Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des M E, vertreten durch Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Juni 2024, I404 2290715 1/6E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein der arabischen Volksgruppe zugehöriger Staatsangehöriger Syriens christlichen Glaubens, stellte am 20. September 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen mit der Furcht vor der Einberufung zum syrischen Reservedienst sowie der Verfolgung als Christ begründete.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 29. Jänner 2024 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das BVwG, soweit hier relevant, aus, der aus einem im Entscheidungszeitpunkt unter der Kontrolle des syrischen Regimes stehenden Gebiet stammende, 45 jährige Revisionswerber habe im Falle der Rückkehr nach Syrien keine Einberufung zum syrischen „Wehr und Reservedienst“ zu befürchten, da den Länderberichten zufolge die Wehrpflicht für männliche syrische Staatsbürger mit 42 Jahren ende. Er weise keine für das Militär relevante besondere (Berufs )Ausbildung oder besondere militärische Fähigkeit auf, die ihn auch in seinem Alter für die syrische Armee interessant machen würde. Zudem habe sich der Revisionswerber bereits (im Jahr 2007) vom Wehrdienst freigekauft. Eine Zwangsrekrutierung durch die regimenahe Miliz sei von ihm ebenso wenig glaubhaft gemacht worden wie eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zum christlichen Glauben.
5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit insbesondere geltend macht, der Revisionswerber habe „durchgehend“ eine konkrete Verfolgung aus religiösen Motiven durch die regierungsnahe Miliz vorgebracht. Aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung gehe aktenwidrig hervor, der Revisionswerber habe in der Beschwerdeverhandlung gesagt, es werde „den Christen in den vom Regime kontrollierten Gebieten gesagt, dass sie geschützt würden“. Hingegen habe der Revisionswerber mit einer bestimmten Aussage in der Beschwerdeverhandlung zum Ausdruck gebracht, dass er von der Miliz zu illegalen lebensgefährlichen Handlungen das seien die Lieferung und der Verkauf gestohlener Waren genötigt worden sei, weil er Christ sei, und damit sehr wohl „eine konkrete Verfolgung aus religiösen Motiven“ geschildert. Der vom BVwG angenommene Widerspruch in den Aussagen des Revisionswerbers, wonach er zuerst nur angegeben habe, zum Verkauf gestohlener Ware aufgefordert worden zu sein und später sein Fluchtvorbringen dahingehend gesteigert habe, dass er zum bewaffneten Kampf auf Seiten der Miliz aufgefordert worden sei, bestehe nicht. Es sei dem Revisionswerber nämlich klar gewesen, dass er „letztlich“ auch für den bewaffneten Kampf der Miliz herangezogen werden würde. Es sei notorisch, dass das syrische Regime die „Menschenrechtsverbrechen“ der Miliz unterstütze, weshalb die Verfolgung dem Regime zuzurechnen sei. Das BVwG habe aus dem Vorbringen des Revisionswerbers im Zusammenhang mit dem Grundwehrdienst bzw. dem Reservedienst seine Unglaubwürdigkeit abgeleitet, obwohl dieses Vorbringen gar nicht fluchtkausal sei. Der Revisionswerber befürchte entgegen der Annahme des BVwG im Falle der Rückkehr nach Syrien gar nicht die Einziehung zum Reservedienst, weil er sich vom Grundwehrdienst „freigekauft“ habe und also kein Reservist sei.
Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
6Vorab wird darauf hingewiesen, dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des BVwG vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG auf der Grundlage der Sachund Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu prüfen ist (vgl. etwa VwGH 27.6.2017, Ra 2017/18/0005, mwN). Dementsprechend entziehen sich Änderungen der Sach und Rechtslage, die sich nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses ereignet haben, einer Prüfung im gegenständlichen Revisionsverfahren.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision wendet sich im Wesentlichen gegen die Beweiswürdigung des BVwG im Zusammenhang mit dem Vorbringen einer drohenden Zwangsrekrutierung durch die regimenahe Miliz aus religiösen Motiven.
11Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 13.8.2024, Ra 2024/18/0390, mwN).
12 Das BVwG setzte sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung eingehend mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinander. Es zeigte insbesondere Widersprüche in den Aussagen des Revisionswerbers vor dem BFA und in der Beschwerdeverhandlung im Zusammenhang mit der vorgebrachten Zwangsrekrutierung auf, aus denen es nachvollziehbar folgerte, dass eine Bedrohung des Revisionswerbers aufgrund einer Rekrutierung durch die Miliz nicht glaubhaft sei. Das Argument des Revisionswerbers, das BVwG habe aus seinem Vorbringen im Zusammenhang mit dem Grundwehrdienst bzw. dem Reservedienst seine Unglaubwürdigkeit abgeleitet, verfängt vor dem Hintergrund dieser vertretbaren beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG nicht. Angesichts der im Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte, denen zu entnehmen ist, dass Christen in Syrien zwar von Diskriminierungen und Ausgrenzungen betroffen seien, diese jedoch insbesondere in Gebieten unter Regierungskontrolle nicht die Schwelle einer asylrelevanten (Gruppen)Verfolgung erreichten (vgl. dazu auch VwGH 6.10.2023, Ra 2023/18/0185), hält die Revision auch mit dem Hinweis auf eine Aktenwidrigkeit es stimme nicht, dass der Revisionswerber in der Beschwerdeverhandlung angegeben habe, den Christen in den vom Regime kontrollierten Gebieten werde gesagt, dass sie geschützt würdender Auffassung des BVwG, dem Revisionswerber drohe in seinem Herkunftsort keine Verfolgungsgefahr aufgrund seiner Religionszugehörigkeit, nichts Stichhaltiges entgegen, weil damit ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, ohne seine Relevanz aufzuzeigen (vgl. zur Notwendigkeit der Relevanzdarlegung eines Verfahrensmangels VwGH 10.4.2024, Ra 2024/18/0144).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. Jänner 2025