JudikaturOLG Wien

33R2/25v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
26. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien fasst als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vorsitzenden, die Richterin Mag. a Tscherner und den Richter Mag. Schmoliner in der Rechtssache der klagenden Partei A* B* GmbH , FN **, **, vertreten durch die Siemer-Siegl-Füreder Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei C* GmbH , FN **, D*/E*,**, vertreten durch Dr. Christopher Toms, LL.M., (London), Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (EUR 16.000) über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 3. Dezember 2024, **-14 in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss:

Spruch

Der Antrag der erstbeklagten Partei auf Anberaumung einer Rekursverhandlung wird zurückgewiesen .

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.176,18 (darin enthalten EUR 196,03 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit der am 28.8.2024 eingebrachten Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Unterlassung begehrt, ohne Zustimmung der Klägerin unter der Domain ** oder unter einer Domain, die sonst in einer Wortfolge oder Buchstabenfolge die Marke „A*“ (Unionsmarke Nummer **) oder eine verwechselbar ähnliche Bezeichnung enthält, Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Servicierung und Wartung von Thermen in Österreich und/oder ähnliche Leistungen zu bewerben oder anzubieten oder dies Dritten zu ermöglichen. Zur Sicherung des Unterlassungsbegehrens hat sie die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung beantragt. Mit Beschluss vom 29.8.2024 hat die Erstrichterin die Zustellung der Klage und des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Erstattung einer Klagebeantwortung und einer Äußerung im Provisorialverfahren (Frist 14 Tage) verfügt. Der Beschluss wurde laut von der Post übermitteltem Zustellnachweis durch Hinterlegung zur Abholung ab 3.9.2024 zugestellt. Da keine Äußerung der Beklagten eingelangt ist, hat die Erstrichterin am 2.10.2024 die beantragte einstweilige Verfügung erlassen.

Mit Schriftsatz vom 17.10.2024 hat die Beklagte vorgebracht, sie habe erstmals am 4.11.2024 (gemeint vermutlich 4.10.2024) Kenntnis vom Verfahren erlangt. Von einer Hinterlegung der Aufforderung zur Äußerung zur einstweiligen Verfügung sei die Beklagte aber nicht verständigt worden. Konkret habe der Zusteller keine Hinterlegungsanzeige im Hausbrieffach an der Abgabestelle gemäß ZustG an der Adresse „F*“ eingelegt. Jedenfalls habe kein Organ der Beklagten eine Hinterlegungsanzeige an der Abgabestelle oder in der für die Abgabestelle bestimmten Abgabeeinrichtung aufgefunden. Eine anderweitige Zustellung habe nicht stattgefunden. Die Zustellung sei daher nicht wirksam erfolgt, weshalb die Beklagte die neuerliche gesetzeskonforme Zustellung der Aufforderung zur Äußerung zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur fristgerechten Einbringung einer Rechtfertigung beantrage.

Darüber hinaus sei die Beklagte aufgrund eines unvorhergesehenen unabwendbaren Ereignisses, nämlich dadurch, dass sie ohne Verschulden keine Kenntnis erlangt habe, daran gehindert worden, rechtzeitig eine Rechtfertigung zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung einzubringen. Der Geschäftsleitung der Beklagten sei bisher noch nie ein derartiger Vorfall untergekommen, das heißt es sei noch nie ein behördliches Schriftstück verschwunden. Dass eine eingelegte Hinterlegungsanzeige unbemerkt versehentlich im Werbematerial entsorgt wurde, könne nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht mit 100%iger Sicherheit ausgeschlossen werden, erscheine aber aus Sicht der Geschäftsleitung eher unwahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund beantragte die Beklagte auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erstattung einer Äußerung zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Unter einem äußerte sich die Beklagte zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und erhob einen Rekurs gegen die einstweilige Verfügung, der hier nicht gegenständlich ist.

Aufgrund dieser Eingabe hat die Erstrichterin eine Tagsatzung zur Bescheinigung des von der Beklagten bestrittenen Zustellvorgangs ausgeschrieben. Die Ladung enthielt den an die Rechtsanwälte gerichteten Beisatz, die Bescheinigungstagsatzung diene der Einvernahme betreffend die Zustellung der Klage an die beklagte Partei. Zu dieser Tagsatzung hat die Erstrichterin den Zusteller geladen, dessen Daten sie von Amts wegen ermittelt hatte. Der Beklagtenvertreter wurde mit dem Beisatz „Allfällige Auskunftspersonen oder Geschäftsführer sind stellig zu machen!“ geladen. Die Ladung zu dieser Bescheinigungstagsatzung wurde dem Beklagtenvertreter am 6.11.2024 zugestellt. In der Tagsatzung hat der Beklagtenvertreter angegeben, der „Geschäftsführer“ der Beklagten G* sei nicht erschienen, weil er die Kinderbetreuung zu übernehmen habe.

Nach der Einvernahme des Zustellers beantragte der Beklagtenvertreter die Ladung und Einvernahme von H*, einer Mitarbeiterin der Beklagten.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf neuerliche Zustellung der Klage samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab und den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Äußerung zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Stellungnahme zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und den vorbereitenden Schriftsatz vom 12.11.2024 zurück. Darüber hinaus verpflichtete es die Beklagte zum Ersatz der Kosten der Bescheinigungstagsatzung vom 18.11.2024. Es hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

„Die Klage samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung konnte der beklagten Partei an ihrem Firmensitz in D*/E*,** am 3.9.2024 von dem die Zustellung vornehmenden Zusteller im Geschäftslokal nicht zugestellt werden, da dieses geschlossen war. Der Zusteller legte daraufhin die Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung der beklagten Partei Nummer E* in der Hausbriefanlage des Hauses D*,** ein. Das Schriftstück wurde jedoch in der Folge von der beklagten Partei nicht behoben.“

Die Zustellung sei durch Hinterlegung nach § 17 ZustG wirksam erfolgt. Aus diesem Grund komme dem Antrag auf Neuzustellung keine Berechtigung zu. Aus welchem Grund eine Hinterlegungsanzeige an der im Antrag der Beklagten genannten Adresse F* eingelegt werden sollte, habe die Beklagte nicht dargelegt. Gemäß § 58 Abs 2 EO iVm § 402 Abs 2 EO finde im Verfahren über die Erlassung einer einstweiligen Verfügung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt, weshalb der diesbezügliche Antrag und die damit nachgeholte Äußerung zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen seien. Mangels rechtzeitiger Erstattung der Klagebeantwortung sei auch der am 12.11.2024 eingebrachte vorbereitende Schriftsatz der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, eine mündliche Rekursverhandlung anzuberaumen, um der Geschäftsführerin H* und dem Zeugen G*, dessen Einvernahme als Zeuge nunmehr beantragt werde, das rechtliche Gehör zu gewähren und ihnen Gelegenheit zur Äußerung einzuräumen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, in der Sache zu entscheiden und den Anträgen der Rekurswerberin stattzugeben, in eventu, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin stellt in ihrer Rekursbeantwortung den Antrag, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

I. Zum Gang des Rekursverfahrens:

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 19.10.2024, **, wurde die Firma der Beklagten gemäß § 40 GBG infolge Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht (FN **). Über Aufforderung des Rekursgerichts gab die Klägerin am 17.2.2024 bekannt, dass sie von der Verfahrensfortsetzung nicht absehe. Das Rekursverfahren ist deshalb fortzusetzen (RS0117480).

Rechtliche Beurteilung

II. Zum Inhalt des Rekurses:

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

1.1. Die Beklagte rügt als mangelhaft, dass die Erstrichterin H*, die als Zeugin beantragt wurde, und den „informierten Vertreter“ G* nicht einvernommen habe. Ein entschuldigtes Fernbleiben sei unschädlich, und eine Würdigung des Nichterscheinens könne nur erfolgen, wenn keine genügenden Gründe für das Fernbleiben vorlägen.

Dem ist zu entgegnen, dass, wie auch die Erstrichterin anhand des Firmenbuchauszugs FN ** richtig herausgearbeitet hat, nicht G*, sondern H* die Geschäftsführerin der Beklagten ist und zum Zeitpunkt der Bescheinigungstagsatzung war. Eine Entschuldigung für ihr Fernbleiben hat der Beklagtenvertreter nicht vorgetragen. Darüber hinaus waren in dem über den von der Beklagten behaupteten Zustellmangel geführten Bescheinigungsverfahren (vgl 6 Ob 79/20s; RS0040471 [T2, T9]; RS0006957 [T7]) nach § 274 ZPO nur parate Bescheinigungsmittel aufzunehmen. Schon aus diesem Grund wäre eine neuerliche Verhandlung zur Ladung und Einvernahme der beiden von der Beklagten genannten Personen nicht in Frage gekommen. Zudem hatte der Beklagtenvertreter den Auftrag, zur Bescheinigungstagsatzung allfällige Auskunftspersonen stellig zu machen. Das Unterbleiben der Einvernahme begründet keinen Verfahrensmangel.

1.2. Weiters macht die Beklagte als Verfahrensmangel geltend, dass die Feststellung, wonach der Zusteller die Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung der Beklagten eingelegt habe, ohne Grundlage getroffen worden sei.

Dem ist zu erwidern, dass die Feststellung auf einer entsprechenden Aussage des Zustellers in der Bescheinigungstagsatzung beruht. Der behauptete Begründungsmangel liegt nicht vor.

1.3. Weiters behauptet die Beklagte, das Erstgericht habe es unterlassen, der Beklagten die Möglichkeit zu gewähren, den in der Bescheinigungstagsatzung einvernommenen Zeugen zu seinen Wahrnehmungen zu befragen.

Da eine Intervention des Parteienvertreters bei der Vernehmung im Rahmen des Bescheinigungsverfahrens im Gesetz nicht vorgesehen ist (RS0040289), begründet dieser Umstand keinen Verfahrensmangel. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang andeutet, ihr rechtliches Gehör sei verletzt worden, wird sie darauf verwiesen, dass das rechtliche Gehör nicht durch die Beteiligung an einer Befragung, sondern durch die Möglichkeit, zum Vorbringen des Gegners und Beweisergebnissen Stellung zu nehmen, gewahrt wird.

2. Zur Beweisrüge:

Die Beklagte rügt die Feststellung: „Der Zusteller legte daraufhin die Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung der beklagten Partei Nummer E* in der Hausbrieffachanlage des Hauses D*,** ein. Das Schriftstück wurde jedoch in der Folge von der beklagten Partei nicht behoben.“

Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht darlegt, welche Ersatzfeststellung aufgrund welcher Beweiswürdigung zu treffen wäre (RS0041835 [T1]), geht die Beweisrüge schon deshalb ins Leere, weil das Erstgericht die bekämpfte Feststellung aufgrund seiner unmittelbaren Wahrnehmungen im Rahmen einer gerichtlichen Einvernahme getroffen hat. Nach § 526 ZPO ist dem Rekursgericht daher eine Abgehen von dieser Feststellung verwehrt (vgl RS0044018).

3. Zur Rechtsrüge:

3.1. In der Rechtsrüge moniert die Beklagte zunächst, das Erstgericht habe der Beklagten nicht die Möglichkeit gegeben, unter Beweis zu stellen, dass die Hinterlegungsanzeige im Hausbrieffach nicht aufgefunden wurde. Damit macht sie offenbar einen sekundären Feststellungsmangel geltend. Die Feststellungsgrundlage ist aber nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317). Wenn hingegen zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, mögen diese auch von den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers abweichen, können insoweit auch keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RS0053317 [T1]; RS0043480 ua). Da eine Feststellung zum Zustellvorgang vorliegt, kann auch kein sekundärer Feststellungsmangel verwirklicht sein.

3.2. Darüber hinaus bringt die Berufungswerberin vor, das Erstgericht habe keine Feststellung zum Verschuldensgrad im Sinn des § 146 ZPO getroffen.

Das Erstgericht hat richtig beurteilt, dass gemäß § 58 Abs 2 EO eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Versäumens einer Frist im Exekutionsverfahren – und damit gemäß § 402 Abs 4 EO auch im Verfahren über die Erlassung einer einstweiligen Verfügung – nicht stattfindet (vgl etwa 7 Ob 84/24i). Es waren daher auch keine Feststellungen zur Beurteilung des Verschuldens an einem allfälligen Verlust einer Hinterlegungsanzeige zu treffen.

4. Der Antrag auf Anberaumung einer „Rekursverhandlung“ war zurückzuweisen. Nach § 526 ZPO iVm § 78 EO ist über den Rekurs ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung zu entscheiden.

5. Die Kostenentscheidung in diesem Zwischenstreit (vgl auch Kodek in Angst/Oberhammer , EO3, § 393 EO Rz 1/1) beruht auf den §§ 402 Abs 4 iVm 78 EO und 41, 50 ZPO.

6. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf den § 402 Abs 4 EO iVm 78 EO und § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.