7R24/25s – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. in Kraschowetz-Kandolf als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. in Meier und den Richter Mag. Russegger als weitere Senatsmitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei A* , Brandschutzprüftechniker, **, vertreten durch Dr. Michael Ruhdorfer, Mag. Robert Oberlerchner, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei B* AG , FN **, **, (nunmehr) vertreten durch Hundegger Engl Rechtsanwalt GmbH in Villach, wegen EUR 114.144,00 sA , über die Berufung der beklagten Partei (Interesse: EUR 110.976,00) gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 12. Februar 2025, GZ **-39, i n nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 3.942,42 (darin enthalten EUR 657,07 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die Revision ist nichtnach § 502 Abs 1 ZPO zulässig .
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Der Kläger ist bei der Beklagten zu Polizzennummer ** mit Versicherungsbeginn 24.10.2017, 00.00 Uhr, beruflich als Monteur und auch außerberuflich unfallversichert. Die Versicherungsleistung „Superschutz 600“ gewährt dem Kläger bei dauernder Invalidität ausgehend von einer Versicherungssumme von EUR 40.880,00 eine Höchstleistung bei 100%iger Invalidität von EUR 245.280,00. Gemäß Abschnitt B Punkt 2.1. der Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung, AUVB 2015 idF Februar 2016, gebühren bei Verlust der Sehkraft eines Auges 60% der Versicherungssumme.
Diese Änderungen wurden mit 1.10.2018 wirksam.
Zum Unfallszeitpunkt betrug die Versicherungssumme EUR 40.000,00 und sah eine Höchstleistung bei 100%iger Invalidität von rund EUR 240.000,00 vor.
Der Kläger erlitt am 3.6.2018 einen Badeunfall, bei dem sein linkes Auge durch ein schwingendes Seilende schwer verletzt wurde. Unmittelbar danach suchte er zunächst das Klinikum C* auf und begab sich in die augenärztliche Ambulanz. In der Folge ließ sich der Kläger hauptsächlich von seiner gewählten Augenfachärztin, Dr. D*, aber auch wiederholt in der Augenabteilung im Klinikum C* behandeln.
Aufgrund des Gutachtens Dris. D* vom 3.9.2019 erbrachte die Beklagte infolge der festgestellten Invalidität des Klägers am linken Auge eine Versicherungsleistung von EUR 33.024,00 - basierend auf dem Zustand nach Augapfelprellung mit strichförmigen Hornhautabschürfungen, Pupillenerweiterung, Vorderkammereinblutung, ausgeprägten zonalen Netzhautminderdurchblutungen, Glaskörperblutung und peripherem Netzhautriss links bei Zustand nach peripherer Lasertherapie links, einer traumatischen partiellen Trübung der Linsenvorderfläche links, traumatischem grauem Star links und einer parazentralen Gesichtsfeldeinschränkung links durch die traumatische Linsentrübung sowie Zustand nach Netzhautminderdurchblutung.
Auch in der Folge war der Kläger vorwiegend bei der Augenfachärztin Dr. D* in ärztlicher Heilbehandlung; dies mit Zustimmung und Wissen der Beklagten. Der Kläger kommunizierte mit der Beklagten stets über deren Mitarbeiter E*, und zwar fallweise per E-Mail oder über Telefon.
Schon 2021 fand der Kläger subjektiv, dass sich etwas am linken Auge verändert hatte, weil die linke Pupille sich bei Sonneneinstrahlung schlechter und langsamer verkleinerte als die rechte und er dadurch Kopfweh bekam, und suchte Dr. D* auf, die jedoch nichts Relevantes in Bezug auf eine Verschlechterung konstatierte.
Der Kläger bemerkte im Frühjahr 2022 abermals subjektiv einen weiteren Verlust der Sehschärfe bzw verschwommenes Sehen. Ihm fiel die Verschlechterung zuerst gar nicht so richtig auf, da das Gehirn sehr viel ausgleicht, was er ja wusste, da er laufend in ärztlicher Behandlung stand. Da er sich im März 2022 noch unsicher war, ob dies nur eine momentane Situation war oder so bleiben würde, und er Angst vor dem Verlust seiner Lenkerberechtigung und damit verbunden dem möglichen Verlust seiner Arbeit hatte, entschloss er sich nach telefonischer Rücksprache mit E*, etwas zuzuwarten, und nahm dann, nachdem ihm die Verschlechterung beim Arbeiten und Lesen mehr auffiel, telefonischen Kontakt mit seiner behandelnden Ärztin Dr. D* und auch neuerlich mit der Beklagten auf. Dr. D* teilte dem Kläger mit, dass eine terminliche Verfügbarkeit kurzfristig nicht bestehe, und vertröstete ihn auf ca 2 bis 3 Monate. Daraufhin telefonierte der Kläger wieder mit E*, um eventuell über die Versicherung einen schnelleren Termin zu bekommen. [1] Herr E* erklärte dem Kläger, „Wir sind eh innerhalb der Frist, und das geht sich aus“.
Der Kläger hatte Angst, seine Arbeit zu verlieren, offenbar da er seine Lenkerberechtigung nicht verlieren wollte oder durfte. Er musste darüber hinaus auch seinen Sohn chauffieren können und zögerte auch deshalb anfangs mit der Kontaktaufnahme bei Dr. D*, da er zunächst selbst verifizieren wollte, ob eine Sehschärfenverschlechterung nicht nur momentan und subjektiv, sondern auch objektiv feststellbar stattgefunden hatte. Mit dem Mitarbeiter der Beklagten E* korrespondierte der Kläger darüber. Dieser teilte ihm mit, dass es kein Problem in zeitlicher Hinsicht gebe, da der Kläger noch innerhalb der 1-Jahres-Frist für die Bekanntgabe und Nachuntersuchung sei. Der Kläger fragte bei Dr. D* an, ob eine Terminbestätigung notwendig sei, da er sich innerhalb der Frist gemeldet habe, und auch diesbezüglich bei der Beklagten, bei E*. Dieser sagte dem Kläger, dass dies nicht nötig sei.
Im August/September 2022 erfolgte schließlich die von der Beklagten beauftragte und bezahlte Untersuchung durch Dr. D*. Der Kläger berichtete auch dort, dass es links „im letzten Monat schlechter geworden“ sei.
Auf Basis des weiteren Gutachtens der Augenfachärztin Dr. D* vom 11.10.2022 kündigte die Beklagte dem Kläger telefonisch sowie per E-Mail vom 14.10.2022 die Versendung von relevanten Informationen per Post an; dies nachdem die Beklagte dem Kläger telefonisch vorgeschlagen hatte, die von Dr. D* empfohlene Star-Operation als medizinischen Eingriff durchführen zu lassen, um eine Verbesserung vorzunehmen. Vor der Graue-Star-Operation hatte der Kläger Angst. Er wurde über die genauen Bedingungen der 4-Jahres-Frist, vor allem den Beginn und den Lauf, nicht aufgeklärt. Der Kläger wusste nicht, auf welche Fristen sich das genau bezieht. E* erklärte dem Kläger aber am Telefon, er müsse diese Operation dulden und durchführen lassen, um ein weiteres Gutachten zur Nachüberprüfung zu erwirken. Die Beklagte bestand darauf, dass erst nach der OP ein weiteres Gutachten erfolgen werde. E* teilte dem Kläger das so mit. Deswegen unterzog sich der Kläger der weiteren Operation.
Mit Schreiben vom 19.10.2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, „Wir sind nun im Besitz des Gutachtens sowie der schriftlichen Ergänzung von Frau Dr. D*“, und forderte vom Kläger nun auch schriftlich die Duldung der Durchführung der Star-Operation, welche ihrer Ansicht nach - mit Berufung auf die ergänzende Stellungnahme Dris. D* - mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine Sehschärfe von zumindest der Höhe des Erstgutachtens wieder herstellen würde.
Mit Schreiben vom 24.10.2022 und Fristsetzung bis zum 7.11.2022 ersuchte der Kläger die Beklagte im Hinblick auf die mittlerweile faktisch gänzliche Seheinschränkung laut Stellungnahme Dris. D* vom 11.10.2022, eine ergänzende Versicherungsleistung zu erbringen und den Schadenseintritt dem Grunde nach zu erklären.
Mit Schreiben vom 3.11.2022 teilte die Beklagte dem Kläger auch schriftlich mit, dass sie kein weiteres Gutachten in Auftrag geben würde - vor Durchführung der ihrer Ansicht nach duldungspflichtigen Operation. [2]
Der Kläger korrespondierte mehrmals mit der Beklagten diesbezüglich telefonisch und schriftlich, zweifelte ernstlich an der Sinnhaftigkeit der Durchführung dieser Operation, willigte aber schlussendlich im November 2022 in die Operation des grauen Star beim linken Auge ein und ließ den Eingriff an sich durchführen [3] .
Der Eingriff war erfolglos. Es kam zu keiner Verbesserung der Sehschärfe. Bei weiteren Kontrollen wurde als Ursache für die schlechte Sehschärfe links eine Durchblutungsstörung im Bereich des vorderen Sehnervs vermutet.
Das Fortschreiten der Linsentrübung (des grauen Star) ist Ursache für die langsame progrediente Abnahme der Sehschärfe. Beim grauen Star nimmt die Sehschärfe zunächst langsam ab, fällt dann oft subjektiv dem Patienten eher plötzlich auf. So nahm auch die Sehschärfe beim Kläger kontinuierlich ab.
Nach Durchführung der Operation rief der Kläger erneut bei E* an. Dieser erklärte ihm, er werde einen „Zettel nach Hause bekommen“. Dann erhielt der Kläger einen Brief, mit dem die Beklagte den Anspruch des Klägers wegen Verjährung ablehnte.
Der Verlauf der Sehschärfe beim linken Auge des Klägers lässt sich medizinisch ex post objektiviert wie folgt darstellen:
Für September 2019 und Februar 2021 war der Zustand bei einer Sehschärfe von 0,2 bzw 0,32 mit der Bewertung von 68,8% des Augenwerts.
Im Frühjahr 2022 war die Sehschärfe schon etwas schlechter. Bei fortschreitendem grauem Star wird die Sehschärfe auf 0,1 geschätzt, das heißt 15/20 Gebrauchsminderung + Mehrfachschäden 1,5/20 + 0,25/20 = 16,75/20, das heißt 83,75 % vom Augenwert, was eine gesamte Invalidität von 55,25% bedingt.
In weiterer Folge nahm die Sehschärfe beim Kläger weiter ab; es stellte sich eine Gebrauchsminderung mit 18/20 + 1,5/20 + 0,25/20 = 19,75/20, das heißt 98,75% des Augenwerts, somit eine Invalidität von 59,25% ein.
Nach erfolgter Graue-Star-Operation kam es aufgrund einer Durchblutungsstörung zu einer weiteren Abnahme der Sehschärfe beim linken Auge des Klägers, was nunmehr einer Gebrauchsminderung von 20/20, das heißt 100% des Augenwerts, somit einer Invalidität von 60% in Form eines Dauerzustands entspricht.
Artikel 24 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sieht vor:
„Für sämtliche Anzeigen und Erklärungen des Versicherungsnehmers an den Versicherer ist die geschriebene Form erforderlich, sofern nicht die Schriftform ausdrücklich und mit gesonderter Erklärung vereinbart wurde. Der geschriebenen Form wird durch Zugang eines Textes in (richtig:) Schriftzeichen entsprochen, aus dem die Person des Erklärenden hervorgeht.
Schriftform bedeutet, dass dem Erklärungsempfänger das Original der Erklärung mit eigenhändiger Unterschrift des Erklärenden zugehen muss. Die qualifizierte elektronische Signatur ist der eigenhändigen Unterschrift nicht gleichgestellt.“
Mit Schreiben vom 11.1.2023 forderte der Kläger die Beklagte mit Fristsetzung zum 25.1.2023 neuerlich auf, betreffend die mittlerweile zu 100% eingetretene Sehschwäche des betroffenen Auges den Schadenseintritt zu erklären.
Mit Schreiben vom 16.1.2023 teilte die Beklagte neuerlich mit, dass keinerlei weiteres Gutachten in Auftrag gegeben werde.
Mit Schreiben vom 17.1.2023 forderte der Kläger die Beklagte letztmalig zum Schadenseintritt bis 25.1.2023 auf, was die Beklagte mit E-Mail vom 23.1.2023 ablehnte.
Mit Schreiben vom 26.1.2023 forderte der Kläger die Beklagte zur Bezahlung der Klagssumme von EUR 114.144,00 bis längstens 3.2.2023 auf.
Die Beklagte leistete dem nicht Folge.
Die klagende Partei begehrte – nach entsprechender Richtigstellung der Parteibezeichnung (siehe Beschluss bei ON 14.1) – von der Beklagten EUR 114.144,00 samt 4% Zinsen seit 3.2.2023 an (ergänzender) Versicherungsleistung aus dem Freizeitunfall vom 3.6.2018, bei welchem der Kläger eine schwere Verletzung am linken Auge erlitten habe. Zum Zeitpunkt des Vorfalls habe ein Unfallversicherungsvertrag mit der Beklagten bestanden, welcher nach wie vor aufrecht sei. Aus diesem sei die Beklagte gegenüber dem Kläger verpflichtet, für Gesundheitsschädigungen infolge eines Unfalls Leistungen zu erbringen. Die Versicherungssumme betrage EUR 40.880,00 mit einer Höchstleistung von EUR 245.280,00 bei 100% Invalidität.
Die Beklagte habe den Vorfall vom 3.6.2018 als Versicherungsfall anerkannt und mit Abrechnung vom 6.9.2019 bereits eine Leistung von insgesamt EUR 33.024,00 erbracht, und zwar ausgehend von einer 68,8%igen Funktionsminderung am linken Auge des Klägers. In der Folge sei an diesem aber eine erhebliche Verschlechterung der Sehleistung eingetreten, obwohl sich der Kläger in laufender Behandlung auf der Augenfachabteilung des Klinikums C* und auch bei der niedergelassenen Augenärztin Dr. D* befunden habe. Die Verschlechterung sei dem Kläger im März 2022 erstmals aufgefallen (Protokoll vom 1.10.2024, Seite 5). Deshalb habe er im Frühjahr 2022 noch vor Ablauf der relevanten Endbemessungsfrist von 4 Jahren ab dem Unfallszeitpunkt eine ergänzende Versicherungsmeldung an die Beklagte erstattet; konkret sei die Meldung gegenüber dem der Beklagten zurechenbaren Versicherungsmitarbeiter E* im April 2022 telefonisch erfolgt. Soweit sich die beklagte Partei diesbezüglich auf ein allenfalls vereinbartes Schriftformgebot berufe, seien die Parteien davon durch die telefonisch erfolgten Gespräche konkludent abgegangen. Die Beklagte habe aufgrund der Verschlechterungsmeldung auch eine (weitere) Begutachtung durch Dr. D* beauftragt. Letztlich habe mit dieser erst für September 2022 ein Begutachtungstermin vereinbart werden können. Dies entspreche keinem „gewöhnlichen Verlauf der Dinge“, sodass jedenfalls von einer rechtzeitigen „Schadensergänzungsmeldung“ an die Beklagte auszugehen sei.
Dr. D* habe im Rahmen ihres am 11.10.2022 vorgelegenen Gutachtens eine nunmehr gegebene unfallkausale Invalidität des Klägers von 100% des Augenwerts bestätigt, zumal eine Sehschärfereduktion auf weniger als 0,05% eingetreten sei, was seiner funktionalen Einäugigkeit entspreche. Sie habe jedoch darauf hingewiesen, dass durch die Vornahme einer Star-Operation mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Besserung der Sehschärfe zu erreichen und in diesem Fall eine Nachbeurteilung indiziert wäre. Im Rahmen der „abgeführten Korrespondenz“ habe Dr. D* die Operation als duldungspflichtig im Sinn des § 183 VersVG beurteilt. Der Kläger habe sich dieser Einschätzung letztlich unterworfen und die Operation - nur aufgrund entsprechender ausdrücklicher Aufforderung durch die Beklagte - am 6.12.2022 durchführen lassen. Dadurch sei es aber bedauerlicherweise zu keiner Visusverbesserung gekommen, sodass die 100%ige Funktionsminderung (Seheinschränkung) des linken Auges nunmehr als (unfallkausaler) Dauerzustand anzusehen sei. Diese Einschränkung habe auch bereits vor Ablauf der 4-jährigen Endbeurteilungsfrist vorgelegen. Da der Kläger der Beklagten die Verschlechterung (rechtzeitig) vor Fristablauf angezeigt habe, lehne diese ihre Leistungspflicht zu Unrecht unter Berufung auf diese Frist ab.
Der Fristablauf sei zudem zumindest bis zum Vorliegen des gutachterlichen Endergebnisses gehemmt gewesen. Die Beklagte hätte den Kläger auch auf die Notwendigkeit einer fristgerechten Geltendmachung eines „entsprechenden“ (aus der Verschlechterung resultierenden) Anspruchs unter Anführung der Rechtsfolgen hinweisen müssen, was offensichtlich nicht geschehen sei. Der Kläger habe allen Vorgaben aus dem Versicherungsvertrag insbesondere auch hinsichtlich der Schadensminderungspflicht entsprochen. Der Einwand der Verspätung der Verschlechterungsmeldung sei auch schikanös, weil die Beklagte darauf mit der Beauftragung eines Gutachtens bei Dr. D* reagiert habe. Gleiches gelte, wenn die Beklagte den Kläger zur Vornahme einer duldungspflichtigen Operation auffordere und sich dann auf den Standpunkt stellte, diese sei letztlich unbeachtlich. Die Berufung auf einen Fristablauf sei ebenso treuwidrig, solange kein abschließendes gutachterliches Ergebnis vorliege, was erst nach der Durchführung der Operation beim Kläger der Fall gewesen sei.
Gemäß Art 7.5.1. der (hier vereinbarten) AUVB 2015 (idF 02/2016) sei bei Vorliegen einer mehr als 50%igen Dauerinvalidität zur Bemessung der Versicherungsleistung die 6-fache Versicherungssumme heranzuziehen, das seien EUR 245.280,00. Nach Art 7.2.1. dieser Versicherungsbedingungen sei im Fall der 100%igen Schädigung eines Auges eine 60%ige Versicherungsleistung zu erbringen, konkret also EUR 147.168,00. Davon habe die Beklagte bislang EUR 33.024,00 bezahlt, sodass der Differenzbetrag in Höhe der Klagsforderung offen sei. Dieser Betrag sei gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 26.1.2023 zum 3.2.2023 zur Zahlung fällig gestellt worden.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Sie wendete, soweit dies im Berufungsverfahren noch relevant ist, ein, die von der klagenden Partei behauptete ergänzende Versicherungsmeldung vom Frühjahr 2022 liege ihr nicht vor. Nach Art 24 der Versicherungsbedingungen sei diese in geschriebener Form zu erstatten gewesen. Die Parteien seien von dieser Vereinbarung nicht konkludent abgewichen; die Beklagte habe sich generell an die vereinbarte Form gehalten, und auch der Kläger habe „immer wieder“ in geschriebener Form mit dieser kommuniziert. Tatsächlich sei - wie sich aus der Beilage ./L ergebe - eine Verschlechterung im Zustand des Klägers erst im Sommer 2022 knapp vor Ablauf der 4-Jahresfrist gemeldet worden. Auch das Gutachten Dris. D* halte eine Verschlechterung in diesem Zeitraum fest. Gemäß Art 7.7. der Versicherungsbedingungen bestehe die Möglichkeit einer Nachbegutachtung (betreffend den Invaliditätsgrad) binnen 4 Jahren ab dem Unfalltag. Ein Antrag auf Neubemessung müsse so rechtzeitig gestellt werden, dass die ärztliche Untersuchung nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge noch vor Ablauf der Frist möglich sei; sonst bleibe es bei der bisherigen Bemessung des Invaliditätsgrads. Auch wenn ein solches Begehren vor Eintritt der Verjährung gestellt werde, komme es zu keiner Fristenhemmung. Im konkreten Fall sei keine fristgerechte Neubemessung erfolgt, was nicht in der Verantwortung der Beklagten liege. Diese habe vielmehr umgehend sämtliche notwendigen Schritte gesetzt und „diese Verschlechterung auch der Sachverständigen bekannt gegeben“. Darin sei aber kein Verzicht auf den Einwand der Verjährung zu erblicken. Der Kläger sei auch darauf hingewiesen worden, dass er die (Verschlechterung der) Invalidität unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichts binnen einer Ausschlussfrist von 4 Jahren geltend machen müsse. Die Klagsforderung sei daher verjährt. Die Berufung auf die 4-jährige Ausschlussfrist verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben, weil die Beklagte kein Verhalten gesetzt habe, durch welches die Frist versäumt worden sei.
Außerdem treffe das Gutachten Dris. D* keine Aussage über eine innerhalb der 4-Jahresfrist verschlechterte Funktionsbeeinträchtigung beim linken Auge des Klägers, sondern nur über eine solche im September 2022 - unter Hinweis auf eine subjektiv besonders seit Sommer 2022 erfolgte Verschlechterung. Das Gutachten beurteile somit den Zustand des Klägers außerhalb der 4-Jahresfrist und weise zudem darauf hin, dass eine (endgültige) Beurteilung erst 5 Wochen nach einer duldungspflichtigen Operation möglich wäre. Der Kläger habe der Beklagten bekannt gegeben, dass er eine solche nicht durchführen lassen werde. Eine Verschlechterung der Sehfähigkeit des Klägers (am linken Auge) habe sich tatsächlich erst für August 2022, also einen Zeitpunkt außerhalb der (Nach-)Bemessungsfrist objektivieren lassen.
Der Kläger habe auch seine Aufklärungs- und Mitwirkungsobliegenheit zumindest grob fahrlässig verletzt, weil er nicht sofort nach dem Bemerken der Sehverschlechterung (wie behauptet) im Frühjahr 2022 Befunde eingeholt habe, durch welche sich deren exaktes Ausmaß hätte objektivieren lassen. Dadurch habe sich die Beweislage für die Beklagte verschlechtert; ein genauer Zeitpunkt der Verschlimmerung der Sehbeeinträchtigung des Klägers lasse sich nun nicht mehr festlegen. Zudem habe dieser die duldungspflichtige Star-Operation wiederholt abgelehnt. Selbst wenn er die Operation letztlich habe vornehmen lassen, sei dadurch die bereits erfolgte Obliegenheitsverletzung nicht nachträglich beseitigt worden. (Auch) dies führe gemäß Art 19.2.3. der Versicherungsbedingungen iVm § 6 Abs 4 VersVG zur Leistungsfreiheit der Beklagten.
Schließlich stelle die klagende Partei bei der Berechnung ihres Begehrens auf eine unrichtige Versicherungssumme ab. Diese habe vereinbarungsgemäß am 3.6.2018 für dauernde Invalidität (lediglich) EUR 40.000,00 betragen.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtet das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 110.976,00 samt 4% Zinsen seit 4 .2.2023 sowie zu einem Prozesskostenersatz von EUR 13.675,68 und weist das Mehrbegehren von EUR 3.168,00 sA sowie das Zinsenmehrbegehren (für 3.2.2023) ab.
Den eingangs wiedergegebenen, von der beklagten Partei mit der Berufung im kursiv dargestellten Umfang bekämpften Sachverhalt beurteilt es rechtlich wie folgt:
Der Kläger habe letztlich „auch bedingt durch die nicht von ihm, aber von der Beklagten gewollte Graue-Star-Operation“ eine vollständige Funktionsminderung (100% des Augenwerts) am linken Auge als Dauerzustand erlitten. Gemäß Art 7.2.1. AUVB 2015 ergebe sich daraus unter Zugrundelegung der zum Unfallszeitpunkt anzuwendenden Polizze ein Anspruch des Klägers auf eine 60%ige Versicherungsleistung, das seien EUR 144.000,00. Abzüglich der bereits erhaltenen EUR 33.024,00 errechne sich der zugesprochene Betrag von EUR 110.976,00. Die darüber hinaus erfolgte Abweisung des Zinsenmehrbegehrens resultiere daraus, dass die Forderung ausgehend vom Aufforderungsschreiben vom 26.1.2023 erst mit 4 .2.2023 fällig geworden sei.
Der Umstand, dass sich der Kläger die Graue-Star-Operation vom November 2022 eingehend überlegt und diese zunächst abgelehnt habe, worüber die Parteien auch ausreichend korrespondiert hätten, begründe keine Obliegenheitsverletzung bzw verstoße die Berufung auf eine solche (durch die beklagte Partei) gegen Treu und Glauben. Der Kläger habe sich nämlich letztlich trotz großer Angst und bestehender Bedenken, wie von der Beklagten verlangt, „der Duldungspflicht unterworfen“, wobei genau das eingetreten sei, wovor er sich gefürchtet habe, nämlich eine Verschlechterung hin zum aktuellen Status der funktionalen Einäugigkeit.
Nachdem die behandelnde Ärztin Dr. D* im Jahr 2021 noch keine signifikante Änderung (der Sehfähigkeit des Klägers am linken Auge) habe feststellen können, habe sich der Kläger über die ab dem Frühjahr 2022 subjektiv empfundene Verschlechterung seiner Sehverhältnisse mit Dr. D* und der Beklagten im fortlaufenden Austausch befunden und alle relevanten Umstände immer ohne wesentlichen Verzug aufgeklärt. Soweit sich die beklagte Partei diesbezüglich auf die Vereinbarung der Schriftlichkeit berufe, seien die Parteien davon einvernehmlich abgegangen, weil auch die Beklagte immer wieder Telefonate des Klägers entgegengenommen und sich in der nachfolgenden Korrespondenz darauf bezogen habe. Im Übrigen widerspreche es den Grundsätzen des redlichen Verkehrs, wenn ein Vertragsteil dem anderen mündliche Zusagen mache, sich dann aber auf eine damit im Widerspruch stehende Schriftlichkeitsklausel berufe. Angesichts der progredienten (schleichenden) Veränderung der Sehschärfe am linken Auge war dem Kläger auch zuzubilligen, den Verdacht einer Verschlechterung vor einer Meldung an die Beklagte noch selbst zu überprüfen. Die Beklagte sei ganz offensichtlich damit einverstanden gewesen, eine spätere Begutachtung durch Dr. D* abzuwarten, zumal sie diese selbst beauftragt habe. Der Antrag auf Neufestsetzung eines von der Erstbemessung abweichenden Invaliditätsgrads sei dann rechtzeitig, wenn er so gestellt werde, dass innerhalb von 4 Jahren ab dem Unfallstag nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge noch eine ärztliche Untersuchung möglich sei. Dies sei im konkreten Fall geschehen. Die Parteien hätten sich letztlich darauf geeinigt, die Frage einer (allenfalls) veränderten Sehschärfe am linken Auge des Klägers von Dr. D* abschließend klären zu lassen. In diesem Zusammenhang habe die Beklagte vom Kläger die Duldung eines medizinischen Eingriffs verlangt, als dessen Ergebnis sich letztlich eine Sehschärfe von 0% am linken Auge ergeben habe. Diese sei daher maßgeblich für den Klagsanspruch. Die Beklagte könne sich auch nicht auf eine Fristversäumnis des Klägers berufen.
Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit, der unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (unter Geltendmachung auch sekundärer Feststellungsmängel) erhobene Berufung der beklagten Partei , mit der sie die vollständige Klagsabweisung anstrebt. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die klagende Partei tritt dem Rechtsmittel in einer Berufungsbeantwortung entgegen und begehrt, diesem keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden kann, ist nicht berechtigt .
Unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens releviert die Berufungswerberin einen Begründungsmangel. Sie meint, Feststellungen seien teilweise unlogisch und widersprüchlich, sodass sich die Schlüssigkeit des zugrunde liegenden Werturteils nicht überprüfen lasse.
Es ist richtig, dass ein Verstoß gegen die Begründungspflicht nach den §§ 272 Abs 3, 417 Abs 2 ZPO einen Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO darstellt(vgl RS0102004; SVSlg 57.231 und 54.942) . Der Richter entspricht seiner Begründungspflicht dann, wenn er in knapper, überprüfbarer und logisch einwandfreier Form darlegt, warum er aufgrund bestimmter Beweis- oder Verhandlungsergebnisse bestimmte Tatsachen feststellt oder für den Ausgang des Rechtsstreits erhebliche Tatsachen nicht feststellen kann, weil nur so die Parteien und das Rechtsmittelgericht die Schlüssigkeit seines Werturteils überprüfen können(RS0040122 [T1]; SVSlg 62.383, 59.710 und 59.631) . Eine taugliche Begründung für die getroffenen Feststellungen fehlt, wenn das Gericht bei der Beweiswürdigung nicht die Ergebnisse der gesamten Verhandlung und Beweisführung, also den kompletten Prozessstoff, berücksichtigt, sondern sich mit wesentlichen Teilen desselben nicht auseinandersetzt und deswegen - insbesondere bei einander widersprechenden Beweisergebnissen - nicht nachvollzogen werden kann, aus welchen Erwägungen im Einzelnen dem Ergebnis des einen Beweismittels mehr Gewicht zugemessen w urde als jenem des anderen (SVSlg 50.225 und 44.535) . Dementsprechend hat das Berufungsgericht im Rahmen der Mängelrüge (nur) zu prüfen, ob substanzielle Begründungsmängel bestehen, die einer Überprüfung der Beweiswerterwägungen grundlegend entgegenstehen. Ohne Bedeutung ist hingegen, ob die Gründe des Erstgerichts auch stichhaltig sind, weil im Rahmen der Mängelrüge nur zu untersuchen ist, ob auf die Beweismittel in einer Weise eingegangen wurde, die es den Parteien und dem Berufungsgericht ermöglicht, die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung zu beurteilen.
Dies ist hier der Fall:
Soweit die Berufungswerberin bemängelt, das Erstgericht habe trotz entsprechender Beweisergebnisse nicht festgestellt, dass der Kläger die „Nachbemessung“ gegenüber der Beklagten konkret im Mai 2022 beantragt habe, und auch keine Sachverhaltsannahmen getroffen, wann konkret die als erwiesen angenommenen Telefonate (ab März 2022) zwischen dem Kläger einerseits und der Beklagten (E*) bzw Dr. D* andererseits geführt wurden, macht sie damit nicht geltend, das Erstgericht habe bestimmte Feststellungen nicht (nachvollziehbar) begründet, sondern vielmehr, es habe bestimmte (konkretisierende) Sachverhaltsannahmen verabsäumt. Damit behauptet sie einen – der Rechtsrüge zuzuordnenden – sekundären Feststellungsmangel. Gleiches gilt für die ebenfalls vermisste Feststellung zum genauen Datum der Nachuntersuchung des Klägers (27.9.2022).
Tatsächlich liegen die behaupteten rechtlichen Feststellungsmängel nicht vor, weil die damit verknüpfte Frage, ob der Kläger die Neubemessung des Invaliditätsgrads ursprünglich rechtzeitig iSd Art 7.7. AUVB 2015 (Beilage ./B) beantragte, nicht entscheidungswesentlich ist. Wie noch bei der Erledigung der Rechtsrüge darzustellen sein wird, verstößt nämlich die Berufung der beklagten Partei auf die Versäumung dieser Frist jedenfalls gegen Treu und Glauben und ist daher bereits aus diesem Grund unbeachtlich.
Der Vollständigkeit halber sei noch darauf verwiesen, dass die klagende Partei behauptete, die „Versicherungsmeldung“ sei im Mai 2022 erstattet worden (Protokoll vom 1.10.2024, Seite 2). Die beklagte Partei trat dem nicht substanziiert entgegen, sodass dieser Sachverhalt (auch) als unstrittig angesehen werden kann und dementsprechend keiner Feststellung bedarf.
Die Berufungswerberin beanstandet weiter eine fehlende Begründung zur festgestellten Mitteilung der Beklagten, sie werde „vor Durchführung der ihrer Ansicht nach duldungspflichtigen Operation“ kein weiteres Gutachten in Auftrag geben.
Tatsächlich stützt das Erstgericht diese Sachverhaltsannahme auf die Schreiben Beilagen ./G und ./D. Ob sich der von ihm angenommene Mitteilungsinhalt tatsächlich aus diesen Schreiben ableiten lässt, ist eine Frage der Beweiswürdigung oder einer Aktenwidrigkeit bzw allenfalls – soweit der Gehalt der Erklärung durch Auslegung zu ermitteln ist – der rechtlichen Beurteilung. Ein Begründungsmangel liegt jedenfalls (auch) in diesem Zusammenhang nicht vor.
Wenn die Berufungswerberin zudem Feststellungen dazu vermisst, wann die Star-Operation erfolgte und inwiefern sie - nach der ursprünglichen Ablehnung der Operation durch den Kläger - davon informiert wurde, macht sie damit wiederum sekundäre Feststellungsmängel geltend. Solche liegen aber auch hier mangels rechtlicher Relevanz nicht vor, worauf noch im Rahmen der Rechtsausführungen einzugehen sein wird. Abgesehen davon stellte das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung (disloziert) ohnedies die Durchführung der Graue-Star-Operation im November 2022 fest.
Ob das Prozessgericht erster Instanz bei der Bemessung der Versicherungsleistung zutreffend von einer 100%igen Funktionsminderung des (linken) Auges des Klägers ausging, obwohl eine solche erst für einen Zeitpunkt nach der Operation festgestellt wurde, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung.
Wenn die Berufungswerberin die Feststellung bemängelt, E* habe dem Kläger mitgeteilt, es gebe kein Problem in zeitlicher Hinsicht, da dieser noch innerhalb der 1-Jahresfrist (statt richtig: 4-Jahresfrist) „für die Bekanntgabe und Nachuntersuchung sei“, genügt der Hinweis, dass die beanstandete Sachverhaltsannahme der Aussage des Klägers entspricht. Dieser schilderte nämlich eine Mitteilung von Herrn E*, wonach sie „in der Jahres frist locker drinnen seien“ (Protokoll vom 1.10.2024, Seite 3). Tatsächlich ist auch nicht relevant, welche Fristdauer (ein Jahr oder 4 Jahre) E* dem Kläger in diesem Zusammenhang mitteilte, weil dies nichts am wesentlichen Inhalt seiner Auskunft ändert, dass die Nachuntersuchung rechtzeitig beantragt worden sei. In diesem Zusammenhang sei auch auf die unbekämpft gebliebene Erklärung von Herrn E* verwiesen „wir sind eh innerhalb der Frist und das geht sich aus“ (Urteil, Seite 6).
Das Zugeständnis des Klägers im Schreiben Beilage ./2, er sei (von Herrn E*) einmal darauf hingewiesen worden, dass er auf die 4-Jahresfrist achten müsse, wenn er eine Verschlechterung habe, steht mit der auf seine Aussage gestützten Feststellung, er sei über die genauen Bedingungen dieser Frist, vor allem den Beginn und den Lauf, nicht aufgeklärt worden, nicht im Widerspruch. Unabhängig davon ist der Umfang einer diesbezüglichen Aufklärung des Klägers auch nicht entscheidungswesentlich, weil sich die beklagte Partei, wie noch darzustellen sein wird, unabhängig davon auf eine Fristversäumung nicht (wirksam) berufen kann.
Behauptete Begründungsmängel haften der angefochtenen Entscheidung somit nicht an.
Im Rahmen der Beweisrüge bekämpft die Berufungswerberin die oben kursiv dargestellten Feststellungen [1] bis [4] , wobei sie Letztere auch als aktenwidrig beanstandet.
Die statt der Sachverhaltsannahmen [1] begehrten Ersatzfeststellungen sind teilweise mit diesen identisch und teilweise (zumindest) sinngleich formuliert. Insofern ist die Beweisrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt(RS0041835 [T2]; RS0043150 [T9]; RI0100145) . Soweit erkennbar, will die Berufungswerberin im Ergebnis vor allem ergänzend festgestellt haben, dass der Kläger (wegen der von ihm wahrgenommenen Verschlechterung) erstmals zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Mai 2022 mit der Beklagten, konkret mit E*, telefonisch Kontakt aufgenommen habe, wobei der genaue Gesprächsinhalt nicht bekannt sei. Es lasse sich auch nicht feststellen, wann der Kläger danach zu Dr. D* und neuerlich zur Beklagten Kontakt hergestellt habe.
Damit macht die Berufungswerberin tatsächlich sekundäre Feststellungsmängel geltend, die sie im Übrigen auch im Rahmen der Rechtsrüge nochmals releviert. Solche liegen aber, wie bereits dargestellt, insbesondere deshalb nicht vor, weil es auf die (ursprüngliche) Rechtzeitigkeit der „Verschlechterungsmeldung“ nicht entscheidend ankommt. Dies wird bei der Erledigung der Rechtsrüge noch näher zu begründen sein. Im Übrigen wird nochmals darauf verwiesen, dass die erfolgte Meldung im Mai 2022 als unstrittig angesehen werden kann.
Der ebenfalls ergänzend beantragten Sachverhaltsannahme, dass der Kläger trotz Wahrnehmung der Verschlechterung untätig geblieben sei, steht der Umstand entgegen, dass er diesbezüglich (unbestritten) im Mai 2022 mit Herrn E*, einem Mitarbeiter der Beklagten, Rücksprache hielt, danach - nachdem ihm die Verschlechterung „mehr aufgefallen“ war - mit der ihn behandelnden Augenärztin Dr. D* einen Untersuchungstermin vereinbarte und schließlich nochmals mit E* Kontakt aufnahm, um allenfalls einen „schnelleren Termin“ zu bekommen. Die Annahme einer „Untätigkeit“ des Klägers wäre mit diesem (nicht strittigen) Sachverhalt unvereinbar.
Die Sachverhaltsannahme [2] beanstandet die Berufungswerberin insoweit, als daraus abgeleitet werden könn(t)e, die Beklagte habe dem Kläger für den Fall der Durchführung der Graue-Star-Operation die Einholung eines weiteren Gutachtens (zur Beurteilung der danach bestehenden Funktionsbeeinträchtigung des linken Auges) in Aussicht gestellt; tatsächlich habe sie hingegen klargestellt, kein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben, und auf die Erstbemessung verwiesen, was auch ersatzweise festzustellen begehrt werde.
Das Erstgericht stützt die bekämpfte Feststellung auf die Schreiben Beilagen ./G und ./D. Dem Akt ist zwar keine ausdrückliche Stellungnahme der beklagten Partei zu diesen beiden Urkunden zu entnehmen; diese bezog sich aber in ihrem Vorbringen (ON 32, Seite 4) explizit auf von der Beklagten darin abgegebene Erklärungen, sodass die Echtheit der Urkunden als zugestanden angesehen werden kann. Dies ermöglicht es dem Berufungsgericht, deren Inhalt im Rahmen der rechtlichen Beurteilung auch ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung zu berücksichtigen(RS0121557 [T3]).
Betrachtet man diesen, trifft es zu, dass die Beklagte dem Kläger mit dem Schreiben Beilage ./D vom 19.10.2022 (lediglich) mitteilte, nach dem ihr nun vorliegenden Gutachten samt schriftlicher Ergänzung Dris. D* bestehe (zwar) eine Funktionsminderung des Augenwerts iHv 100%, jedoch (auch) die Möglichkeit einer Operation, welche mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine Sehschärfe von zumindest „der Höhe des Erstgutachtens“ wiederherstellen würde und „laut ergänzender Stellungnahme der Sachverständigen“ als duldungspflichtig anzusehen bzw zu werten sei, sodass „hiermit“ auf die Abrechnung gemäß Erstgutachten verwiesen werde. Den Inhalt dieses Schreibens stellt das Erstgericht im Übrigen auch zusammenfassend im dargestellten Sinn fest (Urteil, Seite 7). Mit dem – an die Klagsvertretung gerichteten – Schreiben (E-Mail) Beilage ./G vom 3.11.2022 stellte die Beklagte klar, kein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben, und verwies (begründend) auf die Stellungnahme Dris. D*, deren Einschätzung für sie schlüssig sei, sowie auf das dem Kläger zugeschickte Schreiben [offenbar Beilage ./D].
Wenn das Erstgericht aus dem Inhalt dieser Erklärungen und dem Kontext, in dem sie abgegeben wurden, ableitet, die Ablehnung der Beklagten, ein weiteres Gutachten zu beauftragen, habe sich (lediglich) darauf bezogen, dass der Kläger die Graue-Star-Operation verweigert habe, handelt es sich dabei letztlich um eine rechtliche Beurteilung. Dies bringt das Erstgericht auch durch den Bindestrich vor dem Satzteil „vor Durchführung der ihrer Ansicht nach duldungspflichtigen Operation“ zum Ausdruck.
Diese Annahme ist (auch) in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden: Die Auslegung einer Erklärung ist gemäß § 914 ABGB am Empfängerhorizont zu messen. Die aus ihr abzuleitenden Rechtsfolgen sind (nach der herrschenden Vertrauenstheorie) nicht danach zu beurteilen, was die Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstand, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war. Dabei ist auf die konkreten Umstände Bedacht zu nehmen(RS0113932 ua) .
Im vorliegenden Fall ist die Erklärung der Beklagten, auf die Abrechnung gemäß Erstbegutachtung zu verweisen und kein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben, zunächst vor dem Hintergrund der Schreiben (E-Mails) Beilage ./3 vom 10.10.2022 zu sehen, deren Inhalt mangels bestrittener Echtheit der Urkunde (Protokoll vom 7.11.2023 Seiten 2 f) der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt werden kann (siehe oben). Damit erklärte der Kläger der Beklagten, (aus Angst und weil er sich bereits an den aktuellen Zustand gewöhnt habe) jetzt und in Zukunft keine Operationen durchführen zu lassen, wozu er „nach Rücksprache“ auch nicht verpflichtet sei; er fragte daher an, ob er somit ein letztes Gutachten „machen gehen könne“, was ihm zustehe. Die Beklagte holte - wie sich bereits aus der Beilage ./D ergibt - eine ergänzende Stellungnahme Dris. D* zur Zumutbarkeit der von dieser empfohlenen Graue-Star-Operation ein, auf deren Basis sie schließlich im Gegensatz zum Kläger (und seinem Vertreter) von einer entsprechenden Duldungspflicht ausging. Demnach erklärte ihr Mitarbeiter E* dem Kläger nach dem unbekämpft festgestellten Sachverhalt (Urteil, Seite 7) auch explizit, dieser müsse die Operation dulden und durchführen lassen, um ein weiteres Gutachten zur Nachüberprüfung zu erwirken; die Beklagte bestehe darauf, dass erst nach der Operation ein weiteres Gutachten erfolgen werde. Wenn das Erstgericht vor diesem Hintergrund die weitere – konkret im Schreiben vom 3.11.2022 abgegebene – Erklärung der Beklagten so auslegt, dass „vor Durchführung der ihrer Ansicht nach duldungspflichtigen Operation“ kein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben werde, entspricht dies einem objektiven Verständnis derselben unter Bedachtnahme auf die konkreten Umstände des Falls. Als redlicher Erklärungsempfänger durfte der Kläger auch davon ausgehen, dass die Beklagte trotz ihrer entsprechenden Ablehnung laut den Schreiben Beilagen ./G und ./D, mit welchen sie seinem gegenteiligen Standpunkt zur Duldungspflicht laut E-Mails Beilage ./3 und jenem seines Vertreters entgegentrat, ein „abschließendes“ Gutachten veranlassen und auf dessen Basis eine Versicherungsleistung erbringen werde, sollte er im Streit um die Duldungspflicht der Graue-Star-Operation doch noch (kurzfristig) einlenken und eine solche durchführen lassen. Er vertraute auch tatsächlich darauf, was sich bereits aus dem festgestellten Umstand ergibt, dass er sich der Operation letztlich deswegen unterzog, weil die Beklagte darauf bestand, erst danach ein weiteres Gutachten einzuholen.
Zum bekämpften Sachverhalt [3] begehrt die Berufungswerberin erneut keine widersprechenden Feststellungen, sodass die Beweisrüge auch in diesem Punkt nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist (siehe oben). Sie möchte in diesem Zusammenhang ergänzend festgestellt haben, der Kläger habe die Operation (mit den E-Mails Beilage ./3) auch für die Zukunft abgelehnt, diese dann aber am 7.12.2022 durchführen lassen, worüber die Beklagte jedoch nicht informiert gewesen sei.
Die (ursprünglichen) Erklärungen des Klägers zur Star-Operation können, wie bereits dargestellt, aus der unbestritten gebliebenen Beilage ./3 gewonnen werden, sind aber, worauf auch noch im Rahmen der Erledigung der Rechtsrüge einzugehen sein wird, rechtlich ebenso wenig relevant wie eine vorab unterbliebene Information der Beklagten von der letztlich durchgeführten Operation. Dass diese am 7.12.2022 erfolgte, stünde im Übrigen dem disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung festgestellten Operationstermin im November 2022 entgegen (Urteil, Seite 12), welchen das Erstgericht offenbar dem Befund der von ihm beauftragten Sachverständigen (ON 27, Seite 4: „30.11.2022 Phakoemulsifikation links“) entnahm. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass dies mit dem Befundkonvolut Beilage ./R, zu welchem allerdings wieder keine explizite Urkundenerklärung aus dem Akt ersichtlich ist, übereinstimmt. Darunter finden sich ein Entlassungsbrief der F* vom 30.11.2022, worin von einer am selben Tag durchgeführten Operation berichtet wird, und auch ein entsprechender OP-Bericht sowie ein Ambulanzprotokoll. Letztlich ist es aber nicht entscheidungswesentlich, ob die Graue-Star-Operation im November 2022 oder erst am 7.12.2022 durchgeführt wurde.
Schließlich bekämpft die Berufungswerberin die Sachverhaltsannahmen [4] - und zwar primär als aktenwidrig. Dazu begehrt sie zunächst die Ergänzung, die Sehschärfe (beim linken Auge des Klägers) sei im Frühjahr 2022 „vermutlich“ schon etwas schlechter gewesen.
Die vom Erstgericht bestellte Sachverständige Univ.Doz. Dr. G*, auf deren Gutachten dieses die bekämpfte Feststellung stützt, ermittelte die ihrer Ansicht nach kontinuierlich eingetretene Verschlechterung der Sehschärfe am linken Auge des Klägers zu bestimmten Zeitpunkten. Richtig ist, dass sie die Sehschärfe im Frühjahr 2022 als „vermutlich“ schon etwas schlechter als noch im Februar 2021 beurteilte. Dies begründete sie nachvollziehbar unter Hinweis auf die Angaben des Klägers, vorliegende Befunde sowie die eigene Erfahrung mit einer „Schätzung“ aufgrund des fortschreitenden grauen Stars, die sich auch mit den im September und November 2022 tatsächlich ermittelten (weiter verschlechterten) Sehschärfen gut in Einklang bringen lässt. Vor diesem Hintergrund stellt es weder eine Aktenwidrigkeit noch eine unrichtige Beweiswürdigung dar, wenn das Erstgericht - offenkundig unter Bedachtnahme auf das Regelbeweismaß der hohen Wahrscheinlichkeit(vgl RS0110701) - die von der Sachverständigen für das Frühjahr 2022 (bloß) geschätzte Sehschärfe seinen Feststellungen zugrunde legte.
Richtig ist, dass die Sachverständige für diesen Zeitraum eine Gesamtinvalidität von 5 0 ,25% (statt festgestellter 55,25%) ermittelte. Dabei handelt es sich aber ebenfalls um keine Aktenwidrigkeit, sondern um einen offenkundigen Schreibfehler, der unberücksichtigt bleiben kann. Dies ergibt sich bereits aus der vom Erstgericht zutreffend festgestellten Berechnung: „15/20 Gebrauchsminderung + Mehrfachschäden 1,5/20 + 0,25/20 = 83,75% vom Augenwert“. Daraus errechnet sich eine Gesamtinvalidität von 83,75% von 60%, das sind richtig 5 0 ,25%. Wie noch im Rahmen der Rechtsausführungen darzustellen sein wird, kommt es aber auf den Invaliditätsgrad des Klägers im Frühjahr 2022 ebenfalls nicht entscheidend an.
Zusammengefasst liegen somit weder die behauptete Aktenwidrigkeit noch die geltend gemachten unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unzutreffender Beweiswürdigung noch die von der Berufungswerberin in diesem Zusammenhang geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel vor.
Das Berufungsgericht übernimmt daher gemäß § 498 Abs 1 ZPO den vom Erstgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt und legt ihn seiner Entscheidung zugrunde.
Im Rahmen der Rechtsrüge hält die Berufungswerberin zunächst an ihrem Standpunkt fest, die vom Kläger (unstrittig) erst im Mai 2022 beantragte Neubemessung des Invaliditätsgrads sei im Hinblick auf die dafür gemäß Art 7.7. AUVB 2015 (idF 02/2016) vorgesehene maximal 4-jährige Frist ab dem Unfalltag nicht rechtzeitig erfolgt. Es handle sich dabei um eine Ausschlussfrist, die nur dann eingehalten werde, wenn die Antragstellung so rechtzeitig erfolge, dass nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge noch eine ärztliche Untersuchung innerhalb der 4-Jahresfrist durchgeführt werden könne. Im konkreten Fall habe bei einer Antragstellung im Mai 2022 nicht mit einer (Nach-)Begutachtung des Klägers vor Fristablauf am 3.6.2022 gerechnet werden können. Aus dem Umstand, dass die Beklagte dennoch die Sachverständige Dr. D* damit beauftragt habe, sei weder die Rechtzeitigkeit der Antragstellung noch ein Verzicht auf den Einwand der Verfristung abzuleiten. Gleiches gelte für die „Wissenserklärung“ von Herrn E*, dass sich das „innerhalb der Frist ausgehe“. Es könne auch nicht zulasten der Beklagten gehen, wenn der Kläger (festgestelltermaßen) die Terminvereinbarung mit der Sachverständigen trotz einer bereits 2021 subjektiv empfundenen Verschlechterung verzögert habe. Der Einwand der 4-Jahresfrist verstoße selbst dann nicht gegen Treu und Glauben, wenn die Beklagte sich nach Fristablauf noch auf Verhandlungen einlasse und neue Gutachten anfordere. Wie sich aus den Feststellungen ergebe, habe die Beklagte eine weitere Begutachtung von der Vornahme einer Star-Operation abhängig machen wollen, was der Kläger mit seinen Schreiben vom 10.10.2022 (Beilage ./3) abgelehnt habe. Daraufhin habe die Beklagte noch vor der Operation ein weiteres Gutachten abgelehnt und auf die Erstbemessung verwiesen. Damit seien die Verhandlungen beendet worden; nachträgliche Zusagen für eine Nachbegutachtung, auf welche der Kläger hätte vertrauen dürfen, seien nicht erfolgt.
Dem ist zu entgegnen:
Nach Art 7.7. der unstrittig anzuwendenden Versicherungsbedingungen (Beilage ./B) sind sowohl die versicherte Person als auch der Versicherer berechtigt, den Invaliditätsgrad jährlich bis 4 Jahre ab dem Unfalltag ärztlich neu bemessen zu lassen, wenn der Grad der dauernden Invalidität nicht eindeutig feststeht.
Die Berufung auf diese Ausschlussfrist(vgl RS0122119) kann gegen Treu und Glauben verstoßen, so etwa dann, wenn sich der Versicherer nach Fristablauf noch auf Verhandlungen einlässt und neue Gutachten anfordert(7 Ob 187/20f, Punkt 4.4. mwN) . Die klagende Partei machte bereits im erstinstanzlichen Verfahren zumindest dem Inhalt nach einen solchen Verstoß geltend.
Nach dem festgestellten Sachverhalt beauftragte die Beklagte, nachdem ihr der Kläger eine subjektiv wahrgenommene Verschlechterung der Sehschärfe (unstrittig im Mai 2022) mitgeteilt hatte, ein (Ergänzungs-)Gutachten bei der den Kläger behandelnden Augenfachärztin Dr. D*, obwohl dieser aufgrund der „Vertröstung“ auf einen Termin „in 2 bis 3 Monaten“ bei der Beklagten angefragt hatte, ob er „über diese“ allenfalls einen „schnelleren Termin“ bekommen könne, also im Wissen darum, dass die Begutachtung nicht mehr vor Ablauf der 4-Jahresfrist werde stattfinden können. Der den Kläger betreuende Mitarbeiter der Beklagten teilte diesem sogar explizit mit, es gebe kein Problem in zeitlicher Hinsicht und „das gehe sich aus“. Die Beklagte nahm dann auch das beauftragte Gutachten zum Anlass, den Kläger darauf hinzuweisen, er müsse die von Dr. D* empfohlene Star-Operation dulden und durchführen lassen, um „ein weiteres Gutachten zur Nachüberprüfung zu erwirken“, weil sie sich davon offenkundig die - entsprechend den Ausführungen der Sachverständigen sehr wahrscheinliche - Wiederherstellung einer Sehschärfe wie bei der Erstbegutachtung und damit eine Verbesserung der zum (Nach-)Begutachtungszeitpunkt bestandenen „verschlechterten“ Sehleistung erwartete. Daraufhin verwies die Beklagte – wie sich aus dem Inhalt ihrer Erklärungen ergibt und wie die Berufung auch zugesteht – aufgrund der Weigerung des Klägers, die ihrer Meinung nach duldungspflichtige Operation durchführen zu lassen (vgl Beilage ./3), auf die Abrechnung gemäß Erstgutachten und erklärte, kein weiteres Gutachten zu beauftragen, weil die Einschätzung der Sachverständigen Dr. D* (offenbar betreffend die Duldungspflicht der Graue-Star-Operation, weil die Sachverständige eine „mittlerweile faktisch gänzliche Seheinschränkung“ im Sinn des klägerischen Standpunkts festgestellt hatte -vgl Urteil, Seite 8) für sie schlüssig sei.
Bei diesem Sachverhalt verstößt es nach der dargestellten Judikatur gegen Treu und Glauben, wenn sich die beklagte Partei im vorliegenden Verfahren auf den Ablauf der Frist gemäß Art 7.7. AUVB 2015 beruft. Dies gilt auch unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass der Kläger erst nach der am 3.11.2022 (nach anwaltlicher Intervention) unter Verweis auf die Schlüssigkeit der Einschätzung Dris. D* klargestellten Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens von der ursprünglich erklärten Verweigerung der von ihm geforderten Operation abrückte und diese doch durchführen ließ. Da erst mit dem genannten Schreiben deutlich wurde, dass die Beklagte (auch) keine Bereitschaft zeigte, die Duldungspflicht des Klägers noch durch ein weiteres Gutachten überprüfen zu lassen, und dieser in Reaktion darauf die Operation noch im selben Monat (November 2022) über sich ergehen ließ, ist auch der Einwand treuwidrig, die Versäumung der Ausschlussfrist sei spätestens mit dem Verweis der Beklagten auf die Abrechnung laut Erstgutachten bzw die Ablehnung eines weiteren Gutachtens eingetreten, zumal der Kläger zuvor die Durchführung der Graue-Star-Operation (auch für die Zukunft) verweigert habe.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Dr. D* nach dem Inhalt des Erstgutachtens Beilage ./5 (Seite 13), deren Echtheit nicht bestritten wurde (Protokoll vom 1.10.2024, Seite 5), die bereits damals prinzipiell mögliche Star-Operation als „derzeit nicht indiziert“ und zudem aufgrund des Alters des Klägers, der Traumaanamnese und des damit verbundenen erhöhten Operationsrisikos als nicht duldungspflichtig erachtete; bei (möglicher) zunehmender Eintrübung der Linse im weiteren Verlauf wäre eine Star-Operation aber – den Wunsch des Klägers vorausgesetzt (!) – durchaus sinnvoll. Wenn dieser somit gegenüber einer (ohne nachvollziehbare Begründung) nunmehr abweichend beurteilten Duldungspflicht skeptisch war und die Einholung eines weiteren Gutachtens forderte, ist dies sehr gut nachvollziehbar. Schließlich ist noch zu bedenken, dass der Grundsatz von Treu und Glauben gerade das Versicherungsverhältnis in besonderem Maß beherrscht(RS0018055) .
Die Berufung der beklagten Partei auf den Ablauf der Ausschlussfrist ist somit insgesamt treuwidrig und geht dementsprechend ins Leere.
Weiterer Feststellungen bedarf es dazu nicht, sodass in diesem Zusammenhang auch die – zu einem guten Teil bereits im Rahmen der Beweisrüge – geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel nicht vorliegen.
Die Berufungswerberin verweist im Weiteren grundsätzlich zutreffend darauf, dass für die Versicherungsleistung der Invaliditätsgrad bis maximal zum Ablauf der 4-Jahresfrist maßgeblich ist und dementsprechend auch im Fall einer rechtzeitig beantragten Neubemessung erst nach Fristablauf eingetretene Verschlechterungen nicht zu berücksichtigen sind(7 Ob 173/18v) . Ergänzend führt sie dazu aus, nach dem festgestellten Sachverhalt sei erst nach der Graue-Star-Operation und damit außerhalb der maßgeblichen 4-jährigen Frist eine völlige Funktionsunfähigkeit des linken Auges des Klägers eingetreten. Das Erstgericht habe jedenfalls nicht festgestellt, dass die angenommene Gebrauchsminderung von 98,75% bzw 100% des Augenwerts bereits innerhalb der 4-Jahresfrist bestanden habe, weshalb die Versicherungsleistung auch nicht auf dieser Basis zu ermitteln sei. Die vom Erstgericht vorgenommene Leistungsberechnung ausgehend von einer 100%igen Funktionsbeeinträchtigung des linken Auges des Klägers sei demnach unrichtig.
Auch hier greift der von der klagenden Partei jedenfalls im Ergebnis erhobene Einwand eines Verstoßes gegen Treu und Glauben: Ausgehend von diesem nun eingenommenen Rechtsstandpunkt hätte die Beklagte Dr. D* mit der Bewertung des Invaliditätsgrads zum 3.6.2022 beauftragen müssen, zumal die allfällige Verbesserung durch eine danach erfolgte Operation unerheblich wäre. Tatsächlich aber befragte sie die Sachverständige (ergänzend) zu einer entsprechenden Duldungspflicht und forderte den Kläger unter Hinweis auf eine solche zur Durchführung der Graue-Star-Operation auf - von welcher sie sich ausgehend vom Sachverständigengutachten zweifellos eine Verbesserung der Sehschärfe zumindest auf den Wert des Erstgutachtens erhoffte. Damit erzeugte die Beklagte beim Kläger die (berechtigte) Erwartung, sie werde die Versicherungsleistung auf Basis des nach Durchführung der Operation bestehenden Zustands des linken Auges erbringen. Unter diesen Umständen ist es treuwidrig, wenn sich die beklagte Partei nun, da die Star-Operation nicht das von ihr erhoffte Ergebnis brachte, sondern nach den Feststellungen sogar noch zu einer Verschlechterung des davor bestandenen Zustands führte, letztlich wiederum unter Hinweis auf Art 7.7. AUVB 2015 darauf beruft, es sei (doch) auf jenen Invaliditätsgrad abzustellen, welcher vor der Operation bestanden habe.
Es ist daher im konkreten Fall nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht die Versicherungsleistung ausgehend von der nach der Graue-Star-Operation vorgelegenen Gebrauchsminderung beim linken Auge des Klägers im Ausmaß von 100% des Augenwerts und daher gemäß Art 2.1. der anzuwendenden Versicherungsbedingungen von einer 60%igen Invalidität bemisst.
Dem weiteren Einwand, das Erstgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Parteien von der vereinbarten „Schriftform“ (Art 24 AUVB 2015) schlüssig und einvernehmlich abgegangen seien, lässt sich zunächst nicht entnehmen, welche konkrete Rechtsfolge die Berufungswerberin daraus ableiten will. Sollte sie meinen, die „Verschlechterungsmeldung“ des Klägers sei mangels Einhaltung der vereinbarten geschriebenen Form unwirksam, verstößt sie auch mit diesem Einwand gegen Treu und Glauben, zumal ihr Mitarbeiter dem Kläger versicherte, dieser sei „innerhalb der Frist“ für eine entsprechende Bekanntgabe sowie Nachuntersuchung und „das gehe sich aus“, wobei die Beklagte auch tatsächlich ein Gutachten beauftragte, auf dessen Basis sie den Kläger schließlich zur Duldung der Graue-Star-Operation aufforderte(vgl auch RS0014378 [T9]) .
Soweit die Berufungswerberin schließlich eine Leistungspflicht ihrerseits unter Berufung auf Obliegenheitsverletzungen durch den Kläger bestreitet, ist ihr zu entgegnen:
Ist die Leistungsfreiheit (des Versicherers) für den Fall vereinbart, dass (vom Versicherten) eine Obliegenheit verletzt wird, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, tritt die vereinbarte Rechtsfolge gemäß § 6 Abs 3 VersVG nicht ein, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Wird die Obliegenheit nicht mit dem Vorsatz verletzt, die Leistungspflicht des Versicherers zu beeinflussen oder die Feststellung solcher Umstände zu beeinträchtigen, die erkennbar für die Leistungspflicht des Versicherers bedeutsam sind, bleibt dieser zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung Einfluss gehabt hat.
Art 19.2. der anzuwendenden Versicherungsbedingungen regelt jene Obliegenheiten, deren Verletzung die Leistungsfreiheit der Beklagten als Versicherer gemäß den Voraussetzungen und Begrenzungen des § 6 Abs 3 VersVG bewirkt. Danach ist etwa nach dem Unfall unverzüglich ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, die ärztliche Behandlung bis zum Abschluss des Heilverfahrens fortzusetzen und nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung der Unfallfolgen zu sorgen (2.3.); außerdem sind dem Versicherer alle verlangten sachdienlichen Auskünfte zu erteilen (2.4.).
Wenn die Berufungswerberin dazu (zusammengefasst) moniert, der Kläger habe
- ihr die 2021 subjektiv empfundenen Veränderungen am linken Auge gar nicht und die im Frühjahr 2022 wahrgenommene Verschlechterung der Sehschärfe verspätet mitgeteilt sowie
- nach Wahrnehmung der neuerlichen Verschlechterung im Jahr (richtig:) 202 2 nicht sofort (zB ohne Terminvereinbarung in der „Augenambulanz“) ärztliche Hilfe in Anspruch genommen und keinen objektiven Befund erheben lassen,
liegt darin (jedenfalls) keine grob fahrlässige Verletzung von Obliegenheiten gegenüber der Beklagten iSd Art 19.2. der anzuwendenden Versicherungsbedingungen iVm § 6 Abs 3 VersVG. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger die im Jahr 2021 subjektiv empfundene Veränderung am linken Auge durch die ihn betreuende Augenärztin, welche überdies von der Beklagten mit der gutachterlichen Beurteilung seines Zustands beauftragt worden war, untersuchen ließ, wobei keine relevante Verschlechterung festgestellt werden konnte, und er die Beklagte über den im Frühjahr 2022 aufgekommenen Verdacht eines weiteren Verlusts der Sehschärfe, der ihm im März 2022 noch nicht gesichert schien, jedenfalls im Mai 2022 informierte und zudem einen weiteren Untersuchungstermin bei seiner Augenärztin vereinbarte. Es ist auch zu bedenken, dass der Kläger durch das ihm nun vorgeworfene (zögerliche) Verhalten selbst das wesentliche Risiko einging, nämlich die Verschlechterung zu spät zu melden oder deren Eintritt vor Ablauf der 4-Jahresfrist nicht nachweisen zu können; dies ausgehend vom Grundsatz, dass jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat(RS0037797) .
Vor allem aber widerspricht es unter Bedachtnahme auf die bereits dargestellte Judikatur wiederum dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der den Kläger betreuende Mitarbeiter der Beklagten diesem auf die „Verschlechterungsmeldung“ hin mitteilt, der Kläger sei „noch innerhalb der dafür vorgesehenen Frist“, die Beklagte ein Gutachten zur Beurteilung der Verschlechterung in Auftrag gibt, auf dessen Basis vom Kläger die Duldung einer Star-Operation verlangt und sich, nachdem diese nicht das erhoffte Ergebnis bringt, erstmals im vorliegenden Verfahren auf den Standpunkt stellt, sie sei bereits aufgrund von Auskunfts-, Dokumentations- und Behandlungspflichtverletzungen des Klägers leistungsfrei. Auch dieser Einwand scheitert daher bereits an seiner Treuwidrigkeit.
Es bedarf somit entgegen dem Standpunkt der Berufungswerberin auch keiner ergänzenden Feststellungen über eine (ärztlicherseits erfolgte) allgemeine Aufklärung des Klägers, wonach er sich beim Auftreten von Beschwerden oder Auffälligkeiten sofort in Behandlung begeben solle.
Dementsprechend bleibt auch die Rechtsrüge und mit ihr die Berufung insgesamt erfolglos.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die mit der Berufung unterlegene beklagte Partei hat der klagenden Partei die Kosten der zweckentsprechenden Berufungsbeantwortung zu ersetzen. Dabei war zu berücksichtigen, dass dieser bei der Ermittlung der USt ein geringfügiger Rechenfehler unterlief.
Die ordentliche Revision ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen. Die hier vor allem relevante Beurteilung, ob die Erhebung bestimmter Einwände gegen Treu und Glauben verstößt, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab(vgl etwa RS0016824 [T4]; RS0014838 [T15]) . Das Berufungsgericht orientierte sich dabei an gesichert erscheinender höchstgerichtlicher Judikatur.