des Vermessungsamtes XXXX vom 04.02.2022, GFN XXXX , wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Am 07.09.2020 stellten XXXX und XXXX (in Folge: weitere Verfahrensparteien), die grundbücherlichen Miteigentümer des Grundstückes 1159/1, EZ XXXX , KG XXXX , beim Vermessungsamt XXXX (in Folge: belangte Behörde) einen Antrag auf Umwandlung in den Grenzkataster gemäß § 17 Z 1 Vermessungsgesetz (VermG). Von diesem Antrag, protokolliert als GFN XXXX , betroffen sind die angrenzenden Grundstücke 1151/1 und 1160/2, KG XXXX , die sich beide im Miteigentum bzw. im Eigentum der XXXX (in Folge: Beschwerdeführerin) befinden. Die belangte Behörde führte in der Folge zu GFN XXXX am 27.04.2021 und am 04.11.2021 Grenzverhandlungen durch.
Der verfahrensgegenständliche Bescheid des Vermessungsamtes XXXX (in Folge: belangte Behörde) vom 04.02.2022, GFN XXXX , betreffend Grundstück 1160/2, enthält folgenden Spruch: „Sie werden als Eigentümer des Grundstückes 1160/2 aufgefordert binnen sechs Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Der Gerichtsverweis bezieht sich auf den Grenzverlauf zwischen den Grundstücken 1159/1 und 1160/2, beide Katastralgemeinde XXXX (KG-Nummer XXXX ), beginnend bei Grenzpunkt 21644 (HE – Hausecke) zu Grenzpunkt 21653 (HE) und weiter bis Grenzpunkt 21645 (HE) gemäß der Skizze der Grenzverhandlung vom 04.11.2021.“
Begründend wurde ausgeführt, dass die beteiligten Eigentümer:innen sich bei der Grenzverhandlung am 04.11.2021 nicht auf einen Grenzverlauf der angeführten Grundstücke hätten einigen können. Ein gerichtliches Verfahren zur Klärung des Grenzstreites sei nicht anhängig. Die Miteigentümer des Grundstückes 1159/1 würden den Grenzverlauf gemäß den in der Grenzverhandlung vorgehaltenen Behelfen, DKM, XXXX und wie im Plan, GZ XXXX , vom 13.07.2020, Planverfasser XXXX , wie folgt dargestellt behaupten: Straßenseitig XXXX beginnend bei Grenzpunkt 21644 (HE) geradlinig zu 21653 (HE) und weiter geradlinig zu 21645 (HE). Die XXXX (in Folge: Beschwerdeführerin) als Eigentümerin des Grundstückes 1160/2 habe dem im Plan vom 13.07.2020, GZ XXXX , Planverfasser XXXX , dargestellten Grenzverlauf (geradlinige Verbindung der Grenzpunkte 21644 (HE), 21653 (HE) und 21645 (HE)) nicht zugestimmt und behaupte auch keinen anderen Grenzverlauf. Gemäß § 25 Abs. 2 VermG sei der Eigentümer, der behaupte, dass die Grenze nicht mit dem sich auf Grund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimme, aufzufordern, binnen sechs Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen.
Am 28.02.2022 erließ die belangte Behörde unter Bezugnahme auf die Grenzverhandlungen vom 26.04.2021 und 04.11.2021 einen Gerichtsverweisungsbescheid betreffend das Grundstück 1151/1, GFN XXXX . Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin als Miteigentümerin eine – hg. zu W138 2267567-1 protokollierte und mit Beschluss vom 19.04.2023 als unzulässig zurückgewiesene – Beschwerde.
Gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch HULE BACHMYR-HEYDA NORDBERG Rechtsanwälte GmbH, Rechtsanwälte in 1010 Wien, am 07.03.2022 fristgerecht Beschwerde. Sie führte im Wesentlichen aus, dass die belangte Behörde nicht auf die Eingaben des von der Beschwerdeführerin beauftragten XXXX , eingegangen sei und ausschließlich den Plan GZ XXXX vom 13.07.2020 der Entscheidung zu Grunde gelegt habe. Weiters fehle es im angefochtenen Bescheid an der notwendigen Beweiswürdigung speziell betreffend den Grenzpunkt Nr. 21653 sowie den Grenzpunkt 21644. Weiters unterlasse die belangte Behörde jede Beweiswürdigung betreffend des anlässlich der Grenzverhandlung am 27.04.2021 von der Beschwerdeführerin überreichten Fotos der Straßenfassade, das gänzlich vom derzeitigen Naturstand Pkt. 21644 abweiche. Auch fehle jede Beweiswürdigung dahingehend, dass die Feuermauer sich vom Pkt. 21646 zu Pkt. 21645 verjünge. Nicht zuletzt sei bei den Grenzverhandlungen die Lage der Grenzpunkte Nr. 21647, 21645 und 21653 nicht in der Natur vorgezeigt worden.
Mit Schreiben vom 23.02.2023 legte die belangte Behörde die Beschwerde vom 07.03.2022 samt zugehörigem Verwaltungsakt vor. Zusammengefasst führte die belangte Behörde darin aus, dass der im Plan der XXXX angegebene Punkt 21645 dem grafischen Stand des Katasters entspreche. Obwohl die Angaben von XXXX sehr glaubhaft seien, sei bei einem Streit über einen Gerichtsverweis der letzte Katasterstand heranzuziehen. Daher sei der Gerichtsverweis an die Eigentümer der Grundstücke 1151/1 und 1160/2 zu erteilen gewesen, da diese vom Katasterstand abweichende oder keine Grenzbehauptungen aufgestellt hätten.
Mit Beschwerdemitteilung vom 31.10.2023 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien des Verfahrens die Beschwerde sowie das Vorlageschreiben der belangten Behörde vom 23.02.2023 zur allfälligen Stellungnahme.
Mit Schriftsatz vom 16.11.2023 nahm die Beschwerdeführerin Stellung zum Vorlageschreiben der belangten Behörde vom 23.02.2023 und führte zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführerin in der Grenzverhandlung vom 04.11.2021 auf die E-Mails vom 23.04.2021 und 26.04.2021 und den darin im Detail beschriebenen abweichenden Grenzverlauf verwiesen habe. Die belangte Behörde habe sich mit dem Inhalt des E-Mails vom 26.04.2021 jedoch nicht beweiswürdigend auseinandergesetzt. Dass der Punkt 21645 „dem grafischen Stand des Katasters“ entspreche, sei für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar, weil die Darstellung eines Grundstückes in der amtlichen Katastralmappe ohne Darstellung von Grenzpunktnummern (mit Angaben von Koordinatenwerten im Landesvermessungssystem) nicht zulässig sei. Der grafische Stand des Katasters zeige in diesem Fall nur die Lage des Grundstückes an. Der Katasterstand würde der koordinativen Einmessung des Hauseckes entsprechen, dies sei aber aufgrund der Überbauung nicht möglich. Die Differenz der eingemessenen Koordinaten des Hauseckes zwischen den Plänen betrage 21 cm. Es fehle jede Beweiswürdigung dahingehend, wieso die Einmessung des Hauseckes durch XXXX , GZ XXXX , vom 13.07.2020 plausibler wäre, als die Einmessung der Beschwerdeführerin. Auch das historische Foto der Straßenfassade sei seitens der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden.
Mit Parteiengehör vom 01.12.2023 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 16.11.2023 zur allfälligen Stellungnahme an die belangte Behörde.
Mit Schreiben vom 18.01.2024 nahm die belangte Behörde Stellung zum Schreiben der Beschwerdeführerin vom 16.11.2023 und führte im Wesentlichen aus, dass die Differenz zwischen dem Grenzpunkt 216465 XXXX und dem GP 2001 XXXX ca. 4 cm betrage, aber in keiner Vermessung die Fuge der Feuermauer ersichtlich sei. Beide Rekonstruktionen würden innerhalb der Punktlageidentät der Genauigkeitsgrenzen der jeweiligen Entstehungsurkunde liegen. Eine Verschiebung eines Punktes entlang einer Geraden habe keine Auswirkungen auf die Grenze der Grundstücke die entlang dieser Geraden liegen.
Am 28.02.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, an der Vertreter der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin und ihr Rechtsvertreter sowie die weiteren Verfahrensparteien teilnahmen. Gegenstand der Verhandlung waren Überlegungen zur möglichen außergerichtlichen Streitbeilegung.
Mit Schreiben vom 15.05.2024 forderte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde auf, eine katastertechnische Stellungnahme vorzulegen.
Mit Schreiben vom 27.05.2024 legte die belangte Behörde eine technische Stellungnahme zur historischen Entwicklung der Grenze zwischen den beschwerdegegenständlichen Grundstücken (Urmappe, Fortführungshandrisse, Digitale Katastralmappe) vor. Zusammenfassend führte die belangte Behörde darin aus, dass in den 1960-er Jahren Grenzpunkte, welche sich innerhalb eines Radius von 15 cm befanden, als ident angesehen worden seien. Die im Bereich der GP 21653 angegebene Abweichung von 6 cm sowie die beim GP 21645 angegebene Abweichung von 4 cm würden innerhalb der damals gültigen Fehlertoleranzen liegen. Grundsätzlich würden die bestehenden Gebäude, welche immer wieder aneinandergebaut wurden, den tatsächlichen Eigentums- und Besitzstand widerspiegeln, da der Kataster keine höhere Genauigkeit in diesem Bereich bieten könne. Würden die lokalen Pläne XXXX sowie XXXX (Naturstandsaufnahmen) mit ihrem lokalen Koordinatensystem „stärker berücksichtigt“ werden, dann würden sich bei den GP 21645 und 21653 die errechneten Werte sehr viel mehr mit den Angaben decken, die von XXXX übermittelt wurden, als die Koordinaten, welche von der Vermessung XXXX angegeben worden seien. Daraus ergebe sich eine Koordinatenänderung der GP 21645 und 21653. Bei Übernahme dieser Koordinaten müsste der Beschwerde aus Sicht der belangten Behörde stattgegeben werden.
Mit Parteiengehör vom 06.06.2024 wurde die technische Stellungnahme der belangten Behörde vom 27.05.2024 zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme an die Verfahrensparteien übermittelt. Weiters wurde um Mitteilung zum Stand der in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2024 angekündigten Vergleichsverhandlungen ersucht.
Mit Schriftsatz vom 13.06.2024 wiederholte die Beschwerdeführerin unter Verweis auf die Stellungnahme der belangten Behörde vom 27.05.2024 ihren Antrag auf Stattgabe der Beschwerde und führte aus, dass eine „Vergleichsverhandlung“ mit den weiteren Verfahrensparteien aussichtlos sei.
Mit Schreiben vom 25.06.2024 nahmen die weiteren Verfahrensparteien Stellung zur technischen Stellungnahme der belangten Behörde vom 27.05.2024 und führten im Wesentlichen aus, dass seitens der Beschwerdeführerin in den beiden Grenzverhandlungen kein anderer Grenzverlauf aufgezeigt worden sei. Auch in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2024 sei seitens der Beschwerdeführerin lediglich vorgebracht worden, dass sie die Grenze nicht wolle und man diese auch nicht festlegen könne.
Am 11.11.2024 wurde die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fortgesetzt, an der Vertreter der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin und ihr Rechtsvertreter, die weiteren Verfahrensparteien sowie XXXX und XXXX als Zeugen teilnahmen. Gegenstand der Verhandlung war die Erörterung der technischen Stellungnahme der belangten Behörde vom 27.05.2024.
Mit Schreiben vom 13.11.2024 forderte das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die in der Stellungnahme vom 27.05.2024 korrigierte Koordinaten sowie die diesbezüglichen Ausführungen in der Verhandlung vom 11.11.2024 die belangte Behörde auf, Fragen zur letzten Vermessung der verfahrensgegenständlichen Grenzpunkte sowie zur allfälligen Einleitung eines Verfahrens zur Mappenberichtigung iSd § 52 Z 5 VermG zu beantworten.
Mit Schreiben vom 19.11.2024 beantwortete die belangte Behörde die gestellten Fragen und führte aus, dass auf Basis des XXXX eine Qualitätsverbesserung nach § 52 Z 7 VermG vorzunehmen wäre. Dadurch würde sich die Koordinate des GP 21653 entsprechend der korrekten Koordinatenwerte (GP 21653 XXXX verändern.
Mit Parteiengehör vom 21.11.2024 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht die Stellungnahme der belangten Behörde vom 19.11.2024 an die Verfahrensparteien zur Kenntnis.
Mit Schreiben, datiert mit 16.11.2024 und 27.11.2024, nahmen die weiteren Verfahrensparteien Stellung zur Stellungnahme der belangten Behörde vom 19.11.2024 und führten zusammengefasst aus: Da der Plan XXXX nur die bereits abgetragenen (1159/1) und in Abbruch (1160/1) begriffenen Grundstücke zeige, könne daher rational auch keine Aussage über den darauffolgenden neuen Naturstand bis heute getroffen werden. Somit seien die Aussagen der belangten Behörde in der Verhandlung vom 11.11.2024 falsch, dass der Plan von XXXX nicht dem derzeitigen Naturstand und dem Kataster entspreche.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist grundbücherliche Alleineigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstückes 1160/2, EZ XXXX , KG XXXX , sowie Miteigentümerin des – nicht verfahrensgegenständlichen - Grundstückes 1151/1, KG XXXX .
1.2. XXXX und XXXX (weitere Verfahrensparteien) sind grundbücherliche Miteigentümer des angrenzenden Grundstückes 1159/1, EZ XXXX , KG XXXX .
1.3. Grundlage für den verfahrensgegenständlichen Gerichtsverweisungsbescheid des Vermessungsamtes XXXX vom 04.02.2022, GFN XXXX , betreffend das Grundstück 1160/2, ist das Ergebnis der Grenzverhandlung vom 04.11.2021.
1.4. In der digitalen Kastralmappe (DKM) entspricht die Grenze zwischen Gst. 1159/1 und 1160/2 (GP 21644 (HE) zu GP 21653 (HE) und weiter bis GP 21645 (HE) einer Geraden.
1.5. Die Darstellung des Grenzverlaufs im Zuge der Anlegung der digitalen Kastralmappe (DKM) erfolgte nicht jedoch nicht entsprechend den vorhandenen Unterlagen (OZ 14, OZ 21 Seite 5 und OZ 23).
1.5.1. Eine zusätzliche Berücksichtigung des in XXXX dargestellten Naturstands (sowie in weiterer Folge verändert XXXX ) führt zu transformierten Koordinatenwerten des (mittleren) GP 21653.
1.5.2. Aus der Transformation ergibt sich, dass die Grenze vom GP 21644 zum GP 21645 nicht, wie im Kataster eingetragen, eine Gerade ist, sondern GP 21653 bei der Länge von 13,20m um 6 cm außerhalb der Geraden liegt (siehe Abbildung).
Abbildung: Vergleich der Koordinaten aus der Aufnahme XXXX , Aufnahme XXXX und dem Plan XXXX . Der derzeitige Katasterstand ist schwarz strichliert dargestellt. Das aufstrebende Mauerwerk in der Natur entspricht dem GP 21653 XXXX (OZ 23).
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde (Vermessungsakt XXXX ) sowie dem Gerichtsakt und den in Klammer genannten Quellen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung an die belangte Behörde
3.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen:
§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz lautet auszugsweise:
„Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
[…]“
§ 25 Vermessungsgesetz lautet auszugsweise:
„§ 25. (1) In der Grenzverhandlung ist von den erschienenen beteiligten Eigentümern nach Vorhalt der vorhandenen Behelfe (Grundsteuerkataster, Pläne und andere) der Verlauf der Grenzen festzulegen und in der Weise zu kennzeichnen, wie sie § 845 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches vorsieht. Kommen die Eigentümer der Kennzeichnungspflicht nicht nach, so ist die Kennzeichnung von Amts wegen gegen Kostenersatz vorzunehmen.
(2) Einigen sich die Eigentümer nicht über den Grenzverlauf und ist noch kein gerichtliches Verfahren anhängig, so ist der Eigentümer, der behauptet, daß die Grenze nicht mit dem sich auf Grund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimmt, aufzufordern, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Läßt sich auf diese Weise der zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens aufzufordernde Eigentümer nicht ermitteln, so ist derjenige Eigentümer aufzufordern, dessen Behauptung den sonstigen in der Grenzverhandlung hervorgekommenen Umständen nach den geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit besitzt.
[…]“
§ 52 Z 7 Vermessungsgesetz lautet:
„§ 52. Für alle nicht im Grenzkataster enthaltenen Grundstücke ist der Grundsteuerkataster nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit folgender Maßgabe weiterzuführen:
[…]
7. Ergibt sich auf Grund der vorhandenen Behelfe oder neuer technischer Unterlagen, dass die Darstellung des Grenzverlaufes eines oder mehrerer Grundstücke im Zuge der Anlegung der digitalen Katastralmappe nicht entsprechend den vorhandenen Unterlagen erfolgte, so ist diese von Amts wegen zu verbessern.“
§ 5 Abs. 2 Vermessungsverordnung 2016 lautet: „Grenzzeichen sind hinsichtlich ihrer Lage als unverändert anzusehen, wenn ihre Kennzeichnung offensichtlich physisch ident ist und die Differenz, die sich aus den bisherigen und den zur Kontrolle bestimmten Maßen ergibt, nicht größer als 5 cm ist.“
3.2. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden ("Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht; vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; vgl. auch VwGH vom 6. Juli 2016, Ra 2015/01/0123, vom 14. Dezember 2016, Ro 2016/19/0005 und vom 20. Juni 2017, Ra 2017/18/0117, je mwN).
3.3. Gemäß § 25 VermessungsG hat die belangte Behörde bei der Grenzverhandlung im Hinblick auf die Festlegung des Grenzverlaufs die vorhandenen Behelfe (Grundsteuerkataster, Pläne und andere) vorzuhalten. Dabei kann sich zeigen, dass die Darstellung des Grenzverlaufs eines oder mehrerer Grundstücke im Zuge der Anlegung der digitalen Kastralmappe nicht entsprechend den vorhandenen Unterlagen erfolgte. In einem solchen Fall ist gemäß § 52 Z 7 VermessungsG eine amtswegige Qualitätsverbesserung vorzunehmen.
3.4. Seitens der Beschwerdeführerin wurde vor der Grenzverhandlung Vorbringen bezüglich der Grenzpunkte Nr. 21647, 21645 und 21653 erstattet, das von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid unberücksichtigt blieb. Die belangte Behörde hat dahingehend erst während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und auf gerichtliche Aufforderung hin katastertechnische Ermittlungen zur historischen Entwicklung der verfahrensgegenständlichen Grenzpunkte durchgeführt. Die Evaluierung des in den Behelfen dargestellten Naturstands samt Koordinaten brachte zu Tage, dass der Stand der digitalen Kastralmappe nicht den vorhandenen Unterlagen entspricht (vgl. Pkt. 1.5).
3.5. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts hat sich die belangte Behörde nur ansatzweise damit auseinandergesetzt, ob sich der Stand der digitalen Kastralmappe im vorliegenden Fall objektiv aus den vorhandenen Behelfen ergibt. Dies ist insofern ein gravierendes Versäumnis, als sich im vorliegenden Fall dadurch die Notwendigkeit einer Qualitätsverbesserung der digitalen Kastralmappe gemäß § 52 Z 7 VermessungsG gezeigt hätte. Ein so geänderter Urkundenstand wäre jedoch für die Frage nach § 25 Abs. 2 VermessungsgG entscheidend gewesen, welcher Eigentümer seine Grenzbehauptung auf die vorhandenen Behelfe bzw. den aktuellen Katasterstand stützt und welcher nicht.
Gerade im dicht bebautem Stadtgebiet, in dem auch uneinsichtige Grenzpunkte charakteristisch sind, spielt bei der Festlegung des Grenzverlaufs anhand der Behelfe die katastertechnische Evaluierung der historischen Entwicklung der Grenzpunkte eine zentrale Rolle. Dies umso mehr, als die Punktidentität gemäß § 5 Abs. 2 Vermessungsverordnung 2016 aktuell bereits auf 5 cm reduziert ist und damit bereits Abweichungen im geringen Zentimeterbereich (im vorliegenden Fall 6 cm) einen entscheidenden Unterschied machen können.
Damit hat die belangte Behörde die notwendige Ermittlung des Sachverhaltes iSd § 28 Abs. 3 VwGVG unterlassen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit dem gegenständlichen Beschluss aufhebt und die Angelegenheit zur allfälligen Verbesserung der digitalen Kastralmappe, der Durchführung einer Grenzverhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverweist.
3.6. Bei der Qualitätsverbesserung der Digitalen Katastralmappe handelt es sich um eine lagemäßige Berichtigung der Georeferenzierung, wie zB Verschiebung, Verdrehung und kleine Maßstabsanpassungen (EB 1115 BlgNR 25. GP). Auf Basis eigener Wahrnehmungen oder auf Grund von Mitteilungen von Vermessungsbefugten, Ämtern, Behörden oder anderer externer Meldungen korrigiert die Vermessungsbehörde die fehlende Übereinstimmung der Katastralmappe mit dem Katasterstand, der sich auf Grund der Behelfe (= Pläne, Urmappe, etc.) ergibt (Twaroch, Kataster- und Vermessungsrecht4, § 52 VermG, Abschnitt Qualitätsverbesserung, RZ 39-41).
Es handelt sich um ein Verfahren von Amts wegen, bei dem kein Antragsrecht gegeben ist und kein Rechtsanspruch besteht (EB 1115 BlgNR 25. GP) (Twaroch, Kataster- und Vermessungsrecht4, § 52 VermG, Abschnitt Qualitätsverbesserung, RZ 39-41; vgl. auch VwGH 20.10.1994, 94/06/0144), das nicht durch das Verwaltungsgericht selbst vorgenommen werden kann.
Aufgrund der im Ermittlungsverfahren aufgetretenen Umstände besteht folglich die Möglichkeit, dass die belangte Behörde von Amts wegen im Rahmen einer Qualitätsverbesserung die Koordinate des GP 21653 entsprechend der Koordinatenwerte (GP 21653 XXXX transformiert. Dass die belangte Behörde von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird, hat diese bereits angekündigt.
Durch eine Aufhebung des Bescheides und eine allfällige Qualitätsverbesserung wird bei gleichbleibenden Grenzbehauptungen und geändertem Urkundenstand neu zu prüfen sein, welche Partei gemäß § 25 Abs. 2 VermessungsG zu Gericht verweisen ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wobei auf die unter zu A) zitierten Entscheidungen verwiesen wird. Es liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung einer zu lösenden Rechtsfrage vor.