Spruch
I403 2301999-1/8E
I403 2301998-1/8E
I403 2301997-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von
XXXX , geb. XXXX
XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch ihre Mutter XXXX
XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch seine Mutter XXXX
alle Staatsbürger der Arabischen Republik Syrien und vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , Außenstelle XXXX (BFA- XXXX -ASt XXXX ), jeweils vom 18.06.2024, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.04.2025 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
XXXX (Erstbeschwerdeführerin) reiste am 07.08.2023 gemeinsam mit ihrer minderjährigen Tochter XXXX (Zweitbeschwerdeführerin) und ihrem minderjährigen Sohn XXXX (Drittbeschwerdeführer) unter Umgehung der Einreisekontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz für sich und ihre Kinder.
Die Anträge wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2024 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Den Beschwerdeführern wurde allerdings gemäß § 8 Absatz 1 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ihnen wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
Gegen Spruchpunkt I. richtete sich die Beschwerde vom 01.08.2024, in der beantragt wurde, den Beschwerdeführern nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen bzw. die ordentliche Revision zuzulassen. Begründend wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin in Österreich subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei und die weiblichen Beschwerdeführerinnen „im Fall einer Rückkehr alleinstehende Frauen“ wären und damit „einem besonderen Risiko von Gewalt, Schikanen und Belästigungen und damit aufgrund der Zugehörigkeit zu der sozialen Gruppe der alleinstehenden Frauen in Syrien einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt“ wären. Die beiden Minderjährigen wären zudem „auch aufgrund Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Personen einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt“. Der Drittbeschwerdeführer müsste sich zudem in seiner Herkunftsregion, die unter der Kontrolle des syrischen Regimes liege, einer Musterung unterziehen und dann den verpflichtenden Militärdienst antreten.
Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 04.11.2024 vorgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.04.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG, § 21 BFA-VG durch, an welcher sich die Beschwerdeführer gemeinsam mit ihrer Rechtsvertretung persönlich beteiligten. In der Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage - insbesondere durch Befragung der Beschwerdeführer, Einräumung von Parteiengehör und Aktualisierung der Länderberichte - erörtert und geklärt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführer sind syrische Staatsangehörige, gehören der arabischen Volksgruppe an und bekennen sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der beiden XXXX jährigen Beschwerdeführer.
1.2. Die Erstbeschwerdeführerin stammt aus XXXX , wo sie die Schule mit Matura abschloss. Danach besuchte sie zwei Jahre eine pädagogische Akademie in Aleppo und unterrichtete danach einige Monate als Mathematiklehrerin, ehe sie am 22.05.2006 heiratete und zu ihrem Mann nach XXXX im Gouvernement Latakia zog. Dort kam am die Zweitbeschwerdeführerin zur Welt, der Drittbeschwerdeführer wurde am XXXX in Aleppo geboren. Die Familie verließ Latakia aufgrund der Unruhen im Jahr 2012 und zog nach XXXX in der Provinz Idlib in Syrien, wo die Tante des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin lebte. Im Juli 2015 verließ die Familie Syrien und ließ sich in der Türkei in der Stadt Gaziantep bzw. Bursa nieder. Dort besuchten die minderjährigen Beschwerdeführer die Schule.
1.3. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater der beiden minderjährigen Beschwerdeführer XXXX , geb. XXXX verließ die Türkei am 15.08.2022 und reiste nach Europa. Ihm wurde mit Rechtskraft vom 26.04.2023 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (IFA: XXXX ). Sein Antrag auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus, den er mit der Furcht vor einer Einberufung zum Wehrdienst begründete, wurde abgewiesen.
1.4. Die Eltern der Erstbeschwerdeführerin sind verstorben. Zwei Schwestern leben in XXXX , eine in Aleppo. Drei Schwestern und ihr Bruder leben in der Türkei, drei Schwestern in Deutschland. Die Verwandten des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin leben in XXXX in der Provinz Idlib und außerhalb Syriens.
1.5. Am 07.08.2023 reisten die Beschwerdeführer ins Bundesgebiet ein. Sie sind in Österreich subsidiär schutzberechtigt.
1.6. Die Beschwerdeführer würden nicht alleine nach Syrien zurückkehren, sondern mit dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater der beiden minderjährigen Beschwerdeführer. Daher handelt es sich bei den weiblichen Beschwerdeführerinnen nicht um „faktisch alleinstehende Frauen“ bzw. wären die minderjährigen Beschwerdeführer nicht unbegleitet, sondern im Familienverband. Der Drittbeschwerdeführer wird im Fall einer Rückkehr nicht zum Militärdienst einberufen.
1.7. Zur Lage in Syrien:
Die Assad-Regierung Syriens ist seit Dezember 2024 gestürzt und übt in Syrien keine Gebietshoheit bzw. Herrschaftsgewalt mehr aus, Aleppo steht wie auch der Großteil Syriens seither unter der Kontrolle der neuen syrischen Regierung unter HTS (Hay'at Tahrir al-Sham)-Führung, Übergangspräsident der neuen syrischen Regierung ist Ahmed Al-Scharaa, der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnahmen Al-Jolani (al-Dscholani) bekannt war.
1.7.1. Gruppierungen/Machthaber
Die HTS ist die mächtigste Gruppe in Syrien, die den Vormarsch der Rebellen anführte. Sie begann als offizieller al-Qaida-Ableger in Syrien unter dem Namen Nusra-Front und verübte bereits zu Beginn des Aufstands gegen Assad Angriffe in Damaskus. Die Gruppe durchlief mehrere Namensänderungen und gründete schließlich als die HTS eine Regierung in der Provinz Idlib, im Nordwesten Syriens. Die USA, Türkei und andere stuften die HTS und ihren Anführer, Al-Scharaa bzw. Al-Jolani) als Terroristen ein.
Die Syrische Nationalarmee (SNA) ist eine zersplitterte Koalition unterschiedlicher bewaffneter Gruppen, die mit direkter türkischer Militärunterstützung einen Gebietsabschnitt entlang der syrisch-türkischen Grenze halten. Trotz interner Spaltungen pflegen viele SNA-Fraktionen enge Bindungen zur Türkei, wie die Sultan-Suleiman-Schah-Brigade, die al-Hamza-Division und die Sultan-Murad-Brigade. Andere Fraktionen der Gruppe versuchen trotz ihrer Zusammenarbeit mit der Türkei ihre eigenen Prioritäten durchzusetzen. Als die HTS und verbündete Gruppen aus dem Nordwesten Anfang Dezember auf von Assads Regierung kontrolliertes Gebiet vorrückten, schloss sich ihnen auch die SNA an und kämpfte im Nordosten gegen Regierungstruppen wie auch kurdisch geführte Kräfte.
Der Vormarsch der Rebellen gegen Assads Regierungstruppen wurde Berichten zufolge von der Türkei mit unterstützt.
Die Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) sind ein Bündnis kurdischer und arabischer Milizen, das von den USA und ihren Verbündeten unterstützt wird. Die SDF kontrollieren den größten Teil Syriens östlich des Euphrat, sowie einige Gebiete westlich des Flusses. Mit der aktuellen Offensive kam es auch zu Kämpfen zwischen den SDF und der SNA. Mit 11. Dezember verloren die SDF die Kontrolle über die Stadt Manbidsch. (SOHR, 11. Dezember 2024).
Neben den genannten Gruppen gibt es in Syrien eine Vielzahl lokaler Gruppierungen, die sich gegen al-Assad gestellt haben. Diese vertreten ein breites Spektrum islamistischer und nationalistischer Ideologien. Im Norden schlossen sich einige von ihnen dem Militäroperationskommando der HTS an. Im Süden dominierende Gruppen erhoben sich in der aktuellen Situation und nahmen den Südwesten Syriens ein. Die in den südlichen Provinzen aktiven Gruppen gründeten zu diesem Zweck die Koalition „Southern Operations Room“.
1.7.2. Sturz der Assad-Regierung und nachfolgende Entwicklungen
Nach monatelanger Vorbereitung und Training starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der HTS die Operation „Abschreckung der Aggression“ und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. Am 30.11.2014 nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 05.12.2024 einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort. Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 07.12. auf 8.12.2024. Am 06.12.2024 zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab. Russland forderte am 07.12.2024 seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen. Am 07.12.2024 begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein, nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten. Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab. Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 07.12.2024 Richtung Damaskus vor. Am frühen Morgen des 08.12.2024 verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt, die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen. Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt. Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad. Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt. Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 06.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren, sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt. Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo. Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ nahmen diese Gruppierungen am 09.12.2024 die Stadt Manbij ein. Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe.
Die HTS versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten. Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt. Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben. Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. In der Folge wurde die Wehrpflicht in Syrien abgeschafft, die bisherige Militärpolizei und der bisherige Geheimdienstapparat wurden aufgelöst, offizielle und inoffizielle Gefängnisse geöffnet und deren politische Häftlinge befreit und entlassen.
Mohammed Al-Baschir, der bis zum Sturz Baschar Al-Assads die mit HTS verbundene Syrische Heilsregierung im Nordwesten Syriens geleitet hatte, wurde am 10.12.2024 als Interimspremierminister mit der Leitung der Übergangsregierung des Landes bis zum 01.03.2025 beauftragt. Die Minister der Syrischen Heilsregierung übernahmen vorerst die nationalen Ministerposten. Laut dem Congressional Research Service (CRS) seien einige Regierungsbeamt:innen und Staatsangestellte der ehemaligen Regierung weiterhin im Regierungsapparat beschäftigt. Am 21.12.2014 ernannte die Übergangsregierung Asaad Hassan Al-Schibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide seien Verbündete des HTS-Anührers Ahmed Al-Scharaa. Am 29.12.2014 legte Al-Scharaa in einem Interview mit dem saudischen Fernsehsender Al-Arabiyya dar, dass es bis zu vier Jahren dauern könne, bis Wahlen stattfinden werden, da die verschiedenen Kräfte Syriens einen politischen Dialog führen und eine neue Verfassung schreiben müssten. Am 29.01.2025 wurde Ahmed Al-Scharaa, der seit dem Sturz von Baschar Al-Assad faktisch das Land geleitet hatte, zum Übergangspräsidenten in Syrien ernannt. Gleichzeitig wurde die Verfassung von 2012 außer Kraft gesetzt und das alte Parlament aufgelöst. Bereits am 17.12.2024 erklärte Al-Scharaa, dass alle Rebellenfraktionen aufgelöst und in die Reihen des Verteidigungsministeriums integriert würden. AFP berichtete am 08.01.2025, dass laut einem Sprecher des Southern Operations Room die Kämpfer Südsyriens nicht mit einer Auflösung ihrer Gruppen einverstanden seien. Sie könnten sich jedoch eine Integration in das Verteidigungsministerium in ihrer momentanen Form vorstellen. Am 18.02.2025 stimmten die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) zu, ihre Streitkräfte und zivile Institutionen in die neue syrische Regierung zu integrieren.
Am 29.12.2024 wurde eine Liste mit 49 Personen, die zu Kommandeuren der neuen syrischen Armee ernannt wurden, veröffentlicht. Unter den Namen seien einige Mitglieder der HTS, sowie ehemalige Armeeoffiziere, die zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs desertierten. Laut Haid Haid, beratender Mitarbeiter beim britischen Think Tank Chatham Haus, wurden die sieben höchsten Ränge von HTS-Mitgliedern besetzt. Laut einem weiteren Experten seien auch mindestens sechs Nicht-Syrer unter den neuen Kommandeuren.
Die neue Führung hatte sich seit ihrer Machtübernahme verpflichtet, die Rechte der Minderheiten zu wahren. Anfang Jänner kündigte das Bildungsministerium der Übergangsregierung auf seiner Facebook-Seite einen neuen Lehrplan für alle Altersgruppen an, der eine stärker islamische Perspektive widerspiegelt und alle Bezüge zur Assad-Ära aus allen Fächern entfernt. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehörte unter anderem die Streichung der Evolutionstheorie und der Urknalltheorie aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht. Aktivist:innen zeigten sich besorgt über die Reformen. Al-Scharaa kündigte weiters Pläne für eine Nationale Dialogkonferenz an, die darauf abzielen sollte, Versöhnung und Inklusion zu fördern. Die ursprünglich für Anfang Jänner 2025 angesetzte Konferenz wurde jedoch verschoben, um ein erweitertes Vorbereitungskomitee einzurichten, das eine umfassende Repräsentation aller gesellschaftlichen Gruppen in Syrien gewährleisten soll. Die Konferenz fand schließlich am 25.02.2025 statt und brachte 600 Konferenzteilnehmer:innen aus unterschiedlichen syrischen Gemeinschaften zusammen. Verschiedene syrisch-kurdische Gruppen behaupteten, sie seien entweder nicht eingeladen worden oder hätten sich gegen eine Teilnahme entschieden. Einige Teilnehmer:innen hätten auf den Mangel an Transparenz hinsichtlich der Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer:innen hingewiesen und kritisiert, dass Teilnehmer:·innen ihre Einladung lediglich einen Tag vor der Tagung erhalten hätten. Die Konferenz selbst habe nur einen Tag gedauert. Am Ende der Konferenz wurde eine Erklärung vorbereitet, in der unter anderem die Ablehnung jeglicher Form von Diskriminierung, die Achtung der Menschenrechte und das Prinzip der friedlichen Koexistenz betont wurden. Al-Scharaa kündigte am 02.03.2025 die Bildung eines Ausschusses an, der eine Verfassungserklärung für die Übergangsphase des Landes ausarbeiten soll.
1.7.3. Hunderte getötete Zivilpersonen nach Kämpfen und Massakern in Syriens Küstenregion
Nach mehreren koordinierten Angriffen auf syrische Sicherheitskräfte am 06.03.2025 mobilisierte die Übergangsregierung die ihnen offiziell angeschlossenen Sicherheitskräfte und bewaffneten Gruppierungen. Im Rahmen der darauffolgenden Kämpfe kam es zu zahlreichen extralegalen Hinrichtungen und Massakern an der Zivilbevölkerung, besonders in der Küstenregion. Die Kämpfe ereigneten sich zwischen bewaffneten Assad-treuen Gruppierungen und offiziellen Sicherheitskräften sowie Unterstützern der Übergangsregierung. Medienberichten zufolge kämpften auf Seite der Übergangsregierung neben den offiziellen Truppen auch lokale bewaffnete Gruppierungen, Milizen des durch die Türkei unterstützten Bündnisses der SNA aus dem Norden und ausländische islamistische Gruppierungen. Diese gelten nominell zwar als in den neuen syrischen Sicherheitsapparat integriert, de facto unterliegen sie bislang jedoch denselben organisatorischen, personellen und Kommandostrukturen wie zuvor, da bislang keine oder nicht vollumfängliche Eingliederungsprozesse stattgefunden haben. Verschiedenen Berichten zufolge bewaffneten sich auch Zivilpersonen und schlossen sich den bewaffneten Parteien an. Die anfänglichen Kämpfe gingen daraufhin in Übergriffe auf die Zivilbevölkerung über. Es soll zu Racheakten durch die Truppen und Unterstützer der Übergangsregierung entlang konfessioneller Linien gekommen sein. Insbesondere die alawitische Bevölkerung, die von großen Teilen der syrischen Bevölkerung, wenn nicht als Unterstützer, dann zumindest als Profiteure der gestürzten Assad-Regierung betrachtet wird, war daher von Hinrichtungen und Massentötungen betroffen. Das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) war eigenen Angaben zufolge in der Lage, bis zum 15.03.2025 die Tötung und Hinrichtung von mindestens 1.034 Zivilpersonen zu verifizieren. 439 wurden demnach durch Anhänger der Assad-Regierung getötet, während 595 Tötungen den Sicherheitskräften und ihren Unterstützern zugeordnet werden. Die Organisation gab an, weiterhin Ereignisse in diesem Kontext zu verifizieren, es handelt sich daher zunächst um vorläufige Ergebnisse. Unter den Gruppierungen der Sicherheitskräfte sollen insbesondere Fraktionen der SNA, sowie ausländische Milizen in die Massaker involviert gewesen sein. Allerdings beteiligten sich auch einige der aus den Kämpfern der HTS entstandenen offiziellen Sicherheitskräfte unter der Abteilung der Allgemeinen Sicherheit an den Tötungen. Zusätzlich zu der hohen Zahl an zivilen Opfern sollen auch Hunderte Kämpfer zu Tode gekommen sein. Bereits seit dem Sturz der Assad-Regierung und der Machtübernahme der HTS sind Alawitinnen und Alawiten zunehmend Racheakten in Form von Übergriffen und Drohungen ausgesetzt. Währenddessen haben hochrangige Militärs und Geheimdienstoffiziere der gestürzten Assad-Regierung sich den durch die Übergangsregierung eingerichteten Versöhnungsprozessen entzogen und bewaffnete Gruppierungen gegründet oder zusammengeschlossen. Hierzu zählen die Syrian Popular Resistance, die Syrian Islamic Resistance Front, der Militärrat des freien Syriens sowie Überbleibsel des Milizenzusammenschlusses der Nationalen Verteidigungskräfte (NDF). Diese Gruppierungen waren in die Angriffe auf die Truppen der Übergangsregierung am 06.03.2025 involviert. Obgleich die Übergangsregierung am 10.03.2025 angab, die Kontrolle zurückerlangt zu haben, dauerten Angriffe bewaffneter Gruppierungen auf Sicherheitskräfte noch mindestens bis zum 14.03.2025 weiter an. Mehrere Mitglieder der Streitkräfte wurden getötet, Berichte über getötete Zivilpersonen gab es zunächst keine. Übergangspräsident al-Shar’a kündigte weitreichende Untersuchungen und strafrechtliche Konsequenzen für jene an, die für die Tötungen von Zivilpersonen verantwortlich seien, auch für Verbündete. Zu diesem Zweck rief er ein Komitee ins Leben, das innerhalb von 30 Tagen Ergebnisse an ihn übermitteln solle.
1.7.4. Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung; Zwangsrekrutierungen
Mehrere Quellen berichten im Februar 2025, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze. Anfang Februar 2025 wurde berichtet, dass sich Scharaa zufolge tausende Freiwillige der neuen Armee anschließen würden. Dem Online-Begleittext eines Videobeitrags des schwedischen Fernsehprogramms Svtnyheter von Jänner 2025 zufolge hätte die HTS aktiv mit intensiven Rekrutierungen für die Reihen der Polizei und des Militärs begonnen. In einem undatierten arabischsprachigen Artikel bezieht sich das Swedish Center for Information (SCI) auf den genannten Videobeitrag. Laut dem SCI-Artikelwürden Berichten zufolge Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere mittels intensiver Programme rekrutiert, die von traditionellen akademischen Standards und Trainingsstandards abweichen würden. Dies habe den Zweck, die Ausbildung der Militär- und Sicherheitskräfte zu beschleunigen, um den Bedarf des neuen Staates zu decken.
In einem arabischsprachigen Artikel von Februar 2025 berichtet Enab Baladi, die Rekrutierungsabteilung in Aleppo habe verkündet, dass die Anmeldungen für eine Militärausbildung begonnen hätten. Die Bedingungen für den Eintritt in die Reihen des Verteidigungsministeriums der Übergangsregierung seien festgelegt worden. Interessierte könnten sich bis 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Aleppo im Viertel Al-Furqan anmelden. Voraussetzung sei, dass Bewerber ledig, zwischen 18 und 22 Jahre alt seien, keine chronischen Erkrankungen hätten und nicht verletzt seien. Für eine Anmeldung seien zwei Fotos, eine Kopie des Personalausweises sowie, sofern vorhanden, eine Kopie des Nachweises über einen akademischen Abschluss vorzulegen. Ähnliche Informationen finden sich in den nachfolgendbeschriebenen zwei Facebook-Beiträgen. In einem arabischsprachigen Facebook-Beitrag vom 12.Februar 2025 auf der Facebook-Seite „Al Arabiya Syria“ wird berichtet, dass das Gouvernement Aleppo verkündet habe, dass die Anmeldungen für die Aufnahme in die Reihen der Armee eröffnet seien. Die Anmeldungen würden im Offiziersclub im Viertel Al-Furqan entgegengenommen. Bewerber hätten ledig sowie zwischen 18 und 22 Jahre alt und gesund zu sein. Auf der Facebook-Seite „Nachrichten des freien Syrien“ („Achbar Suriya al-Hurra“) findet sich ein Beitrag vom 6. Februar 2025, der eine Rekrutierungsanzeige der Rekrutierungsabteilung in Idlib veröffentlicht. Die Anmeldung zur Teilnahme am Militärkurs für jene, die unter dem Verteidigungsministerium dienen möchten, sei eröffnet. Interessierten sei es möglich, sich zwischen dem 9. Februar 2025 und dem 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Idlib anzumelden. Bewerber hätten ledig und zwischen 18 und 22 Jahre alt zu sein. Sie dürften nicht chronisch krank oder verletzt sein. Vorzulegen seien ein Foto, eine Kopie des Personalausweises und eine Kopie des akademischen Nachweises, wenn vorhanden. Syria TV, ein syrischer Fernsehsender mit Sitz in Instanbul, der im Besitz eines katarischen Mediennetzwerks ist und sich in Opposition zur Assad-Regierung positioniert hatte, berichtet in einem arabischsprachigen Artikel vom Februar 2025, dass sich der Rekrutierungsprozess für die neuen syrischen Militär- und Sicherheitsinstitutionen, wie die Polizei sowie Kriminal- und Geheimdienste, von Gouvernement zu Gouvernement unterscheide. Am 10. Jänner 2025 habe das Innenministerium der Übergangsregierung verkündet, dass Anmeldungen zum Eintritt in die Polizeiakademie begonnen hätten. Die Kurse, die einen Eintritt in die Reihen der Polizei und Dienste der öffentlichen Sicherheit ermöglichen sollen, hätten in fast allen Gouvernements, insbesondere in Damaskus, Rif Dimaschq, Homs, Tartus, Idlib, Sweida und Deir ez-Zor begonnen. Dem Artikel zufolge sei Idlib in dieser Hinsicht am aktivsten, gefolgt von Deir ez-Zor und Teilen von Rif Dimaschq, während der Rekrutierungsprozess in den Küstenregionen sowie in Homs eher verhalten verlaufe. Bewerber hätten zwischen 20 und 30 Jahre alt zu sein, einen Sekundarschulabschluss oder einen entsprechenden Abschlussvorzuweisen, die vorgeschriebenen Kurse absolviert zu haben, unbescholten sowie gesund und von guter Statur zu sein. Sie hätten zudem körperlich fit zu sein und müssten mindestens 168 cm groß sein. Einem für den Artikel interviewten 27-jährigen Mann zufolge stelle der freiwillige Beitritt zum Polizei- oder Geheimdienstapparat für ihn eine gute Beschäftigungsmöglichkeit dar. Das Gehalt betrage mindestens 200 US-Dollar, während ein Arbeiter in Idlib täglich nicht mehr als umgerechnet drei US-Dollar verdiene. Der Mann aus Süd-Idlib habe auf Facebook eine Rekrutierungsanzeige gesehen und sich daraufhin beeilt, sich zu bewerben. Er habe erklärt, dass für die Bewerbung ein Formular mit persönlichen Daten auszufüllen sei. Das Formular gebe an, dass Bewerber nicht älter als 30 Jahre sein dürften. Man dürfe im Formular angeben, ob man in die Reihen des Geheimdienstes oder der Polizei, darunter die Kriminalpolizei, die Verkehrspolizei und die Moralpolizei, aufgenommen werden wolle. Die Moralpolizei sei eine Abteilung, die in Idlib vor dem Sturz der Assad-Regierung hätte gegründet werden sollen, aber trotz der Verbschiedung eines Gesetzes mit dem Titel „Öffentliche Moral“, auf Eis gelegt worden sei. In einem Artikel vom 19. Februar 2025 berichtet The National von einem Funktionär der HTS, der im Damaszener Außenbezirk Ost-Ghuta junge Männer rekrutieren solle. Die HTS benötige dem Artikel zufolge so viele Männer wie möglich, insbesondere für entlegenere Gegenden. An einem öffentlichen Platz im Vorort Ain Tarma habe der Funktionär ein kommunales Gebäude betreten und einen Zuständigen dort gefragt, ob er Personen kenne, die geeignet seien, der HTS beizutreten. Er habe eine Telefonnummer hinterlegt und sei zu einer ehemaligen Regierungskaserne weitergegangen, die sich auf dem Gebiet befinde, wo neue HTS-Rekruten ein dreiwöchiges Training absolvieren sollen. Dem Funktionär zufolge hätten sich seit dem Fall der Assad-Regierung tausende der HTS angeschlossen. Hunderte weitere würden bald in den Kasernen in Ost-Ghuta erwartet. Laut einem Artikel der Foundation for Defense of Democracies (FDD) von Jänner 2025 behaupte die syrische Übergangsregierung zwar, sich für religiöse Toleranz einzusetzen. Gleichzeitig werde die von der Regierung bevorzugte sunnitisch-islamische Glaubensströmung der Rekrutierung und der Ausbildung neuer Sicherheitskräfte zugrunde gelegt. Berichten zufolge würden neue Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung durchlaufen. In einem Artikel von Jänner 2025 berichtet Reuters von der Rekrutierung von Polizisten durch die Übergangsregierung. Polizisten, die aus der ehemals HTS-regierten Enklave in Idlib nach Damaskus gebracht worden seien, würden Bewerber nach ihrem Glauben befragen. Die Ausbildung von Polizisten dauere zehn Tage und der Fokus liege Ausbildnern und Absolventen zufolge auf dem Umgang mit Waffen und der Vermittlung von islamischem Recht. Dem Leiter der Polizei in Aleppo zufolge sei geplant, die Ausbildung auf neun Monate auszuweiten, wenn sich die Sicherheitslage gebessert habe. Ihm zufolge würden den Polizeirekruten die Prinzipien der islamischen Rechtsprechung, die Biographie des Propheten Mohammed und Verhaltensregeln gelehrt. Die Bewerbungsformulare würden Reuters zufolge einen Abschnitt „Glaube, Orientierung und Standpunkte“ enthalten, in welchem Bewerber nach ihrer „Bezugsautorität“ („referentialauthority“) befragt würden. Drei anonymen HTS-Beamten zufolge diene die Frage dazu, Bewerber zu identifizieren, die einer genaueren Prüfung unterzogen werden müssen, insbesondere Alawiten, die derselben Glaubensströmung wie die Assad-Familie angehören würden und möglicherweise Verbindungen zur Assad-Regierung gehabt hätten. Dem von Reuters befragten Wissenschaftler Aron Lund zufolge fänden viele Syrer:innen die religiöse Komponente bei der Rekrutierung von Polizisten bedenklich. Das betreffe nicht nur Minderheiten wie Christ:innen, Alawit:innen und Druz:innen, sondern auch urbane, säkulare sunnitische Muslim:innen. Das Innenministerium der Übergangsregierung, welches für Polizeiangelegenheiten zuständig sei, habe Reuters Fragen zum religiösen Fokus bei der Rekrutierung und Ausbildung von Polizisten nicht beantwortet. Mehreren von Reuters interviewten führenden Polizeioffizieren zufolge diene dieser nicht dazu, der Allgemeinbevölkerung religiöse Inhalte aufzuzwingen, sondern dazu, Rekruten ethisches Verhalten zu vermitteln. Sieben Polizeioffiziere, die Polizeistationen verwalten oder im Rekrutierungsprozess involviert seien, hätten ausgesagt, dass die Polizei mehr Mitarbeiter benötige und Bewerbungen von Personen jeder Glaubensrichtung willkommen seien. Einem Polizei-Ausbildner an einer Polizeiakademie in Damaskus zufolge hätten sich über 200.000 Personen gemeldet, die Teil des neuen Polizeidienstes werden wollen. Alle fünf von Reuters interviewten hochrangingen Offiziere seien davon ausgegangen, dass sich die Personalausstattung vor dem Hintergrund der Ausweitung von Rekrutierung und Training im Jahr 2025 verbessern werde. Die Anmeldung von Polizisten, die vor dem Sturz der Assad-Regierung zu den Rebellen übergelaufen seien, werde laut von Reuters befragten führenden Polizeioffizieren begrüßt. Diejenigen, die nicht übergelaufen seien, hätten einen „Aussöhnungsprozess“ zu durchlaufen. Im Zuge dessen hätten sie ein Dokument zu unterzeichnen, worin sie den Regierungswechselanerkennen würden, und sie hätten ihre Waffe abzugeben. Es sei noch unklar, ob sie dem neuen Polizeidienst beitreten dürften. In einem Artikel von Ende Februar 2025 berichtet Syria TV von Gerüchten, denen zufolge die Übergangsregierung in den Gouvernements Tartus und Latakia Männer zum Militärdienst rekrutiert und zwangsverpflichtet hätte. Auf Facebook-Seiten, die der Quelle zufolge von Medienfachleuten betrieben würden, die der Assad-Regierung naheständen, sei berichtet worden, dass Sicherheitskräfte in den Städten Dschableh, Baniyas und Qardaha Checkpoints aufgestellt und Personen mit Statusregelungsausweisen („Bidaqat Taswiya“) festgenommen hätten. Offizielle Quellen des Gouvernements Tartus hätten den Verantwortlichen der Rekrutierungsabteilung der Stadt Baniyas zitiert, der diese Gerüchte vehement abgestritten habe. Er habe darauf hingewiesen, dass der Militärdienst nunmehr auf Freiwilligkeit aufbaue und dazu aufgerufen, offizielle Quellen für Informationen zu konsultieren.
1.7.5. Personen, die der Regierung von Baschar al-Assad nahestehen bzw. als solche wahrgenommen werden
Nach ihrer Machtübernahme verfolgte die Übergangsregierung keinen umfassenden Entbaathifizierungsprozess wie im Irak nach dem Krieg, und die Büros der Baath-Partei wurden nicht systematisch angegriffen. Im Dezember stellte die Führung der Baath-Partei ihre Aktivitäten ein. Ende Januar wurde die Auflösung der Partei bekannt gegeben. Von Anfang an erklärten die neuen Behörden, dass Soldaten, die im Rahmen der Wehrpflicht rekrutiert worden waren, sicher seien und es verboten sei, sie anzugreifen. Am 09.12.2024 erließ das MOA eine Generalamnestie für alle im Rahmen der Wehrpflicht eingezogenen Militärangehörigen. Die neue Regierung richtete daraufhin sogenannte „Versöhnungszentren“ ein, um ehemaligen Angehörigen von Polizei, Militär, Geheimdiensten und Assad-treuen Milizen, die ihre Waffen abgeben, vorläufige Personalausweise auszustellen. Diese Versöhnungszentren überwachen den Prozess, bei dem ehemalige Regimeangehörige ihre Waffen abgeben und ihre persönlichen Daten im Austausch gegen vorläufige Personalausweise registrieren. Diese Ausweise gewähren begrenzten Rechtsschutz und freies Geleit, doch das Verfahren ist intransparent, folgt inkonsistenten Kriterien und wird von Sicherheitsbehörden beeinflusst, sodass viele Antragsteller mit komplexen bürokratischen Hürden konfrontiert sind. Ende Dezember berichtete die BBC über eine erhebliche Beteiligung: Hunderte von Menschen standen vor einem Versöhnungszentrum in Damaskus Schlange. Im Januar und Februar berichteten lokale Medien und Organisationen, die die Ereignisse in Syrien verfolgten, dass die neue Regierung einigen hochrangigen Persönlichkeiten aus dem Umfeld der Assad-Regierung Amnestie gewährt habe, darunter Fadi Saqr, dem früheren Führer der Nationalen Verteidigungskräfte. Darüber hinaus soll das MOA Kollaborateuren von Maher Al-Assad, wie Geschäftsleuten, die seine Aktivitäten unterstützten, sowie Generalmajor Talal Makhlouf, Anführer der Republikanischen Garde der Assad-Regierung, Versöhnung gewährt haben. Gleichzeitig veranlasste der Zusammenbruch der Regierung von Baschar al-Assad zahlreiche hochrangige Beamte und Vertraute der Herrscherfamilie zur Flucht in den Libanon. Die libanesischen Behörden wiesen jedoch illegal eingereiste syrische Offiziere und Soldaten aus und schickten sie nach Syrien zurück, wo sie von der neuen Regierung festgenommen wurden. Ende Dezember intensivierte die Übergangsregierung ihre Bemühungen, Personen festzunehmen, die mit der gestürzten Regierung in Verbindung standen. Die Behörden gaben an, dass ihre Festnahmekampagnen sich ausschließlich gegen Personen richteten, die im Auftrag des Assad-Regimes Verbrechen begangen hatten. Kampagnen in Deir Ez-Zor, Aleppo und Tartus konzentrierten sich auf die Beschlagnahmung illegaler Waffen und die Festnahme von Verdächtigen, die an illegalen Aktivitäten beteiligt waren. Allein in einer Woche wurden in Damaskus, Latakia, Tartus, Homs, Hama und Deir Ez-Zor fast 300 Personen festgenommen, darunter ehemalige Informanten des Regimes, pro-iranische Kämpfer und niederrangige Militäroffiziere. Laut SOHR wurden einige Häftlinge, denen vorgeworfen wurde, Informationen an die Assad-Regierung weitergegeben zu haben, unmittelbar nach ihrer Festnahme hingerichtet. Am 10. Januar berichtete SOHR, dass Kämpfer der Übergangsregierung Mazen Kneneh, einen lokalen Beamten, der beschuldigt wurde, als Informant für den gestürzten Präsidenten Assad gedient zu haben, öffentlich hingerichtet hätten. Im Februar wurden weitere außergerichtliche Tötungen ehemaliger Mitglieder von Bashar Al-Assad unterstützenden Milizen gemeldet, darunter die Ermordung von vier Mitgliedern der Familie Meido, die einer lokalen Miliz angehörten, die an der Seite der vorherigen Regierung gekämpft hatte. Laut SOHR kamen zwischen Anfang 2025 und Mitte Februar 2025 287 Menschen durch außergerichtliche Tötungen und Rachemorde ums Leben. Die Operationen wurden den ganzen Januar über fortgesetzt. Mitglieder der allgemeinen Sicherheitsverwaltung durchsuchten Häuser und suchten nach Waffen und Personen, die sich nicht mit der Übergangsverwaltung versöhnt hatten. Umfangreiche Militär- und Sicherheitsoperationen in Schlüsselregionen wie den Küstenstädten Homs, Hama, Aleppo und Damaskus umfassten Razzien, Waffendurchsuchungen und die weitere Inhaftierung Hunderter Personen. Die Operationen konzentrierten sich auf ehemalige Militärkämpfer und ehemalige Regierungsmitarbeiter und führten zur Beschlagnahmung erheblicher Mengen an Waffen und Munition. Die Festgenommenen wurden in die Zentralgefängnisse von Homs, Hama und Adra im ländlichen Raum von Damaskus gebracht. Darüber hinaus zeigten online veröffentlichte Videos, wie Häftlinge, die während dieser Operationen festgenommen wurden, körperliche und verbale Misshandlungen, darunter Angriffe und erniedrigende Behandlung, erdulden mussten. Laut dem Syria Justice and Accountability Center führten diese Sicherheitsoperationen zu verschiedenen Menschenrechtsverletzungen, darunter dem gemeldeten Tod von Häftlingen in Gewahrsam und der Verhaftungen von Angehörigen gesuchter Personen, die sowohl ehemalige Angehörige der Assad-Regierung als auch nicht mit ihr verbundene Zivilisten betrafen. Bis Mitte Januar berichtete die SOHR, dass über 9.000 Kombattanten und Offiziere weiterhin inhaftiert waren, inmitten von Vorwürfen der Folter und eingeschränkter Kommunikation mit ihren Familien. Informationen des Syrischen Netzwerks für Menschenrechte (SNHR) decken sich mit den Foltervorwürfen, wie sie von Familien berichtet wurden, denen die Leichen von Familienmitgliedern nach ihrer Inhaftierung durch die Allgemeine Sicherheitsdirektion zurückgegeben wurden. Gleichzeitig berichtete die SOHR, dass 275 Häftlinge aus dem Zentralgefängnis von Homs freigelassen wurden, nachdem ihre Unschuld an Kriegsverbrechen gegen die syrische Bevölkerung festgestellt worden war. Im Januar 2025 ließ die Übergangsverwaltung rund 641 Personen frei, hauptsächlich aus den Gouvernoraten Homs, Hama und Latakia, die für einen Zeitraum von einigen Tagen bis zu einem Monat in Haft gehalten worden waren. Die Mehrheit wurde in kleinen Gruppen aus Zentralgefängnis von Homs. Anfang Februar verhängte das Informationsministerium ein Verbot, Interviews mit Personen zu führen, die der ehemaligen Regierung nahestehen, oder Aussagen dieser Personen zu verbreiten. Seit der Machtübernahme der Übergangsregierung haben verbliebene Assad-freundliche Gruppen kleinere, gezielte Blitzangriffe auf die Sicherheitskräfte in ganz Syrien verübt. Diese Angriffe veranlassten die Behörden, Operationen zur Festnahme der Täter einzuleiten, bei denen zeitweise zivile Opfer zu beklagen waren. Anfang März führten koordinierte Angriffe Assad-freundlicher Gruppen auf Sicherheitskräfte, insbesondere in den Küstengebieten, zu einer erheblichen Eskalation, bei der zahlreiche zivile Opfer, vor allem aus der alawitischen Gemeinschaft, zu beklagen waren. Neben den Operationen der Übergangsregierung wurden auch Vorfälle mutmaßlicher Racheakte, darunter Tötungen, Entführungen und Brandstiftungen, durch unbekannte Gruppen dokumentiert, deren Ausmaß jedoch unklar bleibt. Ende Dezember wurden drei alawitische Richter in Masyaf, die für Eigentumsstreitigkeiten zuständig waren, getötet, eine Tat, die von der Übergangsverwaltung verurteilt wurde. Im Januar berichtete SOHR über die Hinrichtung von 15 Personen, darunter Offiziere der ehemaligen Regierung, durch unbekannte bewaffneten Männer im Gouvernement Homs. Darüber hinaus wurden 53 Personen festgenommen und an unbekannte Orte gebracht.
1.7.6. Kriminalität, Gesetzlosigkeit und konfessionelle Gewalt
In verschiedenen Regionen ist die Sicherheitslage aufgrund von Kriminalität und Gesetzlosigkeit kritisch. In den Küstengebieten kam es zu Übergriffen, gezielten Angriffen und Tötungen von Zivilisten, Angriffen auf Kontrollpunkte, Raubüberfällen, Plünderungen und Entführungen. Auch im ländlichen Damaskus wurden Fälle von Tötungen durch unbekannte Männer/bewaffnete Gruppen, Entführungen und Plünderungen gemeldet. Tödliche Angriffe auf Zivilisten wurden außerdem in Idlib, Hama und im Lager Yarmouk in Damaskus registriert. Laut der zivilgesellschaftlichen Organisation Civil Peace Group in Syria kam es zwischen dem 9. Dezember 2024 und Mitte Februar 2025 in der Stadt Homs zu 64 Entführungen, darunter mindestens 13 Zivilisten. Diese Entführungen nahmen im Dezember 2024 allmählich bis 27. Dezember zu, bis sie im Januar auf Null sanken, bevor sie wieder anstiegen. 19 dieser Entführten wurden getötet. Wie Gregory Waters feststellte, wurden die meisten dieser Verbrechen von Zivilisten und Banden begangen, die nicht mit der Übergangsverwaltung in Verbindung standen. Einige lokale Kommandeure und einfache Soldaten waren jedoch an Entführungen alawitischer Zivilisten aus konfessionellen Gründen beteiligt. Gebiete wie Damaskus, Latakia und Tartus blieben aufgrund fehlender formalisierter Sicherheitsmechanismen weiterhin anfällig für konfessionelle Spannungen. Laut SOHR nahmen Attentate und Vergeltungsschläge, auch aus konfessionellen und politischen Gründen, im Januar 2025 in den von der Übergangsverwaltung kontrollierten Gebieten deutlich zu. Die höchsten Raten wurden in Homs (91 Todesopfer, darunter 59 konfessionell motivierte Morde), Hama (46 Todesopfer, darunter 28 konfessionell motivierte Morde) und Latakia (15 Todesopfer, darunter 13 konfessionell motivierte Morde) verzeichnet. Im Januar verzeichnete ACLED über 176 Zivilisten, darunter auch einige ehemalige Kämpfer der Assad-Regierung, wurden von unbekannten Schützen getötet. In der Stadt Homs und den ländlichen Gebieten von Homs und Hama waren die Sicherheitskräfte Berichten zufolge überlastet und stützten sich auf unzureichend ausgebildete Rekruten, was dazu führte, dass die Unruhen seit Assads Sturz anhielten. In Homs und einigen Teilen Hamas wurden Fälle lokaler konfessioneller Vergeltungsmaßnahmen von Sunniten gegen Alawiten als ernstes Problem gemeldet. In den sozialen Medien häuften sich unbestätigte Berichte über Strafrazzien, Verschwindenlassen und Morde, die angeblich zeigten, wie HTS-Kämpfer Alawiten schlugen oder zu Gewalt gegen sie aufriefen. Wie Gregory Waters feststellte, ereigneten sich die schwerwiegenderen Angriffe auf Assad-Verbliebene eher in ländlichen Gebieten, die durch eine hohe Konzentration ehemaliger „Shabiha“ (bewaffneter Banden, die Assad unterstützten) und eine begrenzte Präsenz von Sicherheitskräften gekennzeichnet waren. Allerdings wurde auch über solche Angriffe auf ehemalige Assad-Loyalisten auch in Damaskus berichtet. In einigen dieser Fälle, die bis Februar 2025 andauerten, blieben die Täter unidentifiziert.
1.7.7. Zivile Todesopfer
Zwischen November 2024 und Februar 2025 verzeichnete das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR) insgesamt 1.032 zivile Todesopfer (darunter 165 Kinder und 110 Frauen). Im November 2024 wurden 71 Zivilisten getötet, gefolgt von 503 im Dezember 2024, 236 im Januar 2025 und 222 im Februar 2025. In diesem Viermonatszeitraum wurden die meisten zivilen Todesopfer in Aleppo (374), Hama (150) und Idlib (132) registriert. Die Zahl der vom SNHR in diesem Viermonatszeitraum erfassten zivilen Todesopfer übertraf die Gesamtzahl der ersten zehn Monate des Jahres 2024 (690 Tote) und betrug 395 % der Zahl der zivilen Todesopfer im Viermonatszeitraum unmittelbar vor dem Berichtszeitraum (261 Tote). Die Hauptverantwortlichen waren unbekannte Parteien, darunter Landminen unbekannter Herkunft und Schüsse, Bombenanschläge und Tötungen durch unbekannte Parteien (die zwischen November 2024 und Februar 2025 543 zivile Todesopfer forderten), (ehemalige) Streitkräfte der Assad-Regierung (die zwischen November 2024 und Januar 2025 243 zivile Todesopfer forderten, darunter 223 im Dezember), die SDF (die zwischen November 2024 und Februar 2025 145 Todesopfer forderten, darunter 108 im Dezember) und die SNA (die im Viermonatszeitraum 15 Todesopfer forderte). Im gleichen Zeitraum verzeichnete die UCDP 949 Sicherheitsvorfälle mit 3.350 Todesopfern in Syrien, davon 1.237 zivile Todesopfer. Die meisten zivilen Todesopfer wurden in den Gouvernements Homs (269), Aleppo (256) und Hama (200) registriert. Die geringste Anzahl an Sicherheitsvorfällen wurde in den Gouvernements Quneitra (5), Tartus (18) und Damaskus (19) registriert.
1.7.8. Erklärungen der UN-Organisationen (Sicherheit, Sozioökonomische Situation, Flüchtlinge)
Das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) berichtet, dass zwischen dem Beginn der Offensive am 27. November und dem 11. Dezember etwa eine Million Menschen aus den Provinzen Aleppo, Hama, Homs und Idlib vertrieben wurden. Es liegen keine Zahlen vor, aber Berichten zufolge kehrten im selben Zeitraum tausende syrische Flüchtlinge aus dem Libanon ins Land zurück. Auch aus der Türkei kehrten Flüchtlinge in den Nordwesten Syriens zurück. Gleichzeitig flohen einige Syrer:innen in den Libanon. Der UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher berichtet am 17.12.2024 über kritische Engpässe bei Nahrungsmitteln, Treibstoff und Vorräten aufgrund unterbrochener Handelsrouten und Grenzschließungen. Laut UNICEF benötigen 7,5 Million Kinder in Syrien humanitäre Hilfe. Mehr als 2,4 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule, und eine weitere Million Kinder laufen Gefahr, die Schule abzubrechen. Auch die Gesundheitsversorgung sei fragil. Fast 40 Prozent der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen sind teilweise oder vollständig funktionslos. Fast 13,6 Millionen Menschen benötigen Wasser, Sanitäranlagen und Hygienedienste; und 5,7 Millionen Menschen, darunter 3,7 Millionen Kinder, benötigen Ernährungshilfe. Die UN berichtet, dass es in der Woche vom 23.12.2024 weiterhin zu Feindseligkeiten und Unsicherheiten in den Provinzen Aleppo, Homs, Hama, Latakia, Tartus, Deir-ez-Zor und Quneitra kam. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage waren humanitäre Einsätze mit 30.12.2024 in mehreren Gebieten weiterhin ausgesetzt. Im November hatten rund zwei Millionen Menschen in ganz Syrien Nahrungsmittelhilfe in unterschiedlicher Form erhalten. Die instabile Sicherheitslage in den ländlichen Gebieten von Hama, Quneitra, Lataka und Tartous beeinträchtigte die Möglichkeit des Schulbesuchs für Kinder. Mit 29. Dezember haben 94 der 114 von UNHCR unterstützten Gemeindezentren in ganz Syrien ihre Arbeit wiederaufgenommen. Seit dem 27.11.2024 haben sich 58.500 Personen an die Gemeindezentren gewandt, um sich anzumelden und um Zugang zu Schutzdiensten zu erhalten. Laut UNHCR kehrten zwischen 8. und 29. Dezember 58.400 Personen nach Syrien (hauptsächlich aus dem Libanon, Jordanien und der Türkei) zurück. Seit Anfang 2024 (bis zum 29. Dezember) kehrten ungefähr 419.200 syrische Flüchtlinge zurück; die Mehrheit von ihnen nach Raqqa (25%), Aleppo (20%) und Daraa (20%). Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, erklärte in seinem Briefing an den UN-Sicherheitsrat am 8. Jänner 2025, dass sich die Sicherheitssituation in einigen Regionen zwar verbesserte, es jedoch weiterhin zu Unruhen in den Küstenregionen, Homs und Hama kam. Bewaffnete Gruppen, darunter das Terrornetzwerk Islamischer Staat – und über 60 Gruppen mit widersprüchlichen Agenden – stellten ebenfalls eine anhaltende Bedrohung für die territoriale Integrität Syriens dar. Pederson berichtete weiters über den oben beschriebenen Konflikt zwischen SNA und SDF, sowie die Verstöße Israels. Auch die humanitäre Lage war nach wie vor kritisch: Fast 15 Millionen Syrer:innen benötigten Gesundheitsversorgung, 13 Millionen waren von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen und über 620.000 waren Binnenflüchtlinge. Die am Tischreen-Staudamm verursachten Schäden schränkten die
Wasser- und Stromversorgung für mehr als 400.000 Menschen ein. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) teilte am 30. Jänner mit, dass über 25.000 Menschen aus der nordöstlichen Stadt Manbidsch vertrieben worden seien. Speziell in Ost-Aleppo und rund um den Tischreen-Staudamm kam es zu Kämpfen. Infolge der eskalierenden Gewalt sei die Zahl der Neuvertriebenen bis zum 27.01.2025 auf 652.000 gestiegen. Die humanitäre Hilfe wurde durch einen Mangel an öffentlichen Dienstleistungen und Liquiditätsengpässen schwer beeinträchtigt. In Städten wie Homs und Hama gebe es alle acht Stunden nur 45 bis 60 Minuten lang Strom. Mitte Februar erklärte OCHA, dass die humanitäre Hilfe für Syrien erheblich unterfinanziert ist. Bis März wurden weniger als 10 Prozent der benötigten 1,2 Milliarden Dollar bereitgestellt. Gleichzeitig kommt es in Teilen Nordostsyriens, speziell in Ost-Aleppo, Raqqa, und Hasakah, weiterhin zu Zusammenstößen und Angriffen mit Sprengsätzen. Mit 26.02.2025 erreichte die humanitäre Hilfe, laut UN, viele Gemeinden, doch schränkten Kämpfe den Zugang zu Hilfe in mehreren Regionen im Osten Aleppos ein.
1.7.9. Frauen und Kinder
Laut eines SNHR Berichts wurden zwischen März 2011 und November 2024 mindestens 29.064 Frauen in Syrien getötet, und 11.268 Frauen wurden bei der Veröffentlichung des Berichts in Haft gehalten oder verschwanden gewaltsam. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 27. Dezember 2024 dokumentierte das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR) konfliktbezogene Vorfälle, bei denen 92 Frauen in ganz Syrien getötet wurden. Berichte über die Tötung von Frauen durch bewaffnete Akteure wurden im Bezugszeitraum fortgesetzt, und Frauen wurden auch weiterhin Opfer anderer Verstöße, darunter Todesfälle durch nicht explodierte Kampfmittel und Tötungen durch unbekannte Täter. Im Februar 2025 berichtete SOHR über eine erhöhte Zahl von Entführungsfällen von Frauen und Mädchen.
Die Krise in Syrien hatte unverhältnismäßige Auswirkungen auf Frauen, was zu Gewaltrisiken, negativen Bewältigungsmechanismen, einem eingeschränkten Zugang zu Dienstleistungen, einer erhöhten Anfälligkeit für sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt („sexual and genderbased violence – SGBV“), Diskriminierung und einem eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung und Rechtsbehelfen führte. Frauen und Mädchen waren beim Zugang zu humanitärer Hilfe benachteiligt und unverhältnismäßig stark von Ernährungsunsicherheit betroffen.
Aktuell herrscht noch keine Klarheit über die Lage der Frauen in Syrien unter den HTS-Behörden. Der neue Außenminister Assaad al-Shibani behauptete, dass die Behörden die Rechte der Frauen „voll und ganz unterstützen“ würden, und Ahmed al-Sharaa versprach, die Bildung von Frauen fortzusetzen. Zum 1. Januar 2025 wurden drei Frauen in offizielle Positionen unter der neuen Regierung in Syrien berufen. Die erste Frau, die ernannt wurde, war Aisha al-Dibs als Leiterin des Büros für Frauenangelegenheiten. Am 30. Dezember 2024 ernannten die neuen Behörden die erste weibliche Gouverneurin der syrischen Zentralbank, Maysaa Sabrine, die zuvor als stellvertretende Gouverneurin der Bank tätig war. Am 31. Dezember 2024 wurde Muhsina al-Mahithawi aus der drusischen Minderheit zur ersten weiblichen Gouverneurin der Provinz Sweida ernannt.
Auf nationaler Ebene ist der Regierungsansatz der Übergangsverwaltung nach wie vor unklar, insbesondere in Bezug auf die Rechte und die Vertretung von Frauen. Obaida Arnout, eine Regierungssprecherin, schlug vor, dass Frauen aufgrund ihrer inhärenten Merkmale für bestimmte Rollen in der Regierungsführung ungeeignet seien, während Aisha al-Dibs, die neu ernannte Ministerin für Frauen, sich gegen die Zusammenarbeit mit Organisationen der Zivilgesellschaft aussprach, die mit ihren Ansichten nicht einverstanden seien. Al-Dibs führte weiter steigende Scheidungsraten auf ein früheres Regierungsprogramm zurück und versprach, ähnliche Initiativen zu vermeiden.
Maßnahmen, die auf das öffentliche Engagement von Frauen abzielen, wurden auf Pläne für die Geschlechtertrennung in öffentlichen und privaten Bussen in Damaskus ausgeweitet. Im Januar kündigte die General Company for Internal Transport, „Zajal Transport“, an, dass in der Hauptstadt innerhalb weniger Tage, nach früheren Versuchen in Idlib, Aleppo, Hama und Homs, geschlechtergetrennte Transporte durchgeführt würden.
In Bezug auf die Arbeit von Richterinnen erklärte Obaida Arnout, dass dies „von Sachverständigen“ untersucht werden müsse, was die Situation von Richterinnen unklar lasse. Im Januar 2025 wurde berichtet, dass Shadi al-Waisi, der Justizminister in der derzeitigen Regierung, in zwei Videos gesehen wurde, in denen die Hinrichtung von zwei Frauen überwacht wurde, die 2015 im Raum Idlib wegen „Korruption und Prostitution“ verurteilt wurden. In Homs erschienen Beschilderungen, die die Geschlechtertrennung bewerben, in Bussen. In Damaskus wurden Plakate mit den „Bedingungen des schariakonformen Hijab“ im öffentlichen Raum gesehen. Laut Al-Dibs wird die Regierung syrischen Frauen jedoch keine Kleiderordnung auferlegen. In einem Interview vom 25. Dezember 2024 erklärte Ahmed al-Sharaa, dass „christliche Frauen nicht gezwungen würden, den Schleier einzuhalten“, ohne jedoch muslimischen Frauen zu erwähnen.
Der Konflikt in Syrien hat zu einem demografischen Wandel geführt, der zu mehr weiblichen Haushaltsvorständen/Familienoberhäuptern und Frauen die in die Berufswelt einsteigen geführt hat. Die Zahl der von Frauen geführten Haushalte hat aufgrund der Vertreibung zusätzlich zugenommen. Laut einer Analyse der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Oktober 2024 wird in ganz Syrien „fast jede dritte Familie von einer Frau geleitet.“ Haushalte mit weiblichem „Oberhaupt“ gehören schutzbedürftigen Gruppen an, die unverhältnismäßig stark von dem Konflikt betroffen waren und deren Grundbedürfnisse wie Gesundheitsversorgung, Ernährung und Bildung nicht erfüllt wurden. Frauen wurden am Arbeitsplatz schikaniert und diskriminiert, insbesondere Frauen ohne Ehemänner, einschließlich Witwen. Die Arbeitslosenquote von Frauen in Syrien erreichte 2024 62,2 %, so das syrische Zentralamt für Statistik. Kinder von weiblichen Haushaltsvorständen waren einem erhöhten Risiko der Staatenlosigkeit ausgesetzt, da sie ihre Geburten nicht registrieren konnten. Geschiedene Frauen und Witwen waren dem Risiko von Zwangsverheiratung ausgesetzt. Schwierigkeiten bei der Rückforderung von Eigentum wurden in Bezug auf Witwen, zurückkehrende Frauen aus dem Libanon (mehr als die Hälfte dieser Haushalte waren weiblich geführt) und vertriebene Frauen im Nordosten Syriens gemeldet. Geschiedene Frauen im Nordwesten Syriens waren mit gesellschaftlicher Stigmatisierung, sozialer Ausgrenzung und mangelnder Unterstützung konfrontiert.
Ab Januar 2025 wurden etwa 40 000 Menschen im Lager al-Hol im Nordosten Syriens festgehalten, Berichten zufolge hauptsächlich Frauen und Kinder, Familienangehörige von ISIL-Mitgliedern, darunter Tausende von Ausländern. Die Bedingungen in den Lagern wurden als „unmenschlich“ und „lebensbedrohlich“ bezeichnet. Am 27. Januar ordnete die US-Regierung an, die „ausländische Entwicklungshilfe“ auszusetzen, woraufhin am nächsten Tag eine vorübergehende Ausnahmeregelung für „lebensrettende humanitäre Hilfe“ erlassen wurde. Quellen berichteten, dass das Einfrieren der humanitären Hilfe die Lebensbedingungen im Lager al-Hol weiter verschlechtert hat.
Der im November 2024 veröffentlichte Jahresbericht der SNHR verzeichnete seit März 2011 11.553 Fälle sexueller Gewalt gegen Frauen. Die Haupttäter sexueller Gewalt, die von der SNHR dokumentiert wurden, wurden als ehemaliges syrisches Regime (8.024 Vorfälle) und ISIL (3.487 Vorfälle) identifiziert, während HTS für zwei Vorfälle verantwortlich gemacht wurde. Das OHCHR berichtete von einem Anstieg „aller Arten sexueller Gewalt und anderer geschlechtsspezifischer Gewalt“ in Syrien während des Konflikts. Misshandlungen gegen Frauen wurden unterschätzt, auch wegen gesellschaftlicher Stigmatisierung und Angst. Der Konflikt in Syrien hat zu vermehrten Fällen von Früh- und Zwangsheiraten geführt, auch als Bewältigungsmechanismus. Eine Studie der internationalen Organisation PAX ergab, dass die Verlagerung der Geschlechterrollen zu einem Anstieg häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt beigetragen hat.
Im Januar 2025 berichtete der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), dass Frauen und Mädchen in Syrien aufgrund institutionalisierter Ungleichheit der Geschlechter und des Patriarchats sowohl im öffentlichen als auch im privaten Leben mit „allgegenwärtigen Formen“ von SGBV konfrontiert waren. Die Situation war durch einen Mangel an Unterstützungsdiensten, sicheren Räumen und Rechtsschutz gekennzeichnet. Nach Angaben des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) sind 93 % der rund 8,5 Millionen Menschen, die in Syrien Hilfe bei geschlechtsspezifischen Gewalttaten benötigen, Frauen und Mädchen. Sie sahen sich einer Vielzahl von Missbräuchen ausgesetzt, darunter „Gewalt durch intime Partner, häusliche Gewalt, wirtschaftliche und emotionale Gewalt sowie sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung und sexueller Belästigung.“ Ab Januar 2025 waren im Nordwesten Syriens 67 sichere Räume für Frauen und Mädchen, die SGBV-Dienste anbieten, funktionsfähig. In Idlib wurden Ende 2024 Gesundheitseinrichtungen einschließlich einer Entbindungsklinik erheblich beschädigt. Frauen und Mädchen in Aleppo sahen sich beim Zugang zu Dienstleistungen für Opfer des SGBV mit „erheblichen Schwierigkeiten“ konfrontiert, einschließlich solcher, die den Transport und den Mangel an weiblichem Personal betrafen. Das Risiko von SGBV war Berichten zufolge für Frauen in Binnenvertriebenenlagern und in den Notunterkünften höher.
Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) wurden in den 13 Jahren des Konflikts rund 25.500 Verstöße gegen Kinder verzeichnet, darunter die Tötung und Verstümmelung von Kindern und die Rekrutierung von Kindern. SNHR gab an, dass in der Zeit vom März 2011 bis zum 10. November 2024 30.293 Kinder getötet wurden, und ab dem 20. November 2024 wurden 5.298 Kinder verhaftet, inhaftiert oder verschwanden gewaltsam. Im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 27. Dezember 2024 dokumentierte das OHCHR Vorfälle, bei denen 212 Kinder in ganz Syrien getötet wurden. Nach dem Regimewechsel gab es weiterhin Berichte über die Tötung von Kindern durch bewaffnete Akteure. Kinder wurden auch weiterhin durch nicht explodierte Kampfmittel verletzt, die mindestens 116 im Dezember und 136 im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 17. Februar töteten oder verletzten. Im Januar 2025 warnte das UNOCHA, dass schwerwiegende Verstöße gegen Kinder nach wie vor ein großes Problem darstellen, einschließlich der Gefahr, getötet, verletzt, rekrutiert und bei Feindseligkeiten eingesetzt zu werden.
Im Dezember 2024 waren schätzungsweise 7,5 Millionen Kinder in Syrien auf humanitäre Hilfe und rund 6,4 Millionen auf psychologische Hilfe angewiesen. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) berichtete, dass Ernährungsunsicherheit und Unterernährung bei Kindern die Gesundheitsrisiken erhöhen. Etwa 506.000 Kinder unter fünf Jahren in Idlib und Aleppo litten unter akuter Unterernährung und über 609.000 unter „Stunting“ (Wachstumsverzögerung durch z.B. schlechte Ernährung, wiederholte Infektionen, mangelnder Zugang zu sauberen Trinkwasser, magelnde Gesundheitsversorgung). Die WHO stellte fest, dass in einigen Gouvernements das Stunting ein „alarmierend hohes Niveau“ erreicht hat. UNOCHA berichtete, dass Krankenhäuser überfüllt seien und dass psychische Belastungen bei Kindern weit verbreitet seien.
Nach Angaben des UNOCHA sind Kinderarbeit und Kinderehen nach wie vor „weitgehend akzeptierte“ Bewältigungsmechanismen für syrische Familien und die Tragweite wird nach wie vor nicht ausreichend erfasst. Kinder in Straßensituationen waren Ausbeutung ausgesetzt und standen „in Kontakt mit dem Gesetz wegen geringfügiger und schwerer Straftaten“.
Ein im Januar 2025 veröffentlichter UNOCHA-Bericht wies darauf hin, dass die Wirtschaftskrise in Syrien das Risiko von geschlechtsspezifischer Gewalt bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen, auch bei jugendlichen Mädchen, sowie das Risiko von Kinderarbeit, Kinderheirat und sexueller Ausbeutung weiter erhöht hat.
Ein Bericht der internationalen NGO Welthungerhilfe über die Gouvernements Aleppo und Idlib zur Bewertung des Schutzbedarfs auf der Grundlage der im August 2024 erhobenen Daten ergab, dass Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder, insbesondere jugendliche Mädchen, in verschiedenen Umgebungen auftraten unter anderem auch zu Hause, in der Schule, am Arbeitsplatz und in Binnenvertriebenenlagern. In dem Bericht wurde festgestellt, dass Kinderehen sowohl in Binnenvertriebenenlagern als auch in Aufnahmegemeinschaften nach wie vor „vorherrschend“ sind, wobei die Hauptgründe in erster Linie die Armut in Aleppo und die Bräuche und Traditionen in Idlib sind.
Nach Angaben des USDOS gab es unter der Assad-Regierung Unterkünfte für Waisenkinder. In Syrien gab es schätzungsweise 1,2 Millionen Waisenkinder, und nach einem Regierungserlass wurden Kinder als „muslimisch angenommen, sofern nichts anderes nachgewiesen wurde“, und sie konnten nur angenommen werden, „wenn das Paar und das Kind dieselbe Religion teilen“. Ein Bericht des Global Protection Cluster (GPC), eines Netzwerks von NRO, internationalen Organisationen und UN-Agenturen, der im Dezember 2024 veröffentlicht wurde, stellte fest, dass Kinder besonders von einem Mangel an zivilen Dokumenten betroffen waren.
In einem am 20. November 2024 veröffentlichten Bericht erklärte die SNHR, dass im Zeitraum von März 2011 bis 10. November 2024 2.395 Kinder in Syrien zwangsrekrutiert wurden. Im Juni 2024 unterzeichnete der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für Kinder in bewaffneten Konflikten einen Aktionsplan zur Beendigung und Verhinderung der Rekrutierung und des Einsatzes sowie der Tötung und Verstümmelung von Kindern mit der SNA und abgestimmten Fraktionen. Darüber hinaus wurde ein Fahrplan zur Umsetzung eines Aktionsplans von 2019 zwischen den Vereinten Nationen, den SDF und den Verwaltungen in Nord- und Ostsyrien angenommen, der die Rekrutierung und den Einsatz von Kindern in bewaffneten Konflikten verbietet. Dennoch wurden weiterhin Fälle von Rekrutierung von Kindern gemeldet, auch von SDF und einer kurdischen Jugendbewegung im Nordosten Syriens. Ende November 2024 dokumentierte die SNHR Operationen des ehemaligen Regimes zur Einberufung junger Männer und Jungen mit dem Ziel, sie nach Nordsyrien zu entsenden.
Ab Januar 2025 gab es in Syrien etwa 2,4 Millionen Kinder, die die Schule verlassen hatten, und eine weitere Million, die vom Schulabbruch bedroht war. Seit Ende November 2024 wurde die Schulbildung für rund 230.000 Kinder im Nordosten Syriens aufgrund anhaltender Konflikte unterbrochen. Außerhalb der Schule waren Kinder einem erhöhten Risiko von Kinderarbeit und Kinderehen sowie Menschenhandel und Rekrutierung ausgesetzt. In einem Bericht des UNOCHA vom Januar 2025 heißt es, dass mehr als 5.200 Schulen beschädigt sind und keine Ausrüstung haben. Während die Bildung kostenlos ist, haben einige Familien negativen Bewältigungsmechanismen, die sich auf den Schulbesuch von Kindern auswirken, Priorität eingeräumt. Im Dezember 2024 berichteten die Vereinten Nationen, dass die Schulen zwar in ganz Syrien wiedereröffnet wurden, die „volatile Sicherheitslage“ jedoch den Schulbesuch in einigen Gebieten beeinträchtigte. Der Zugang zu den Schulen wurde durch nicht explodierte Kriegsreste erschwert. Einige Schulen sind nach der Offensive gegen Präsident Baschar al-Assad am 8. Dezember 2024 zu Unterkünften für neu Vertriebene geworden. Etwa 68.000 Kinder in Aleppo und anderen Gouvernements konnten keine Schule besuchen, da viele Schulen als Sammelunterkünfte für Vertriebene genutzt wurden.
Nach Angaben der International Crisis Group „setzten Interimsbeamte im Eiltempo Änderungen des Lehrplans für islamische Bildung durch.“ Im Januar 2025 wiesen Quellen darauf hin, dass die Behörden Änderungen des Lehrplans für Schulen einführten, ohne die Gesellschaft in den Prozess einzubeziehen, und in einigen Fällen Verweise auf das Assad-Regime durch religiöse Texte ersetzten.
1.7.10. Vertreibung und Rückkehr
Die Zahl der seit dem 27. November 2024 durch Konflikte neu vertriebenen Personen erreichte mit einer ersten Welle am 12. Dezember mit 1,1 Millionen Menschen ihren Höhepunkt. Diese ersten Vertreibungen, die aus Angst vor dem eskalierenden bewaffneten Konflikt entstanden, wurden hauptsächlich in Hama und Aleppo verzeichnet, darunter in der Stadt Aleppo, im Westen Aleppos und insbesondere in Tall Rifaat und Manbidsch, nachdem die beiden Städte von von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppierungen eingenommen worden waren.
UN-Quellen schätzten die Zahl der seit Ende November 2024 neu Vertriebenen, die sich noch in der Vertreibung befanden, auf 859.460 (Stand: 18. Dezember 2024), auf rund 627.000 (Stand: 10. Januar 2025) und auf 650.000 (Stand: 5. Februar 2025). 2025 verzeichnete das UNOCHA weitere konfliktbedingte Vertreibungswellen aus der Region Manbidsch. Mitte Januar 2025 waren es bis zu 15.000 Vertreibungen. Im weiteren Verlauf des Monats folgten über 25.000.892 Quellen schätzten die Zahl der Menschen, die Anfang Dezember 2024 vor der SNA-Offensive in Nordsyrien geflohen waren, auf 100.000893 bis 120.000. Nach dem Sturz Assads zogen zurückkehrende Binnenvertriebene in Gebiete, die zuvor von der ehemaligen Regierung kontrolliert wurden, darunter Aleppo, Hama, Homs und Damaskus. UN-Quellen schätzten, dass die Zahl der neu in ihre Heimat zurückkehrenden Vertriebenen bis zum 10. Januar 2025 auf über 522.000 gestiegen war. Gleichzeitig blieben die Rückkehrbewegungen aus Binnenvertriebenenlagern „stabil, aber minimal“. Der Cluster für Lagerkoordination und -management (CCCM) wurde Ende Januar 2025 mit der Aussage zitiert, dass seit dem 3. Dezember 2024 rund 57.000 Menschen die Lager verlassen hätten. Bei diesen Rückkehrern handelte es sich hauptsächlich um einzelne Familien oder Männer, die zurückkehrten, um sich mit ihren Familien wieder zu vereinen oder den Zustand ihrer Häuser zu beurteilen. Nach Schätzungen des UNHCR kehrten bis zum 26. Februar 2025 schätzungsweise 885.294 Binnenvertriebene zurück, während etwa 7,4 Millionen Binnenvertriebene blieben. Die Gouvernorate mit dem größten Anteil an Binnenvertriebenenrückkehrern waren Aleppo mit 425.705, gefolgt von Hama mit 155.561 und Idlib mit 116.053.899 Wie UNOCHA feststellte, gehörten zu den gemeldeten Bedenken, die die Rückkehrentscheidungen der Binnenvertriebenen beeinflussten, die Zerstörung von Eigentum, unzureichende Infrastruktur, Unsicherheit sowie der Zugang zu zivilrechtlichen Dokumenten und Justizdienstleistungen, einschließlich Dokumenten zu Wohnungs-, Land- und Eigentumsrechten (nicht alle zivilrechtlichen Register und Gerichte waren Ende Januar 2025 betriebsbereit). Ein weiterer kritischer Punkt war die Kontamination mit nicht explodierten Kriegsmunitionsresten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Familie und zu den Lebensumständen in Syrien bzw. zum Fluchtweg ergeben sich aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin gegenüber der belangten Behörde und den vorgelegten Dokumenten (Familienbuch, syrischer Personalausweis der Erstbeschwerdeführerin, Maturazeugnis und Lehrbefugnis der Erstbeschwerdeführerin, Personenregisterauszug der Zweitbeschwerdeführerin). Die Feststellungen zum Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater der beiden minderjährigen Beschwerdeführer ergeben sich aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu W284 2274879-1.
2.2. In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass die beiden weiblichen Beschwerdeführerinnen „im Fall einer Rückkehr alleinstehende Frauen (wären). Sie wären damit wegen der fehlenden gesellschaftlichen, sozialen und behördlichen Schutzmechanismen einem besonderen Risiko von Gewalt, Schikanen und Belästigungen und damit aufgrund der Zugehörigkeit zu der sozialen Gruppe der alleinstehenden Frauen in Syrien einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.“ Hingewiesen wurde auf die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, vom März 2021: „Frauen und Mädchen mit bestimmten Profilen oder in speziellen Situationen, insbesondere Frauen, die sexuelle Gewalt überlebt haben oder gefährdet sind, Opfer sexueller Gewalt zu werden, zwangsverheiratet oder im Kindesalter verheiratet zu werden, häusliche Gewalt oder Gewalt im Namen der Ehre zu erleiden oder Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Zwangsprostitution zu werden (S. 11)“. Aus zahlreichen (in der Beschwerde näher bezeichneten) Berichten gehe klar hervor, dass seitens des syrischen Regimes sexuelle Gewalt gegen Frauen gezielt als „Kriegs-Instrument“ eingesetzt wurde. Die beiden weiblichen Beschwerdeführerinnen seien „als faktisch alleinstehende Frauen in Syrien verstärkt vulnerabel“ und würden im Falle einer Rückkehr Gefahr laufen, Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt von asylrelevanter Intensität zu werden.
2.3. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass es sich bei den beiden weiblichen Beschwerdeführerinnen aus Sicht des Gerichtes nicht um „faktisch alleinstehende Frauen“ handelt. Die Ehe der Erstbeschwerdeführerin zum Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist aufrecht, wie sie in der Verhandlung erklärte, und gab die Erstbeschwerdeführerin gegenüber der belangten Behörde an: „Ich würde sicher nicht allein zurückgehen, sondern mit meinem Mann.“ Nur weil das Verfahren ihres Ehemannes früher abgeschlossen wurde, kann im Falle der Erstbeschwerdeführerin nicht von einer faktisch alleinstehenden Frau ausgegangen werden (vgl. dazu etwa VwGH Ro 2023/14/0005, 12.12.2023) und würde auch die Zweitbeschwerdeführerin im Familienverbund zurückkehren. Insofern ist auch das Vorbringen, dass die beiden minderjähren Beschwerdeführer „aufgrund Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Personen einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt“ seien, nicht nachvollziehbar, sind sie doch nicht unbegleitet. Zudem werden beide dieses Jahr volljährig. Soweit im Übrigen in der Beschwerde auf den Einsatz sexueller Gewalt durch das Regime Assads verwiesen wurde, besteht von dieser Seite aufgrund des Machtwechsels in Syrien keine Gefahr.
2.4. In der Beschwerde wurde darüber hinaus vorgebracht, dass „der beinahe 17-jährige (Drittbeschwerdeführer) ab Erreichen des 18. Lebensjahres den verpflichtenden Militärdienst ableisten müsste“. Das Gericht verkennt nicht, dass zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen notwendig gewesen wäre. Es ist aber auf den zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt abzustellen. Aus aktuellen Quellen (EUAA, Country Focus vom März 2025 sowie ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen (z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG); Zwangsrekrutierungen [a-12592-v2] vom 21. März 2025) ergibt sich, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, die Wehrdienstpflicht abgeschafft hat und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setzt. Eine zwangsweise Rekrutierung des Drittbeschwerdeführers ist für den Fall der Rückkehr nach Syrien daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.
2.5. In der Beschwerde wurde auch noch ausgeführt, dass den Beschwerdeführern „aufgrund ihrer illegalen Ausreise und Asylantragstellung im Ausland im Fall einer Rückkehr nach Syrien eine oppositionelle Haltung gegenüber der syrischen Regierung unterstellt werden würde“. Aufgrund des in Syrien erfolgten Machtwechsels kann eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen unterbleiben, hat die damalige Regierung doch keinen Einfluss mehr in Syrien und damit auf die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr.
2.6. In der mündlichen Verhandlung brachten die Beschwerdeführer vor, nicht nach Syrien zurückkehren zu wollen, da noch unklar sei, was von der neuen Regierung zu erwarten sei und dass sie Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit befürchten würden. Daraus ergibt sich noch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung, zumal den Beschwerdeführern ohnehin subsidiärer Schutz zuerkannt worden war.
2.7. Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den aktuellen Länderinformationen zu Syrien, insbesondere auf den Berichten der Staatendokumentation (Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024), des UNHCR (Regional Flash Updates Syria situation crisis, zuletzt #19 vom 21.03. 2025, und Syria governorates of return overview vom 31.12.2024), des ISW (Iran Update vom 30.12.2024), des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Briefing Notes vom 17.03.2025), von ACCORD (Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad vom 11.03.2025 und Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen [z.B. Yekîneyên Parastina Gel, YPG]; Zwangsrekrutierungen vom 21.03.2025) und von EUAA (Syria: Country Focus vom März 2025). Es handelt sich um Berichte anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der entscheidungswesentlichen Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben und an ihrer Aktualität zu zweifeln. Zudem wurden die Länderberichte teilweise in der Beschwerdeverhandlung erörtert, wobei die Parteien des Verfahrens diesen nicht entgegentraten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur Frage der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).
Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. – des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).
Im vorliegenden Fall ist es aus den folgenden Gründen nicht (im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG) glaubhaft, dass den Beschwerdeführern in ihrem Herkunftsstaat Syrien Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK bzw. Art. 10 der Statusrichtlinie droht:
Die von den Beschwerdeführern angegebene Furcht vor Verfolgung durch die Assad-Regierung wegen der illegalen Ausreise bzw. Asylantragstellung und im Fall des Drittbeschwerdeführers wegen Einziehung in den Militärdienst/Wehrdienstverweigerung/Zwangsrekrutierung stellt, selbst wenn man von den diesbezüglichen Verfolgungsbehauptungen der Beschwerdeführer ausgehen wollte, keine „begründete Furcht vor Verfolgung“ dar, da es an der maßgeblichen Verfolgungswahrscheinlichkeit in Sinne der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mangelt. Denn die Assad-Regierung ist in Syrien nicht mehr an der Macht und nicht in der Lage, auf die Beschwerdeführer zuzugreifen, und zwar auch dann nicht, wenn ein Verfolgungsinteresse der Assad-Regierung zu bejahen wäre. Denn von der maßgeblichen Gefahr einer Verfolgung ist nicht auszugehen, wenn der Verfolger keinen Zugriff auf die betroffene Person hat (vgl. VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055). Da in Syrien auch keine Wehrpflicht mehr besteht und die bisherige Militärpolizei und der bisherige Geheimdienstapparat der Assad-Regierung aufgelöst wurden, ist es auch insofern nicht wahrscheinlich, dass der Drittbeschwerdeführer von Verfolgungshandlungen seitens der Assad-Regierung und ihrer Organe betroffen ist.
Auch mit der in der Beschwerde dargelegten Befürchtung der weiblichen Beschwerdeführer, Opfer sexueller Gewalt zu werden, zeigen sie keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung auf, würden sie doch – entgegen den Angaben in der Beschwerde – nicht alleine, sondern mit dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater der minderjährigen Beschwerdeführer im Familienverbund nach Syrien zurückkehren.
Die Beschwerdeführer sind auch nicht gefährdet, in Syrien ins Visier der nunmehr herrschenden neuen Regierung in Syrien unter der Führung der HTS zu geraten und als politischer/religiöser Gegner oder aus anderen Konventionsgründen (bzw. Gründen des Art. 10 der Statusrichtlinie) verfolgt zu werden. Es ist zwar glaubhaft, dass die Beschwerdeführer aufgrund der in der Vergangenheit ausgeprägten islamistischen Ausrichtung der HTS eine Einschränkung ihrer persönlichen Freiheiten befürchten. Zum Entscheidungszeitpunkt ist eine solche aber nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bzw. nicht in asylrelevanter Weise zu erwarten, da sich die neue Führung seit ihrer Machtübernahme mehrmals dazu verpflichtet hat, gemäßigt vorzugehen. Die Beschwerdeführer gehören auch nicht zur alawitischen Glaubensgemeinschaft, deren Mitglieder aktuell aufgrund der (unterstellten) Nähe zum früheren Machthaber Bashar al-Assad Ziel von Racheaktionen sind. Eigene Probleme mit den neuen Machthabern in Syrien in der Vergangenheit haben die Beschwerdeführer nicht behauptet. Die Beschwerdeführer sind bisher nicht in das Blickfeld der neuen syrischen Machthaber geraten, und es gibt keine konkreten Hinweise, dass dies im Falle einer Rückkehr der Beschwerdeführer nach Syrien der Fall wäre.
Da nach der Rechtsprechung die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht genügt, ist es für die Gewährung von Asyl nicht ausreichend, derselben eine bloß theoretisch denkbare Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios zugrunde zu legen (vgl. auch VwGH 28.02.2024, Ra 2023/20/0319). Auch wenn es für die Zuerkennung des Asylstatus nicht zwingend erforderlich ist, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, ist zum einen eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen nicht hinreichend (vgl. VwGH 25.03.2024, Ra 2024/20/0090) und zum anderen bei der konkreten im Beschwerdefall gegebenen Sachlage nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführer bei Rückkehr mit Verfolgungsinteresse der neuen syrischen Regierung oder anderen Akteuren rechnen müsste.
Im Fall der Beschwerdeführer sind keine Umstände ersichtlich, die eine ihnen drohende individuelle Verfolgung durch die aktuelle Lage in Syrien aus Konventionsgründen untermauern würden. Einer bloß allgemeinen Bedrohung durch eine instabile Sicherheitslage ist nicht mit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sondern mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu begegnen – dieser Status wurde den Beschwerdeführern bereits zuerkannt.
Die für die Asylanerkennung geforderte „maßgebliche Wahrscheinlichkeit“ der Verfolgung im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt gegenständlich nicht vor. Es bestehen keine konkreten, überzeugenden Hinweise, dass die Beschwerdeführer (nicht nur möglicherweise, sondern) mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von Verfolgungshandlungen im Herkunftsstaat betroffen sind. Bei Berücksichtigung der Gesamtsituation der Beschwerdeführer (zum Erfordernis einer Gesamtbetrachtung vgl. etwa VwGH 27.04.2006, 2003/20/0181) kann deren Furcht vor einer Verfolgung in Syrien nicht als „wohlbegründet“ im Sinne der GFK angesehen werden.
Die Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide ist daher, soweit damit der Asylstatus versagt wurde, abzuweisen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.