JudikaturOGH

8Ob91/24a – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. September 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka, Dr. Stefula, Dr. Thunhart und Mag. Dr. Sengstschmid als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin T* GmbH, *, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in Wien, Masseverwalter Mag. Nikolaus Vogt, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 3. Juli 2024, GZ 6 R 194/24d 12, womit der Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 16. Mai 2024, GZ 36 S 90/24p 1, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Rekursgericht zurückverwiesen, dem die Fortsetzung des Rekursverfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen wird.

Text

Begründung:

[1] Das Erstgericht eröffnete mit Beschluss vom 16. 5. 2024 das Konkursverfahren; der Beschluss wurde am selben Tag in die Insolvenzdatei eingetragen.

[2] Das Rekursgericht wies den am 31. 5. 2024 gegen die Konkurseröffnung erhobenen Rekurs der Schuldnerin als verspätet zurück, sprach aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[3] Der Revisionsrekurs der Schuldnerin beantragt (erkennbar), den Beschluss des Rekursgerichts aufzuheben und diesem die inhaltliche Entscheidung über ihren Rekurs aufzutragen.

[4] Die die Insolvenzeröffnung beantragende Gläubigerin Republik Österreich (35 SE 69/24t 1) begehrt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben; weitere Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionsrekurs ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und berechtigt.

[6] 1. Nach § 252 IOsind, soweit in diesem Gesetz nichts anderes angeordnet ist, auf das Verfahren die Bestimmungen der ZPO anzuordnen.

[7] 2.1.Nach ständiger Rechtsprechung ist das Rechtsmittel gegen einen Beschluss des Gerichts zweiter Instanz auf Zurückweisung eines Rekurses ein Revisionsrekurs im Sinne des § 528 ZPO, der nur unter dessen Voraussetzungen anfechtbar ist. Die Anfechtbarkeit eines solchen Zurückweisungsbeschlusses setzt damit – außer im Fall, dass er auf die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes nach einem materiellen Rechtsschutzbegehren hinausläuft (was jedoch hier nicht vorliegt – vgl 8 Ob 114/10p) – auch das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO voraus ( RS0044501 ; RS0044269 [T1, T2]); dies gilt auch im Insolvenzverfahren ( 8 Ob 108/23z ; 8 Ob 147/19d ; 8 Ob 64/19y ; 8 Ob 115/10k ; vgl RS0065182 ).

[8]Die Vorschrift des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist nicht anwendbar, wenn – wie hier – keine Bestätigung des Beschlusses des Erstgerichts vorliegt, weil der Rekurs gegen dessen Beschluss aus formellen Gründen ohne meritorische Prüfung zurückgewiesen wurde ( RS0044117 ; RS0044215 [T8]; vgl RS0044263 [T1]).

[9] 2.2. Im Konkurseröffnungsverfahren ist der Rekurs zweiseitig ( RS0116129 [T1]).

[10] 3.1. Nach § 257 Abs 2 IO treten dann, wenn neben der öffentlichen Bekanntmachung eine besondere Zustellung vorgeschrieben ist, die Folgen der Zustellung schon durch die öffentliche Bekanntmachung ein, auch wenn die Zustellung unterblieben ist. Daher wird die Rechtsmittelfrist bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung durch Aufnahme in die Insolvenzdatei in Lauf gesetzt, und zwar unabhängig davon, ob eine individuelle Zustellung erfolgt ist ( RS0065237 ; RS0110969 ). Ob eine individuelle Zustellung oder eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung zu wählen ist, bestimmt zwingend das Gesetz ( RS0105980 ).

[11] Nach § 74 Abs 1 IO ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch ein Edikt öffentlich bekanntzumachen.

[12] Die Rekursfrist beträgt gemäß § 260 Abs 1 IO 14 Tage. Ihre Berechnung beginnt gemäß § 252 IO in Verbindung mit § 125 ZPO am Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung; der Tag nach der Bekanntmachung ist der erste Tag der Rechtsmittelfrist ( RS0065237 [insb T27]; 8 Ob 121/01d ).

[13] 3.2. Nach § 126 Abs 2 ZPO – der im Insolvenzverfahren ebenfalls anzuwenden ist (vgl Buchegger in Fasching/Konecny 3 II/3§ 126 ZPO [2015] Rz 14 ) – ist dann, wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, Feiertag oder Karfreitag fällt, der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

[14] 3.3. Als Feiertage gelten gemäß § 1 Abs 1 Feiertagsruhegesetz, BGBl 1957/153: 1. Jänner (Neujahr), 6. Jänner (Heilige Drei Könige), Ostermontag, 1. Mai (Staatsfeiertag), Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam, 15. August (Mariä Himmelfahrt), 26. Oktober (Nationalfeiertag), 1. November (Allerheiligen), 8. Dezember (Mariä Empfängnis), 25. Dezember (Weihnachten) und 26. Dezember (Stephanstag).

[15] 4.1. Der erste Tag der Rekursfrist war hier der 17. 5. 2024, und das Ende der Rekursfrist wäre auf Donnerstag, den 30. 5. 2024, gefallen, der jedoch Fronleichnam und daher ein Feiertag war. Der letzte Tag der Rekursfrist war somit Freitag, der 31. 5. 2024. Der an diesem Tag im Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) erhobene Rekurs der Schuldnerin war damit entgegen der Rechtsauffassung des Rekursgerichts – die Revisionsrekursbeantwortung der Republik geht auf die im Revisionsrekurs der Schuldnerin aufgeworfene Frage der Rechtzeitigkeit gar nicht ein – nicht verspätet.

[16] 4.2. Dem Revisionsrekurs der Schuldnerin war daher Folge zu geben, die Entscheidung des Rekursgerichts war aufzuheben und diesem war die Entscheidung über den Rekurs der Schuldnerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

[17] Soweit die Revisionsrekurswerberin RS0062267 und RS0041446 anscheinend hier angewandt wissen will, so verkennt sie, dass die dort indizierten Entscheidungen – hier nicht vorliegende – Fallkonstellationen betrafen, in denen der Oberste Gerichtshof selbst irrtümlich die Verspätung von Rechtsmitteln angenommen und seinen Entscheidungen zugrundegelegt hatte.

[18] 4.3.Ein Kostenersatz kommt im Insolvenzverfahren auch im Rechtsmittelverfahren nicht in Betracht (RS0065227 [insb T1]).