JudikaturJustiz9Ob56/18b

9Ob56/18b – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Familienrechtssache des Antragstellers Dipl. Ing. W***** H*****, vertreten durch Korp Rechtsanwälte GmbH in Andorf, gegen den Antragsgegner W***** H*****, vertreten durch Mag. Richard Wöss, Rechtsanwalt in Wels, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 20. Juni 2018, GZ 21 R 154/18y 36, womit dem Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 17. April 2018, GZ 4 Fam 92/17m 29, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts hängt hier die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ab. Die Zurückweisung des ordentlichen Revisionsrekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 Satz 4 AußStrG).

1.1. Der Vermögensstamm ist nach herrschender Auffassung bei der Unterhaltsbemessung regelmäßig nicht zu berücksichtigen (vgl RIS-Justiz RS0047494 [T7]; 9 Ob 71/16f Pkt 2.1.). Die Eltern müssen allerdings dann im Rahmen des Zumutbaren zur Erfüllung ihrer Unterhaltsverpflichtungen auch ihr Vermögen angreifen, wenn und soweit die erforderlichen Unterhaltsleistungen nicht aus dem laufenden Einkommen bestritten werden können (RIS Justiz RS0047494; RS0113786 [T3]; RS0047494 [T3]).

1.2. Ob und in welchem Umfang für Unterhaltsleistungen die Heranziehung des Vermögensstamms des Unterhaltspflichtigen, wozu auch der Verkaufserlös von Liegenschaften gehört, zumutbar ist, ist nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls zu prüfen (RIS Justiz RS0047414 [T1]; RS0047470 [T1]; RS0047494 [T6]) und ist daher nur dann vom Obersten Gerichtshof überprüfbar, wenn dem zweitinstanzlichen Gericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. Eine solche kann der Rechtsmittelwerber aber nicht aufzeigen.

1.3. Richtig ist zwar, dass der Antragsteller, der unterhaltspflichtige Vater des volljährigen Antragsgegners, kostenfrei im Haus seiner Mutter wohnt. Dennoch ist es nicht unvertretbar, wenn das Rekursgericht im Rahmen seiner Zumutbarkeitsprüfung zugunsten des Antragstellers ins Treffen führt, dass dieser bereits seit einigen Jahren arbeitslos ist, aufgrund seines höheren Alters vermutlich keine Beschäftigung mit einem an sein früheres Einkommen heranreichenden Einkommen mehr finden wird können und daher auch ein pflichtbewusster Familienvater in aufrechter Ehe bei gleicher Sachlage (6 Ob 106/11y mwN) die einzige vorhandene Vermögensreserve für das Alter, ein größeres Baugrundstück, nicht (auch nicht zum Teil) veräußern würde, um seinen Kindern jetzt einen höheren Unterhalt zahlen zu können. Aus der Entscheidung 6 Ob 106/11y, auf die der Revisionsrekurswerber seine gegenteilige Rechtsansicht stützt, ist aufgrund des unterschiedlichen Sachverhalts für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Hat hier der Antragsgegner bereits sein Bachelorstudium abgeschlossen, sodass die Unterhaltspflicht des Antragstellers wohl nach dem Abschluss des Masterstudiums in etwa zwei Jahren enden wird, besuchte der Unterhaltsberechtigte in 6 Ob 106/11y erst die 7. Klasse Gymnasium. Für die Berücksichtigung des Vermögens der Mutter des Antragstellers bzw des zu erwartenden Erbes nach dem Tod seiner Mutter bei der hier vorzunehmenden Zumutbarkeitsprüfung findet sich keine gesetzliche Grundlage.

2.1. Der Unterhaltsschuldner hat alle Kräfte anzuspannen, um seiner Verpflichtung nachkommen zu können; er muss alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einsetzen (RIS Justiz RS0047686). Tut er dies nicht, wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit bzw Antragstellung hätte erzielen können, sofern den Unterhaltsschuldner ein Verschulden daran trifft, dass er keine Erwerbstätigkeit ausübt (RIS Justiz RS0047495; 4 Ob 1/18b mwN). Der Unterhaltspflichtige muss neben den Vermittlungsversuchen der für ihn zuständigen Arbeitsvermittlungsstellen auch eigene Anstrengungen zur Erzielung eines angemessenen Einkommens entfalten (RIS Justiz RS0108616). Der Mangel an zielstrebiger und tatkräftiger Arbeitsplatzsuche löst den Anspannungsgrundsatz aus (RIS-Justiz RS0106230 [T2]).

2.2. Ob die Voraussetzungen für eine Anspannung im konkreten Fall gegeben sind oder nicht, richtet sich ebenfalls nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls (RIS-Justiz RS0113751; RS0007096 [T7]; 8 Ob 90/16t). Auch die Frage, ob den Unterhaltsschuldner ein Verschulden daran trifft, dass er keine Erwerbstätigkeit ausübt, begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RIS-Justiz RS0007096 [T5]). Das Rekursgericht hat diese Rechtsfragen vertretbar gelöst.

2.3. Im vorliegenden Fall war der Antragsteller nicht nur beim AMS gemeldet, er hat auch selbst zahlreiche Bewerbungsschreiben verfasst. Das Rekursgericht legte seiner Beurteilung zu Grunde, dass der unterhaltspflichtige Antragsteller 1.350 EUR monatlich erzielen könnte, wenn er eine der ihm vom AMS angebotenen niedriger qualifizierten Stellen als seine zuletzt ausgeübte Beschäftigung angenommen hätte. Versuche des AMS, den bereits seit Oktober 2012 arbeitslosen und im 55. Lebensjahr befindlichen Antragsteller auf eine seiner Qualifikation entsprechende Beschäftigung zu vermitteln, scheiterten. Dass der Antragsteller verschuldet keiner solchen Erwerbstätigkeit nachgeht, lässt sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen. Soweit der Revisionsrekurswerber seinen Ausführungen zugrunde legt, dass der Antragsteller nicht glaubwürdig sei und sich nicht ausreichend um einen entsprechenden Arbeitsplatz bemüht habe, wird in unzulässigerweise die Tatsachengrundlage angegriffen (RIS Justiz RS0069246).

Da insgesamt vorliegend keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu lösen ist, ist der Revisionsrekurs des Antragsgegners als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Der Antragsteller hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen (9 Ob 26/18s; RIS-Justiz RS0122774 [T1]).

Rechtssätze
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  • RS0007096OGH Rechtssatz

    07. September 2021·3 Entscheidungen

    Die Art der Anspannung ist Frage des Einzelfalles.