JudikaturOLG Wien

4R166/24x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
30. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Rechtssache der klagenden Partei A*, MSc, geboren **, **, vertreten durch Dr. Markus Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* GesmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. Carl Knittl, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 334.718,62 samt Nebengebühren, über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsinteresse: EUR 28.813,38) sowie die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 289.000) gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. August 2024, ** 78, in nicht öffentlicher Sitzung

I. durch den Senatspräsidenten Mag. Rendl als Vorsitzenden sowie die Richter Mag. Falmbigl und Dr. Futterknecht, LL.M., BSc, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass der Berufungen wird das Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren hinsichtlich des Betrages von EUR 2.433 samt Zinsen als nichtig aufgehoben und die Klage hinsichtlich dieses Teilbetrages zurückgewiesen.

II. durch den Senatspräsidenten Mag. Rendl als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Futterknecht, LL.M., BSc, und die Kommerzialrätin Schmidt zu Recht erkannt:

Beiden Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.599,78 (darin EUR 266,63 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Die Klägerin begehrte den Zuspruch von EUR 334.718,62 samt Zinsen und brachte zusammengefasst vor, sie habe als Verbraucherin von der beklagten Unternehmerin mit Kaufvertrag vom 29.4.2021 972/25764 Mieteigentumsanteile der Liegenschaft EZ **, KG **, mit welchen Wohnungseigentum an der Wohnung W5 untrennbar verbunden sei, um EUR 289.000 gekauft.

Sie erkläre die Anfechtung des Kaufvertrags wegen List, Gewährleistung, Irrtum sowie Verkürzung über die Hälfte und begehre die Rückabwicklung.

Die Wohnung liege über einer Künstlerwerkstätte, in welcher regelmäßig sowohl untertags als auch bis spät am Abend gearbeitet werde. Aufgrund der regelmäßig stattfindenden Arbeiten würden Schallpegelspitzen in der Wohnung auftreten, die deutlich über 35 db liegen würden. Die Maximalspitzen würden bis rund 60 db erreichen und nicht nur vereinzelt, sondern häufig und regelmäßig durch lange Zeitperioden in Erscheinung treten. Die Schallereignisse würden Störgeräusche darstellen, die deutlich über jenen Geräuschen lägen, die man im Wohnobjekt erwarte. Es könnten in der Wohnung weder Arbeiten getätigt, noch in normaler Zimmerlautstärke Radio oder Fernsehprogramme konsumiert werden. Es könnten keine Gespräche in normaler Lautstärke geführt und auch nicht telefoniert werden. Die Wohnung sei für Wohnzwecke nicht geeignet.

Dem Geschäftsführer der Beklagten sei bekannt gewesen, dass sich unter der Wohnung die Künstlerwerkstätte befinde. Die Klägerin sei beim Erwerb der Wohnung von der Beklagten bzw ihren Mitarbeitern und Beauftragten listig über den tatsächlichen Zustand der Wohnung bzw den in der Wohnung regelmäßig auftretenden Lärmpegel getäuscht worden. Das von der Beklagten beauftragte und ihr zuzurechnende Maklerunternehmen habe im der Klägerin übermittelten Exposé in der Objektbeschreibung angeführt, die Wohnung liege in einer ruhigen Seitengasse. In der Lagebewertung sei der Lärmpegel der Wohnung ausdrücklich mit „geringe Beeinträchtigung“ angegeben worden. Das Maklerunternehmen habe der Klägerin die Wohnung zwei Mal gezeigt. Beide Besichtigungen hätten entweder an einem Feiertag oder einem Wochenende stattgefunden. Zu diesen Zeitpunkten sei in der Werkstatt nicht gearbeitet worden. Der Klägerin sei vom Maklerunternehmen ausdrücklich mitgeteilt worden, dass sich unter der Wohnung Lagerräume befinden würden. Die Anfrage der Klägerin, welche Räumlichkeiten unterhalb der Wohnung seien und ob nebenan jemand wohne, sei vom Maklerunternehmen nicht beantwortet worden. Die einem Mitarbeiter des Maklerunternehmens erteilte Information, es befinde sich unter der Wohnung eine Werkstatt, sei der Klägerin nicht weitergeleitet worden.

Die Klägerin hätte in Kenntnis der massiven Lärmbelästigung die Wohnung nicht gekauft. Der Irrtum sei durch die Beklagte bzw ihr zurechenbarer Personen veranlasst worden oder hätte diesen aus den Umständen offenbar auffallen müssen. Sollte die Beklagte tatsächlich geglaubt haben, in der Wohnung trete keine übermäßige Lärmbelästigung auf, welche den gewöhnlichen Gebrauch der Wohnung hindere, liege zumindest ein gemeinsamer Irrtum vor, auf welchen die Ansprüche zuletzt hilfsweise gestützt würden.

Die Wohnung habe Eigenschaften aufgewiesen, die nicht den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften entsprochen habe. Zudem seien die ausdrücklich zugesagten Eigenschaften, nämlich ruhige Lage und ein Lärmpegel mit einer geringen Beeinträchtigung, „unrichtig“ gewesen. Der Gewährleistungsverzicht sei bei einem Verbrauchergeschäft unwirksam.

Im Hinblick auf die Lärmbelästigung liege der tatsächliche Wert der Wohnung unter EUR 144.500.

Die Klägerin habe im Zusammenhang mit dem Kauf der Wohnung zahlreiche näher genannte frustrierte Kosten im Ausmaß von insgesamt EUR 43.285,62 gehabt; diese würden aus dem Titel des Schadenersatzes sowie hilfsweise bereicherungsrechtlich begehrt werden. Die Beklagte hätte über die Lärmbelästigung aufklären müssen. Die Aufwendungen in der Wohnung seien mit wirtschaftlich vertretbaren Aufwand nicht zu entfernen. Innerhalb der Wohnung würden sie einen Wert in Höhe der geltend gemachten Positionen repräsentieren.

Dr. C* C*, Dr. D* C* und Mag. E* C* hätten sich lediglich grundsätzlich bereit erklärt, schalldämmende Maßnahmen zu setzen, wenn diese auf Fremdkosten getätigt würden und die Nutzbarkeit des Objekts nicht eingeschränkt sei. Dies sei eine allgemein gehaltene unverbindliche Erklärung.

An vorprozessualen Kosten begehre sie EUR 2.433 für das von ihr eingeholte schalltechnische Gutachten.

Die Beklagte bestritt und brachte – soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz - vor, die Voraussetzungen für die geltend gemachten Klagegründe würden nicht vorliegen. Ein gemeinsamer Irrtum sei mit der Behauptung, arglistig getäuscht worden zu sein, unvereinbar.

Noch vor Kaufvertragsunterfertigung und sogar bevor der Rechtswirksamkeit des Angebots sei bei der zuständigen Hausverwaltung angefragt worden, ob aus dem unter der Wohnungen liegenden Lager/Werkstätte eine Lärmbelästigung ausgehe. Diese Anfrage sei von der Hausverwaltung verneint worden. Die Hausverwaltung habe auch bestätigt, das keine Beschwerden hinsichtlich des Lärmpegels vorliegen würden. Die Klägerin wäre es leicht möglich gewesen, sich über den ortsüblichen Lärm zu informieren.

Die Wohnung liege in einem Gebiet, wo eine Lautstärke von 60-65 db sowie 65-70 db üblich sei.

Dr. C* D*, Dr. E* D* und Mag. F* D* hätten erklärt, bereit zu sein, schalldämmende Maßnahmen zu setzen, wenn diese nicht auf ihre Kosten erfolgen würde und die Nutzbarkeit des Objekts nicht beeinträchtigen werde. Die Beklagte sei bereit gewesen, entsprechende Maßnahmen zu setzen, ohne dass der Klägerin damit Kosten entstehen würden.

Sollte eine Rückabwicklung wegen Irrtums zulässig sein, habe die Klägerin mangels Verschulden der Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz jener Kosten, die über den Kaufpreis hinausgehen würden.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren im Ausmaß von EUR 289.000 samt Zinsen statt, wies das Mehrbegehren von EUR 45.718,62 sowie das Zinsenmehrbegehren ab und verhielt die Beklagte zum Kostenersatz.

Ausgehend vom dem als außer Streit stehenden bzw unstrittig angenommenen Sachverhalt sowie den auf den Seiten 7 bis 10 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf welche verwiesen wird, kam das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, ein arglistiges Verhalten der Beklagten oder der von ihr beauftragten Makler liege nicht vor. Im Vorfeld der Vertragsverhandlungen seien jedoch die ruhige Lage der Wohnung, als auch die Frage, was sich in den unter der Wohnung liegenden Räumen befinde, zwischen der Klägerin und den von der Beklagten beauftragten Maklern thematisiert worden. Darüber hinaus sei die ruhige Lage im Exposé der Makler erwähnt und von diesen auch im Zuge der Vertragsverhandlungen bestätigt worden. Im Hinblick auf die Räume unter der Wohnung habe der Makler der Klägerin zudem mitgeteilt, dass es sich um Lagerräume handle, von denen nach allgemeiner Lebenserfahrung keine Geräusche ausgehen würden. Die der Beklagten zuzurechnenden Makler hätten daher eine fehlerhafte Vorstellung der Klägerin durch die vorvertraglich von ihnen gegebenen Informationen verursacht. Da der Irrtum der Klägerin über die Lärmbelästigung in der Wohnung für den Abschluss des Kaufvertrags auch kausal gewesen sei, würden die Voraussetzungen des § 871 Abs 1 ABGB vorliegen. Das Anfechtungsbegehren sei daher berechtigt und beseitige den Kaufvertrag mit Wirkung ex tunc.

Da jedoch die Beklagte an der Erteilung unrichtiger Informationen und somit der Verletzung ihrer vorvertraglichen Aufklärungspflicht kein Verschulden treffe, sei das Begehren der Klägerin auf Ersatz des aus dem Irrtum entstandenen Vertrauensschadens abzuweisen.

Die Einholung eines Privatgutachtens habe ausschließlich der Prozessvorbereitung gedient, sodass es sich um vorprozessuale Kosten handle, für welche der ordentliche Rechtsweg nicht offen stehe.

Gegen einen Teil des klagsabweisenden Teils des Urteils richtet sich die Berufung der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem Klagebegehren auch im Ausmaß weiterer EUR 28.813,38 samt Zinsen stattzugeben.

Gegen den klagsstattgebenden Teils des Urteils richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen.

Die Parteien beantragen wechselseitig, der Berufung der Gegenseite jeweils nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Berufungen sind nicht berechtigt .

Zu Punkt I.:

Vorprozessuale Kosten sind bei Akzessorietät zum Hauptanspruch im Kostenverzeichnis geltend zu machen. Die Durchsetzung im streitigen Rechtsweg ist unzulässig (vgl zu einem Privatgutachten: RS0035770 [T12]). Die Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges ist in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft von Amts wegen wahrzunehmen. Eine Verletzung der Grenzen des streitigen Rechtsweges bewirkt die Nichtigkeit des Verfahrens (RS0046861). Das Urteil sowie das ihm vorangegangene Verfahren war daher im Umfang des Teilbegehrens von EUR 2.433 samt Zinsen wegen Nichtigkeit zu beheben und die Klage in diesem Umfang zurückzuweisen.

Zu Punkt II.:

Zur Berufung der Klägerin

1.1 Die Klägerin erblickt einen Verfahrensmangel zunächst darin, dass das Erstgericht den weiteren Inhalt des Exposés (Beilage ./A) nicht festgestellt habe.

1.2 Darüber hinaus habe das Erstgericht unterlassen, festzustellen, „dass es dem von der Beklagten beauftragten Maklerunternehmen und der Beklagten sowohl vor als auch nach Erteilung der Falschauskunft an die Klägerin, dass sich unter der kaufgegenständlichen Wohnung Lagerräume befinden und schon vor Erstellung des Expose, Beilage ./A und nach Erhalt der Information durch E-Mail, Beilage ./2 mit geringem Aufwand möglich gewesen wäre, festzustellen, ob es sich bei der angebotenen Wohnung tatsächlich um eine ruhige Wohnung handelt und ob sich unter der kaufgegenständlichen Wohnung eine Werkstätte befindet, aus welcher Lärm dringt. “.

1.3 Hat jedoch das Erstgericht keine Feststellungen getroffen, weil es die monierten Umstände als rechtlich unerheblich erachtete, wäre im Falle deren Bedeutsamkeit kein primärer, sondern ein der Rechtsrüge zugehöriger sekundärer Feststellungsmangel verwirklicht. Ein primärer Verfahrensmangel liegt daher nicht vor. Die vorgetragenen Argumente sind im Rahmen der Rechtsrüge zu behandeln.

2.1 In der Beweisrüge bekämpft die Berufungswerberin die Feststellung, wonach G* H* die am 22.4.2021 von einer Mitarbeiterin der Hausverwaltung an I* H* per E-Mail übermittelte Information bezüglich der Nutzung der „Werkstatt II“ an die Klägerin mit WhatsApp Sprachnachricht weitergeleitet habe und begehrt stattdessen die Feststellung, dass die Information nicht an die Klägerin weitergeleitet worden sei.

2.2 Die bekämpfte Feststellung ist jedoch rechtlich nicht relevant. Sofern die Klägerin argumentiert, unter Zugrundelegung der Ersatzfeststellung seien ihr auch frustrierte Kosten von EUR 28.813,38 zuzusprechen, ist zu erwidern, dass unbekämpft feststeht, die Klägerin hätte die Wohnung nicht gekauft, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Kenntnis der von der Künstlerwerkstätte ausgehenden Lärmbeeinträchtigung gehabt hätte. Damit wäre jedoch die nicht erfolgte Weiterleitung der von der Hausverwaltung erteilten Information, wonach sich unter der Wohnung die „Werkstatt II“ befinde, jedoch keine Informationen über die derzeitige Nutzung vorliegen und die Hausverwaltung bis dato keine Beschwerden hinsichtlich Lärmbelästigung gehabt habe, nicht kausal für die von der Klägerin bezahlten, Beglaubigungskosten, Grunderwerbsteuer, Eintragungsgebühr und der Maklerkosten gewesen. Informationen zu von der Künstlerwerkstätte ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen waren in dem E-Mail nicht vorhanden.

2.3 Die angefochtene Feststellung wird daher nicht übernommen (RS0042386).

3.1 Im Rahmen der Rechtsrüge argumentiert die Klägerin zunächst, das Verhalten des der Beklagten zuzurechnenden Maklers I* H*, der der Klägerin bei der zweiten Besichtigung die unrichtige Information erteilt habe, es würden sich unter der Wohnung Lagerräume befinden, sei jedenfalls leicht fahrlässig gewesen. Er hätte stattdessen mitteilen müssen, er wisse nicht, was sich unter der Wohnung befinde.

Damit ist für die Klägerin jedoch nichts gewonnen. Wie bereits zuvor bei der Behandlung der Beweisrüge ausgeführt, stellte das Erstgericht fest, sie hätte die Wohnung bei Kenntnis der Lärmbeeinträchtigung nicht gekauft. Dass sie auch unabhängig von einer Lärmbeeinträchtigung dann, wenn sie nicht gewusst hätte, welche Räume sich unter der Wohnung befinden, die Wohnung nicht gekauft hätte, brachte sie im erstinstanzlichen Verfahren nicht vor.

3.2 Darüber hinaus hätte das Maklerunternehmen nach Ansicht der Berufungswerberin nicht auf die Auskunft der Hausverwaltung vertrauen dürfen, sondern aus Eigenem nachforschen müssen, ob aus der Werkstatt Lärmbelästigungen erfolgen.

Besteht für den Makler jedoch keine Veranlassung, an der Richtigkeit einer Information zu zweifeln, darf er sie weitergeben und ist zu Nachforschungen nicht verpflichtet (RS0112587). Aus welchen Gründen das Maklerunternehmen (bzw die Beklagte selbst) an den von der Hausverwaltung erteilten Informationen hätte zweifeln müssen, wird in der Berufung nicht näher dargelegt.

3.3 Zu dem weiteren Argument, die Beklagte habe ein schuldhaftes Verhalten nicht qualifiziert bestritten, ist auf das bereits in der Klagebeantwortung erstattete Bestreitungsvorbringen zu verweisen, wonach noch vor Kaufvertragsunterfertigung und sogar bevor das Angebot rechtswirksam ermittelt wurde, bei der zuständigen Hausverwaltung angefragt worden sei, ob aus dem unter der W5 liegenden Lager/Werkstätte eine Lärmbelästigung ausgehe. Diese Anfrage sei seitens der Hausverwaltung verneint und bestätigt worden, dass keine Beschwerden hinsichtlich des Lärmpegels vorliegen würden. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur (mangelnden) Kenntnis der Beklagten von den Lärmimissionen sind daher jedenfalls von einem entsprechenden Prozessvorbringen gedeckt (vgl RS0037972).

Selbst wenn man von einem Geständnis ausgehen würde und das Erstgericht davon in seinen Feststellungen abweichen würde, könnte ein solcher Verstoß gegen § 266 Abs 1 ZPO vom Berufungsgericht nur im Falle einer ausdrücklichen Rüge wahrgenommen werden. Wird hingegen nur der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht, so ist von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes auszugehen, und zwar auch insoweit, als ihnen von einer Partei zugestandene Tatsachen entgegenstehen (RS0040118).

3.4 Zu den im Rahmen der Verfahrensrüge behaupteten sekundären Feststellungsmängeln ist festzuhalten, dass sich auch unter Zugrundelegung des Inhalts der soweit unstrittigen Beilage ./A (RS0121557), wonach der Lärmpegel der Wohnung mit „geringe Beeinträchtigung“ angegeben wurde, in Anbetracht der nicht vorhandenen Kenntnis der Lärmimissionen keine Anhaltspunkte für ein Verschulden der Beklagten ergeben. Zu den monierten fehlenden Feststellungen der Möglichkeiten, herauszufinden, ob es sich um eine ruhige Wohnung handelt, ist auf die Ausführungen unter Punkt 3.2 zu verweisen. Da keine Nachforschungspflicht bestand, war das Erstgericht auch nicht gehalten, entsprechende Feststellungen zu treffen.

Zur Berufung der Beklagten

4.1 Die Beklagte bekämpft in der Beweisrüge zunächst die Feststellungen

„Die in der Werkstätte arbeitenden Künstler verwenden regelmäßig eine Kippsäge mit Staubabsaugung, einen Abrichthobel, ein Druckluftkompressor, eine Abkantmaschine, eine Tischkreissäge, einen Schweißtisch, einer Holzbank, eine Drehmaschine, eine Schleifmaschine, eine Tischbohrmaschine, einen Winkelschleifer, ein Punktschweißgerät und einen Amboss auf einem Holzblock. Darüber hinaus wird auch regelmäßig gehämmert, geschraubt, gesägt, gefräst und geflext.“ sowie

„Die Arbeiten in der Künstlerwerkstätte finden immer projektabhängig statt, was bedeutet, dass teilweise mehrere Monate hintereinander täglich mehrere Stunden, dann jedoch wieder längere Zeit nicht in der Werkstätte gearbeitet wird.“ und

„Beim Ausführen dieser Tätigkeiten (mit Ausnahme leichter Manipulationsarbeiten) in der Werkstatt kommt es zu Schallimmissionen in allen Räumen der Wohnung der Klägerin, die sich deutlich vom Umgebungsgeräusch in der Wohnung abheben und nicht als übliche Geräusche eines Wohnhauses bezeichnet werden können. Der Ruhepegel in der Wohnung wird bei manchen Tätigkeiten massiv überschritten, wobei alle Zimmer betroffen sind. […] Die Schallereignisse sind für den normal empfindlichen Menschen ein Störgeräusch, insbesondere die Tonalität bzw. die Impulshaftigkeit der Tätigkeiten sind neben der Schallimmissionshöhe als störend zu bewerten. Bei häufigen Tätigkeiten in der Werkstatt ist eindeutig eine Nutzungseinschränkung gegeben. Insbesondere in den Abend- und Nachtstunden, wenn grundsätzlich ein Ruhebedürfnis vorliegt, kann auf Grund der Höhe der auftretenden Schallimmissionen und deren Schallcharakteristik von einer Unzumutbarkeit ausgegangen werden. Bei Tätigkeiten am Tag, welche Konzentration erfordern oder zur Erholung dienen, wird ebenfalls eine Störung hervorgerufen.“

Stattdessen begehrt sie nachstehende Ersatzfeststellungen:

„Auch wenn die in der Werkstätte arbeitenden Künstler bisweilen die vorhandenen Werkzeuge, wie etwa eine Kippsäge mit Staubabsaugung, einen Abrichthobel, einen Druckluftkompressor, eine Abkantmaschine, eine Tischkreissäge, einen Schweißtisch, eine Holzbank, eine Drehmaschine, eine Schleifmaschine, eine Tischbohrmaschine, einen Winkelschleifer, ein Punktschweißgerät und einen Amboss auf einem Holzbock verwenden und im Zuge der Durchführung der Arbeiten auch hämmern, schrauben, sägen, fräsen bzw flexen, kann das zeitliche Ausmaß der Lärmentwicklung nicht einmal annäherungsweise festgestellt werden. Ebenso konnten auch keine konkreten Feststellungen zu den jeweiligen Arbeitstätigkeiten getroffen werden, da auch der Sachverständige im Ergänzungsgutachten lediglich von einer nicht näher definierten Mischnutzung ausgehen musste. So konnten auch zum zeitlichen Ausmaß der Tätigkeiten keine Feststellung mit einer für die Erbringung eines Beweises notwendigen Gewissheit getroffen werden, sodass auch keine Feststellungen zu einer Veränderung des Durchschnittslärmpegels getroffen werden konnten.“

„Die Arbeiten finden projektabhängig statt, konkrete Zeiträume, betreffend die Dauer der einzelnen Projekte, konnten nicht festgestellt werden, gleiches gilt für die Anzahl der Projekte.“

„Nach dem Gutachten des Sachverständigen käme es bei Ausführen dieser Tätigkeiten (mit Ausnahme leichter Manipulationstätigkeiten) in der Werkstatt zu Schallimmissionen in allen Räumen der Wohnung der Klägerin, die sich vom Umgebungsgeräusch in der Wohnung abheben und nicht als übliche Geräusche eines Wohnhauses bezeichnet werden können. Dabei würde der Ruhepegel in der Wohnung bei manchen Tätigkeiten massiv überschritten, wobei alle Zimmer betroffen sind […] Die Schallereignisse sind für den normal empfindlichen Menschen ein Störgeräusch, insbesondere die Tonalität bzw. die Impulshaftigkeit der Tätigkeiten sind neben der Schallimmissionshöhe als störend zu bewerten. Bei häufigen Tätigkeiten in der Werkstatt, die allerdings nicht festgestellt werden konnten, wäre eine Nutzungseinschränkung gegeben. Insbesondere dann, wenn diese Tätigkeiten in den Abend - und Nachtstunden ausgeübt werden würden, könnte auf Grund der Höhe der auftretenden Schallimmissionen und deren Schallcharakteristik von einer Unzumutbarkeit ausgegangen werden. Bei Tätigkeiten am Tag, welche Konzentration erforderlich oder zur Erholung dienen, würde ebenfalls eine Störung hervorgerufen.“

Dazu vermeint die Beklagte zunächst, die Feststellungen, wonach regelmäßig eine Kippsäge verwendet bzw gehämmert werde, stehe im Widerspruch dazu, dass teilweise längere Zeit nicht in der Werkstätte gearbeitet werde. Abgesehen davon, dass widersprüchliche Feststellungen nicht im Rahmen der Beweisrüge zu relevieren wären, sondern allenfalls einen sekundären Feststellungsmangel begründen könnten (RS0042744), sind die Feststellungen durchaus dahin in Einklang zu bringen, dass die Arbeiten projektabhängig stattfinden und während derartiger Arbeiten regelmäßig die vom Erstgericht festgestellten Arbeiten stattfinden.

Darüber hinaus erfordert die gesetzmäßige Ausführung der Beweisrüge, dass der Rechtsmittelwerber darlegt, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, aufgrund welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen diese zu treffen gewesen wäre (RS0041835). Diesen Anforderungen wird die Beweisrüge jedoch nicht gerecht, indem sie sich nicht mit den Erwägungen des Erstgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung auseinandersetzt. Wenngleich das Erstgericht zwar ausführt, die Feststellungen zum zeitlichen Ausmaß der Arbeiten in der Künstlerwerkstätte würden sich aus der Aussage der Klägerin ergeben und durch die Angaben des Zeugen Mag. F* D* bestätigt werden, bezieht es sich in weiterer Folge auch auf die Aussagen der Zeugen D*, J*, K*, L*, M* und N*. Darüber hinaus stützt das Erstgericht die angefochtenen Feststellungen – entgegen den Ausführungen in der Berufung - zu Art und Ausmaß der Nutzung der Künstlerwerkstätte auch auf die Aussagen von Mag. F* D* und J*. Mit diesen Beweisergebnissen setzt sich die Berufung jedoch nicht auseinander. Es genügt jedoch nicht, angebliche oder tatsächliche Widersprüche zwischen und zu einzelnen Beweisergebnissen aufzuzeigen, sondern eine ordnungsgemäße Feststellungsrüge erfordert gerade auch Vorbringen, aufgrund welcher anderen Beweisergebnisse, denen mehr Glaubwürdigkeit zukommt, die intendierten Ersatzkonstatierungen zu treffen wären. Die Beweisrüge scheitert daher schon an der gesetzmäßigen Ausführung.

4.2 Weiters bekämpft sie die Feststellung

„Hätte die Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Kenntnis der von der Künstlerwerkstätte ausgehenden Lärmbeeinträchtigung in der Wohnung gehabt, hätte sie die Wohnung nicht gekauft.“

und begehrt stattdessen die Ersatzfeststellung

„Ob die Klägerin die Wohnung auch dann gekauft hätte, wenn sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Kenntnis der von der Künstlerwerkstätte ausgehenden Lärmbeeinträchtigung gehabt hätte, kann nicht festgestellt werden.“

Ein Rechtsmittel kann wegen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 272 ZPO) die Feststellungen nur dann erfolgreich angreifen, wenn es stichhaltige Gründe ins Treffen führt, die erhebliche Zweifel an den vom Erstgericht vorgenommenen Schlussfolgerungen rechtfertigen können. Dies gelingt der Berufungswerberin jedoch nicht. Zunächst erscheint es nicht per se unglaubwürdig, dass die Klägerin aufgrund des im September 2021 wahrgenommenen Lärms sowie der in weiterer Folge stattgefundenen Kommunikation mit den Künstlern ausgezogen ist. Darüber hinaus lässt sich aufgrund mehrfacher Umzüge der Klägerin nicht der Schluss ziehen, aus welchen Gründen sie aus der gegenständlichen Wohnung ausgezogen ist. Schließlich vermögen auch die von der Beklagten geäußerten Bedenken hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs keine Bedenken daran zu begründen, dass die Klägerin bei Kenntnis der Lärmbeeinträchtigungen die Wohnung nicht gekauft hätte. Dass das Angebot vor Einlangen der Anfrage beim Maklerunternehmen gelegt wurde, kann grundsätzlich auch andere Beweggründe gehabt haben. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang begehrte ergänzende Feststellung, dass das Angebot vor Einlangen der Antwort auf das E-Mail der Eltern der Klägerin gelegt wurde, ist daher auch nicht entscheidungswesentlich.

4.3 Das Berufungsgericht übernimmt daher die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts – mit Ausnahme der unter Punkt 2.1 genannten Feststellung - und legt sie seiner weiteren rechtlichen Beurteilung zu Grunde (§ 498 Abs 1 ZPO).

5.1 Im Rahmen der Rechtsrüge argumentiert die Beklagte, der Irrtum der Klägerin sei nicht von der Beklagten adäquat verursacht worden.

Veranlassen im Sinne des § 871 ABGB bedeutet adäquate Verursachung (RS0016195). Dies setzt weder absichtliche noch fahrlässige Irreführung voraus. Es genügt jedes für die Entstehung des Irrtums ursächliche Verhalten. Kann ein Kontrahent nach der Verkehrsauffassung auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein gewisser den Geschäftsinhalt betreffender Umstände rechnen, solange ihm nicht das Gegenteil vom anderen Vertragsteil mitgeteilt wird, so begründet schon die Unterlassung dieser Mitteilung eine Veranlassung des Irrtums. Es kommt also darauf an, ob das Verhalten des Geschäftspartners geeignet war, die objektive Möglichkeit eines Erfolgen von der Art des eingetretenen generell in nicht unerheblicher Weise zu erhöhen (RS0016188 [T4], RS0016195 [T1]).

Konkret teilte I* H*, nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, dass ihr eine ruhige Wohnung wichtig sei, mit, es befänden sich unterhalb der Wohnung Lagerräume. Darüber hinaus wurde die Wohnung im Exposé (Beilage ./A) als in einer ruhigen Seitengasse liegend und insbesondere mit „Lärmpegel: geringe Beeinträchtigung“ beschrieben. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beklagte bzw das ihr zuzurechnende Maklerunternehmen (vgl RS0016200 [T10]) für die Entstehung des Irrtums ursächlich waren. Insbesondere die Information „Lärmpegel: geringe Beeinträchtigung“ ist in Anbetracht der festgestellten Schallimmissionen jedenfalls unrichtig.

5.2 Schließlich liege ein sekundärer Feststellungsmangel vor, weil das Erstgericht keine Feststellungen zur möglichen Abhilfe durch Anbringung einer Lärmdämmung getroffen habe.

Dabei übersieht die Beklagte jedoch, dass das Erstgericht unangefochten festgestellt hat, eine Lösung mit den in der Werkstatt tätigen Künstler sei gescheitert. Die nunmehr begehrte Feststellung, die Nutzer der Werkstätte wären zur Anbringung einer Schallisolation bereit gewesen, würde dazu im Widerspruch stehen.

Eine mögliche Unterlassungsklage vermag nichts daran zu ändern, dass die Klägerin eine falsche Vorstellung von der Lärmsituation hatte.

6. Beiden Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen.

7. Die teilweise (amtswegige) Nichtigerklärung der erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache würde eine neue Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens erforderlich machen. Gemäß § 51 Abs 1 ZPO kann einer Partei jedoch der Ersatz der Kosten des aufgehobenen Verfahrens auferlegt werden, wenn nur diese ein Verschulden daran trifft, dass das Verfahren trotz des vorhandenen Aufhebungs- oder Nichtigkeitsgrundes eingeleitet oder fortgeführt wurde. Außer diesen Fällen sind die Kosten gegenseitig aufzuheben (Abs 2). Im vorliegenden Fall ist von einem Verschulden der Klägerin auszugehen, da sie entgegen der eindeutigen Rechtsprechung vorprozessuale Kosten im Punktum geltend machte. Die Kostenentscheidung des Erstgerichtes hatte daher unberührt zu bleiben (vgl OLG Wien 12 R 48/24b).

8. Die Kostenentscheidung des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da beiden Berufungen nicht Folge gegeben wurde, war der Klägerin die Differenz der Kosten der jeweiligen Berufungsbeantwortungen zuzusprechen.

9. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität nicht zu lösen waren.