JudikaturOLG Innsbruck

6Bs105/25d – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
02. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld, die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 16.12.2024, GZ ** 23, nach der am 2.7.2025 in Anwesenheit des Schriftführers RiAA Mag. Binder, des Ersten Oberstaatsanwaltes Mag. Kuznik, des Privatbeteiligtenvertreters RAA Mag. Ermacora, Kzl. RA Dr. Ermacora, des Angeklagten sowie seines Verteidigers RA MMag. Kapferer öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene Angeklagte A* des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 147 Abs 2 StGB in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen à EUR 4,--, im Fall der Uneinbringlichkeit 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von EUR 32.314,54 an die Privatbeteiligte Firma B* GmbH binnen 14 Tagen ab Rechtskraft sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß § 43a Abs 1 StGB wurde die Hälfte der Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Nach dem Schuldspruch hat der Angeklagte am 25.9.2023 in ** mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der Firma B* GmbH unter Vortäuschung der Zahlungsfähigkeit und willigkeit, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zu einer Handlung, nämlich zum Einbau einer Getränkekühlzelle samt Zubehör im Wert von EUR 28.240,91 inklusive Umsatzsteuer verleitet, die diese im genannten Betrag am Vermögen schädigte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 21) und fristgerecht schriftlich ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld, die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche, welche in die Anträge mündet, das Urteil wegen Nichtigkeit aufzuheben und die Rechtssache an die erste Instanz zurückzuverweisen, in eventu das Urteil abzuändern und den Angeklagten freizusprechen, in eventu die Strafe schuld- und tatangemessen herabzusetzen sowie den Privatbeteiligtenzuspruch aufzuheben und den Privatbeteiligten mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (ON 24). Die Privatbeteiligte beantragt in ihrer Gegenäußerung, der Berufung keine Folge zu geben (ON 25).

Die Oberstaatsanwaltschaft erachtet in ihrer ausführlichen Stellungnahme die Berufung des Angeklagten für nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Nach der Systematik des Berufungsverfahrens prävaliert die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gegenüber der Rechtsrüge gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, geht aber der Mängelrüge nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO nach, sodass die Berufungspunkte in dieser Reihenfolge abgehandelt werden ( Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 476 Rz 9).

In der Mängelrüge im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO kritisiert der Angeklagte eine Unvollständigkeit des Urteils. Unvollständig im Sinn der Z 5 ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt lässt. Die fehlende Erörterung dieser Verfahrensergebnisse macht die in Hinsicht auf entscheidende Tatsachen getroffenen Feststellungen aus formalen Gründen mangelhaft. Dem Rechtsmittelgericht obliegt die Kontrolle, ob alles aus seiner Sicht Erwägenswerte in die Begründung eingeflossen ist, nicht aber eine Überprüfung des Inhalts dieser Erwägungen. Dies ist der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vorbehalten ( Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 281 Rz 421).

Indem der Berufungswerber moniert, dass das Erstgericht Urkunden, nämlich vom Angeklagten vorgelegte Kontoauszüge über erhaltene Zahlungen eines Investors in Höhe von EUR 100.613,99 am 05.07.2023 sowie EUR 31.007,15 am 09.10.2023 mit Stillschweigen übergangen und nicht erörtert habe, übergeht er die Ausführungen des Erstgerichtes im Rahmen der Beweiswürdigung in US 13 erster Absatz. Dass aus den Verfahrensergebnissen allenfalls auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse hätten gezogen werden können und das Gericht bestimmte Aspekte ohnehin verwerteter Beweisergebnisse nicht oder nicht den Intentionen des Berufungswerbers entsprechend berücksichtigt hat, stellt bloß eine (unzulässige) Bekämpfung der Beweiswürdigung im Stile einer Schuldberufung dar (vgl RISJustiz RS0099599). Darüber hinaus verkennt die Mängelrüge, dass der Angeklagte laut Urteilskonstatierungen nicht nur seine Zahlungsfähigkeit, sondern auch seine Zahlungswilligkeit vorgetäuscht hat, was alleine bereits für die Verwirklichung des Tatbildes ausreichen würde (US 8).

Unter dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO macht der Angeklagte eine unzureichende Begründung geltend, dies mit dem Vorbringen, dass es sich bei der Formulierung „… veranlasst wird und liegt es auf der Hand, dass es der Angeklagte zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass er im selben Umfang, in dem sich die C* GmbH Co KG unrechtmäßig bereichert, die B* GmbH am Vermögen schädigt[en]“ um eine nicht ausreichende Scheinbegründung handle. Zum einen übergeht der Angeklagte mit diesem Zitat zahlreiche weitere beweiswürdigende Überlegungen zur inneren Tatseite des Angeklagten (US 13 und 14). Zum anderen ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar (14 Os 132/98), ja bei leugnenden Angeklagten in der Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RISJustiz RS0116882, RS0098671; Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 281 Rz 452). Damit vermag der Berufungswerber ein Begründungsdefizit im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes nicht darzustellen.

Die weitere Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall StPO) behauptet Aktenwidrigkeit der Feststellungen in Bezug auf das Bestelldatum. Dabei wird verkannt, dass ein Urteil nur dann aktenwidrig ist, wenn es in der Beweiswürdigung den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt. Demnach können Feststellungen niemals „aktenwidrig“ sein. Der Fehler nach Z 5 fünfter Fall betrifft immer die Beweiswürdigungsebene ( Kirchbacher, StPO 15 § 281 Rz 61; RISJustiz RS0099431, RS0099492). Ob die Bestellung der alternativ angebotenen Positionen am 25.9.2023 oder einige Tage später erfolgte, betrifft mit Blick auf die ausreichende Individualisierung der Tat keine (für die Schuld- oder Subsumtionsfrage) entscheidende Tatsache (RISJustiz RS0117264, RS0099497).

Somit musste die Mängelrüge erfolglos bleiben.

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld dringt nicht durch, weil gegen die Richtigkeit der im Urteil enthaltenen Feststellungen keine Bedenken bestehen. Die Erstrichterin nahm auf Basis der wesentlichen Beweisergebnisse eine sehr ausführliche, für das Berufungsgericht gut nachvollziehbare Abwägung vor, die mit den Denkgesetzen der Logik in Einklang steht und unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Lebenserfahrung überzeugend ist.

Der Angeklagte beanstandet im Rahmen der Schuldberufung die Feststellung, dass er am 25.09.2023 als Geschäftsführer und Kommanditist der C* GmbH Co KG telefonisch bei D* die im Angebot vom 22.8.2023 aufgelistete Getränkekühlzelle samt technischer Ausrüstung für die Getränkekühlzelle und das Kühlpult sowie das schwarz beschichtete Barkühlpult bestellte und verweist dabei auf die Aussage des Zeugen D* in der Hauptverhandlung vom 16.12.2024, wonach das Kühlpult sowie die Ausrüstung hiefür in einem späteren Telefonat beauftragt worden sei. Das sei Ende September 2023 gewesen.

Der Schuldberufung gelingt es nicht, darzulegen, welche anderslautenden Feststellungen diesbezüglich eine andere, für den Angeklagten insgesamt günstigere Beurteilung bewirken hätten können. Der Berufungsargumentation ist weiters zu erwidern, dass es sich bei der Frage, ob die von der Privatbeteiligten verbauten Teile im Rahmen einer telefonischen Bestellung oder im Rahmen von zwei telefonischen Bestellungen, die fallaktuell ohnehin nur wenige Tage auseinander gelegen sein können (ZV D*, ON 22 Seite 7), um keine entscheidungswesentliche Tatsache handelt (siehe auch die Ausführungen oben zur Nichtigkeitsberufung).

Der Berufungswerber bekämpft weiters die Feststellungen des Erstgerichtes zur Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Angeklagten bzw der von ihm vertretenen C* GmbH Co KG und verweist diesbezüglich auf die von ihm vorgelegte Beilage II, aus welcher sich Zahlungen eines Investors vom 5.7.2023 in einem Betrag von EUR 100.613,99 und vom 9.10.2023 über einen Betrag von EUR 31.007,15 ergeben. Unrichtig ist in diesem Zusammenhang die Behauptung in der Schuldberufung, das Erstgericht hätte die genannte Beilage gänzlich unberücksichtigt gelassen. Vielmehr beschäftigte sich die Erstrichterin im Rahmen der Beweiswürdigung ausreichend mit der genannten Beilage (US 13) und erläuterte nachvollziehbar, warum sie von einer fehlenden Liquidität in Höhe des Rechnungsbetrages von EUR 28.240,91 ausging, dies trotz der genannten Investorenzuschüsse. Die Behauptung, wonach der Angeklagte aufgrund der genannten Investorenzuschüsse zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses über ausreichende finanzielle Mittel verfügt hätte, ist rein spekulativ, zumal der Angeklagte auch keine Angaben über die (geplante) Verwendung dieser Geldmittel machte. Der Angeklagte führte in der Berufung selbst aus, dass auch sonstige Rechnungen bezahlt worden seien (ON 24 S 12).

Die in der Berufung vorgetragenen Argumente erwecken keine Zweifel des Berufungsgerichts an der Richtigkeit der Konstatierungen des Erstgerichts zur äußeren und zur inneren Tatseite. Die Erstrichterin konnte auch auf den persönlichen Eindruck des Angeklagten und des vernommenen Zeugen zurückgreifen. Entgegen dem Berufungsvorbringen hat sich die Erstrichterin mit sämtlichen Beweisergebnissen auseinandergesetzt und ausführlich, ohne Unebenheiten und nachvollziehbar begründet, aufgrund welcher Erwägungen sie den leugnenden Depositionen des Angeklagten nicht zu folgen vermochte und die Tat sowohl in Ansehung der äußeren als auch der inneren Tatseite als erwiesen angesehen hat. Dabei hat sie auch anschaulich begründet, weshalb sie von mangelnder Zahlungsfähigkeit und mangelnder Zahlungswilligkeit des Angeklagten und einer Täuschungshandlung ausgegangen ist (US 11 14). Die Ableitung der inneren Tatseite hat die Erstrichterin ausgehend von der bestreitenden Verantwortung unbedenklich aus dem konstatierten äußeren Tatgeschehen erschlossen.

Schließlich geht auch der Ruf des Angeklagten nach Anwendung des Zweifelsgrundsatzes im Sinne des § 14 StPO ins Leere. Aufgrund des Zweifelsgrundsatzes („in dubio pro reo“, § 14 zweiter Halbsatz) erfordern Feststellungen zum Nachteil des Angeklagten einen Überzeugungsgrad, der keine objektiv vernünftigen Zweifel bestehen lässt ( Kirchbacher, StPO 15 § 14 Rz 2). Die äußerst sorgfältige Beweiswürdigung, in deren Rahmen sich die Erstrichterin eingehend mit sämtlichen vorgekommenen Verfahrensergebnissen befasst hat und die logische Schlüsse aufweist, bietet keinen Raum für die Anwendung des Zweifelsgrundsatzes. Damit hat es bei den erstgerichtlichen Urteilsannahmen zu verbleiben. Diese tragen den Schuldspruch.

Soweit der Angeklagte in der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) moniert, dass das Erstgericht „zur Zahlungsfähigkeit des Angeklagten keine (ausreichenden) schuldrelevanten Feststellungen getroffen“ habe, orientiert er sich nicht am festgestellten Sachverhalt, wonach zum Zeitpunkt der Bestellung und Beauftragung weder der Angeklagte noch die von ihm vertretene C* GmbHCo KG über diese Summe [Kaufpreis in Höhe von EUR 28.240,91 inkl USt.] verfügte, sondern der Angeklagte die Bestellung im Wissen tätigte, dass er die Bestellung nicht bezahlen können wird (US 8), und verfehlt damit den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0116565 [insb T2]).

Die Strafberufung fordert mit dem Argument, dass die Strafe nicht schuld- und tatangemessen sei, unter Hinweis auf die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten eine Reduktion der Anzahl der Tagessätze sowie eine bedingte Nachsicht hinsichtlich drei Viertel der Strafe.

Die vom Erstgericht ansonsten zutreffend wiedergegebenen besonderen Strafzumessungsgründe sind auf der erschwerenden Seite dahingehend zu ergänzen, dass sich im Rahmen der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung nach § 32 Abs 3 StGB die mehrfache Überschreitung der Wertgrenze des § 147 Abs 2 StGB – ohne gegen das Doppelverwertungsverbot zu verstoßen – schulderhöhend auswirkt (RISJustiz RS0091126).

Ausgehend von einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe ist unter Berücksichtigung der heranzuziehenden Strafzumessungsgründe und des Schuld- und Unrechtsgehaltes der Tat die über den Angeklagten in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB verhängte Geldstrafe schuld- und tatangemessen und nicht korrekturbedürftig. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde ohnehin mit dem gesetzlichen Mindestmaß bemessen. Die Gewährung einer weitergehenden bedingten Strafnachsicht ist fallbezogen aus spezialpräventiven Gründen nicht geboten.

Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche erweist sich als nicht berechtigt. Der auf der Rechtsgrundlage des § 369 Abs 1 StPO erfolgte Zuspruch an die Privatbeteiligte findet im Schuldspruch und den darauf bezogenen Urteilsannahmen dem Grunde und der Höhe nach Deckung. Grundvoraussetzung für einen Zuspruch an den Privatbeteiligten ist, dass der Angeklagte wegen der Straftat, aus der der Privatbeteiligte seine privatrechtlichen Ansprüche ableitet, verurteilt wird. Der Zuspruch an den Privatbeteiligten muss durch den Schuldspruch gedeckt sein, und zwar auch hinsichtlich der Tatbestandsgrenze. Allerdings besteht keine Bindung an den tatbestandsrelevanten Schaden. Dies bedeutet, dass dem Privatbeteiligten, der durch die Straftat verletzt wurde, wegen der der Angeklagte verurteilt wird, auch privatrechtlich ersatzfähige Schäden zu ersetzen sind, die nicht im Schutzbereich der übertretenen strafrechtlichen Norm gelegen sind ( Spenling in Fuchs/Ratz, WK StPO § 366 Rz 14 mwN). Folglich ist auf Basis der Urteilsannahmen der Privatbeteiligtenzuspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.