4Ob108/25y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Mag. Böhm und Dr. Gusenleitner Helm in der Rechtssache der klagenden Partei * GmbH, *, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig und Mag. Hannes Gradischnig, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch die CHG Czernich Haidlen Gast Partner Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen 8.820 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. April 2025, GZ 5 R 183/24h 40, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 14. Oktober 2024, GZ 18 C 233/24v 33, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin ist Immobilienmaklerin. Sie war vom Eigentümer (Verkäufer) mit der Vermittlung einer Liegenschaft beauftragt, auf der zugunsten des Beklagten ein Vorkaufsrecht einverleibt war. Über Vermittlung der Klägerin kam zwischen dem Verkäufer und einem Kaufinteressenten (Erstkäufer) ein Kaufvertrag (erster Vertrag) zustande, der den „Vorkaufsfall“ für den Beklagten auslöste. Nach Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Beklagten unterzeichneten er und der Verkäufer einen von den Beklagtenvertretern im Auftrag des Beklagten verfassten schriftlichen Kaufvertrag (zweiter Vertrag) über die Liegenschaft. Dieser enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
„ …
4.5. … Ebenfalls wird der Treuhänder beauftragt, nach Vorliegen der Voraussetzungen zur Ausbezahlung des Kaufpreises sowie nach Vorlage einer den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Rechnung durch den Makler, den unter Punkt 3.3. dieses Vertrages genannten Betrag, sofern dieser rechtmäßig zusteht, an den Makler bzw. das in der Rechnung genannte Konto auszubezahlen.
…
8.1. … ebenso verpflichtet sich der Käufer das Maklerhonorar in der Höhe von EUR 8.820,00 (brutto), unter den in der Treuhandschaft genannten Voraussetzungen, auf das in 3.3. genannte Konto in der dort genannten Frist einzubezahlen. … “
[2] Das Erstgericht wies das auf Zahlung einer Maklerprovision von 8.820 EUR sA gerichtete Klagebegehren ab.
[3] Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Klagsstattgebung ab, weil der zwischen dem Verkäufer und dem Beklagten geschlossene (zweite) Vertrag ein echter Vertrag zugunsten der Klägerin sei.
[4] Es ließ die ordentliche Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu vorliege, ob der Vorkaufsberechtigte zur Übernahme der Maklerprovision verpflichtet sei, wenn nur der Vertrag zwischen dem Verkäufer und dem Erstkäufer eine Verpflichtung zur Zahlung der Maklerprovision enthalte.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die von der Klägerin beantwortete Revisiondes Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[6] 1. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist nicht präjudiziell ( RS0088931 ), weil das Berufungsgericht nach seiner Begründung ohnehin selbst davon ausgeht, dass auch im zweiten Vertrag eine Regelung über die Zahlung der Provision durch den Beklagten aufgenommen wurde, die es als echten Vertrag zugunsten der klagenden Maklerin wertete.
[7] 2. Dass ein Makler einen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung seiner Provision gegenüber einem Vorkaufsberechtigten hat, der sein Vorkaufsrecht anlässlich eines vom Makler vermittelten Kaufvertragsabschlusses mit dem Erstkäufer ausübt, sofern die Vertragsbestimmung, womit sich der Vorkaufsberechtigte zur Zahlung der Maklerprovision verpflichtet, als echter Vertrag zugunsten Dritter zu verstehen ist, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits bejaht ( 5 Ob 49/22z ; siehe auch 1 Ob 138/22h [Rz 8]). Mit der in der Revision vertretenen Ansicht, die Bestimmungen über die Tragung der Maklerprovision im zweiten Vertrag würden keinen echten Vertrag zugunsten der Klägerin darstellen, zeigt der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[8]3.1 Ein echter Vertrag zugunsten Dritter liegt vor, wenn aufgrund einer Vereinbarung ein an dieser nicht beteiligter Dritter nicht nur Leistungsempfänger, sondern Forderungsberechtigter sein soll (RS0017149). Ob ein Forderungsrecht des Dritten entsteht, ist gemäß § 881 Abs 2 Satz 1 ABGB aus der Vereinbarung und nach Natur und Zweck des Vertrags zu beurteilen. Ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Zeitpunkt auch der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, vom Versprechenden die Erfüllung des zu seinen Gunsten abgegebenen Versprechens zu fordern, hängt von dem – aus der Vereinbarung und der Natur und dem Zweck des Vertrags zu ermittelnden – Parteiwillen ab ( RS0017137[T2]). Nach der Zweifelsregelung des § 881 Abs 2 Satz 2 ABGB liegt ein echter Vertrag zugunsten Dritter dann vor, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteil gereichen soll ( RS0017145 ).
[9]3.2 Bei der Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien zu erforschen ( RS0017915 ). Darunter ist im Sinne der „Vertrauenstheorie“ die dem Erklärungsgegner erkennbare und von ihm widerspruchslos zur Kenntnis genommene Absicht des Erklärenden zu verstehen ( RS0017915 [T15, T27, T29, T31]). Der Wortlaut der Vereinbarung ist allein maßgeblich, wenn keine abweichende Absicht festgestellt werden kann ( R S0017915 [T28, T35]).
[10] 3.3 Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde ( RS0042936 , RS0042776 ). Das gilt auch für die Auslegungsfrage, ob ein echter Vertrag zugunsten Dritter vorliegt ( RS0017113 [T1], RS0017145 [T1]).
[11] 4. Die Revision zeigt keine grobe Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts bei der Auslegung der maßgeblichen Vertragsbestimmungen auf:
[12] 4.1 Dass der Beklagte nach den Feststellungen nicht beabsichtigte, der Klägerin aufgrund des zweiten Kaufvertrags ihm gegenüber einen unmittelbaren Anspruch auf eine Maklerprovision einzuräumen, steht der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung des Vertragstextes anhand seines objektiven Erklärungswerts nicht entgegen. Für die Bedeutung einer Willenserklärung ist nämlich nicht primär auf den Willen des Erklärenden, sondern auf das Verständnis abzustellen, welches ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser gewinnen durfte und gewonnen hat (objektiver Erklärungswert). Maßgebend ist also weder allein der Wille des Erklärenden noch die subjektive Auslegung des Erklärungsempfängers ( RS0014160 [T24, T25]; 4 Ob 90/19t [Pkt. 4.1]). Ein – vom Wortlaut des zweiten Kaufvertrags abweichender und dem objektiven Erklärungswert vorgehender (vgl RS0017915 [T38] =7 Ob 93/12w; RS0014160 [T17]) – übereinstimmender Wille des Verkäufers und des Beklagten, wonach die Klägerin keinen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung ihrer Provision gegenüber dem Beklagten haben sollte, liegt nach den Feststellungen jedenfalls nicht vor.
[13]4.2 Auch die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die die Verpflichtung zur Zahlung des Maklerhonorars beschränkende Wortfolge „sofern dieser […] zurecht besteht“ (nur) auf das Vorliegen der – im Verfahren jedoch nicht strittigen – Voraussetzungen des § 6 MaklerG abstellt, hält sich im Rahmen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums. Entgegen der Revision steht einer an die Voraussetzungen des § 6 MaklerG anknüpfenden vertraglichen Verpflichtung zur Tragung der Maklerkosten nicht entgegen, dass zwischen dem Beklagten und der Klägerin kein Maklervertrag abgeschlossen wurde und dem Beklagten der zwischen der Klägerin und dem Verkäufer geschlossene Maklervertrag unbekannt war.
[14] Warum ein redlicher Erklärungsempfänger die von den Beklagtenvertretern formulierte (und damit dem Beklagten zuzurechnende) inhaltliche Einschränkung der Zahlungspflicht – wie von der Revision vertreten – dagegen so verstehen musste, dass der Bestand der Zahlungsverpflichtung davon abhängig gemacht werden sollte, dass die Maklerprovision gerade gegenüber dem Beklagten rechtmäßig besteht, und weshalb dieses Verständnis gegen die Begründung eines Forderungsrechts der klagenden Maklerin sprechen soll, legt die Revision nicht schlüssig dar.
[15] 5. Da schon die vom Berufungsgericht primär herangezogene (die Stattgebung des Anspruchs tragende) Begründung mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht der inhaltlichen Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegt, ist auch die weitere in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Verpflichtung zur Tragung der käuferseitigen Maklerprovision im erstenKaufvertrag ein echter Vertrag zugunsten der Klägerin war, und ob dies eine Nebenleistungspflicht im Sinne des § 1077 ABGB darstellt, die der Beklagte als Vorkaufsberechtigter übernehmenmuss, nicht präjudiziell (RS0042736 [T2], vgl RS0118709 ).
[16]6. Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hingewiesen ( RS0035979 [T8]).