Spruch
L518 1318854-2/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Armenien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.08.2024, Zl. 770905200-240994628, wegen § 68 AVG, §§ 10 und 57 AsylG 2005 und §§ 46, 52 und 55 FPG 2005, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet) ist ein Staatsangehöriger der Republik Armenien, der armenischen Volksgruppe zugehörig und Christ. Der BF reiste erstmals am 30.09.2007 gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem Sohn illegal in das Bundesgebiet ein. Er stellte am 01.10.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er angab, den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren und Staatsangehöriger von Armenien zu sein.
I.2. Zu den Ausreisegründen befragt, teilte der BF mit „Ich war in Armenien gut situiert und hatte ein Juweliergeschäft. Ich wurde am 22.02.2007 Mitglied der armenischen „Aratschatimagan Partei“, für die am 12.05.2007 angesetzten Parlamentswahlen wurde auch ich eingesetzt für die Partei Stimmen zu sammeln. Unsere Partei wollte die Darlehen von Geschäften zurückbezahlen und so die Stimmen dieser Personen gewinnen. Ich bezahlte im Auftrag der Partei, jeweils über $ 2.580,- und $ 2.950,-. Es wurde zwar versprochen, dass ich diese ausgelegten Beträge wieder zurückbekomme, sie wurden mir aber nach den Wahlen nicht bezahlt. Diesbezüglich machte ich Anzeige sowohl bei der Polizei als auch bei der Staatsanwaltschaft. Dadurch bekam ich Probleme sowohl mit den Funktionären der Partei, als auch mit der Polizei. Im Juli 2007 durchsuchte die Polizei mein Geschäft. Mit dem Vorwand, gestohlene Ware (Juwelen) in meinem Geschäft gefunden zu haben, wurde ich zur Polizeizentrale mitgenommen und drei Tage dort festgehalten. Ich musste einen hohen Betrag ($ 5.000,-) bezahlen, damit ich wieder freigelassen werde. Ich und meine Familie wurden von den beiden (Partei und Polizei) mit dem Umbringen bedroht. Weil mein Leben in Armenien in Gefahr war, musste ich samt meiner Familie flüchten.“
I.3. Dieser Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.03.2008, Zl.: 770905200/3124545 (07 09.52-BAW), abgewiesen und der Status des Asylberechtigten und der Status des Subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurden Sie aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen.
Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes brachte der BF fristgerecht eine Beschwerde ein.
Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.03.2011, Zl.: E10 318854-1/2008/19E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs am 04.04.2011 in Rechtskraft II. Instanz.
Der BF weigerte sich beharrlich der rechtkräftigen Ausreiseverpflichtung nachzukommen.
I.4. Am 25.05.2012 wurde dem BF von der Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien (MA35) erstmals der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ erteilt, welcher laufend verlängert wurde. Bei der letzten Verlängerung am 06.11.2018 trat der BF dann erstmals mit dem Namen XXXX in Erscheinung.
Am 08.11.2021 beantragte der BF den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“. Dieser Antrag wurde von der MA35 am 29.12.2022 abgewiesen.
I.5. Der BF wurde am 22.02.2024 von der PI Simmeringer Hauptstraße wegen dem Verdacht des Betruges nach § 146 StGB zur Anzeige gebracht. Laut Auskunft der PI Simmering vom 18.09.2024 wurde der BF erst vor kurzem dazu einvernommen. Das Verfahren ist noch im Gange, es wurde nicht eingestellt.
I.6. Am 26.06.2024 stellte der BF neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er angab, den Namen XXXX zu führen und am XXXX geboren zu sein.
Im Rahmen der Erstbefragung gab er zu den Gründen seiner Antragstellung bekannt „Ich habe sehr große Probleme mit meiner Frau gehabt, mir wurde auch die Rot-Weiß-Rot-Card nicht verlängert. Ich lebe seit Jahren auf der Straße und möchte in Österreich bleiben und auch arbeiten“. Zu Rückkehrbefürchtungen befragt teilte er mit, dass sein Problem in Armenien noch immer besteht, er fürchte, dass er auf Grund seiner politischen Ansichten umgebracht werde.
I.7. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) von 03.07.2024, wurde dem BF mitteilt, dass beabsichtigt ist, den Folgeantrag zurückzuweisen, weil aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses davon auszugehen ist, dass entschiedene Sache vorliegt, bzw. seit der Rechtskraft der letzten Entscheidung keine Änderungen eingetreten sind.
I.8. Am 31.07.2024 wurde der BF vor dem BFA, EAST Ost, zu seinem Folgeantrag niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er bekannt, dass er im ersten Verfahren alle seine Fluchtgründe angegeben hat und diese nach wie vor aufrecht sind, wenn er dabei mitteilt „Meine alten Fluchtgründe sind noch aufrecht. Das Problem, das ich damals in Armenien hatte, besteht noch immer. Ich wollte eigentlich gar keinen Asylantrag stellen. Ich ging zur Polizei in St. Pölten und wollte meine Papiere in Ordnung bringen, damit ich wieder arbeiten kann. Ich wusste keinen anderen Ausweg. Ein Bekannter riet mir, dass ich nochmals Asyl beantragen soll, damit meine Rot-Weiß-Rot-Card wiedererhalte“.
I.9. Mit Eingabe vom 01.08.2024 brachte der BF einen MRT-Befund des Diagnose Zentrum Baden vom 17.07.2024 und einen Therapieplan des Badener Kurzentrums in Vorlage. Dem MRT Befund ist zu entnehmen, dass unter anderem eine Streckung der oberen und mittleren LWS vorliegt, die Wirbelkörper der LWS sind normal hoch.
I.10. Mit den im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes vom 02.08.2024 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status der Asylberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkt II.) und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde ausgeführt, dass im gegenständlichen Verfahren kein Sachverhalt vorgebracht wurde, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens entstanden ist. Es war nicht feststellbar, dass der BF einer asylrelevanten individuellen Verfolgung in Armenien ausgesetzt gewesen war oder im Falle einer Rückkehr einer solchen ausgesetzt ist. Die Rechtskraft des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes (AGH) steht dem neuerlichen Antrag sowohl hinsichtlich Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten entgegen. Auch lagen die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG nicht vor und war eine Rückkehrentscheidung gemäß zulässig.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.
I.11. Gegen den Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und dabei vorgebracht, dass der BF aufgrund der langen Abwesenheit zu Armenien keinerlei Bezugspunkte mehr hat. Der Lebensmittelpunkt des BF befindet sich seit 2007 in Österreich. Hier leben seine Kinder und seine Frau, von welcher er getrennt lebt aber nicht geschieden ist. Der BF hat hier gearbeitet und einen großen Freundeskreis. Die belangte Behörde habe das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet, weil der BF kaum zu seiner Integration befragt wurde. Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt ist zudem regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Auch hätte die belangte Behörde keine Interessenabwägung bezüglich Art. 8 EMRK vorgenommen.
Beantragt werde jedenfalls eine mündliche Verhandlung, weiter den angefochtenen Bescheid zu beheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung aufgehoben, die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt wird; in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Sache an das BFA zur Durchführung eines materiellen Verfahrens zurückzuverweisen; in eventu eine Frist für eine freiwillige Ausreise zu gewähren und die ordentliche Revision zuzulassen;
I.12. Am 23.09.2024 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des BF, seiner rechtsfreundlichen Vertretung, einer Dolmetscherin für die armenische Sprache und eines Vertreters der belangten Behörde durchgeführt.
I.13. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der BF führt den im Spruch genannten Namen, er ist Staatsangehöriger von Armenien und wurde am XXXX in XXXX geboren. Er ist Angehöriger der armenischen Volksgruppe und Christ. Der BF ist verheiratet und hat zwei Kinder. Der BF besuchte zehn Jahre lang die Schule, anschließend war er beim Militär und handelte mit Gold. Eine Berufsausbildung absolvierte er nicht. Die Identität des B1 steht fest.
Die BF leidet unter Beschwerden mit der Hüfte, nimmt dagegen Schmerzmittel und erhält eine Physiotherapie.
In Österreich sind lebt seine Gattin und die beiden gemeinsamen Kinder (geboren am 11.08.2001 und 18.09.2008). Der 16-jährige Sohn lebt bei der Gattin des BF in Wien, ihr kommt auch das Obsorgerecht zu, der ältere Sohn lebt in einem eigenen Haushalt. Der BF ist nicht geschieden, lebt jedoch schon jahrelang von seiner Frau getrennt und seit 27.09.2018 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit der ihr bzw. seinen Kindern.
In XXXX leben noch die Mutter und eine Schwester, sowie weitere Verwandte. Insgesamt verfügt der BF über ca. 50 Verwandte in Armenien. Die Mutter bezieht eine Pension, die Schwester ist Zahnärztin. Mit der Mutter hat der BF dreimal in der Woche telefonischen Kontakt.
Der BF hält sich seit 2007 in Österreich auf. Er hat im Bundesgebiet außer seiner getrennten Gattin und seinen beiden Söhnen, keine Verwandten. Der BF ist nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Grundversorgung. Der BF besuchte Deutschkurse und spricht, der langen Aufenthaltsdauer geschuldet, auch deutsch. Er ist in keinen Vereinen und Organisationen tätig und leistet keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Es wurden keine Arbeitsvorverträge, Unterstützungs- oder Patenschaftserklärungen in Vorlage gebracht. Obwohl er seit bald 25 Jahren in Österreich aufhältig ist, war er lediglich bis dato knapp vier Jahre legal berufstätig. Zu österreichischen Freunden befragt, teilte er zwei männliche Vornamen mit.
Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.
Der BF gehörte keiner politischen Partei oder politisch aktiven Gruppierung an und hatte in seinem Herkunftsstaat vor der Ausreise keine Schwierigkeiten mit staatlichen Organen, Sicherheitskräften oder Justizbehörden zu gewärtigen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF vor der Ausreise Schwierigkeiten aufgrund seines religiösen Bekenntnisses bzw. ethnischen Zugehörigkeit zu gewärtigen hatte.
Festgestellt wird, dass der BF entgegen seinen Angaben im Besitz eines gültigen armenischen Reisepasses mit der Nummer XXXX ausgestellt am 02.10.2015, ist. Festgestellt wird weiters, dass sich der BF jahrelang unter falschen Namen im Bundesgebiet aufhielt und so über seine Identität täuschte.
Der BF ist mit seiner wahreren Identität erst seit 09.07.2024 im ZMR gemeldet. Von 27.09.2018 bis 16.11.2021 und von 01.06.2023 bis 12.07.2024 war der BF im Bundesgebiet überhaupt nicht gemeldet.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.
Der BF verfügt über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage in seinem Herkunftsstaat sowie über familiäre Anknüpfungspunkte und eine hinreichende Versorgung mit Nahrung und Unterkunft.
Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung bzw. Verschlechterung in Bezug auf die den BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person des BF gelegenen Umständen.
Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation des BF. Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
In Bezug auf die individuelle Lage des BF im Falle einer Rückkehr nach Armenien konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich geänderte oder gar verschlechterte Situation festgestellt werden.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF eine aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Gefährdung oder Verfolgung in ihrem Heimatland Armenien droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wären.
Weiter konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Armenien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor.
Weitere Ausreisegründe und/oder Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.
II.1.2. Zum Vorverfahren:
Der BF stellte am 01.10.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er angab, den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren und Staatsangehöriger von Armenien zu sein.
Zu den Ausreisegründen befragt, teilte er mit „Ich war in Armenien gut situiert und hatte ein Juweliergeschäft. Ich wurde am 22.02.2007 Mitglied der armenischen „Aratschatimagan Partei“, für die am 12.05.2007 angesetzten Parlamentswahlen wurde auch ich eingesetzt für die Partei Stimmen zu sammeln. Unsere Partei wollte die Darlehen von Geschäften zurückbezahlen und so die Stimmen dieser Personen gewinnen. Ich bezahlte im Auftrag der Partei, jeweils über $ 2.580,- und $ 2.950,-. Es wurde zwar versprochen, dass ich diese ausgelegten Beträge wieder zurückbekomme, sie wurden mir aber nach den Wahlen nicht bezahlt. Diesbezüglich machte ich Anzeige sowohl bei der Polizei als auch bei der Staatsanwaltschaft. Dadurch bekam ich Probleme sowohl mit den Funktionären der Partei, als auch mit der Polizei. Im Juli 2007 durchsuchte die Polizei mein Geschäft. Mit dem Vorwand, gestohlene Ware (Juwelen) in meinem Geschäft gefunden zu haben, wurde ich zur Polizeizentrale mitgenommen und drei Tage dort festgehalten. Ich musste einen hohen Betrag ($ 5.000,-) bezahlen, damit ich wieder freigelassen werde. Ich und meine Familie wurden von den beiden (Partei und Polizei) mit dem Umbringen bedroht. Weil mein Leben in Armenien in Gefahr war, musste ich samt meiner Familie flüchten.“
Dieser Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.03.2008, Zl.: 770905200/3124545 (07 09.52-BAW), abgewiesen und der Status des Asylberechtigten und der Status des Subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurden Sie aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen.
Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes brachte der BF fristgerecht eine Beschwerde ein.
Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.03.2011, Zl.: E10 318854-1/2008/19E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs am 04.04.2011 in Rechtskraft II. Instanz. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass sich das Vorbringen des BF als nicht glaubhaft erweist, da sich darin eine Reihe von Ungereimtheiten und Widersprüchen befinden. Nicht nachvollziehbar wird etwa das Vorbringen des BF, wenn er behauptet ,,seine Partei" hätte 48%o der Stimmen erhalten bzw. in der Beschwerdeschrift korrigierend, er hätte in seiner Region 48%o der Stimmen gesammelt nicht nachvollziehbar, zumal sich aus der Berichtslage ergibt, dass die Progressive Partei bei den Wahlen gar nicht antrat und zu Gunsten der Republikanischen Partei verzichtet. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wie eine Partei bzw. ein Kandidat einer, die gar nicht zur Wahl antrat, hätte Wählerstimmen bekommen sollen. Zur behaupteten geschäftlichen Aktivität des BF ist anzuführen, dass hier einerseits das Rechercheergebnis des Sachverständigen ergab, dass diese nicht verifiziert werden konnte. Auch sprechen die Angaben des BF dagegen, da er nicht in der Lage war, in der Beschwerdeverhandlung genaue Angaben zu seiner Gewinnkalkulation oder zu den von zu leistenden Steuern und Abgaben machen konnte. Gerade über diese grundlegendsten Dinge müsste ein Geschäftsmann, welche über langjährige Erfahrung verfügt, zumindest dem Grunde nach Angaben machen können. Zu den Modalitäten unter denen BF der Partei Geld geborgt hätte, weist das Vorbringen ebenfalls Ungereimtheiten auf. Spricht der BF bei den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes von einem Betrag von ca. US$ 5.630, -- (2.580 + 2.950), was er in gerundeter Form beim Bundesasylamt wiedergibt, spricht er in der Beschwerdeverhandlung bereits von US$ 7.000, -- - 8.000, --. Abgesehen davon, dass die Angaben des BF zum Betrag immer ungenauer werden, weichen die Angaben zwischen jenen vor dem Bundesasylamt und dem erkennenden Gericht dermaßen weit voneinander ab, dass nicht mehr von einer Schätzungs- oder Rundungsungenauigkeit gesprochen werden. Viel mehr liegt ein echter Widerspruch vor. Zur Frage der Rolle jener Person, welche in der Beschwerdeverhandlung als Assistentin des Parteivorsitzenden bezeichnet wurde sind die Angaben des BF ebenfalls widersprüchlich. Abgerundet werden die oa. Ausführungen durch das Rechercheergebnis des Sachverständigen, aus welchem sich ergab, dass am beschriebenen Geschäftsort eine andere, von BF verschiedene Person geschäftlich tätig ist -welche BF unbekannt ist, da er deren Namen nicht kannte- und auch damals war und die Festnahme des BF nicht verifiziert werden konnte. Wenn BF einwendet, man hätte die Festnahme gar nicht wahrnehmen können, weil er von Polizisten in Zivil festgenommen wurde, dann widerspricht dies seinen Angaben beim Bundesasylamt, wo er ausdrücklich angab, zwei Polizisten wären in zivil und zwei in Uniform gewesen. Der BF konnte auch nicht schlüssig erklären, warum ihn Umkreis des Geschäfts niemand kennt. Aufgrund der oa. Ausführungen ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Ausreisegründen bzw. zu bestehenden Rückkehrhindernissen als unglaubwürdig darstellt und daher den weiteren Erwägungen nicht zu Grunde gelegt werden kann.
Der BF weigerte sich dessen ungeachtet beharrlich, der rechtskräftigen Ausreiseverpflichtung nachzukommen und verblieb im Bundesgebiet.
Aus nicht nachvollziehbaren Gründen wurde dem BF am 25.05.2012 von der Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien (MA35) erstmals der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ erteilt, welcher laufend verlängert wurde, zuletzt am 06.11.2018. Im Rahmen der letzten Verlängerung trat der BF dann erstmals als XXXX in Erscheinung. Er wies sich dabei mit seinem armenischen Reisepass aus.
Am 08.11.2021 beantragte der BF den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“. Dieser Antrag wurde von der MA35 am 29.12.2022 abgewiesen.
Am 26.06.2024 stellte der BF den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz, wobei er abermals angab, den Namen XXXX zu führen und am XXXX geboren zu sein.
Zwei Wochen später meldete der BF wieder einen Wohnsitz im Bundesgebiet an.
Im Rahmen der Erstbefragung gab er zu den Gründen seiner Antragstellung bekannt „Ich habe sehr große Probleme mit meiner Frau gehabt, mir wurde auch die Rot-Weiß-Rot-Card nicht verlängert. Ich lebe seit Jahren auf der Straße und möchte in Österreich bleiben und auch arbeiten“. Zu Rückkehrbefürchtungen befragt teilte er mit, dass sein Problem in Armenien noch immer besteht, er fürchte, dass er auf Grund seiner politischen Ansichten umgebracht werde.
Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) von 03.07.2024, wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, den Folgeantrag zurückzuweisen, weil aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses davon auszugehen ist, dass entschiedene Sache vorliegt.
Am 31.07.2024 wurde der BF vor dem BFA, EAST Ost, zu seinem Folgeantrag niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er bekannt, dass er im ersten Verfahren alle seine Fluchtgründe angegeben hat und diese nach wie vor aufrecht sind, wenn er dabei mitteilt „Meine alten Fluchtgründe sind noch aufrecht. Das Problem, das ich damals in Armenien hatte, besteht noch immer. Ich wollte eigentlich gar keinen Asylantrag stellen. Ich ging zur Polizei in St. Pölten und wollte meine Papiere in Ordnung bringen, damit ich wieder arbeiten kann. Ich wusste keinen anderen Ausweg. Ein Bekannter riet mir, dass ich nochmals Asyl beantragen soll, damit meine Rot-Weiß-Rot-Card wiedererhalte“.
II.1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
Länderspezifische Anmerkungen
Letzte Änderung 2023-10-10 11:59
Sofern nicht anders angegeben, schließen die Themenbereiche der Länderinformationen zu Armenien die Situation in der separatistischen Entität Berg-Karabach, die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, nicht ein. Dazu darf bemerkt werden, dass durch die jüngsten Ereignisse im Sept. 2023 (Exodus des größten Teils der dort ansässigen Bevölkerung aus Bergkarabach nach Armenien aufgrund des Einmarsches aserbaidschanischer Truppen) diese Region auch bekannt als selbst ernannte Republik Arzach mit Jänner 2024 aufgelöst werden soll.
Armenien wird in Österreich laut Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV) derzeit als sicherer Herkunftsstaat geführt. Vom länderkundlichen Standpunkt aus geben die jüngsten Aktualisierungen der Länderinformationen zu Armenien keinen Anlass zur Änderung der länderkundlichen Einschätzung zur Eigenschaft als sicherer Herkunftsstaat im Sinne der HStV.
COVID-19
Letzte Änderung 2023-10-10 12:00
Informationen zur COVID-19-Situation in Armenien werden hauptsächlich in diesem Kapitel ihren Eingang finden. Vereinzelte Informationen finden sich jedoch auch in den nachfolgenden Kapiteln.
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der John Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.
In Armenien wurden fast alle COVID-bezogenen Beschränkungen aufgehoben (WKO 26.5.2022).
Seit Anfang März 2022 ist die Maskenpflicht in allen Innenbereichen (mit Ausnahme von medizinischem Personal in Krankenhäusern sowie in allen öffentlichen Verkehrsmitteln und in Taxis) aufgehoben. Seit 1.Mai 2022 besteht keine 3-G-Nachweispflicht mehr. Für die Einreise nach Armenien besteht seit 1. Mai 2022 ebenfalls keine 3-G-Nachweispflicht (WKO 26.5.2022).
Die internationalen regulären Flugverbindungen nach/von Jerewan sind wieder möglich (WKO 26.5.2022).
Politische Lage
Letzte Änderung 2023-10-10 12:00
Die armenische Verfassung sieht eine parlamentarische Republik mit einer Einkammer-Legislative, der Nationalversammlung (Parlament), vor. Der vom Parlament gewählte Premierminister steht an der Spitze der Regierung; der ebenfalls vom Parlament gewählte Präsident hat weitgehend eine zeremonielle Funktion (USDOS 20.3.2023).
Die Nationalversammlung besteht aus mindestens 101 Mitgliedern, die für eine Amtszeit von fünf Jahren nach einem neu eingeführten Verhältniswahlsystem mit geschlossenen Listen gewählt werden, wodurch das frühere zweistufige Verhältniswahlsystem vereinfacht wird. Bis zu vier zusätzliche Sitze sind für Vertreter ethnischer Minderheiten reserviert, und es können weitere Sitze hinzugefügt werden, um sicherzustellen, dass die Oppositionsparteien mindestens 30 Prozent der Sitze halten (FH 10.3.2023).
Die internationalen Beobachter der OSZE haben die vorgezogene Parlamentswahl in Armenien am 20.06.2021 als demokratisch, fair und frei eingestuft. Den Wählern seien eine breite Palette von Möglichkeiten geboten, die freiheitlichen Grundrechte respektiert worden und die Kandidaten konnten einen freien Wahlkampf führen. Die Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan hatte die Parlamentswahl mit rund 54 % der Stimmen gewonnen (BAMF 28.6.2021; vgl EurasiaNet 21.6.2021, USDOS 20.3.2023, FH 10.3.2023). Die neue Regierung unter Pashinjan hat sich verpflichtet, seit Langem bestehende Probleme wie systemische Korruption, undurchsichtige Politikgestaltung, ein fehlerhaftes Wahlsystem und schwache Rechtsstaatlichkeit anzugehen (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 20.3.2023, BAMF 16.8.2021).
Im April 2021 änderte das Parlament die bestehenden Wahlgesetze, um den Empfehlungen der Venedig-Kommission und des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der OSZE Rechnung zu tragen. Die vorgezogenen Wahlen im Juni 2021 wurden erfolgreich nach dem reformierten System durchgeführt, bei dem die territorialen Listen abgeschafft und das bestehende Wahlsystem vereinfacht wurde. Die Änderungen fanden breite Unterstützung bei den politischen Kräften und der Zivilgesellschaft; weitere Reformen wurden im Mai 2021 verabschiedet und sollen 2022 in Kraft treten (FH 10.3.2023).
Im April 2021 nahm das Parlament Änderungen an, die härtere Strafen für Stimmenkauf, Gewalt im Zusammenhang mit Wahlen und die Störung des Wahlprozesses vorsehen und die Behinderung von Wahlkampfaktivitäten unter Strafe stellen (FH 10.3.2023; vgl. USDOS 12.4.2022). Obwohl bei den Wahlen 2021 ein Rückgang solcher Praktiken zu verzeichnen war, berichteten internationale Beobachter über angebliche Wahlstörungen, darunter vereinzelte Vorfälle von Stimmenkauf und Missbrauch von Verwaltungsmitteln (FH 10.3.2023; vgl. USDOS 20.3.2023).
In der armenischen Hauptstadt Jerewan kam es nach der schnellen Kapitulation der politischen Führung Berg-Karabachs [Anm.: nach dem dortigen Einmarsch aserbaidschanischer Truppen im September 2023] zu massiven Protesten, Zusammenstößen mit der Polizei und zahlreichen Verhaftungen. Tausende Demonstrierende verlangten den Rücktritt von Ministerpräsident Paschinjan. Sie warfen ihm Verrat sowie Nachgiebigkeit gegenüber Aserbaidschan vor und forderten die Wiederaufnahme der militärischen Unterstützung von Berg-Karabach. Oppositionsvertretende erklärten, sie prüften im Parlament die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens (AA 25.9.2023).
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2023-10-10 15:10
Am 19.09.23 hat Aserbaidschan eine Militäroperation zur Eroberung der Region Berg-Karabach gestartet. Nur einen Tag später ergaben sich die Karabach-Armenier (AA 25.9.2023). Russland als traditionelle Schutzmacht Armeniens hatte die Aserbaidschaner bei ihrer Militäroffensive gewähren lassen. Armeniens Regierungschef Paschinjan machte Moskau deshalb Vorwürfe. Russland warf Jerewan wiederum vor, mit seiner jüngsten Hinwendung zum Westen einen "großen Fehler" zu begehen (derStandard 28.9.2023).
In der armenischen Hauptstadt Jerewan kam es nach der schnellen Kapitulation der politischen Führung Berg-Karabachs zu massiven Protesten, Zusammenstößen mit der Polizei und zahlreichen Verhaftungen. Tausende Demonstrierende verlangten den Rücktritt von Ministerpräsident Paschinjan. Sie warfen ihm Verrat sowie Nachgiebigkeit gegenüber Aserbaidschan vor und forderten die Wiederaufnahme der militärischen Unterstützung von Berg-Karabach. Oppositionsvertretende erklärten, sie prüften im Parlament die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens (AA 25.9.2023).
Viele Armenierinnen und Armenier werfen der traditionellen Schutzmacht Russland, die seit dem sechswöchigen Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan im Herbst 2020 eine Friedenstruppe mit rd. 2.000 Soldaten vor Ort stationiert hat, vor, sie im Stich gelassen zu haben. Armenien ist militärisch betrachtet Aserbaidschan eindeutig unterlegen und kann nicht mehr auf die Unterstützung der russischen Führung bauen (AA 25.9.2023; vgl. DW 21.9.2023)).
Nach der Massenflucht der Armenierinnen und Armenier aus Berg-Karabach kamen die meisten Menschen in der armenischen Grenzstadt Goris an. Die Flüchtlinge besitzen in der Regel bereits auch die armenische Staatsangehörigkeit oder können sie nun problemlos beantragen. Berichten zufolge wollen viele Flüchtlinge versuchen, zunächst in der Hauptstadt Jerewan unterzukommen. Armenien mit seinen rd. drei Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern befindet sich in einer schweren innen- und außenpolitischen Krise, die durch die Flüchtlinge und die angespannte wirtschaftliche Situation verschärft wird. UN-Generalsekretär Guterres kündigte unterdessen eine UN-Mission in Berg-Karabach an, was laut Beobachtenden jedoch zu spät komme und an der völkerrechtswidrigen Vertreibung der armenischen Bevölkerung nichts mehr ändern könne. Armenien ist dringend auf Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft angewiesen. Auch gibt es in Armenien ernsthafte Befürchtungen, dass Aserbaidschan unter Umständen als nächstes Ziel die territoriale Integrität Armeniens infrage stellen könnte, um sich durch den Süden Armeniens einen Landweg bzw. Korridor in die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan zu schaffen (AA 9.10.2023).
Regionale Konfliktzone: Bergkarabach (Berg-Karabach)
Letzte Änderung 2023-10-10 17:46
Sicherheitslage
Am 19.09.2023 hatte Aserbaidschan eine Militäroperation zur Eroberung der Region Berg-Karabach gestartet (AA 9.10.2023; vgl. AA 25.9.2023, derStandard 19.9.2023). Nur einen Tag später ergaben sich die Karabach-Armenier (AA 9.10.2023; vgl. AA 25.9.2023). Das Ende der Kämpfe in Berg-Karabach hat in Armenien eine politische Krise ausgelöst. Die Behörden der nicht anerkannten Republik Berg-Karabach gaben bekannt, dass sie eine Einigung über einen vollständigen Waffenstillstand in der Region erzielt hätten. Durch Vermittlung der dort stationierten russischen Truppen wurde vereinbart, dass das armenische Militär aus dem Einsatzgebiet des russischen Friedenskontingents abgezogen und die Formationen der "Verteidigungsarmee von Berg-Karabach" aufgelöst und vollständig entwaffnet werden. Auch schwere militärische Ausrüstung und Waffen sollen aus dem Gebiet abgezogen werden (DW 21.9.2023). Am 21.09.2023 wurde die Auflösung der selbst ernannten Republik Berg-Karabach, die nahezu ausschließlich von Armenierinnen und Armeniern bewohnt war, zum 01.01.2024 angekündigt. Völkerrechtlich betrachtet ist Berg-Karabach ein Teilgebiet Aserbaidschans (AA 9.10.2023; vgl. der Standard 28.9.2023, Zeit online 28.9.2023).
Während der kurzen Kämpfe starben armenischen Angaben zufolge mehr als 200 Menschen, rd. 400 weitere wurden demnach verletzt. Bereits im Dezember 2022 hatte Aserbaidschan die einzige Verbindungsstraße von Armenien nach Berg-Karabach, den sogenannten Latschin-Korridor, blockiert und seit Juli 2023 auch keine humanitäre Hilfe erlaubt, wodurch es zu einer schwerwiegenden Krise in Bezug auf die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten in Berg-Karabach gekommen ist (AA 25.9.2023).
Nach der Militäroffensive Aserbaidschans haben offiziell 100.514 Armenierinnen und Armenier ihre Heimat in Berg-Karabach verlassen und damit nahezu die gesamte Bevölkerung der Region. Anscheinend war die geschätzte Zahl von 120.000 Menschen in Berg-Karabach zu hoch angesetzt, da bereits während des sechswöchigen Krieges im Herbst 2020 viele Armenierinnen und Armenier aus Berg-Karabach in die Republik Armenien geflohen und nicht alle danach wieder zurückgekehrt waren (AA 9.10.2023).
Seit dem erzwungenen Waffenstillstand warf Armenien Aserbaidschan vor, eine ethnische Säuberung in der Region zu planen bzw. durchzuführen (Zeit online 28.9.2023; vgl. derStandard 28.9.2023).
Nachdem die volle Kontrolle über das Gebiet von Berg-Karabach gewonnen wurde, geht die aserbaidschanische Regierung, Medienberichten zufolge, nun gegen Vertretende der dortigen bisherigen Autoritäten der international nicht anerkannten und sich zum 01.01.2024 auflösenden „Republik Arzach“ vor. Den Festgenommenen werde Terrorismus, Finanzierung von Terrorismus, Gründung bewaffneter Gruppen und von Gruppen, die in der Gesetzgebung nicht vorgesehen sind, vorgeworfen. Anderen führenden Vertretenden der Autoritäten von Berg-Karabach sei die Ausreise nach Armenien über den offiziellen Checkpoint hingegen gewährt worden, darunter dem ehemaligen Staatsminister (AA 9.10.2023).
Die aserbaidschanische Regierung habe erklärt, sie beabsichtige, Kämpfern aus Berg-Karabach grundsätzlich Amnestie zu gewähren, aber diejenigen zu verhaften, welche Kriegsverbrechen begangen hätten. Wie weiter mit Verweis auf armenische Medien berichtet wurde, sollen die aserbaidschanischen Behörden nach dem 19.09.2023 eine Liste von Vertretenden der „Republik Arzach“ erstellt haben, deren Auslieferung sie fordern (AA 9.10.2023).
Fast zwei Wochen nach dem Großangriff Aserbaidschans auf Bergkarabach ist eine UN-Mission in der mittlerweile nahezu menschenleeren Kaukasusregion eingetroffen. Die UN-Mission war in Karabach angekommen, um vor allem den humanitären Bedarf einzuschätzen. Es ist die erste UN-Mission für Bergkarabach seit über 30 Jahren. Inzwischen haben jedoch nahezu alle der geschätzt 120.000 armenischen Einwohner die Region fluchtartig aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen Aserbaidschans in Richtung Armenien verlassen. Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, es lebten dort bisher aber überwiegend ethnische Armenier. Die Region hatte sich 1991 nach einem Referendum für unabhängig erklärt. Dieses wurde international nicht anerkannt und von der aserbaidschanischen Minderheit boykottiert (VN o.D.)
Historischer Rückblick:
Die Republik Berg-Karabach, die sich auch Republik Artsakh nannte, war seit einem Waffenstillstandsabkommen von 1994, das einen etwa zweijährigen offenen Krieg beendete, de facto von Aserbaidschan unabhängig, obwohl ihre Unabhängigkeit von keinem UN-Mitgliedstaat anerkannt wurde. Die Bevölkerung des Gebiets bestand zum größten Teil aus ethnischen Armeniern und war aufgrund ihrer geografischen und diplomatischen Isolation auf enge politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Armenien angewiesen. Ein Drittel von Berg-Karabach und einige angrenzende Gebiete wurden 2020 im Rahmen eines Waffenstillstandsabkommens, das einen wochenlangen Konflikt beendete, unter aserbaidschanische Kontrolle gestellt. Die Zivilbevölkerung war zuweilen der Gefahr von Gewalt durch aserbaidschanische Militäroperationen ausgesetzt (FH 2023 - Nagorno-Karabakh).
Armenien erkannte die „Republik Bergkarabach“ offiziell nicht an, praktisch waren beide aber wirtschaftlich und rechtlich stark verflochten. Die Bewohner von Bergkarabach erhielten - neben ihrem „RBK“-Pass - armenische Pässe. In Eriwan gibt es eine bergkarabachische Vertretung, und auf armenischen Landkarten erscheint die „RBK“ - einschließlich der besetzten Gebiete - als unabhängiger Staat. Die „Republik Bergkarabach“ hatte einen eigenen Verteidigungsminister und eine Armee, die aber sicherheits-politisch eng mit den armenischen Streitkräften zusammenarbeitete. Sie verfügte über eigene quasi-staatliche Strukturen. Zum Teil galten eigene Gesetze, zum Teil wurden die armenischen Gesetze angewendet. Die eigenständigen Verwaltungsstrukturen waren eng an die Armeniens gebunden. Von der „RBK“ ausgestellte Pässe sind äußerlich nur anhand der dreistelligen Kennziffer des Ausstellungsortes von armenischen Pässen zu unterscheiden. „Amtssprache“ war armenisch; die „Währung“ war der armenische Dram (AA 25.7.2022).
Der zwischen Armenien, der sog. „RBK“ und Aserbaidschan geschlossene Waffenstillstand von 1994 war immer wieder – mit unterschiedlicher Intensität – gebrochen worden. Bis zum Tag des Ausbruchs des zweiten Berg-Karabach-Kriegs am 27. September 2020 hatte die „RBK“ das in Aserbaidschan früher als Autonome Region Bergkarabach verwaltete Gebiet sowie weitere sieben Provinzen Aserbaidschans in den Grenzgebieten zu Armenien und Iran und in der Region um Agdam kontrolliert (AA 25.7.2022). Es gab glaubwürdige Berichte, dass ethnische armenische und aserbaidschanische Streitkräfte während und in einigen Fällen nach den Kämpfen im November 2020 rechtswidrige Tötungen, Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen vornahmen (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Mit Ende des Krieges (9. November 2020) hatte Armenien alle bis 1994 von Aserbaidschan eroberten Gebiete sowie ca. 40 % der „RBK“ an Aserbaidschan verloren. Gemäß einem zwischen Russland, Aserbaidschan und Armenien am 9. November 2020 geschlossenen Waffenstillstand hatte Russland entlang der Frontlinie in der „RBK“ mit mittelschweren Waffen ausgerüstete Friedenstruppen stationiert. Des Weiteren waren russische Friedenstruppen zu dessen Sicherung im Latschin-Korridor stationiert, der die Republik Armenien mit der „RBK“ verband (AA 25.7.2022).
Die Sicherheitslage an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze blieb mit häufigen Gefechten angespannt (AI 27.3.2023). Nach intensiven Kämpfen zwischen aserbaidschanischen und armenischen Streitkräften Mitte September 2022 gab es glaubwürdige Berichte über rechtswidrige Tötungen, bei denen armenische Soldaten in aserbaidschanischem Gewahrsam im Schnellverfahren hingerichtet wurden. Ebenso gab es Berichte, dass aserbaidschanische Streitkräfte medizinische Rettungsfahrzeuge und andere für die Zivilbevölkerung benötigte Gegenstände beschossen (USDOS 20.3.2023).
Seit dem 12.12.2022 war der Zugang von Armenien zur fast ausschließlich armenisch besiedelten Exklave Bergkarabach, die völkerrechtlich betrachtet zu Aserbaidschan gehört, gesperrt. Mit der Blockade sollte der Druck auf Armenien erhöht werden, mit Aserbaidschan ein Friedensabkommen zu unterzeichnen, das den Forderungen der aserbaidschanischen Führung entgegenkommt. Auch die als Garanten der Sicherheit der Berg-Karabach-Armenier stationierten russischen Friedenstruppen konnten oder wollten die Blockade nicht verhindern. Infolge der Blockade des Latschin-Korridors waren rd. 120.000 Menschen in Berg-Karabach von Armenien abgeschnitten und die Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und teilweise auch Energie unterbrochen (BAMF 16.1.2023; vgl. derStandard 23.8.2023, t-online 31.7.2023).
Justizwesen/Rechtsschutz
Letzte Änderung 2023-10-10 12:02
Obwohl das Gesetz eine unabhängige Justiz vorsieht, wurde diese aufgrund ihrer Geschichte von Korruption und politischer Einflussnahme, ihres Widerstands gegen Reformen und der jüngsten öffentlichkeitswirksamen Skandale nicht als unabhängig oder unparteiisch angesehen. Es gab unbestätigte Berichte über Versuche der Regierung, Richter zu beeinflussen. Die hohe Zahl der Fälle, das mangelnde Vertrauen der Öffentlichkeit und der Vorwurf des Drucks durch die Regierung hielten Fachleute davon ab, sich auf Richterstellen zu bewerben (USDOS 20.3.2023). Richter fühlen sich Berichten zufolge unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig. Die Behörden wenden das Recht selektiv an, und ein ordnungsgemäßes Verfahren ist weder in Zivil- noch in Strafsachen gewährleistet (FH 10.3.2023).
Das zivil- und strafrechtliche Gerichtssystem besteht aus drei Instanzen; daneben existieren eine Verwaltungsgerichtsbarkeit und das Verfassungsgericht. Die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis hat sich seit Mitte 2018 verbessert. Die Regierung treibt eine Justizreform mit dem Ziel größerer Effizienz der Justiz voran, die allerdings seit 2020 ins Stocken geraten ist. Kollektivhaft (z. B. innerhalb der Familie) gibt es in Armenien nicht (AA 25.7.2022). Die Regierung veröffentlichte 2019 eine auf fünf Jahre angelegte Strategie zur Reform der Justiz; die Reformen wurden 2022 fortgesetzt, kamen jedoch nur langsam voran (FH 10.3.2023).
Beobachter stellten fest, dass die Bestechung von Richtern zwar kein weitverbreitetes Problem mehr sei, dass aber Verteidiger von ihren Mandanten Geld erpressten, indem sie behaupteten, es sei für die Bestechung eines Richters bestimmt, wodurch das Vertrauen in das System untergraben wurde (USDOS 20.3.2023).
Am 6. Juli nahm das Parlament Änderungen am Gerichtsgesetzbuch an, die Disziplinarverfahren gegen Richter ermöglichen, die über Fälle entschieden haben, in denen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu irgendeinem Zeitpunkt während des Verfahrens Menschenrechtsverletzungen festgestellt hat (USDOS 20.3.2023).
Die Bürger hatten auch die Möglichkeit, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Rechtsakten, die ihre Grundrechte und -freiheiten verletzten, vor dem Verfassungsgericht anzufechten. Bürger, die den innerstaatlichen Rechtsweg ausgeschöpft haben, können bei angeblichen Verstößen der Regierung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention den EGMR anrufen (USDOS 20.3.2023). Die Regierung hielt sich im Allgemeinen an die vom EGMR ausgesprochenen Entschädigungszahlungen (USDOS 12.4.2022).
Die Verfassung und das Gesetz verbieten willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und sehen das Recht jeder Person vor, die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme oder Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Bei der Prüfung der Festnahme muss das Gericht auch die Rechtmäßigkeit der Verhaftung prüfen. Das Gesetz schreibt vor, dass die Polizei die Festgenommenen über die Gründe für ihre Festnahme sowie über ihr Recht zu schweigen, einen Rechtsbeistand zu haben und einer Person ihrer Wahl ihren Aufenthaltsort mitzuteilen, informieren muss. Eine Kaution war eine legale Option (USDOS 20.3.2023).
Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vor, aber die Justiz setzte dieses Recht nicht durch. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor, aber Verdächtige kamen in der Regel nicht in den Genuss dieses Rechts. Die Pflichtverteidiger waren überlastet. Das Gesetz sieht vor, dass Angeklagte Zeugen zur Rede stellen, Beweise vorlegen und die Argumente im Vorfeld eines Prozesses prüfen können, doch hatten Angeklagte und ihre Anwälte kaum die Möglichkeit, den Zeugen oder der Polizei zu widersprechen, während die Gerichte dazu neigten, das Material der Staatsanwaltschaft routinemäßig zu akzeptieren (USDOS 20.3.203).
Menschenrechtsanwälten zufolge wurde weiterhin in erheblichem Umfang von der Untersuchungshaft Gebrauch gemacht, wobei die Verdächtigen die Beweislast dafür tragen, dass sie keine Fluchtgefahr darstellen oder die Ermittlungen nicht behindern. Mit der neuen Strafprozessordnung wurden auch neue Präventivmaßnahmen wie Hausarrest und Verwaltungsaufsicht eingeführt, die die Inanspruchnahme der Untersuchungshaft möglicherweise verringern könnten (USDOS 20.3.2023).
Die lange Untersuchungshaft blieb ebenso ein Problem (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 10.3.2023). Einige Beobachter sahen in der übermäßig langen Untersuchungshaft ein Mittel, um Angeklagte zu einem Geständnis oder zur Offenlegung selbstbelastender Beweise zu bewegen. Mit der neuen Strafprozessordnung wurden strenge Beschränkungen für die Dauer der Untersuchungshaft und die Dauer der Ermittlungen eingeführt. Nach der neuen Strafprozessordnung darf die Höchstdauer der Untersuchungshaft die in dem angeklagten Artikel vorgesehene Freiheitsstrafe nicht überschreiten (USDOS 20.3.2023).
Die Behörden setzten Gerichtsbeschlüsse im Allgemeinen durch (USDOS 12.4.2022). Der Partnerschaftsrat der EU bekräftigte das gemeinsame Bekenntnis der EU und Armeniens zu den Menschenrechten, den Grundfreiheiten, der Rechtsstaatlichkeit und den demokratischen Grundsätzen. Der Partnerschaftsrat begrüßte die bisherigen Erfolge bei der Umsetzung der nationalen Strategie Armeniens für Justiz- und Rechtsreformen, räumte jedoch ein, dass nach wie Herausforderungen bestünden (EU - Rat der EU 18.5.2022).
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung 2023-10-10 12:03
Die nationale Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst für die nationale Sicherheit, nachrichtendienstliche Tätigkeiten und die Grenzkontrolle verantwortlich ist (CIA 26.9.2023; vgl. AA 25.7.2022). Seit dem 30. Dezember ist der Polizeichef dem Innenminister unterstellt, der wiederum direkt dem Premierminister untersteht. Der Innenminister wird vom Präsidenten auf Vorschlag des Premierministers ernannt. Der Leiter des Nationalen Sicherheitsdienstes ist ebenfalls direkt dem Premierminister unterstellt (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 25.7.2022). Die zivilen Behörden behielten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Es gab Berichte, wonach Angehörige der Sicherheitskräfte einige Missbräuche begangen haben (USDOS 20.3.2023).
Polizei und Nationaler Sicherheitsdienst (NSD) sind direkt der Regierung unterstellt. Ein Innenministerium gibt es nicht. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt. Hin und wieder treten aber Kompetenzstreitigkeiten auf, z. B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 25.7.2022).
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung 2023-10-10 12:21
Die Verfassung und das Gesetz verbieten derartige Praktiken. Dennoch gab es Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte weiterhin Personen in ihrem Gewahrsam folterten oder anderweitig misshandelten. Menschenrechtsanwälten zufolge definiert das Strafgesetzbuch zwar Folter und stellt sie unter Strafe, nicht aber andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (USDOS 20.3.2023).
Es gibt keine systematischen Folterungen (AA 25.7.2022). Gleichwohl ist bekannt, dass festgenommene Personen in Polizeistationen mitunter geschlagen wurden (AA 25.7.2022; vgl. FH 10.3.2023, USDOS 20.3.2023). Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 25.7.2022). Menschenrechtsaktivisten behaupteten, dass die fehlende Rechenschaftspflicht für alte und neue Fälle von Missbrauch durch die Strafverfolgungsbehörden weiterhin zum Fortbestehen des Problems beiträgt (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 20.6.2021).
Mit der Auflösung des Sonderermittlungsdienstes (SIS) im Jahr 2021 wurde die Untersuchung von Folterfällen zunächst auf den Nationalen Sicherheitsdienst (NSS), den Internationalen Strafgerichtshof und den neu geschaffenen Antikorruptionsausschuss umverteilt. Mit der Inkraftsetzung einer neuen Strafprozessordnung am 1. Juli wurde die Zuständigkeit für die Untersuchung von Folterstrafsachen auf den Untersuchungsausschuss übertragen, aber die Funktion der Voruntersuchung von Straftaten (einschließlich Folter), die von Ermittlern des Untersuchungsausschusses begangen wurden, wurde dem NSS übertragen (USDOS 20.3.2023).
Die Strafverfolgungsbehörden verließen sich weiterhin auf Geständnisse und Informationen, die sie bei Verhören erhalten hatten, um Verurteilungen zu erreichen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten waren die verfahrensrechtlichen Schutzmaßnahmen gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie die Unzulässigkeit von durch Gewalt oder Verfahrensverstöße erlangten Beweisen, unzureichend, ebenso wie das in den Polizeistationen installierte Videoüberwachungssystem (USDOS 20.3.2023).
Folter und Misshandlung im Gewahrsam halten an und werden häufig ungestraft verübt. Selbst wenn strafrechtliche Ermittlungen aufgrund von Foltervorwürfen eingeleitet werden, werden sie meist mit der Begründung eingestellt, dass keine Straftat begangen wurde, oder sie werden eingestellt, weil ein Verdächtiger nicht identifiziert werden konnte. Sieben Jahre, nachdem Folter in Armenien zu einem spezifischen Straftatbestand wurde, fällte ein Gericht im März sein erstes Urteil zu solchen Vorwürfen und verurteilte einen ehemaligen Gefängnisbeamten zu sieben Jahren und sechs Monaten. Zuvor mussten sich Beamte, die wegen körperlicher Misshandlung zur Rechenschaft gezogen wurden, mit dem allgemeinen Straftatbestand des "Amtsmissbrauchs" auseinandersetzen (HRW 12.1.2023).
Zur Bekämpfung der Folter veranstaltete die Regierung im Laufe des Jahres gezielte Schulungen für Richter, Staatsanwälte, Ermittler, militärisches Führungspersonal, Militärpolizei, Polizei und Gefängnispersonal (USDOS 12.4.2022).
Am 25. Mai [2021] veröffentlichte das Komitee des Europarats zur Verhütung von Folter (CPT) einen Bericht über seinen letzten regelmäßigen Besuch im Land im Dezember 2019. Das CPT stellte fest, dass die große Mehrheit der von seiner Delegation befragten Personen, die sich in Polizeigewahrsam befanden oder kürzlich befunden hatten, angaben, dass sie angemessen behandelt worden waren (USDOS 12.4.2022).
Korruption
Letzte Änderung 2023-10-10 12:54
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen bei behördlicher Korruption vor (USDOS 20.3.2023). Das Land hat ein Erbe von systemischer Korruption in vielen Bereichen (USDOS 12.4.2022). Die Behörden ergriffen Maßnahmen zur Stärkung des institutionellen Rahmens für die Korruptionsbekämpfung, einschließlich der Schaffung des rechtlichen Rahmens für den Antikorruptionsgerichtshof, der als Spezialgericht für Korruptionsfälle dienen soll. Der Antikorruptionsausschuss, der als Hauptuntersuchungsorgan für Korruptionsfälle dient, nahm im Laufe des Jahres seine Tätigkeit auf (USDOS 20.3.2023).
Im April 2020 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das die Möglichkeiten der Staatsanwälte erweitert, korrupte Handlungen ehemaliger Beamter zu untersuchen. Nach dem neuen Gesetz können Staatsanwälte leichter die Beschlagnahme unrechtmäßig erworbener Vermögenswerte beantragen, wenn deren Status vor Gericht bewiesen wird, und sie dürfen Taten untersuchen, die zehn Jahre zurückliegen (FH 3.3.2021). Im November 2022 traten der neue Anti-Korruptionsgerichtshof und die Anti-Korruptionskammer des Kassationsgerichtshofs in Kraft, nachdem die beiden Gremien im April 2021 per Gesetz geschaffen worden waren. Im August 2022 leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren zur Wiedererlangung gestohlener Vermögenswerte von angeblich korrupten ehemaligen Beamten des vorrevolutionären Regimes ein (FH 10.3.2023).
Die Korruption ist nach den politischen Ereignissen im Jahr 2018 deutlich zurückgegangen. Die Regierung unternimmt Schritte zur Beseitigung von oligarchischen Strukturen und Hindernissen. Im November 2019 wurde vom Parlament eine neue Kommission zur Vorbeugung von Korruption gewählt. Die Regierung hat im Jahr 2021 eine Sonderermittlungsbehörde für Korruptionsbekämpfung eingerichtet (AA 25.7.2022).
Das Gesetz verlangt von hochrangigen Beamten und ihren Familien, jährliche Vermögenserklärungen abzugeben, die teilweise im Internet öffentlich zugänglich waren. Die Kommission zur Verhinderung von Korruption (CPC), die im November 2019 die Ethikkommission für hochrangige Beamte ersetzt hat, führt die Analyse der Vermögenserklärung durch (USDOS 30.3.2021).
Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) von Transparency International für das Jahr 2022 belegte Armenien Rang 63 von 180 bewerteten Ländern (TI 2023). Im Vergleich zu 2021: Platz 58 (TI 1.2022).
NGOs und Menschrechtsaktvisten
Letzte Änderung 2023-10-10 12:54
Die meisten inländischen und internationalen Menschenrechtsgruppen arbeiteten im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen und konnten ihre Erkenntnisse über Menschenrechtsfälle frei untersuchen und veröffentlichen (USDOS 20.3.2023). Während einige Regierungsbeamte mit ihnen kooperierten und auf ihre Ansichten eingingen, berichteten zivilgesellschaftliche Organisationen, dass es nur wenige Treffen mit Regierungsbeamten (sowohl online als auch persönlich) gab und dass die Regierung die Ansichten von NGO-Sachverständigen in mehreren wichtigen Bereichen, wie etwa der Rede- und Pressefreiheit, ignorierte oder nicht einholte. In anderen Bereichen, wie z. B. bei den Reformen zur Förderung einer unparteiischen, unabhängigen Justiz, sammelte die Regierung Berichte und Empfehlungen der Zivilgesellschaft, aber es war unklar, inwieweit die Empfehlungen berücksichtigt wurden (USDOS 12.4.2022).
Die Regierung unternahm nichts, um zivilgesellschaftliche Organisationen vor Desinformation oder Drohungen zu schützen, einschließlich Drohungen, einzelnen Aktivisten zu schaden (USDOS 20.3.2023). Ein Trend, der im Jahr 2020 einsetzte, führte dazu, dass Akademiker und andere Meinungsführer, einschließlich derjenigen, die sich für die Menschenrechte einsetzen, aufgrund von Hasskampagnen, die von nationalistischen Gruppen und Personen, die der Opposition und Russland nahestehen, angezettelt wurden, zögerten, ihre Meinung öffentlich zu äußern, insbesondere online. Infolgedessen nahm der konstruktive Diskurs über Menschenrechte allgemein ab. Die Regierung verfolgte keine Aufrufe zur Schädigung zivilgesellschaftlicher Akteure im Rahmen der 2020 verabschiedeten Gesetzgebung, die öffentliche Aufrufe zur Gewalt unter Strafe stellt (USDOS 20.3.2023).
In Armenien sind zahlreiche NGOs tätig, die meisten von ihnen haben ihren Sitz in Eriwan. Diese NGOs verfügen nicht über nennenswerte lokale Finanzmittel und sind häufig auf ausländische Geber angewiesen (FH 10.3.2023).
Die Tätigkeit von Menschenrechtsorganisationen ist nach der „Samtenen Revolution“ 2018 wirksamer geworden. Die Regierung Pashinyan bezieht die NGOs in die Entscheidungsprozesse mit ein, auch wenn sich einige NGOs, z. B. im Umweltbereich, eine noch stärkere Wahrnehmung wünschen. Angehörige von NGOs werden seit den Wahlen im Dezember 2018 in größerer Zahl zu Abgeordneten gewählt (AA 25.7.2022).
Ombudsperson
Letzte Änderung 2023-10-10 12:55
Das Amt des Menschenrechtsverteidigers (die Ombudsperson) hat den Auftrag, die Menschenrechte und Grundfreiheiten auf allen Ebenen der Regierung vor Missbrauch zu schützen. Das Büro arbeitete unabhängig und fungierte als wirksamer Anwalt in Einzelfällen (USDOS 20.3.2023). Das Büro lehnte es jedoch ab, einige Fälle im Zusammenhang mit LGBTQI+ Personen zu übernehmen (USDOS 12.4.2022).
Die vom Parlament gewählte und als unabhängige Institution in der Verfassung verankerte „Ombudsperson für Menschenrechte“ muss einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen. Die Kompetenzen der Ombudsperson wurden im Jahr 2016 durch ein eigenes Gesetz erweitert (AA 25.7.2022).
Die Ombudsperson kann Empfehlungen aussprechen, hat aber nicht die Befugnis, diese durchzusetzen (USDOS 2.6.2022).
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung 2023-10-10 13:08
Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Artikel 80 der Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und –freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt (AA 25.7.2022).
Die Regierung Pashinyan geht bestehende Menschenrechtsdefizite weitaus engagierter als die Vorgängerregierungen an. Die Menschenrechtslage hat sich insgesamt verbessert. Mängel bestehen jedoch nach wie vor bei der konsequenten Umsetzung der Gesetze. Vor allem im Kampf gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität und beim Aufbrechen der alten verkrusteten Strukturen hat Premierminister Pashinyan sichtbare Erfolge erzielt (AA 25.7.2022). Daneben bestehen allerdings weiter Defizite bei der Untersuchung und Bestrafung mutmaßlicher Übergriffe durch ehemalige und derzeitige Regierungsbeamte und Strafverfolgungsbehörden (UDOS 20.3.2023).
Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion, der politischen Meinung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögensstatus, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder anderer persönlicher oder sozialer Umstände. Das Strafgesetzbuch verbietet die ungleiche Behandlung von Personen aus den genannten Gründen, wenn eine solche Behandlung die Menschenrechte und die rechtmäßigen Interessen einer Person verletzt, und betrachtet die gleiche Handlung, wenn sie von Beamten begangen wird als einen erschwerenden Umstand. Die Regierung setzte das Gesetz gegen rassistische/ethnische Gewalt und Diskriminierung uneinheitlich durch (USDOS 20.3.2023).
Das Gesetz schützt die Freizügigkeit und das Recht des Einzelnen, seinen Wohnsitz, seinen Arbeitsplatz und seine Ausbildung zu wechseln. In der Praxis wird der Zugang zur Hochschulbildung durch eine Kultur der Bestechung etwas erschwert. Das armenische Recht schützt die Eigentumsrechte in angemessener Weise, auch wenn die Beamten diese in der Vergangenheit nicht immer eingehalten haben (FH 10.3.2023).
Die Regierung Armeniens erfüllt die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels nicht vollständig, unternimmt aber erhebliche Anstrengungen, um diese zu erreichen. Es gab keine Berichte über das Verschwinden von Personen durch oder im Namen von Regierungsbehörden. Es gab keine Berichte darüber, dass die Regierung oder ihre Vertreter im Laufe des Jahres willkürliche oder rechtswidrige Tötungen begangen haben (USDOS 20.3.2023).
Die Verfassung verbietet unbefugte Durchsuchungen und sieht das Recht auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Kommunikation vor. Die Behörden dürfen keine Telefone abhören, keine Korrespondenz abfangen und keine Durchsuchungen durchführen, ohne die Erlaubnis eines Richters einzuholen, der zwingende Beweise für kriminelle Aktivitäten vorlegt. Die Verfassung sieht jedoch Ausnahmen vor. Die Bürger haben die Möglichkeit, ihre Regierung in freien und fairen, regelmäßig stattfindenden, geheimen Wahlen auf der Grundlage des allgemeinen und gleichen Wahlrechts zu wählen (USDOS 20.3.2023).
Meinungs- und Pressefreiheit
Letzte Änderung 2023-10-10 14:09
In der Verfassung und im Gesetz ist das Recht auf freie Meinungsäußerung verankert, auch für Mitglieder der Presse und anderer Medien. Die Regierung hat dieses Recht im Allgemeinen respektiert, wenn auch mit einigen Einschränkungen. Einzelpersonen durften die Regierung kritisieren, ohne Repressalien befürchten zu müssen (USDOS 20.3.2023). Im Juli 2022 entfernte der Justizminister Bestimmungen aus dem Strafgesetzbuch, die Verleumdung unter Strafe stellten. Diese Bestimmungen waren im Juli 2021 in Kraft getreten und hatten zur Einleitung von mindestens neun Strafverfahren gegen Personen geführt, die der Beleidigung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens beschuldigt wurden (FH 10.3.2023).
Unabhängige und investigative Medien arbeiten in Armenien relativ frei und veröffentlichen in der Regel online. Kleine unabhängige Medien bieten oft eine solide Berichterstattung, die die Darstellungen der staatlichen Rundfunkanstalten und anderer etablierter Medien infrage stellt. Im Vergleich dazu sind die meisten Printmedien und Rundfunkanstalten mit politischen oder größeren kommerziellen Interessen verbunden (FH 10.3.2023).
Die meisten Rundfunk- und Fernsehsender und Zeitungen waren im Besitz von Privatpersonen oder Gruppen, von denen die meisten Berichten zufolge mit der früheren Regierung oder den parlamentarischen Oppositionsparteien in Verbindung standen und die tendenziell die politischen Neigungen und finanziellen Interessen ihrer Eigentümer widerspiegelten. Derzeitige und frühere Regierungsbehörden und Oppositionsparteien erwarben weitere Medien, was die Polarisierung noch verschärfte. Es gab nur noch wenige unabhängige Medien, die nicht von der finanziellen Unterstützung politisch verbundener Geber abhingen; diejenigen, die noch existierten, waren aufgrund ihrer begrenzten Einnahmen aus Werbung und Abonnementgebühren auf die Unterstützung internationaler Geber angewiesen (USDOS 20.3.2023).
Die Rundfunkmedien, insbesondere das öffentliche Fernsehen, blieben für die Mehrheit der Bevölkerung eine der wichtigsten Nachrichten- und Informationsquellen. Einigen Medienbeobachtern zufolge präsentierte das öffentlich-rechtliche Fernsehen weiterhin Nachrichten und politische Debatten von einem regierungsfreundlichen Standpunkt aus, obwohl es auch weiterhin für oppositionelle Stimmen zugänglich war (USDOS 20.3.2023).
Journalist:innen sind, außer in Fällen schwerer Straftaten, nicht verpflichtet, vertrauliche Quellen offen zu legen. Das Fernsehen ist nach wie vor das am weitesten verbreitete Informationsmedium. Zahlreiche TV-Medien werden von alten Einflussgruppen kontrolliert und versuchen gezielt, die öffentliche Meinung zu manipulieren bzw. Stimmung gegen die Regierung zu machen. Die Vergabe der (befristeten) Sendelizenzen ist weiterhin problematisch. Die Printmedien genießen große Unabhängigkeit, haben jedoch – insbesondere außerhalb der Hauptstadt – ein wesentlich kleineres Publikum als die elektronischen Medien. Internetseiten sind frei zugänglich (AA 25.7.2022).
Das Komitee zum Schutz der Meinungsfreiheit (CPFE), eine lokale NRO, stellte eine Zunahme der Gewalt gegen Journalisten fest. Bis Juni 2022 dokumentierte es 12 Vorfälle mit 13 Opfern (HRW 12.1.2023; vgl. FH 10.3.2023, AI 27.3.2023), die sowohl von Beamten als auch von Privatpersonen verübt wurden. Die meisten Vorfälle ereigneten sich während verschiedener Proteste der Opposition (HRW 12.1.2023).
Am 25. Mai verabschiedeten regierungsnahe Gesetzgeber ein Gesetz, das es staatlichen Stellen erlaubt, Journalisten die Zulassung zu entziehen, wenn sie zweimal innerhalb eines Jahres gegen die "Arbeitsregeln" der zuständigen Stellen verstoßen haben (USDOS 20.3.2023).
Das Recht auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Kommunikation ist grundsätzlich vorhanden. Ohne richterliche Erlaubnis und der Angabe zwingender Beweise für kriminelle Aktivitäten, dürfen Behörden keine Telefone abhören, Korrespondenzen abfangen oder Durchsuchungen durchführen. Die Verfassung sieht jedoch Ausnahmen vor (USDOS 20.3.2023).
Auf der Rangliste der Pressefreiheit für 2022 befindet sich Armenien auf Platz 51 von 180 gelisteten Ländern (RSF 2023). Im Vergleich zu 2021: Platz 63 (RSF 2022).
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Letzte Änderung 2023-10-11 06:14
In der Verfassung und in den Gesetzen sind die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit verankert. Die Regierung respektierte diese Rechte im Allgemeinen, es gab jedoch einige Einschränkungen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 10.3.2023).
Die Strafverfolgungsbehörden griffen während des gesamten Jahres bei Protesten in die Versammlungsfreiheit ein. Das armenische Helsinki-Komitee, eine Nichtregierungsorganisation, dokumentierte einen unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt bei Oppositionsprotesten im Mai und Juni (HRW 12.1.2023). Es wurde mehrfach berichtet, dass die Polizei während der Proteste im Laufe des Jahres willkürlich Demonstranten festnahm. Ein Bericht der Ombudsperson stellte außerdem fest, dass die Polizei unverhältnismäßige Gewalt anwandte, um Demonstranten festzuhalten, aber auch, dass die Demonstranten die Polizei provozierten, indem sie Beleidigungen riefen, und Schultergurte und Abzeichen abrissen (USDOS 20.3.2023; vgl. AI 27.3.2023).
Das Gesetz schützt das Recht aller Beschäftigten, unabhängige Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreten, mit Ausnahme des nicht zivilen Personals der Streitkräfte und der Strafverfolgungsbehörden (FH 10.3.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Das Gesetz sieht auch das Streikrecht vor, mit denselben Ausnahmen, und lässt Tarifverhandlungen zu (USDOS 20.3.2023).
Sowohl die Oppositionsparteien als auch die außerparlamentarische Opposition können sich frei äußern (AA 25.7.2022). Im Januar 2021 traten Änderungen des Parteiengesetzes in Kraft, mit denen die öffentliche Finanzierung politischer Parteien an die Vertretung von Frauen und des ganzen Landes gebunden und individuelle Spenden begrenzt wurden. An den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni 2021 nahm eine noch nie da gewesene Anzahl politischer Einheiten (22 politische Parteien und 4 Bündnisse) teil (FH 10.3.2023).
Das Gesetz schränkt weder die Registrierung noch die Tätigkeit von politischen Parteien ein (USDOS 20.3.2023).
Im Januar 2021 traten Änderungen des Parteiengesetzes in Kraft, die die öffentliche Finanzierung politischer Parteien an die Vertretung von Frauen und des Landes binden und die Spenden von Einzelpersonen begrenzen (FH 10.3.2023).
Es gibt keine Berichte darüber, dass Personen, die im Ausland politisch aktiv waren, nach ihrer Rückkehr nach Armenien Repressionen erfahren hätten (AA 25.7.2022).
Es gab keine glaubwürdigen Berichte über politische Gefangene oder Inhaftierte (USDOS 20.3.2023).
Haftbedingungen
Letzte Änderung 2023-10-11 07:44
In Berichten wurden Menschenrechtsbedenken im Zusammenhang mit den Haftbedingungen geäußert, u. a. in Bezug auf die physischen Bedingungen, den Zugang zu medizinischer Versorgung und psychologischer Betreuung, die Behandlung von LGBTQI+-Personen und die Ausbeutung durch hierarchische organisierte Kriminalitätsstrukturen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 10.3.2023). Die Regierung hat am 1. Januar zwei Strafvollzugsanstalten geschlossen. Das Parlament verabschiedete am 15. Juni ein neues Strafvollzugsgesetz, das am 1. Juli zusammen mit dem im Vorjahr verabschiedeten neuen Strafgesetzbuch und der Strafprozessordnung in Kraft trat, um die großen Probleme im Strafvollzug systematisch anzugehen (USDOS 20.3.2023).
Die hygienischen und räumlichen Verhältnisse sind zufriedenstellend. Angebote für Freizeitaktivitäten gibt es kaum. Häftlinge dürfen Besuch empfangen und mit Telefonkarten telefonieren. Bewegungseinschränkende Maßnahmen wie z. B. Handschellen gibt es nicht. Der vorigen Überbelegung der Gefängnisse wurde durch Aussetzung von Haftstrafen zur Bewährung, Verkürzung von Haftstrafen und Freilassung auf Kaution entgegengewirkt, sodass zum 01.01.2022 zwei Gefängnisse geschlossen werden konnten (AA 25.7.2022; vgl. USDOS 20.3.2023).
Beobachtern zufolge besteht weiterhin Bedarf an besseren psychologischen Diensten und Personal in den Gefängnissen, obwohl die Regierung Programme zur Erhöhung der Gehälter und zur Umverteilung von Psychologen aus geschlossenen Haftanstalten aufgelegt hat (USDOS 20.3.2023).
In seinem Bericht nahm das CPT [Committee for the Prevention of Torture] die laufende Reform des Gesundheitsdienstes in den Gefängnissen und die Einrichtung eines strafvollzugsmedizinischen Zentrums, einer öffentlichen, nicht kommerziellen Organisation für die Gesundheitsversorgung in den Gefängnissen, zur Kenntnis, äußerte jedoch seine Besorgnis darüber, dass sich die Insassen nach wie vor über mangelnden Zugang zu spezialisierter Versorgung beklagten. In den meisten Gefängnissen fehlte es an Unterbringungsmöglichkeiten für Insassen mit Behinderungen (USDOS 12.4.2022).
Die Regierung bekräftigte ihre Null-Toleranz-Politik gegenüber Korruption in den Gefängnissen und brachte ihre Entschlossenheit zum Ausdruck, die organisierte, hierarchische kriminelle Struktur, die das Leben in den Gefängnissen beherrschte, zu beseitigen. Beobachter stellten einige Fortschritte bei der Bekämpfung der systemischen Korruption fest, doch Experten schätzten ein, dass die Korruption so lange fortbestehen würde, wie die kriminelle Subkultur weiter bestünde (USDOS 20.3.2023).
Die Behörden führten keine zeitnahen Untersuchungen zu glaubwürdigen Misshandlungsvorwürfen durch (USDOS 20.3.2023).
Die Regierung erlaubte in- und ausländischen Menschenrechtsgruppen, einschließlich des CPT, die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten zu überwachen, was sie auch regelmäßig taten. Die Behörden gestatteten den Beobachtern, privat mit Gefangenen zu sprechen, und erlaubten dem IKRK, Gefängnisse und Untersuchungshaftanstalten zu besuchen (USDOS 20.3.2023).
Todesstrafe
Letzte Änderung 2023-10-11 07:44
Armenien hat im September 2003 die Todesstrafe abgeschafft; dies ist in Artikel 24 der Verfassung verankert (AA 25.7.2022; vgl. AI 21.4.2020, Standard 19.4.2003, Frankreich Diplomatie 10.2022).
Religionsfreiheit
Letzte Änderung 2023-10-11 07:47
Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert und darf nur durch Gesetze und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. Gemäß Artikel 17 der Verfassung wird zudem die Freiheit der Tätigkeit von religiösen Organisationen garantiert. Es gibt keine verlässlichen Angaben zum Anteil religiöser Minderheiten an der Gesamtbevölkerung; Schätzungen zufolge machen sie weniger als 5 % aus. Auch in den 2015 beschlossenen Verfassungsänderungen genießt die Armenisch-Apostolische Kirche (AAK) nach wie vor Privilegien, die anderen Religionsgemeinschaften nicht zuerkannt werden (Zulässigkeit der Eröffnung von Schulen, Herausgabe kirchengeschichtlicher Lehrbücher, Steuervorteile u. a. bei Importen, Wehrdienstbefreiung von Geistlichen, Kirchenbau). Bei der Diskussion über ein überfälliges und erst Ende 2017 verabschiedetes Gesetz gegen häusliche Gewalt spielte die Kirche eine konstruktive Rolle. Zunehmend nimmt die Kirche ihre soziale Verantwortung wahr (etwa durch Aufbau von Jugendzentren). Religionsgemeinschaften sind nicht verpflichtet, sich registrieren zu lassen. Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können sich jedoch amtlich registrieren lassen und dürfen dann Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von mehr als 1.000 Exemplaren veröffentlichen, regierungseigene Gelände nutzen, Fernseh- oder Radioprogramme senden und als Organisation Besucher aus dem Ausland einladen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Religionsgemeinschaften die Registrierung verweigert wurde bzw. wird. Bekehrungen durch religiöse Minderheiten sind zwar gesetzlich verboten; missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch tätig und werden staatlich nicht behindert. Dies wird von offiziellen Vertretern der Zeugen Jehovas bestätigt (AA 25.7.2022; vgl. USDOS 2.6.2022).
Laut der Volkszählung von 2011 bekennen sich etwa 92 % der Bevölkerung zum armenisch-apostolischen Glauben. Andere religiöse Gruppen umfassen römische Katholiken, armenische unierte (mekhitaristische) Katholiken, orthodoxe Christen und evangelikale Christen, einschließlich Anhänger der Armenischen Evangelischen Kirche, Angehörige der Pfingstkirche, Siebenten-Tags-Adventisten, Baptisten, charismatische Christen und Zeugen Jehovas. Es gibt auch Anhänger der Kirche Jesu Christi und der Heiligen Apostolischen Katholischen Assyrischen Kirche des Ostens, Molokan-Christen, Jeziden, Juden, Baha'is, schiitische Muslime, sunnitische Muslime und Heiden, die Anhänger eines vorchristlichen Glaubens sind. Nach Angaben von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde gibt es etwa 800 bis 1.000 Juden im Land (USDOS 15.5.2023; vgl. CIA 26.9.2023).
Die meisten religiösen Minderheiten, einschließlich der Siebenten-Tags-Adventisten, evangelikaler christlicher Gruppen, der Zeugen Jehovas und der Baha'is, berichteten, dass die öffentliche Einstellung ihnen gegenüber im allgemeinen positiv sei und dass es nur wenig oder gar keine negative Medienberichterstattung über sie gebe, obwohl mehrere Medien im Laufe des Jahres negative Berichte über sie brachten (USDOS 15.5.2023).
Gesellschaftlicher und familiärer Druck war weiterhin eine große Abschreckung für ethnische Armenier, eine andere Religion als den armenisch-apostolischen Glauben zu praktizieren (USDOS 2.6.2022).
Ethnische Minderheiten
Letzte Änderung 2023-10-11 10:30
Die Bevölkerung setzt sich aus ca. 96 % armenischen Volkszugehörigen und ca. 4 % Angehörigen anderer Ethnien (vor allem Jesiden, Russen, Kurden und Assyrer, denen nach der Verfassung bzw. dem Wahlgesetz als den vier größten Minderheitengruppen jeweils ein Parlamentssitz zusteht) zusammen. Die Volkszugehörigkeit wird in armenischen Reisepässen nur eingetragen, wenn der Passinhaber dies beantragt. Die Verfassung garantiert nationalen Minderheiten das Recht, ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprache zu bewahren, in der sie u. a. studieren und veröffentlichen dürfen. Zugleich verpflichtet ein Gesetz alle Kinder zu einer Schulausbildung in armenischer Sprache. Dennoch wird an einigen armenischen Schulen in Gegenden mit jesidischer Bevölkerung (derzeit in 23 Dörfern) auch Unterricht in Jesidisch erteilt. Angehörige der jesidischen Minderheit berichten zwar immer wieder über Diskriminierungen, aber weder Jesiden noch andere Minderheiten sind Ziel systematischer und zielgerichteter staatlicher Repressionen (AA 25.7.2022).
Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion, der politischen Meinung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögensstatus, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder anderer persönlicher oder sozialer Umstände. Das Strafgesetzbuch verbietet die ungleiche Behandlung von Personen aus den oben genannten Gründen, wenn diese Behandlung die Menschenrechte und die rechtmäßigen Interessen einer Person verletzt, und betrachtet die gleiche Handlung von Beamten als erschwerenden Umstand (USDOS 20.3.2023).
Es gibt keine Gesetze, die die Beteiligung von Angehörigen von Minderheitengruppen am politischen Prozess einschränken, und sie haben sich auch beteiligt (USDOS 20.3.2023). Für die vier größten ethnischen Minderheiten des Landes sieht das Gesetz einen zusätzlichen Sitz in der Nationalversammlung vor: Jesiden, Kurden, die assyrische und die russische Gemeinschaft (USDOS 12.4.2022). Bis zu vier zusätzliche Sitze sind für Vertreter ethnischer Minderheiten reserviert, und weitere Sitze können hinzugefügt werden, um sicherzustellen, dass die Oppositionsparteien mindestens 30 Prozent der Sitze halten. Alle vier müssen über eine Parteiliste gewählt werden. Im Jahr 2021 gewann Civil Contract drei Minderheitensitze, die ethnische Russen, Jesiden und Kurden vertraten, während die Armenia Alliance einen Sitz als Vertreter der ethnischen Assyrer gewann (FH 10.3.2023).
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung 2023-10-11 14:52
Das Gesetz sieht garantierte Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung vor. Die Regierung respektierte diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.3.2023).
Aufgrund des zentralistischen Staatsaufbaus und der geringen territorialen Ausdehnung gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten gegenüber zentralen Behörden. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen (AA 25.7.2022).
Die Einreise nach Aserbaidschan über die Landgrenze aus Armenien ist nicht möglich. Das betrifft auch die Region Bergkarabach und den sogenannten „Latschin-Korridor“. Die Landgrenze zum Iran ist nur unter strengen Gesundheitsauflagen passierbar. Die Grenzen zur Türkei sind seit Jahren dauerhaft geschlossen (AA 2.10.2023; vgl. BMEIA 2.10.2023).
Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089129.html, Zugriff 2.10.2023
IDPs und Flüchtlinge
Letzte Änderung 2023-10-11 14:52
Die Behörden arbeiteten mit dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen, Asylbewerbern, Staatenlosen oder anderen betroffenen Personen Schutz und Hilfe zu bieten (USDOS 20.3.2023). Es gab Berichte über nicht systembedingte Diskriminierung bei der Annahme von Anträgen und bei der Inhaftierung von Asylbewerbern aufgrund des Herkunftslandes, der Rasse oder der Religion des Asylbewerbers sowie über Schwierigkeiten bei der Integration. Kontaktpersonen aus der Zivilgesellschaft berichteten von diskriminierenden Haltungen und Misstrauen gegenüber ausländischen Migranten, die Arbeit suchen (USDOS 20.3.2023).
Das Gesetz sieht die Gewährung des Asyl- oder Flüchtlingsstatus vor, und die Regierung hat ein System zur Gewährung von Schutz für Flüchtlinge eingerichtet. Das Gesetz verpflichtet die Inhaftierungsbehörde, die Inhaftierten über ihr Recht auf Asylantragstellung zu informieren, und sieht eine Frist von 15 Tagen für die Antragstellung vor. Der UNHCR berichtete über Probleme mit den ordnungsgemäßen Notifizierungsverfahren, die zu verpassten Fristen und Ablehnungen von Asylanträgen führten (USDOS 20.3.2023). Das Gesetz berücksichtigt die besonderen Bedürfnisse von Kindern, Menschen mit geistigen Behinderungen und Traumaüberlebenden und erlaubt Haftanstalten, Asylanträge entgegenzunehmen. Das Gesetz wurde im Allgemeinen in dem Maße durchgesetzt, wie es die Ressourcen zuließen. Flüchtlinge, die nicht der armenischen Volksgruppe angehörten, konnten eine erleichterte Einbürgerung beantragen (USDOS 20.3.2023).
Die Regierung nahm Flüchtlinge zur Neuansiedlung auf und bot den in ihrem Hoheitsgebiet lebenden Flüchtlingen die Einbürgerung an. Im Mai nahm die Regierung den konzeptionellen Rahmen für die staatliche Steuerung der Migration an, der die Entwicklung der Integrationsstrategie 2021-31 und des Aktionsplans für 2021-26 vorsah. Der Rahmen bot auch Integrationsprogramme für Rückkehrer aus westeuropäischen Ländern an, die entweder freiwillig zurückkehrten oder vom Aufnahmeland abgeschoben wurden (USDOS 12.4.2022).
Die Behörden boten einigen vertriebenen ethnischen Armeniern aus dem Ausland weiterhin eine Reihe von Schutzoptionen an, darunter die beschleunigte Einbürgerung, eine Aufenthaltsgenehmigung oder den Flüchtlingsstatus. Durch die rasche Einbürgerung erhielten die Vertriebenen den gleichen Rechtsanspruch auf Gesundheitsversorgung und die meisten anderen sozialen Dienste wie andere Bürger. Viele der landesweiten Reformen, wie die Bereitstellung von mehr Sozialleistungen, höheren Renten und einer leichter zugänglichen Gesundheitsversorgung, kamen auch den Flüchtlingen zugute, die eingebürgert wurden (USDOS 20.3.2023).
Flüchtlinge, die keine ethnischen Armenier sind, können eine erleichterte Einbürgerung beantragen, die das Bestehen eines Tests erfordert, der sich auf die Kenntnis der Verfassung konzentriert (USDOS 20.3.2023).
Das Gesetz sieht die Verleihung der Staatsbürgerschaft an staatenlose Kinder vor, die auf dem Territorium des Landes geboren wurden (USDOS 20.3.2023).
Seit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien kamen über 20.000 Flüchtlinge nach Armenien (99 % armenisch-stämmige Christen), davon wurde ein Großteil aufgrund des gegenüber Immigranten armenischer Abstammung liberalen armenischen Staatsangehörigkeitsrechts mittlerweile eingebürgert (AA 25.7.2022).
Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung 2023-10-11 14:53
In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zur Verbesserung der Lebenssituation von benachteiligten Gruppen bei. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Nach Schätzungen der Weltbank für 2020 leben 27 % der Armenier unterhalb der Armutsgrenze. Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt. Das die Armutsgrenze bestimmende Existenzminimum beträgt in Armenien ca. AMD 60.000 [ca EUR 146] im Monat, der offizielle Mindestlohn AMD 55.000. Das durchschnittliche Familieneinkommen ist mangels zuverlässiger Daten schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten und darüber hinaus privaten Geschäften und Gelegenheitstätigkeiten nach (AA 25.7.2022).
Im Jahr 2022 hat die Arbeitslosenquote in Armenien geschätzt rund 12,50 % betragen. Für das Jahr 2023 wird die Arbeitslosenquote in Armenien auf rund 12,50 % prognostiziert (statista 3.8.2023). Im Jahr 2022 ist die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand seit vielen Jahren gefallen (WKO 4.2023).
Armenien verfügt über reiche Vorkommen mineralischer Rohstoffe. Die armenische Wirtschaft wuchs 2022 um +12,1 %. Das ist die höchste jährliche Wachstumsrate der letzten 15 Jahren. Aufgrund der begrenzten Verarbeitungskapazität werden die Bergbauprodukte bisher als Rohstoffe exportiert. Die Landwirtschaft gehört zu den wichtigsten Wirtschaftssektoren des Landes, auch wenn dieser Sektor 2022 stagnierte. Das Wirtschaftswachstum konzentrierte sich bislang primär auf die Hauptstadt Jerewan. Das Entwicklungsgefälle zwischen der Hauptstadt Jerewan und den Regionen des Landes bleibt groß. Die ländlichen Regionen haben eine hohe Unterbeschäftigung und niedriges Einkommen. Um die regionale Entwicklung weiter anzukurbeln, verfolgt die armenische Regierung eine aktive Regionalpolitik (WKO 4.2023).
Die durch den Krieg ausgelöste massive Migration von Russen nach Armenien förderte die Wirtschaftsleistung, trug aber auch zu einem Anstieg der Mietpreise und der Lebenshaltungskosten im Allgemeinen bei (AI 27.3.2023).
Das Gesetz verbietet und kriminalisiert alle Formen von Zwangs- und Pflichtarbeit. Am 5. Oktober nahm die Regierung eine Definition von Zwangs- und Pflichtarbeit in das Arbeitsgesetzbuch auf. Die Strafverfolgung war nicht proaktiv und stützte sich weitgehend auf die Selbstauskunft der Opfer (USDOS 20.3.2023).
Das Gesetz sieht eine 40-Stunden-Woche, 20 Tage bezahlten Jahresurlaub und einen Ausgleich für Überstunden und Nachtarbeit vor (USDOS 20.3.2023).
Sozialbeihilfen
Letzte Änderung 2023-10-16 09:31
Das Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten verwaltet das Sozialschutzsystem in Armenien. Zu den wichtigsten Arten staatlicher Sozialleistungen in Armenien gehören: Familienbeihilfe, Sozialleistungen, dringende Unterstützungen, pauschales Kindergeld, Kinderbetreuungsgeld bis zum Alter von zwei Jahren, Leistungen bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, Mutterschaftsgeld, Altersbeihilfe, Invaliditätsleistungen, Leistungen bei Verlust der geldverdienenden Person, Bestattungsgeld (IOM 2021).
Personen, die das 63. Lebensjahr vollendet und mindestens 10 Jahre Berufserfahrung haben, haben Anspruch auf eine arbeitsbedingte Rente. Personen, die keinen Anspruch auf eine arbeitsbedingte Rente haben, haben mit 65 Jahren Anspruch auf eine altersbedingte Rente. In Armenien gibt es zwei Kategorien von Renten: Arbeitsrenten umfassen Altersrenten, privilegierte Renten, Renten für langjährige Betriebszugehörigkeit, Invalidenrenten und Hinterbliebenenrenten. Militärrenten umfassen Renten für Langzeitdienstleistern, Invaliditätsrenten und Hinterbliebenenrenten (IOM 2021).
Das Ministerium für Arbeit und Soziales (MLSA) implementiert Programme zur Unterstützung von schutzbedürftigen Personen: Behinderte, ältere Personen, RentnerInnen, Waisen, Opfer von Menschenhandel, Frauen und Kinder. Der Zugang zu diesen Leistungen erfolgt über die 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (IOM 2021).
Die staatliche Arbeitsagentur des Ministeriums für Arbeit und Soziales setzt die staatlichen Programme um, die darauf abzielen, eine nachhaltige Beschäftigung für Arbeitssuchende und die Befriedigung der Nachfrage nach Arbeitskräften zu sichern und eine effektive Nutzung der verfügbaren Arbeitskräfte zu gewährleisten. Eine detaillierte Beschreibung der Programme ist auf der offiziellen Website der staatlichen Arbeitsagentur unter www.employment.am zu finden. In Armenien gibt es auch private Arbeitsvermittlungsagenturen, die freie Stellen ausschreiben (IOM 2021).
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung 2023-10-11 14:53
Krankenhäuser – insbesondere außerhalb der großen Städte – entsprechen nicht dem europäischen Standard (BMEIA 5.10.2023). Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Das Gesundheitssystem besteht aus einer staatlich garantierten und kostenlosen Absicherung sowie einer individuellen und freiwilligen Krankenversicherung. Jeder Mensch in der Republik Armenien hat Anspruch auf medizinische Hilfe und Dienstleistungen, unabhängig von Nationalität, Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Alter, politischen und sonstigen Überzeugungen, sozialer Herkunft, Eigentum oder sonstigem Status (IOM 2020). Die primäre medizinische Versorgung wird in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist (AA 25.7.2022).
Die primäre medizinische Versorgung ist grundsätzlich kostenfrei. Kostenlose medizinische Versorgung gilt nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre Ebene. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei Weitem (AA 25.7.2022).
Informationen über soziale Bevölkerungsgruppen, die berechtigt sind, kostenlose Medikamente durch lokale Polikliniken zu erhalten, sind verfügbar unter: www.moh.am (IOM 2020).
Die Versorgung mit Arzneimitteln, inklusive Einwegspritzen kann nicht immer gewährleistet werden (BMEIA 5.10.2023). Die Einfuhr von Medikamenten zum persönlichen Gebrauch ist beschränkt auf 10 Arzneimittel, mit jeweils 3 Packungen (IOM 2020; vgl. BMEIA 5.10.2023). Verschreibungen müssen in russischer oder armenischer Sprache mitgeführt werden (BMEIA 5.10.2023).
Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals (für einen allgemein praktizierenden Arzt ca. EUR 250/Monat). Hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen – meist Privatkliniken – stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammografie sowie Computer- und Kernspintomografie zur Verfügung (AA 25.7.2022).
Die größeren Krankenhäuser in Eriwan sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze für Dialyse ist begrenzt, aber gegen Bezahlung von ca. USD 100 jederzeit möglich. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Eriwan möglich, auch in den Städten Armavir, Gjumri, Kapan, Noyemberyan und Vanadsor sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet (AA 25.7.2022).
Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten, da nicht immer alle Präparate vorhanden sind. Nach dem Regierungsbeschluss vom 23.11.2006 ist die Ausgabe von Medikamenten in Polikliniken kostenlos bei bestimmten Krankheiten und für Menschen, die in die Kategorie 1 besonders schutzbedürftiger Personen fallen. Hierzu gehören insbesondere Kinder und Menschen mit mittlerer bis schwerer Behinderung. Patienten der Kategorie 2 müssen 50 %, Patienten der Kategorie 3 müssen 70 % ihrer Medikamentenkosten selbst tragen (AA 25.7.2022).
Rückkehr
Letzte Änderung 2023-10-12 06:23
Rückkehrende werden grundsätzlich nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Für rückkehrende Migranten wurde ein Beratungszentrum geschaffen; es handelt sich um ein Projekt der französischen Büros für Einwanderung und Migration (OFFI). Rückkehrer können sich auch an den armenischen Migrationsdienst wenden, der ihnen mit vorübergehender Unterkunft und Beratung zur Seite steht. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt (AA 25.7.2022).
Seit 2019 führ der Migrationsdienst der Republik Armenien das "Staatliche Programm zur primären Unterstützung der Wiedereingliederung von zurückgekehrten (einschließlich unfreiwillig zurückgekehrten) Staatsbürger:innen in die Republik Armenien" durch. Das Programm bietet armenischen Staatsbürger:innen, die nach Armenien zurückkehren primäre Unterstützung, um ihre vollständige und nachhaltige Wiedereingliederung zu gewährleisten (IOM 2020).
Das Reintegrationsprogramm „Frontex − Joint Reintegration Services“ (FX JRS) bietet in Kooperation mit einer lokalen Partnerorganisation Unterstützung bei Reintegration nach der Rückkehr nach Armenien an (return from Austria, ohne Datum).
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich des BF ergeben sich aus seinem in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben, den Sprach- und Ortskenntnissen und den abgeschlossenen Verfahren, sowie seinem originalen armenischen Reisepass.
II.2.3. Die Feststellungen betreffend die von der BF in Anspruch genommenen Leistungen der Grundversorgung ergeben sich zweifelsfrei aus dem amtswegig angefertigten Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich.
Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Nachschau im Strafregister der Republik Österreich.
Die Feststellungen zum laufenden Verfahren gegen den BF wegen dem Verdacht des Betruges gemäß § 146 StGB ergeben sich aus der Anzeige der PI Simmering.
Den Daten des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister kann schließlich entnommen werden, dass der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Z. 3 FPG 2005 geduldet war. Hinweise darauf, dass sein weiterer Aufenthalt zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig wäre oder der Beschwerdeführer im Bundesgebiet Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO wurde, kamen im Verfahren nicht hervor und es wurde auch kein dahingehendes Vorbringen erstattet, sodass keine dahingehenden positiven Feststellungen getroffen werden können.
II.2.4. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.
Die BF traten auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen.
II.2.5. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her in sich schlüssig und stimmig ist.
II.2.6. Zum Erstverfahren und dem nunmehrigen Fluchtvorbringen:
Vom BF wurde seinerzeit ausgeführt „Ich war in Armenien gut situiert und hatte ein Juweliergeschäft. Ich wurde am 22.02.2007 Mitglied der armenischen „Aratschatimagan Partei“, für die am 12.05.2007 angesetzten Parlamentswahlen wurde auch ich eingesetzt für die Partei Stimmen zu sammeln. Unsere Partei wollte die Darlehen von Geschäften zurückbezahlen und so die Stimmen dieser Personen gewinnen. Ich bezahlte im Auftrag der Partei, jeweils über $ 2.580,- und $ 2.950,-. Es wurde zwar versprochen, dass ich diese ausgelegten Beträge wieder zurückbekomme, sie wurden mir aber nach den Wahlen nicht bezahlt. Diesbezüglich machte ich Anzeige sowohl bei der Polizei als auch bei der Staatsanwaltschaft. Dadurch bekam ich Probleme sowohl mit den Funktionären der Partei, als auch mit der Polizei. Im Juli 2007 durchsuchte die Polizei mein Geschäft. Mit dem Vorwand, gestohlene Ware (Juwelen) in meinem Geschäft gefunden zu haben, wurde ich zur Polizeizentrale mitgenommen und drei Tage dort festgehalten. Ich musste einen hohen Betrag ($ 5.000,-) bezahlen, damit ich wieder freigelassen werde. Ich und meine Familie wurden von den beiden (Partei und Polizei) mit dem Umbringen bedroht. Weil mein Leben in Armenien in Gefahr war, musste ich samt meiner Familie flüchten.“
Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.03.2008, Zl.: 770905200/3124545 (07 09.52-BAW), abgewiesen und der Status des Asylberechtigten und der Status des Subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen.
Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes brachte der BF fristgerecht eine Beschwerde ein.
Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.03.2011, Zl.: E10 318854-1/2008/19E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs am 04.04.2011 in Rechtskraft II. Instanz. Vom Asylgerichtshof wurde unter anderem ausgeführt, dass sich das Vorbringen des BF als nicht glaubhaft erweist, da sich darin eine Reihe von Ungereimtheiten und Widersprüchen befinden. Nicht nachvollziehbar wird etwa das Vorbringen des BF, wenn er behauptet ,,seine Partei" hätte 48%o der Stimmen erhalten bzw. in der Beschwerdeschrift korrigierend, er hätte in seiner Region 48%o der Stimmen gesammelt nicht nachvollziehbar, zumal sich aus der Berichtslage ergibt, dass die Progressive Partei bei den Wahlen gar nicht antrat und zu Gunsten der Republikanischen Partei verzichtet. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wie eine Partei bzw. ein Kandidat einer, die gar nicht zur Wahl antrat, hätte Wählerstimmen bekommen sollen. Zur behaupteten geschäftlichen Aktivität des BF ist anzuführen, dass hier einerseits das Rechercheergebnis des Sachverständigen ergab, dass diese nicht verifiziert werden konnte. Auch sprechen die Angaben des BF dagegen, da er nicht in der Lage war, in der Beschwerdeverhandlung genaue Angaben zu seiner Gewinnkalkulation oder zu den von zu leistenden Steuern und Abgaben machen konnte. Gerade über diese grundlegendsten Dinge müsste ein Geschäftsmann, welche über langjährige Erfahrung verfügt, zumindest dem Grunde nach Angaben machen können. Zu den Modalitäten unter denen BF der Partei Geld geborgt hätte, weist das Vorbringen ebenfalls Ungereimtheiten auf. Spricht der BF bei den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes von einem Betrag von ca. US$ 5.630, -- (2.580 + 2.950), was er in gerundeter Form beim Bundesasylamt wiedergibt, spricht er in der Beschwerdeverhandlung bereits von US$ 7.000, -- - 8.000, --. Abgesehen davon, dass die Angaben des BF zum Betrag immer ungenauer werden, weichen die Angaben zwischen jenen vor dem Bundesasylamt und dem erkennenden Gericht dermaßen weit voneinander ab, dass nicht mehr von einer Schätzungs- oder Rundungsungenauigkeit gesprochen werden. Viel mehr liegt ein echter Widerspruch vor. Zur Frage der Rolle jener Person, welche in der Beschwerdeverhandlung als Assistentin des Parteivorsitzenden bezeichnet wurde sind die Angaben des BF ebenfalls widersprüchlich. Abgerundet werden die oa. Ausführungen durch das Rechercheergebnis des Sachverständigen, aus welchem sich ergab, dass am beschriebenen Geschäftsort eine andere, von BF verschiedene Person geschäftlich tätig ist -welche BF unbekannt ist, da er deren Namen nicht kannte- und auch damals war und die Festnahme des BF nicht verifiziert werden konnte. Wenn BF einwendet, man hätte die Festnahme gar nicht wahrnehmen können, weil er von Polizisten in zivil festgenommen wurde, dann widerspricht dies seinen Angaben beim Bundesasylamt, wo er ausdrücklich angab, zwei Polizisten wären in zivil und zwei in Uniform gewesen. Der BF konnte auch nicht schlüssig erklären, warum ihn Umkreis des Geschäfts niemand kennt. Aufgrund der oa. Ausführungen ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Ausreisegründen bzw. zu bestehenden Rückkehrhindernissen als unglaubwürdig darstellt und daher den weiteren Erwägungen nicht zu Grunde gelegt werden kann.
Der rechtskräftig bestehenden Ausreiseverpflichtung kam der BF jedoch beharrlich nicht nach und erhielt er in weiterer Folge unverständlicherweise von der MA35 am 25.05.2012 erstmals den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ erteilt, welcher laufend verlängert wurde, zuletzt am 06.11.2018. Im Rahmen der letzten Verlängerung trat der BF dann erstmals als XXXX in Erscheinung. Er wies sich dabei mit seinem armenischen Reisepass aus. Bis zu diesem Zeitpunkt verschwieg er seine wahre Identität und trat mit dem Namen XXXX in Erscheinung.
II.2.7. Den Folgeantrag begründete der BF in der Erstbefragung damit, dass er mit seiner Frau große Probleme hätte und ihm seine Rot-Weiß-Rot-Karte nicht verlängert wurde. Er lebe seit Jahren auf der Straße und möchte in Österreich bleiben. Hinsichtlich Rückkehrbefürchtungen führte er aus, dass sein Problem in Armenien noch immer besteht und er fürchte, dass er aufgrund seiner politischen Ansichten umgebracht werde. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA teilte er dann mit, dass er im ersten Verfahren bereits alle Fluchtgründe bekannt gab und diese nach wie vor aufrecht sind. Wortwörtlich gab er an „Meine alten Fluchtgründe sind noch aufrecht. Das Problem, das ich damals in Armenien hatte, besteht noch immer. Ich wollte eigentlich gar keinen Asylantrag stellen. Ich ging zur Polizei in St. Pölten und wollte meine Papiere in Ordnung bringen, damit ich wieder arbeiten kann. Ich wusste keinen anderen Ausweg. Ein Bekannter riet mir, dass ich nochmals Asyl beantragen soll, damit meine Rot-Weiß-Rot-Card wiedererhalte“.
Zum Gesundheitszustand befragt, gab er bekannt, dass er Beschwerden mit der Hüfte habe, es wären Schmerzen auf der rechten Seite vom Rücken bis in den Fuß. Nachgefragt teilte er mit, dass er Injektionen erhalten hätte, diese hätten aber nichts geholfen. Nach einem MRT hätte er erfahren, dass er operiert werden müsste, was er nicht möchte. Daher würde er eine Physiotherapie in Baden absolvieren. Gegen die Schmerzen nehme er handelsübliche Schmerztabletten. Diesbezügliche Befunde habe er zuhause, er werde diese übermitteln. Bis dato hat der BF keine Befunde übermittelt. Lediglich das Ergebnis der MRT Untersuchung der Lendenwirbelsäule vom 17.07.2024 und einen Therapieplan Badener Bäderbetriebsgesellschaft m.b.H.
Zu seiner Person befragt teilte er mit, dass er XXXX heiße und am XXXX in Jerewan geboren wurde. Wahrheitswidrig gab er bekannt, dass er bezüglich Identitätsdokumenten nur einen österreichischen Führerschein habe, einen Reisepass besitze er nicht. Der alte Reisepass sei abgelaufen, er habe keinen neuen Reisepass. Diesen habe er nicht beantragt, da er in Armenien Probleme und auch Angst habe, dass er mir hier abgenommen wird. Zu einem späteren Zeitpunkt in der Einvernahme wurde ihm vorgehalten, dass er seinen Reisepass zur Anmeldung bei der Meldebehörde verwendete. Dazu gab er bekannt, dass er nicht wisse, wann sein Reisepass abgelaufen wäre. Er habe aber keinen neuen Pass beantragt, er habe keinen Pass, wie er abermals nicht der Wahrheit entsprechend bekannt gab. Darum wurde ihm weiter vorgehalten, dass er über einen Reisepass mit der Nummer BA2081198, am 02.10.2015 ausgestellt, verfügt. Dazu teilte er mit, dass es sich um ein Missverständnis handle. Er verstehe nicht, warum er einen Reisepass habe, vielleicht sei dieser bei seiner Gattin. Er habe jedenfalls keine Ahnung.
Der BF wurde in weiterer Folge dazu befragt, warum jahrelang unter der falschen Identität mit dem Namen XXXX lebte und erst seit kürzerer Zeit mit seiner wahren Identität XXXX auftritt. Er versuchte dies – erfolglos – damit zu erklären, dass sein Name 1998 im Führerschein auf Russisch eingetragen wurde.
Weiters teilte er mit, dass sich in Österreich seine Frau und seine Kinder befinden. Die Kinder leben bei der Gattin in Wien. Die Ehe wurde nicht geschieden, er lebe aber schon jahrelang getrennt von der Gattin. Es gebe Kontakt zu den Kindern.
Zu seinen Gründen für die Antragstellung befragt, darf der entsprechende Teil der niederschriftlichen Einvernahme zitiert werden:
LA: Haben Sie in Ihrem Vorverfahren alle Ihre Fluchtgründe angegeben?
VP: Ja.
LA: Sind Ihre Fluchtgründe aus dem Vorverfahren noch aufrecht?
VP: Ja.
LA: Sie haben bereits am 01.10.2007, unter der Zahl 770905200/3124545 (AIS: 07.09.052-BAW), einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig am 04.04.2011 in II. Instanz abgewiesen wurde. Warum stellen Sie neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz?
VP: Meine alten Fluchtgründe sind noch aufrecht. Das Problem, das ich damals in Armenien hatte, besteht noch immer. Ich wollte eigentlich gar keinen Asylantrag stellen. Ich ging zur Polizei in St. Pölten und wollte meine Papiere in Ordnung bringen, damit ich wieder arbeiten kann. Ich wusste keinen anderen Ausweg. Ein Bekannter riet mir, dass ich nochmals Asyl beantragen soll, damit meine Rot-Weiß-Rot-Card wiedererhalte. Ich hatte vor einiger Zeit hier in Österreich auch Probleme mit meiner Frau und daher habe ich mich damals nicht mehr um die Verlängerung meiner Rot-Weiß-Rot-Card gekümmert.
LA: Sind das alle Ihre Gründe, warum Sie jetzt einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellen?
VP: Ja.
LA: Haben Sie sonstige neue Gründe?
VP: Nein.
LA: Über diesen Fluchtgrund wurde aber rechtskräftig in II. Instanz entschieden. Was sagen Sie dazu?
VP: Ich möchte aber trotzdem in Österreich bleiben und hier arbeiten und daher habe ich einen neuen Antrag gestellt.
Das Bundesamt gelangte vor diesem Hintergrund richtigerweise zu dem Ergebnis, dass sich weder bezüglich individueller Verfolgungsgründe noch hinsichtlich der Lage im Herkunftsstaat ein neuer objektiver Sachverhalt ergeben habe und somit kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt vorliege. Daher sei der nunmehr vorgebrachte Sachverhalt auch von der Rechtskraft des Vorverfahrens umfasst, es handle sich um eine Entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG.
Auch in der mündlichen Verhandlung konnte vom Bundesverwaltungsgericht nichts Gegenteiliges festgestellt werden. Zum Reisepass befragt, teilte er zusammengefasst mit, dass er vergessen habe einen solchen zu haben. Nachdem er an die Wahrheits- und Mitwirkungspflicht erinnert wurde, führte er aus, dass er den Reisepass bei der armenischen Botschaft in Wien beantragte. An ein Datum könne er sich nicht erinnern, es kann sein, dass es im Jahr 2010 gewesen sei, er hätte ihn dann für fünf Jahre verlängern lassen.
Zur jahrelangen Täuschung über seine Identität befragt, bzw. wie er die Namensänderung bewirkte, führte er aus, dass dies davonkomme, dass er im Jahr 2008 einen Führerschein bekommen habe und sein Name auf Russisch geschrieben war. Dieser hätte dann eben XXXX gelautet. Nachgefragt teilte er mit, dass er beim letzten Antrag am 06.11.2018 auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels den neuen armenischen Reisepass vorlegte, der mit seiner wahren Identität ausgestellt wurde. Dazu muss selbstverständlich festgehalten werden, dass der BF von 2007 bis 2018, sohin elf Jahre mit falscher Identität im Bundesgebiet lebte und er offensichtlich bewusst nicht gewillt, dies richtig zu stellen.
Dazu befragt, warum seine Rot-Weiß-Rot-Karte Plus nicht verlängert wurde, gab er an, dass er sich ungefähr 2021 von seiner Gattin und seinen Kindern trennte. Nach Wiederholung der Frage teilte er mit, dass er einen Antrag auf Verlängerung gestellt und auch die Gebühr bezahlt, die Karte jedoch nicht abgeholt hätte. Er wisse aber nicht mehr, warum er die Karte nicht geholt hat. Er hätte Probleme mit seiner Frau gehabt. Deswegen wurde er aufgefordert, die Probleme zu schildern. Dazu teilte er allgemein mit, dass es mehrere gute Jahre gab, er möchte über die Probleme aber nicht reden. Abermals wurde der BF an die Wahrheits- und Mitwirkungspflicht erinnert. Daraufhin führte er aus, dass seine Frau Sachen gemacht hätte, die ihm nicht gefielen, weswegen er ausgezogen sei. Es wären persönliche Gründe, deswegen sage er nichts mehr dazu. Getrennt hat sich der BF jedoch schon 2018 von seiner Gattin, wie eine Nachschau im ZMR am 03.10.2024 ergab.
Zu seinen Kindern befragt, teilte er mit, dass diese 16 und 24 Jahre alt sind und bei der Mutter leben. Mit seinen Kindern hätte er wöchentlich Kontakt. Es bestehe aber kein Abhängigkeitsverhältnis, wie er weiter ausführte. Der BF leistet auch keine Unterhaltszahlungen für den 16-jährigen Sohn. Zudem wusste er zwar, dass der ältere Sohn bei einer Hofer Filiale tätig sei, dessen ungeachtet kenne er jedoch weder die genaue Lage der Filiale, noch wieviel sein Sohn verdient. Auch lebt der ältere Sohn seit über zweieinhalb Jahren nicht mehr bei der Mutter, sondern führt einen eigenen Haushalt, was dem BF offenbar nicht bekannt ist.
Zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes befragt, gab er lachend bekannt, dass er kostenlos eine Physiotherapie und Massagen erhalte. Die Medikamente sind ebenfalls kostenlos. Nachgefragt teilte er mit, dass das Land seine Miete und Betriebskosten zahle und es auch Österreicher gebe, die ihn zwingen würden, Geld anzunehmen. Er bekäme € 40 Taschengeld, sein Sohn hätte ihm auch € 2.000,- gebracht, diese hätte er aber nicht angenommen.
Zum Grund für das Verlassen des Heimatlandes befragt, teilte er trivial mit, dass er dort Probleme hatte. Nachgefragt führte er aus, dass die Probleme zwei oder drei Monate vor der Ausreise angefangen hätten. Er wäre betrogen worden und auch sein Geld wäre ihm weggenommen worden.
Der BF wurde in weiterer Folge explizit dazu befragt, ob sich Sachverhaltsänderungen im Vergleich zur erstmaligen Asylantragsstellung ergeben haben und wenn ja, welche. Dazu teilte er mit „Der Grund ist der gleiche, wie vor 13 Jahren. lch kann aus diesem Grund nicht nach Armenien und ich habe nach wie vor Angst nach Armenien zu kommen. Dieser Mann ist noch mächtiger geworden. Nachgefragt gebe ich an, dass sich keine Änderungen ergeben haben“.
Dem BF wurde mitgeteilt, dass sein Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ entschieden wurde und er nunmehr bekannt gibt, dass sich keinerlei Änderungen ergeben haben bzw. die alten Fluchtgründe noch aufrecht sind. Deshalb wurde er gefragt, weshalb er glaube, dass das ho. Gericht zu einem anderen Ergebnis als die belangte Behörde gelangen könnte? Der BF beantwortete die Frage mit „lch verstehe das, ich wollte kein Asyl beantragen, sondern ich will nur einen Aufenthaltstitel, damit ich in Österreich einer Arbeit nachgehen kann“.
Folgerichtig kann nur festgehalten werden, dass dem BF im Herkunftsstaat keine Verfolgung im Sinne der GFK droht. Weiters kann keine entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung festgestellt werden und deckt sich das Vorbringen des BF in vollem Umfang mit den früheren Ausführungen. Der gegenständliche Antrag wurde lediglich gestellt, weil ein Bekannter ihm dazu riet und der BF im Bundesgebiet verbleiben möchte.
II.2.8. Sofern in der Beschwerde seitens des BF moniert wird, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde mangelhaft sei, wird festgestellt, dass nach Ansicht des ho. Gerichts die belangte Behörde ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat. Dem BF ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung der belangten Behörde dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufgekommen wären. Von den BF wurde es unterlassen, durch klare, konkrete und substantiierte Ausführungen darzulegen, warum sie vom Vorliegen einer mangelhaften Ermittlungstätigkeit durch die belangte Behörde ausgeht. Da somit weder aus dem amtswegigen Ermittlungsergebnis im Beschwerdeverfahren noch aus den Ausführungen des BF ein substantiierter Hinweis auf einen derartigen Mangel vorliegt, kann ein solcher nicht festgestellt werden.
II.2.9. Zu dem bekannt gegebenen Leiden des BF bleibt festzuhalten, dass der BF Beschwerden mit der Hüfte habe, es wären Schmerzen auf der rechten Seite vom Rücken bis in den Fuß. Nachgefragt teilte er mit, dass er Injektionen erhalten hätte, diese hätten aber nichts geholfen. Nach einem MRT hätte er erfahren, dass er operiert werden müsste, was er nicht möchte. Daher würde er eine Physiotherapie in Baden absolvieren. Gegen die Schmerzen nehme er handelsübliche Schmerztabletten. Diesbezügliche Befunde habe er zuhause, er werde diese übermitteln. Bis dato hat der BF keine Befunde übermittelt. Lediglich das Ergebnis der MRT Untersuchung der Lendenwirbelsäule vom 17.07.2024 und einen Therapieplan Badener Bäderbetriebsgesellschaft m.b.H.
Es handelt sich dabei um keine lebensbedrohliche Erkrankung und muss weiters festgehalten werden, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind.
Auch ist dem Länderinformationsblatt zu entnehmen Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Das Gesundheitssystem besteht aus einer staatlich garantierten und kostenlosen Absicherung sowie einer individuellen und freiwilligen Krankenversicherung. Jeder Mensch in der Republik Armenien hat Anspruch auf medizinische Hilfe und Dienstleistungen, unabhängig von Nationalität, Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Alter, politischen und sonstigen Überzeugungen, sozialer Herkunft, Eigentum oder sonstigem Status (IOM 2020). Die primäre medizinische Versorgung ist grundsätzlich kostenfrei.
II.2.10. Der BF ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes in der Lage, sein Auskommen im Herkunftsstaat zu bestreiten, so wie er das bereits vor der Ausreise tat. Dass die Wirtschaftslage in Armenien derzeit unzureichend sein mag, stellt aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes in Anbetracht des persönlichen Profils der BF keine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK dar. Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet auch nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH 17.09.2019, Ra 2019/14/0160).
Die Sicherheitslage in Armenien kann, von der Problemzone Nagorny-Karabach abgesehen, als unbedenklich bezeichnet werden. Zudem ist die Republik Armenien sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG und der Herkunftsstaaten-Verordnung.
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kann in Anbetracht der Feststellungen zur Sicherheitslage in Armenien nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz der BF dort davon ausgegangen werden muss, dass sie wahrscheinlich Opfer eines terroristischen Anschlages, krimineller Aktivtäten oder sonstiger Gewalt, wie etwa einem Ehrenmord oder Blutrache, würde.
II.2.11. Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf den BF, welche zu einer im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung stark erhöhte Gefährdung durch terroristische Aktivitäten oder kriminelle Aktivtäten hindeuten würden, kamen im Verfahren nicht hervor. Eine dahingehende darstellbare Gefährdung im Rückkehrfall kann sohin ausgeschlossen werden.
Der BF ist bis auf die angeführten Leiden arbeitsfähig und kann so auch für seinen Unterhalt aufkommen. Auch gab er in der mündlichen Verhandlung bekannt, arbeitswillig zu sein. In XXXX leben noch die Mutter und eine Schwester, sowie weitere Verwandte. Insgesamt verfügt der BF über ca. 50 Verwandte in Armenien. Die Mutter bezieht eine Pension, die Schwester ist Zahnärztin. Mit der Mutter hat der BF dreimal in der Woche telefonischen Kontakt. Zudem steht der armenische Migrationsdienst den Rückkehrern mit vorübergehender Unterkunft und Beratung zur Seite. Der BF hat Zugang zu allen Berufsgruppen und wird in Armenien in die Gesellschaft integriert. Die Chancen eine Arbeit zu finden, sind als überdurchschnittlich gut zu bezeichnen. Dem BF ist somit die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit möglich und zumutbar. Zudem ist es dem BF zumutbar, das – wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige – Sozialsystem (vgl. Länderinformationen) des armenischen Staates oder karitativer Einrichtungen in Anspruch zu nehmen.
II.2.12. Die Außerlandesschaffung von Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn die Betroffenen dort keine Lebensgrundlage vorfinden, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 MRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (VwGH 21.02.2017, Ro 2016/18/0005).
In Ansehung der BF und den bereits getätigten Ausführungen sind folgende Erwägungen zu im Rückkehrfall zu erwartenden sozioökonomischen Lage maßgeblich:
Die sozioökonomische Lage in Armenien spricht gegen exzeptionelle Umstände. Den eingesehenen Länderberichten lässt sich nicht entnehmen, dass diese von Massenarbeitslosigkeit, Not oder Elend in großem Ausmaß geprägt wäre. Im gegeben Kontext ist von Bedeutung, dass nach der Rechtsprechung das Vorliegen exzeptioneller Umstände detailliert und konkret darzulegen ist, umso mehr als in Armenien Familien leben, was dafür spricht, dass zumindest im Regelfall sehr wohl eine Lebensgrundlage im Herkunftsstaat besteht. Eine glaubhafte Darstellung exzeptioneller Umstände im Sinn der eingangs zitieren Rechtsprechung erfolgte im Verfahren nicht.
Aufgrund der oben dargelegten Erwägungen zur sozioökonomischen Lage kann schließlich nicht die reale Gefahr erkannt werden, dass der BF im Rückkehrfall von einer unzureichenden Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder von Unterernährung betroffen wäre. Hinweise auf Versorgungsengpässe bzw. Engpässe bei der Versorgung mit Gütern, liegen ausweislich der Feststellungen nicht vor.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht, Sicherer Herkunftsstaat
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Dass Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idgF geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Zu A)
II.3.2. Zu Spruchpunkt I: Abweisung der Beschwerde gem. § 68 AVG
II.3.2.1 Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).
„Entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235).
Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266). Selbiges gilt, wenn sich das neue Parteibegehren mit dem früheren deckt (etwa das Begehren der Gewährung von internationalem Schutz), die Partei dieses Begehren bei gleich gebliebener Sach- und Rechtslage jedoch anders begründet (vgl. ho. Erk. v. 6.10.2011, Zl. E10 417.640-2/2011/3E, E10 417.639-2/2011/3E, Zl. E10 417.641-2/2011/3E).
Ob der nunmehr vorgetragene Sachverhalt, der sich vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag zugetragen haben soll, im Erstverfahren auch vorgetragen wurde oder nicht, ist im Folgeverfahren bei der Prüfung der Rechtskraft ohne belange. Auch ein Sachverhalt, der nicht vorgetragen wurde, ist von der Rechtskraftwirkung des Vorbescheides mitumfasst (vgl. auch Erk. d. VwGH vom 17.9.2008, 2008/23/0684, ho. Erk. vom 17.4.2009, GZ. E10 316.192-2/2009-8E).
„Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder – falls entschiedene Sache vorliegt – das Rechtsmittel abzuweisen oder – falls dies nicht zutrifft – den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).
Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein „Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.3.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321).
Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat (bzw. welche als allgemein bekannt anzusehen sind, vgl. z.B. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321); in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.05.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235), wobei für die Prüfung der Zulässigkeit des Zweitantrages von der Rechtsanschauung auszugehen ist, auf die sich die rechtskräftige Erledigung des Erstantrages gründete (VwGH 16.7.2003, 2000/01/0237, mwN).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (Hinweis EB E 26.4.1995, 92/07/0197, VwSlg 14248 A/1995); die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss. Erk. d. VwGH v.26.2.2004, 2004/07/0014; 12.12.2002, 2002/07/0016; 15.10.1999; 9621/9997).
Identität der Sache iSd. § 68 Abs. 1 AVG liegt selbst dann vor, wenn die Behörde in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren etwa eine Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hätte (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 08.04.1992, Zl. 88/12/0169, ebenso Erk. d. VwGH v. 15.11.2000, 2000/01/0184).
Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat – von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen – im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (VwGH 24.6.2014, Ra 2014/19/0018). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht somit nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0198).
Ein Folgeantrag ist wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn der Asylwerber an seinem (rechtskräftig) nicht geglaubten Fluchtvorbringen unverändert festhält und sich auch in der notorischen Lage im Herkunftsstaat keine – für den internationalen Schutz relevante – Änderung ergeben hat. Werden aber beispielsweise neue (für den internationalen Schutz relevante) Geschehnisse geltend gemacht, die sich nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens ereignet haben sollen, ist es nicht rechtens, die Prüfung dieses geänderten Vorbringens bloß unter Hinweis darauf abzulehnen, dass es auf dem nicht geglaubten Fluchtvorbringen des ersten Asylverfahrens fuße. Das neue Vorbringen muss vielmehr daraufhin geprüft werden, ob es einen „glaubhaften Kern“ aufweist. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubhaftigkeit (VwGH 31.08.2020, Ra 2020/18/0102).
Eine Begründung, mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens seien im Sinn des Art. 40 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) keine „neuen Elemente oder Erkenntnisse“ zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden, ermöglicht auch nach der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zurückweisung des Folgeantrages wegen entschiedener Sache (VwGH 27.01.2022, Ra 2021/01/0417). Das gilt auch dann, wenn zwar neue Elemente oder Erkenntnisse vorliegen, die Änderungen aber lediglich Umstände betreffen, die von vornherein zu keiner anderen Entscheidung in Bezug auf die Frage der Zuerkennung eines Schutzstatus führen können. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat nämlich in diesen Konstellationen keine Änderung erfahren (VwGH 19.10.2021, Ro 2019/14/0006).
II.3.2.2. Entschiedene Sache in Bezug auf den asylrelevanten Sachverhalt
Das Verfahren hinsichtlich des ersten Antrages des BF wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.03.2008, Zl.: 770905200/3124545 (07 09.52-BAW), abgewiesen und der Status des Asylberechtigten und der Status des Subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG wurden eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet erlassen. Das Vorbringen der BF wurde als nicht asylrelevant bzw. als unglaubwürdig beurteilt. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.03.2011, Zl.: E10 318854-1/2008/19E, als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs am 04.04.2011 in Rechtskraft II. Instanz.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Würdigung des Bundesamtes im gegenständlichen Verfahren an, dass der BF nunmehr keinen Sachverhalt vorgebracht hat, welcher die Führung eines neuerlichen inhaltlichen Asylverfahrens erforderlich machen würde. So teilte auch der BF vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung mit, dass er eigentlich gar keinen Asylantrag stellen wollte. Ein Bekannter riet ihm, dass er nochmals Asyl beantragen soll, damit er seine Rot-Weiß-Rot-Card wiedererhält. Es gebe jedenfalls keine neuen Gründe, es hätte sich zu seinem Vorbringen im ersten Verfahren keine Änderung ergeben.
Der Akteninhalt bzw. die Protokolle der Einvernahmen zeigen, dass die belangte Behörde bemüht war, den Sachverhalt zu ermitteln und die wesentlichen Elemente zu erfragen.
Im Detail darf darauf hingewiesen werden, dass die belangte Behörde hinsichtlich der Begründung des Bescheides, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat. Der festgestellte Sachverhalt, dessen Beweiswürdigung und rechtliche Subsumtion finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid.
Von einer relevanten, wesentlichen Änderung des Sachverhaltes seit der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Asylantrag kann daher diesbezüglich nicht gesprochen werden. Wie auch bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, brachte der BF in Bezug auf sein Vorbringen im Vorverfahren keine neuen Elemente oder Erkenntnisse vor.
Es liegt damit schlussendlich entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG vor, da sich gegenüber der Entscheidung im Vorverfahren weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben.
Der Antrag des BF auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten war deswegen wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.
II.3.3. Entschiedene Sache in Bezug auf den zur Prüfung der Voraussetzung der Zuerkennung des Statuts des subsidiär Schutzberechtigten relevanten Sachverhalts
„§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 … zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.…“
Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.
Art. 2 EMRK lautet:
„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.
(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;
b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;
c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken.“
Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.
Art. 3 EMRK lautet: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.
Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des BF zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein „ausreichend reales Risiko“ für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes („high threshold“) dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex „Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in „Dublin-Verfahren““, derselbe in Migralex: „Abschiebeschutz von Traumatisieren“; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gem. der Judikatur des EGMR muss der BF die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
II.3.3.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Da sich der Herkunftsstaat der BF nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.
Weitere, in der Person der BF begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird weiters festgestellt, dass dieser im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Beim BF handelt es sich um eine arbeitsfähige Person. Einerseits stammt der BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört der BF keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.
Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden. Zudem verfügt der BF in Armenien noch über eine große Anzahl an Verwandten.
II.3.3.3. In der Beschwerde wurde von den BF kein substantiiertes bzw. glaubhaftes Vorbringen zu einer etwaig geänderten Lage im Herkunftsstaat erstattet. Weder aus dem Vorbringen der BF, noch aus dem sonstigen Ermittlungsergebnis ergaben sich Hinweise, dass sich neue subsidiäre Schutzgründe ergeben hätten.
Von Amts wegen sind seit dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens keine Änderungen der allgemeinen Situation in Armenien notorisch, welche die Annahme einer allgemeinen extremen Gefährdungslage gerechtfertigt erscheinen lassen würden.
Da sohin auch keine Anhaltspunkte für eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf allgemein bekannte Tatsachen, die vom Bundesamt von Amts wegen zu berücksichtigen wären, vorliegen, da sich die allgemeine Situation in Armenien in der Zeit, bis der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde, und sich auch die Rechtslage in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, ist das Bundesamt im Ergebnis daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.
II.3.3.4. Zu den bekannt gegebenen Leiden des BF bleibt festzuhalten, dass dieser über Beschwerden mit der Hüfte klage, es wären Schmerzen auf der rechten Seite vom Rücken bis in den Fuß. Einer Operation hätte er nicht zugestimmt, weswegen er Injektionen erhielt. Weiters absolvierte er eine Physiotherapie. Gegen die Schmerzen nehme er handelsübliche Schmerztabletten. Diesbezügliche Befunde wurden bis dato nicht übermittelt, lediglich das Ergebnis einer MRT Untersuchung vom 17.07.2024 und ein Therapieplan der Badener Bäderbetriebsgesellschaft m.b.H.
Dazu bleibt in aller Deutlichkeit festzuhalten, dass es sich dabei um keine lebensbedrohliche Krankheit handelt. Zum anderen muss festgehalten werden, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind.
Auch ist dem Länderinformationsblatt zu entnehmen Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Das Gesundheitssystem besteht aus einer staatlich garantierten und kostenlosen Absicherung sowie einer individuellen und freiwilligen Krankenversicherung. Jeder Mensch in der Republik Armenien hat Anspruch auf medizinische Hilfe und Dienstleistungen, unabhängig von Nationalität, Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Alter, politischen und sonstigen Überzeugungen, sozialer Herkunft, Eigentum oder sonstigem Status (IOM 2020). Die primäre medizinische Versorgung ist grundsätzlich kostenfrei.
Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. die Beschlüsse des VwGH vom 21. Februar 2017, Ro 2016/18/0005 und Ra 2017/18/0008 bis 0009, unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien; auch Beschluss des VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038; siehe auch Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“]; Erk. d. VfGH 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9).
Bloß spekulative Überlegungen über einen fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung sind ebenso unbeachtlich wie eine bloße Minderung der Lebensqualität (Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05).
Gerade im Fall des BF liegen jedoch keine außergewöhnlichen Umstände vor, welche im Zusammenhang mit einer Abschiebung eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten.
Im gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass der BF vom Zugang zu medizinischer Versorgung in Armenien ausgeschlossen wäre und bestehen auch keine Hinweise, dass die seitens des BF bestehenden Leiden nicht behandelbar wären. Auch faktische Hindernisse, welche das Fehlen eines Zugangs zur medizinischen Versorgung aus in der Person des BF gelegenen Umständen belegen würden, kamen nicht hervor.
Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso
Der Antrag des BF auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war folglich wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.
II.3.4 Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung
II.3.4.1. Gesetzliche Grundlagen:
§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.“
§ 57 AsylG 2005, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:
§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.“
§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
§ 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln:
§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.
(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.“
(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.
§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:
„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,
2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I. Nr. 68/2017 aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt – EU” verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.
(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.
(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“
§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise
§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.
Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“
II.3.4.2. Der gegenständlich in Österreich gestellten Antrag auf internationalen Schutz war abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet mehr vor und fällt der BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.
Es liegen keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
II.3.4.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
II.3.4.4. Der BF hält sich seit 2007 in Österreich auf. Er hat im Bundesgebiet außer seiner getrennten Gattin und seinen beiden Söhnen (16 und 24 Jahre alt), keine Verwandten. Der BF lebt schon seit 2018 nicht mehr mit den Kindern im gemeinsamen Haushalt, er kommt mangels Beschäftigung nicht für den Unterhalt seines 16-jährigen Sohnes auf und konnte intensive Kontakte zu den beiden Söhnen nicht nachweisen. Der BF ist nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Grundversorgung. Der BF besuchte Deutschkurse und spricht, der langen Aufenthaltsdauer geschuldet, auch deutsch. Er ist in keinen Vereinen und Organisationen tätig und leistet keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Es wurden keine Arbeitsvorverträge, Unterstützungs- oder Patenschaftserklärungen in Vorlage gebracht. Obwohl er seit bald 25 Jahren in Österreich aufhältig ist, war er lediglich bis dato knapp vier Jahre legal berufstätig. Auch war er jahrelang obdachlos bzw. gar nicht im Bundesgebiet gemeldet. Zu österreichischen Freunden befragt, teilte er zwei männliche Vornamen mit.
Aufgrund der langen Aufenthaltsdauer besteht jedenfalls ein schützenswertes Privat- und Familienleben. Die Rückkehrentscheidung stellt sohin einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben dar.
II.3.4.5. Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens des BF im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der geltenden Judikatur Folgendes:
- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Die BF hält sich seit 2007 im Bundesgebiet auf. Sein erster Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.03.2008, Zl.: 770905200/3124545 (07 09.52-BAW), abgewiesen, eine Beschwerde dagegen mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.03.2011, Zl.: E10 318854-1/2008/19E, als unbegründet abgewiesen.
Aus nicht nachvollziehbaren Gründen wurde ihm am 25.05.2012 von der Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien (MA35) erstmals der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ erteilt, welcher laufend verlängert wurde, zuletzt am 06.11.2018. Am 08.11.2021 beantragte der BF den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“. Dieser Antrag wurde von der MA35 am 29.12.2022 abgewiesen, weswegen er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte, um im Bundesgebiet verbleiben zu können.
Der BF konnte sohin seinen aktuellen Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages bzw. Folgeantrages vorübergehend legalisieren. Hätte er diesen unbegründeten Asylantrag (Folgeantrag) nicht gestellt, wäre er rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und er sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würde.
- das tatsächliche Bestehen eines Privatlebens:
Der BF verfügt über die festgestellten privaten Anknüpfungspunkte.
- die Schutzwürdigkeit des Privatlebens
Ausschließlich aufgrund des langjährigen Aufenthaltes in Österreich ist von der Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens auszugehen. Zudem verschwieg der BF im gegenständlichen Fall jahrelang bewusst seine wahre Identität und führte den Namen XXXX . Erst beim letzten Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels am 06.11.2018 trat er mit seinem richtigen Namen auf.
In Österreich sind lebt seine Gattin und die beiden gemeinsamen Kinder (geboren am 11.08.2001 und 18.09.2008). Der 16-jährige Sohn lebt bei der Gattin des BF in Wien, ihr kommt auch die Obsorge zu, der ältere Sohn lebt in einem eigenen Haushalt. Der BF ist nicht geschieden, lebt jedoch schon seit 2018 von seiner Frau getrennt. Er wohnt auch seit 27.09.2018 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit der Frau bzw. seinen Kindern.
Letztlich ist jedoch festzuhalten, dass der BF nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise allenfalls bestehende Bindungen zur Gänze abzubrechen. So stünde es ihm frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74 mwN).
- Grad der Integration
Der BF hat im Bundesgebiet außer seiner getrennten Gattin und seinen beiden Söhnen (16 und 24 Jahre alt), keine Verwandten. Der BF lebt schon jahrelang nicht mehr mit den Kindern im gemeinsamen Haushalt, er kommt mangels Beschäftigung nicht für den Unterhalt seines 16-jährigen Sohnes auf und konnte intensive Kontakte zu den beiden Söhnen nicht nachweisen. Der BF ist nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht Grundversorgung. Der BF besuchte Deutschkurse und spricht, der langen Aufenthaltsdauer geschuldet, auch deutsch. Er ist in keinen Vereinen und Organisationen tätig und leistet keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Es wurden keine Arbeitsvorverträge, Unterstützungs- oder Patenschaftserklärungen in Vorlage gebracht. Obwohl er seit bald 25 Jahren in Österreich aufhältig ist, war er lediglich bis dato knapp vier Jahre legal berufstätig. Auch war er jahrelang obdachlos bzw. gar nicht im Bundesgebiet gemeldet. Zu österreichischen Freunden befragt, teilte er zwei männliche Vornamen mit.
In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die –hier bei weitem nicht vorhandenen- Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).
Der VwGH hat zuletzt abermals ausgesprochen, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden nicht auf eine besonders berücksichtigungswürdige oder exzeptionelle Integration in Österreich bzw. besondere integrative Anstrengungen in sprachlicher, kultureller oder sonstiger Weise abzustellen ist. Durch die Bezugnahme auf eine derart ausgeprägte Integration habe das BVwG den fallgegenständlich anzuwendenden Prüfmaßstab verkannt. Das BVwG hätte bei seiner Interessenabwägung vielmehr überprüfen müssen, ob der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH vom 03.06.2022, Ra 2022/18/0053, mit Verweis auf VwGH vom 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, Rz 12 zu anerkannten diesbezüglichen Anhaltspunkten).
Eine soziale und berufliche Integration ist beim BF nicht ansatzweise ersichtlich.
- Bindungen zum Herkunftsstaat
Der BF verbrachte mehr als die Hälfte seines Lebens in Armenien, wurde dort sozialisiert, bekennt sich zum dortigen Glauben und spricht die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. In XXXX leben noch die Mutter und eine Schwester, sowie weitere Verwandte. Insgesamt verfügt der BF über ca. 50 Verwandte in Armenien. Die Mutter bezieht eine Pension, die Schwester ist Zahnärztin. Mit der Mutter hat der BF dreimal in der Woche telefonischen Kontakt. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es den BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.
- strafrechtliche Unbescholtenheit
Der BF ist bis dato strafrechtlich unbescholten.
Er wurde am 22.02.2024 von der PI Simmeringer Hauptstraße wegen dem Verdacht des Betruges nach § 146 StGB zur Anzeige gebracht. Laut Auskunft der PI Simmering vom 18.09.2024 wurde der BF erst vor kurzem dazu einvernommen. Das Verfahren ist noch im Gange, es wurde nicht eingestellt.
Diese Feststellung stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.
- die Frage, ob das Privatleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren
Dem BF musste bei der Antragstellung klar sein, dass sein Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung seines Folgeantrages nur ein vorübergehender ist.
Der Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG 2014 ("Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren") darf zwar nicht in unverhältnismäßiger Weise in den Vordergrund gestellt werden. Dieser Aspekt hat schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung führen kann. Das gilt insbesondere bei einem mehr als zehn Jahre dauernden Inlandsaufenthalt (vgl. VwGH vom 09.03.2023, Ra 2022/18/0294, mit Verweis auf VwGH vom 19.12.2019, Ra 2019/21/0282). Demnach kommt auch diesem Gesichtspunkt im gegenständlichen Fall keine maßgebliche Bedeutung mehr zu.
- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer
Ein derartiges Verschulden kann der Aktenlage nicht entnommen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass dem Art. 8 EMRK innewohnenden Recht auf das Privat- und Familienleben auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit abzuleiten ist (vgl. etwa Erk. d. VwGH vom 28.6.2016, Ra 2015/21/0199-8). Vor diesem Hintergrund ist die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Lichte des Art. 8 EMRK auch vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat, welche die bP im Falle einer Rückkehr vorfinden, zu prüfen, wobei bereits an dieser Stelle Art. 8 EMRK –anders als Art. 3 leg. cit.- einen Eingriffsvorbehalt kennt.
Im Rahmen der Beurteilung der allgemeinen Lage in der der Republik Armenien ist zu berücksichtigen, dass –wie bereits mehrfach erwähnt- gem. § 1 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, die Republik Armenien als sicherer Herkunftsstaat gilt und ergaben sich im gegenständlichen Fall keine Hinweise auf einen aus diesem Blickwinkel relevanten Sachverhalt.
Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).
Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine (damals) Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).
Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).
Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.
Gem. Art 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs. 2 leg. cit. genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich –abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für einen BF grundsätzlich nicht mehr möglich, den Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass der BF gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung ihres Aufenthaltes vom Inland aus offensteht, sodass sie mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Rückkehrentscheidung bedarf.
Bei rechtskräftigem Abschluss des Asyl- bzw. Folgeverfahrens ist der BF somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der (damals) Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.
Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.
Der Rechtsprechung des EGMR folgend (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisung- bzw. Rückkehrentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Praxis hinsichtlich Rückkehrentscheidungen der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art „Handreichung des Staates“ - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.
Wenn man – wie die Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt – dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.
Weiter wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:
Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.
Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.
Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.
II.3.4.6. Letztlich ist festzustellen, dass eine Gegenüberstellung der vom BF in seinem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führen würde.
Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der BF erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.
Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip [„no one can profit from his own wrongdoing“], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).
Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht ist nicht ansatzweise erkennbar. Obwohl sich der BF über 25 Jahre lang im Bundesgebiet aufhält, ging er erst knapp vier Jahre einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Der BF hat mehr als die Hälfte seines Lebens in Armenien verbracht und wurde dort sozialisiert. Es ist daher davon auszugehen, dass auf Grund dieser engen Beziehungen zum Herkunftsstaat im Vergleich mit dem bisherigen Leben in Österreich die Beziehungen zu Armenien eine – wenn überhaupt vorhandene – Integration in Österreich bei weitem überwiegen.
II.3.4.7. Bezüglich seinen beiden Söhne sind folgende Überlegungen maßgeblich: Nach ständiger Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entsteht ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt (EGMR 21.06.1988, Fall Berrehab, Appl. 10.730/84 [Z 21]; 26.05.1994, Fall Keegan, Appl. 16.969/90 [Z 44]); diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.02.1996, Fall Gül, Appl. 23.218/94 [Z 32]). Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es ein grundlegender Bestandteil des Familienlebens, dass sich Eltern und Kinder der Gesellschaft des jeweiligen anderen Teiles erfreuen können; die Familienbeziehung wird insbesondere nicht dadurch beendet, dass das Kind in staatliche Pflege genommen wird (vgl. VfSlg. 16.777/2003 mit Hinweis auf EGMR 25.02.1992, Fall Margareta und Roger Andersson, Appl. 12.963/87 [Z 72] mwN; zu den Voraussetzungen für ein (potentielles) Familienleben zwischen einem Kind und dessen Vater s. auch EGMR 15.09.2011, Fall Schneider, Appl. 17.080/07 [Z 81] mwN). Davon ausgehend kann eine unzureichende Berücksichtigung des Kindeswohles zur Fehlerhaftigkeit der Interessenabwägung und somit zu einer Verletzung des Art. 8 EMRK führen (vgl. VfGH 24.09.2018, E 1416/2018, mit Hinweis auf Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte).
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die konkreten Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung für ein Elternteil auf das Wohl eines Kindes zu ermitteln und bei der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 19.362/2011; VfGH 25.2.2013, U 2241/12; 9.6.2016, E 2617/2015; 19.6.2015, E 426/2015; 12.10.2016, E 1349/2016; 14.3.2018, E 3964/2017; 11.6.2018, E 343/2018, E 345/2018; 11.6.2018, E 435/2018).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Bindungen ("marriage-based relationships") beschränkt, sondern erfasst auch andere faktische Familienbindungen ("de facto family ties"), bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben (vgl. VwGH 28.06.2011, 2008/01/0527; 23.02.2011, 2011/23/0097; 08.09.2010, 2008/01/0551, mwH); zur Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben iSd Art. 8 EMRK begründet, stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ab, die sich in einer Reihe von Umständen - etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder - äußern können (vgl. VwGH 28.06.2011, 2008/01/0527 mit Hinweisen auf die diesbezügliche EGMR-Judikatur). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen, wie z.B. zwischen Eltern und erwachsenen Kindern, zwischen Geschwistern, zwischen Onkel/Tanten und Neffen/Nichten usw., fallen jedoch nur dann unter den Schutz des Art. 8 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. z.B. VwGH 02.08.2016; Ra 2016/20/0152).
Unter Zugrundelegung der Abwägungskriterien und der Ermittlungsergebnisse (einschließlich der Beschwerdeangaben) ergibt sich resümierend Folgendes: der BF wohnt seit 27.09.2018 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit der Frau bzw. seinen Kindern. Der ältere Sohn ist 24 Jahre alt, erwerbstätig und wohnt in einem eigenen Haushalt. Der jüngere Sohn ist 16 Jahre alt und wohnt bei seiner Mutter, welcher die Obsorge zukommt. Der BF kommt mangels legaler Beschäftigung seinen Unterhaltszahlungen nicht nach. Er gibt zwar bekannt, dass er wöchentlich Kontakt zu seinen Kindern hätte, dies wird vom Bundesverwaltungsgericht jedoch lediglich als Schutzbehauptung gewertet. So ist ihm zwar bekannt, dass sein älterer Sohn in einer HOFER Filiale beschäftigt ist, er wusste jedoch weder die Adresse dieser Filiale, noch wieviel er dort verdient. Zudem gab er vor der dem BFA bekannt, dass beide Söhne bei der Mutter leben würden. Dabei verkennt er vollkommen, dass der ältere Sohn seit über zweieinhalb Jahren einen eigenen Haushalt führt. Auch gab er nicht bekannt, welche Unternehmungen er mit seinem minderjährigen Sohn tätigt, er berichtete diesbezüglich nichts. Diese Umstände demonstrieren natürlich, dass der Kontakt zu seinen Söhnen maximal von sehr geringer Intensität geprägt ist. Wenn der Kontakt auch nur mehrere Male im Jahr tatsächlich stattfinden würde, hätte der BF sehr wohl Kenntnis, dass ein Sohn schon zweieinhalb Jahre nicht mehr bei der Mutter lebt bzw. könnte er zumindest einige Erlebnisse mit seinem jüngsten Sohn mitteilen. Das Bundesverwaltungsgericht geht deswegen davon aus, dass zwischen dem BF und seinen Söhnen kein Kontakt mehr herrscht. Zudem kann die Aufrechterhaltung des Kontaktes zu seinen Söhnen auch telefonisch oder im Rahmen der sozialen Medien erfolgen. Ferner sind jederzeit persönliche Besuche in Armenien möglich. Festzuhalten bleibt noch, dass hinsichtlich des bereits volljährigen Sohnes keine Merkmale einer besonderen Abhängigkeit zum BF festgestellt werden konnten.
Dem BF mag im Hinblick auf die Gesamtsituation, den insgesamt langjährigen Aufenthalt in Österreich und der in Österreich lebenden Söhne durchaus ein sehr gewichtiges Interesse am Verbleib in Österreich zuzubilligen sein; dennoch ergibt eine Gewichtung der widerstreitenden Interessen im Sinne der obzitierten Judikatur ein klares Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Erlassung einer Rückkehrentscheidung.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse der BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
II.3.5. Abschiebung
II.3.5.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).
Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).
Im gegenständlichen Fall sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Armenien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht schlüssig dargelegt und wurden bzw. werden hierzu bereits an entsprechend passenden Stellen des gegenständlichen Erkenntnisses Ausführungen getätigt, welche die in § 50 Abs. 1 und 2 FPG erforderlichen Subsumtionen bereits vorwegnehmen.
Eine im § 50 Abs. 3 FPG genannte Empfehlung des EGMR liegt ebenfalls nicht vor.
II.3.5.2. Gemäß § 55 Absatz 1 a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG nicht.
Da auch alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Rückkehrentscheidung und keine Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, war die Beschwerde auch gegen diese Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.