JudikaturJustiz9Ob2/17k

9Ob2/17k – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr in der Rechtssache der klagenden Partei C***** J*****, vertreten durch Mag. Georg Morent, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. J***** K*****, vertreten durch Mag. Stefan Kauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.036 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. September 2016, GZ 36 R 88/16g 25, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 26. Jänner 2016, GZ 41 C 1070/14t 21, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 7.036 EUR samt 4 % Zinsen seit 16. 2. 2010 zu zahlen und die mit 3.697,09 EUR (darin 722,41 EUR Barauslagen, 497,62 EUR USt) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.

Die Aufrechnungseinrede der beklagten Partei wird abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.000,41 EUR (darin 1.088 EUR Barauslagen, 152,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.988,52 EUR (darin 1.362 EUR Barauslagen, 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hatte den beklagten Rechtsanwalt mit der versicherungsrechtlichen Abwicklung des Schadens aus ihrer am 12. 11. 2009 abgebrannten Wohnung beauftragt. Die Rechtsschutzversicherung der Klägerin hatte dem Beklagten mitgeteilt, mit Ausnahme einer Pauschale von 100 EUR für das Beratungshonorar des Beklagten keine Rechtsschutzdeckung zu übernehmen. In der dem Beklagten erteilten Vollmacht hatte sich die Klägerin ua verpflichtet, den Beklagten nach den AHK zu entlohnen und angemessene Vorschüsse zu leisten, und ihn ermächtigt, seine Honorar- und Auslagenforderung von der bei ihm eingehenden Barschaft in Abzug zu bringen.

Nach (im Einzelnen festgestellten) Schreiben und Telefonaten des Beklagten überwies die Versicherung an den Beklagten für den Brandschaden zunächst 30.000 EUR, die er der Klägerin weiterleitete. In der Folge zahlte die Versicherung weitere 30.000 EUR, wovon der Beklagte nach Beendigung des Mandats durch die Klägerin 7.036 EUR (Klagsbetrag) für sein Honorar einbehielt und ihr am 26. 1. 2010 den Restbetrag überwies. Den Einbehalt hatte der Beklagte in einem an die Klägerin gerichteten Schreiben, dem seine Honorarnote über 8.036,57 EUR angeschlossen war, angekündigt. Schließlich überwies die Versicherung Mitte Februar 2010 noch einen weiteren Betrag von 23.302 EUR, den der Beklagte ungeschmälert an die Klägerin weiterleitete. Der Klägerin störte der Abzug des Beklagten, da sie der Ansicht war, dass er seinen Honoraranspruch über die Rechtsschutzversicherung abzuwickeln hätte und er „nichts für sie gemacht“ hätte. Der von ihr beauftragte neue Klagevertreter forderte den Beklagten mit Schriftsatz vom 15. 2. 2010 zur Überweisung des einbehaltenen Betrags auf, indem er um Übermittlung einer detaillierten korrekten Honorarnote ersuchte und darauf hinwies, dass der Beklagte nicht berechtigt wäre, eigenmächtig über Kapital der Klägerin zu verfügen und sie ihn beauftragt hätte, nur nach Maßgabe der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung für sie tätig zu werden. Es folgten bis 19. 4. 2010 mehrere Urgenzschreiben. Der Klagevertreter hinterfragte auch einzelne Positionen des Kostenverzeichnisses des Beklagten und ersuchte um Aufklärung. Der Beklagte übersandte ihm am 24. 2. 2010 ein fünfseitiges Schreiben mit der Beschreibung seiner Leistungen.

Nachdem eine Nachfrage zur Deckung der Kosten des Beklagten durch ihre Rechtsschutzversicherung erfolglos blieb, beschwerte sich die Klägerin am 25. 11. 2010 bei der Rechtsanwaltskammer ***** über seine Vorgangsweise. Das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren wurde jedoch wegen Verzichts auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft abgebrochen. Die Klägerin wurde davon mit Bescheid vom 7. 5. 2012 in Kenntnis gesetzt. Am 27. 8. 2013 ersuchte der Klagevertreter bei der Rechtsanwaltskammer ***** um eine Entschädigungsleistung aus dem Notfallsfond, was erfolglos blieb.

Am 11. 6. 2014 brachte die Klägerin die verfahrensgegenständliche Mahnklage ein, mit der sie unter Berufung auf Schadenersatz, Bereicherung und Herausgabe der vom Beklagten zu Unrecht eingehaltenen Barschaft den Klagsbetrag begehrte.

Soweit revisionsgegenständlich, wandte der Beklagte Verjährung ein. In der Tagsatzung vom 10. 9. 2015 rechnete er überdies mit Beträgen von 451,60 EUR und 887,10 EUR zuzüglich USt für noch nicht verrechnete Schreiben vom Jänner und Februar 2010 und Konferenzen auf, die von der Klägerin als verjährt erachtet und inhaltlich bestritten wurden.

Die Vorinstanzen erachteten den Anspruch der Klägerin im Sinn der Rechtsprechung zur dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 6 ABGB als verjährt. Das vor der Rechtsanwaltskammer ***** wegen eines Verstoßes gegen § 19 RAO und §§ 16, 17 RL BA eingeleitete Disziplinarverfahren habe zu keiner Hemmung geführt, weil der Klägerin daraus kein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch erwachsen könne und das Verfahren daher ohne Einfluss auf dessen Verjährung sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zur Frage zulässig sei, ob der Anspruch des Mandanten auf Herausgabe der zur Begleichung des Anwaltshonorars vom Rechtsanwalt einbehaltenen Barschaft der Frist des § 1486 Z 6 ABGB unterliege.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgabe.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

I. Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Ausfolgung der (restlichen) Versicherungssumme, die er in Erfüllung seines Auftrags zur versicherungsrechtlichen Brandschadensabwicklung für die Klägerin erhalten hat.

I.1. Als Gewalthaber des mit der Klägerin begründeten Vollmachts- und Auftragsverhältnisses ist der Beklagte grundsätzlich zur Herausgabe aller aus dem Geschäft erhaltenen Vorteile an den Machtgeber verpflichtet (§ 1009 ABGB; s auch § 17 RL BA 1977 bzw § 13 RL BA 2015 [Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes]). Der Herausgabeanspruch nach § 1009 ABGB ist kein Schadenersatz-, sondern ein Erfüllungsanspruch des Geschäftsherrn aus dem Vertragsverhältnis. Er steht in keinem synallagmatischen Zusammenhang mit dem Entlohnungsanspruch des Beauftragten (s nur Strasser in Rummel , ABGB 3 § 1009 Rz 24 mwN).

I.2. Nach § 19 Abs 1 RAO ist der Rechtsanwalt berechtigt, von den für seine Partei an ihn eingegangenen Barschaften die Summe seiner Auslagen und seiner Verdienste, insoweit sie durch erhaltene Vorschüsse nicht gedeckt sind, in Abzug zu bringen, ist jedoch schuldig, sich hierüber sogleich mit seiner Partei zu verrechnen. Bei diesem Abzugsrecht handelt es sich (jedenfalls auch) um ein Aufrechnungsrecht (RIS Justiz RS0110833). Diese Bestimmung verbindet das Kompensationsrecht des Rechtsanwalts mit der schon nach § 1012 ABGB ganz allgemein für den Auftragnehmer bestehenden Rechnungslegungspflicht (RIS Justiz RS0110833 [T6]).

I.3. Wird die Richtigkeit und Höhe seiner Forderung bestritten, ist sowohl der Rechtsanwalt als auch die Partei berechtigt, den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer um die gütliche Beilegung des Streits anzugehen (§ 19 Abs 2 RAO). Der Rechtsanwalt ist im Fall der Bestreitung der Richtigkeit und Höhe seiner Forderung zu seiner Deckung auch zum gerichtlichen Erlag der bei ihm eingegangenen Barschaften bis zur Höhe der bestrittenen Forderung befugt, zugleich aber, wenn die angesuchte gütliche Beilegung ohne Erfolg geblieben ist, verpflichtet, die Richtigkeit und Höhe der letzteren nachzuweisen (§ 19 Abs 3 RAO). Die Rechtsprechung leitet daraus ab, dass bei der von einem Rechtsanwalt zu fordernden peniblen Geldgebarung gegenüber Klienten der Rechtsanwalt nur berechtigt ist, von den für seine Partei bei ihm eingegangenen Barschaften die Summe seiner Auslagen und seines Verdienstes, insoweit sie durch erhaltene Vorschüsse nicht gedeckt sind, in Abzug zu bringen, soferne seine Honorarforderungen nicht strittig sind. Von dieser Ausnahme abgesehen darf der Rechtsanwalt jedoch ihm übergebene Gelder weder widmungswidrig verwenden noch zurückbehalten. Er ist verpflichtet, bei Bestreitung der Kostenforderung bei ihm eingehende Geldbeträge entweder unverzüglich an den Berechtigten auszufolgen oder die zurückbehaltene Barschaft bei Gericht gemäß § 1425 ABGB zu hinterlegen (s RIS Justiz RS0033851; RS0056451; Thiele , Anwaltskosten 3 [2011] 13 mwN). Sobald der Rechtsanwalt für seinen Mandanten von einem Dritten entgegengenommene Geldbeträge nach Bestreitung seiner Forderung aus dem Mandatsverhältnis gerichtlich hinterlegt hat, steht § 19 Abs 3 RAO einer prozessualen Aufrechnungseinrede des Rechtsanwalts im Rechtsstreit über die Verpflichtung zur Ausfolgung jener Beträge nicht (mehr) im Weg (RIS-Justiz RS0121917).

I.4. § 19 RAO ist dispositiv. Solange die Grenzen der Sittenwidrigkeit nicht überschritten werden, sind auch von § 19 RAO abweichende Vereinbarungen über die Aufrechnung von Fremdgeldern mit auch bestrittenen Honorarforderungen wirksam (1 Ob 4/07f; Thiele , aaO 12). Dass die Streitteile einen solchen Willen bei der Vereinbarung über die Bevollmächtigung des Beklagten gehabt hätten, wurde jedoch nicht behauptet.

II. Die Klägerin ist in ihrer Revision im Wesentlichen der Ansicht, dass der „Rückforderungsanspruch“ des Mandanten aus der für ihn beim Rechtsanwalt erlegten Barschaft mangels Anwendbarkeit des § 1486 ABGB der allgemeinen dreißigjährigen Frist unterliege. Es handle sich um kein Geschäft des täglichen Lebens und infolge der Fälligkeit des Honoraranspruchs auch um keine Vorschüsse iSd § 1486 Z 6 ABGB.

II.1. Nach der Rechtsprechung verjährt der Herausgabeanspruch nach § 1009 ABGB in der allgemeinen Verjährungsfrist von 30 Jahren (8 Ob 5/06b; RIS Justiz RS0019397; Apathy in Schwimann/Kodek ABGB 4 § 1009 Rz 19; P. Bydlinski in KBB, ABGB 4 § 1009 Rz 4). Die den jeweiligen Entscheidungen zugrunde liegenden Fälle betrafen jedoch keinen Ausfolgungsanspruch eines Mandanten auf die beim beauftragten Rechtsanwalt eingegangene Barschaft, an der er sein Kompensationsrecht iSd § 19 RAO geltend macht. Das ist hervorzuheben, weil § 1486 Z 6 ABGB für das Abrechnungsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant eine dreijährige Verjährungsfrist vorsieht und damit die Frage nach der Anwendung dieser Frist auf Herausgabeansprüche wie den verfahrensgegenständlichen aufwirft.

II.2. Generell verkürzt § 1486 ABGB im Interesse der Rechtssicherheit die allgemeine dreißigjährige Verjährungsfrist für bestimmte Forderungen, vor allem für Forderungen des täglichen Lebens, auf drei Jahre. Maßgeblich hierfür ist das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, weil es bei diesen Geschäften nach längerer Zeit regelmäßig ganz unmöglich ist, den Beweis dafür zu erbringen, dass derartige Forderungen berechtigt sind. Auch die Aufbewahrung von Quittungen und Rechnungen durch dreißig Jahre hindurch würde eine unzumutbare Belastung darstellen. Unter § 1486 ABGB fallen aber auch Forderungen, bei denen die zugrunde liegenden Geschäfte nicht mehr als solche des täglichen Lebens bezeichnet werden können, also auch Forderungen von größeren Beträgen und aus selten vorkommenden Geschäften, wenn sie zu einer der in § 1486 ABGB aufgezählten Gruppe gehören (10 Ob 148/05w mwN; Vollmaier in Klang , ABGB 3 § 1486 Rz 6 mwN; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1486 Rz 1). Für die Anwendbarkeit der kurzen Frist schadet es daher nicht, dass die Honorarforderung des Beklagten nicht in einem alltäglichen Geschäft der Klägerin begründet ist. Die Aufzählung des § 1486 ABGB ist taxativ gemeint, doch ist eine sinngemäße Anwendung auf Rechtsverhältnisse, die nicht ausdrücklich genannt sind, nicht ausgeschlossen (10 Ob 148/05w; RIS Justiz RS0034205 [T1]).

II.3. In der jüngeren Rechtsprechung besteht darüber hinaus die Tendenz, die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich vertraglicher Erfüllungsansprüche hinaus auch auf (Bereicherungs )Ansprüche zu erstrecken, die funktionell vertraglichen Erfüllungsansprüchen ähneln oder wirtschaftlich an deren Stelle treten (jüngst etwa 10 Ob 62/16i mwN; s auch RIS Justiz RS0021868). Dies gilt ua auch für § 1486 Z 6 ABGB (10 Ob 148/05w).

II.4. Nach § 1486 Z 6 ABGB verjähren in drei Jahren auch Forderungen der Ärzte, Tierärzte, Hebammen, der Privatlehrer, der Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte und aller anderen zur Besorgung gewisser Angelegenheiten öffentlich bestellter Personen wegen Entlohnung ihrer Leistungen und Ersatzes ihrer Auslagen, sowie der Parteien wegen der Vorschüsse an diese Personen. Während sich die kurze Verjährungsfrist nach § 1486 Z 1 ABGB („für Lieferung von Sachen oder Ausführung von Arbeiten oder sonstige Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betriebe“) nur auf den Vergütungsanspruch des Unternehmers, nicht aber auf den Erfüllungsanspruch des Vertragspartners bezieht, unterstellt § 1486 Z 6 ABGB nicht nur die Entgelt- und Auslagenersatzansprüche der genannten Berufsgruppen („freie Berufe"), sondern auch Gegenforderungen der Parteien aus Vorschüssen der kurzen Verjährung. In der Entscheidung 10 Ob 148/05w wurde dazu ausgeführt: „Aus dem Gesamtzusammenhang der in § 1486 Z 1 bis Z 6 ABGB angeführten Tatbestände kann der Schluss gezogen werden, dass für alle Rechtsverhältnisse zur Abwicklung typischerweise beruflicher Tätigkeit hinsichtlich der Entgeltansprüche und der Ansprüche auf Rückgabe von Vorschüssen im Zweifel eine dreijährige Verjährungsfrist gelten soll. Diese kurze Verjährungsfrist findet ihre Rechtfertigung nicht nur in den bereits erwähnten Beweisschwierigkeiten nach Ablauf einer längeren Zeit, sondern auch in dem Umstand, dass im Rahmen von Schuldverhältnissen, die typischerweise zur Erzielung eines (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbs eingegangen werden, Entgelt und Vorschüsse auf das Entgelt im Allgemeinen feste Bestandteile in der Kalkulation des Tätigkeitsschuldners zur Abdeckung seiner laufenden Ausgaben darstellen. Eine Rückgabeverpflichtung trifft diesen daher besonders hart, während umgekehrt dem Vertragspartner auch bei einer 3 jährigen Anspruchsverfolgungsfrist angemessen Zeit bleibt, seine finanziellen Interessen zu wahren.“

II.5. § 1486 Z 6 ABGB erwähnt nur Vorschüsse, nicht aber auch sonstige Ansprüche, die einem Mandanten aus dem Auftragsverhältnis gegen den Rechtsanwalt zustehen können. Der von dritter Seite zugunsten des Mandanten erfolgte Erlag einer Barschaft bei einem Rechtsanwalt – hier der Versicherungsdeckungssumme – ist keine Vorschussleistung des Mandanten iSd § 1486 Z 6 ABGB, handelt es sich doch nicht um Gelder, die der Mandant dem Rechtsanwalt im Hinblick auf den Ersatz künftiger Auslagen oder einen erst künftig fälligen Vergütungsanspruch leistet (zum Vorschussbegriff s 10 Ob 148/05w; M. Bydlinski in Rummel , ABGB 3 § 1486 Rz 11; R. Madl in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.03 § 1486 Rz 20). Der Herausgabeanspruch des § 1009 ABGB ist einer Vorschussleistung auch in ihrem Wesenskern nicht vergleichbar, weil er die Ausfolgung dessen betrifft, was der Machthaber in Ausführung des Mandats für den Geschäftsherrn erlangt hat und was damit diesem zugewiesen ist. Anders als der Vorschuss muss das Erlangte daher auch in keiner Relation zu einem Vorschuss oder der Honorarforderung des Rechtsanwalts stehen. Ungleich dem Entgelt und Vorschüssen auf das Entgelt ist die mit der Auftragserfüllung zugunsten des Mandanten erzielte Barschaft im Allgemeinen auch kein fester Bestandteil in der Kalkulation der Tätigkeit des Anwalts zur Abdeckung seiner laufenden Ausgaben, deren Rückgabeverpflichtung ihn besonders hart treffen würde. All dies spricht dagegen, den Herausgabeanspruch insoweit einem Vorschuss iSd § 1486 Z 6 ABGB gleichzuhalten.

II.6. Aber auch die zur Verjährung von Bereicherungsansprüchen im Zusammenhang mit § 1486 ABGB unterliegenden Vertragsverhältnissen entwickelte Rechtsprechung ist nicht übertragbar, weil es sich hier nicht um einen (Bereicherungs-)Anspruch handelt, der funktionell vertraglichen Erfüllungsansprüchen aus dem wechselseitigen Leistungsaustausch ähneln würde oder wirtschaftlich an deren Stelle tritt. Wie schon unter Pkt I.1. dargelegt, ist der Herausgabeanspruch vielmehr ein vertraglicher Anspruch aus der Erfüllung des Mandatsverhältnisses, der in keinem synallagmatischen Zusammenhang mit dem Entlohnungsanspruch des Beauftragten steht.

II.7. Nicht zuletzt hätte eine Übertragung der genannten Rechtsprechung zur Verkürzung der Verjährung von Bereicherungsansprüchen im Vertragsverhältnis zur Folge, dass die Länge und allenfalls der Beginn der Verjährungsfrist des Herausgabeanspruchs aus einem Mandat davon abhinge, ob das Ausfolgungsbegehren den vom Einbehalt des Rechtsanwalts betroffenen Teil betrifft oder nicht. Für ein solches „Splitting“ von Verjährungsfristen innerhalb eines Anspruchs besteht keine gesetzliche Grundlage. Insgesamt ist hier daher eine Anwendung des § 1486 Z 6 ABGB auf den Herausgabeanspruch der Klägerin zu verneinen.

III. Zusammenfassend unterliegt der Anspruch des Mandanten auf Herausgabe der vom Rechtsanwalt zu seinen Gunsten erlangten Barschaft – hier der Deckungssumme – der allgemeinen dreißigjährigen Verjährungsfrist.

IV. Ein Abzugsrecht nach § 19 Abs 1 RAO oder ein Aufrechnungsrecht steht dem Beklagten hier mangels Erfüllung der materiellen Voraussetzungen (keine unbestrittene Kostenforderung, keine gerichtliche Hinterlegung) nicht zu, sodass auch seine Aufrechnungseinrede abzuweisen ist, ohne dass über den Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung abzusprechen ist (RIS Justiz RS0033996).

Da sich die Revision der Klägerin damit als berechtigt erweist, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Klagsstattgabe abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren auf den §§ 41, 50 ZPO.

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