JudikaturJustiz8Ob612/93

8Ob612/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Karl Heinz Petrag, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ali A*****, vertreten durch Dr.Peter Lambert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Pouran H***** (K*****), ***** vertreten durch Dr.Elisabeth Zimmert, Rechtsanwältin in Neunkirchen, und 2. Verlassenschaft nach dem am 25. Dezember 1985 verstorbenen Karim H*****, vertreten durch Dr.Helmut Hoberger, Rechtsanwalt in Perchtoldsdorf, wegen S 430.000 sA, infolge Rekurses der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 23.Juli 1993, GZ 4 R 55/93-72, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 8.März 1993, GZ 37 Cg 4/93-69, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Das Begehren auf Ersatz der Rekurskosten wird abgewiesen.

Text

Begründung:

In dem vor dem Bezirksgericht Mödling zu 2 A 323/87 geführten Verlassenschaftsverfahren nach dem am 25.12.1985 verstorbenen iranischen Staatsbürger Karim H***** gaben dessen Witwe Pouran H***** (K*****) zu einem Drittel und seine drei Töchter Rosita, Saira und die mj.Lona H*****, letztere vertreten durch ihre Mutter, zu je 2/9 des Nachlasses bedingte Erbserklärungen ab. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 22.9.1987, der vom Rekursgericht bestätigt wurde, wurde auf Antrag des Ali A***** die Nachlaßabsonderung verfügt, Rechtsanwalt Dr.Peter S***** zum Separationskurator bestellt und angeordnet, daß die bereits verfügte Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die erbserklärten Erben erloschen sei. Weiters wurde dem Antragsteller Ali A***** eine Frist von zwei Monaten zur gerichtlichen Geltendmachung seiner der Nachlaßabsonderung zugrundeliegenden Forderung von S 413.300 gesetzt.

Mit der am 16.9.1987 gegen 1. Pouran H***** (K*****) und 2. Verlassenschaft nach Karim H***** eingebrachten Klage begehrte Ali A***** von den beklagten Parteien die Zahlung von S 430.000 sA zur ungeteilten Hand und behauptete, seine Forderung resultiere aus der Gewährung eines Darlehens und der Unterschlagung von ihm zustehenden Gewinnanteilen aus der F***** Handelsgesellschaft mbH, deren Geschäftsführer der Verstorbene und die Erstbeklagte gewesen seien. Hinsichtlich der Erstbeklagten berief er sich zudem auf ein Anerkenntnis. In der Tagsatzung vom 23.3.1992 stützte der Kläger sein Begehren zusätzlich darauf, daß ihm aus der Rückabwicklung des Vertrages über die Abtretung der Geschäftsanteile, den er wegen Arglist anfechte, S 1,6 Mio zustünden, sowie weiters auf eine Zusage des Verstorbenen auf Rückabwicklung, der die Erstbeklagte beigetreten sei, und zudem gegen die Erstbeklagte auf Schadenersatz wegen im einzelnen angeführter Unregelmäßigkeiten in ihrer Geschäftsgebarung als Geschäftsführerin der GesmbH. Die Klagsänderung wurde zugelassen.

Hinsichtlich der zweitbeklagten Partei wurde die Klage "zu Handen Dr.Peter S*****" zugestellt. Dieser schritt in der Folge für die zweitbeklagte Partei mit dem Hinweis auf seine Bestellung als Separationskurator ein.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und beantragten Klagsabweisung. Die Erstbeklagte wendete überdies eine Gegenforderung von S 210.000 kompensando ein.

Mit Einantwortungsurkunde vom 19.2.1991 wurde der Nachlaß der Witwe Pouran H***** (K*****) zu einem Drittel und den Töchtern Rosita, Saira und Lona H***** zu je 2/9 aufgrund des Gesetzes eingeantwortet. Mit Mantelbeschluß vom selben Tag wurde angeordnet, daß die Nachlaßseparation aufrecht bleibt und daß eine Verfügung über die in den Nachlaß gehörenden Vermögenswerte (insbesondere eine Eigentumswohnung) nach Aufhebung der Nachlaßseparation zu treffen sein werde. Diese Beschlüsse wurden an den Gerichtskommissär, an Dr.Peter S*****, an Pouran H***** (K*****), an Rosita H***** sowie an Saira H***** zugestellt.

Mit am 16.12.1992 eingelangtem Schriftsatz teilte der Kläger dem Erstgericht mit, daß der Nachlaß eingeantwortet sei und beantragte unter anderem, den Separationskurator als Vertreter der Verlassenschaft am Verfahren nicht bzw nicht mehr teilnehmen zu lassen und die Parteibezeichnung seitens der beklagten Parteien wie folgt richtigzustellen: 1.Pouran H***** (K*****), 2. Lona H*****, 3. Rosita H***** und 4.Saira H*****. Weiters beantragte er die Zustellung des Schriftsatzes und der Ladung zur nächsten Verhandlung an Lona, Rosita und Saira H*****. Zugleich änderte er sein Klagebegehren dahin ab, daß die Erstbeklagte zur Rechnungslegung verpflichtet und schuldig sei, ihm S 430.000 sA bei Exekution auch in das separierte Nachlaßvermögen zu zahlen und daß die Zweit- bis Viertbeklagten schuldig seien, je S 95.555,55 sA bei Exekution in das separierte Nachlaßvermögen zu zahlen. Er stellte das Eventualbegehren, daß die beklagten Parteien schuldig seien, in die Übertragung des Eigentums an der Eigentumswohnung des Verstorbenen und, falls die Ausländergrundverkehrskommission nicht zustimme, in die freiwillige Feilbietung der Wohnung und Aushändigung des Erlöses an den Kläger zuzustimmen.

Über die Klagsänderung wurde noch nicht entschieden.

Mit Beschluß vom 8.3.1993 wies das Erstgericht die beiden erstgenannten Anträge ab und den Zustellantrag zurück und sprach aus, daß die Bezeichnung der zweitbeklagten Partei auf "Dr.Peter S*****....als Separationskurator in dem zu AZ 2 A 323/87 bestellter Vertreter der separierten Vermögensmasse" berichtigt werde. Es vertrat die Ansicht, daß es sich bei der vom Kläger begehrten Richtigstellung in Wahrheit um einen unzulässigen Parteiwechsel handle. Aus der Klage und dem Antrag, diese dem Separationskurator zuzustellen, ergebe sich, daß die zweitbeklagte Partei das separierte Sondervermögen darstellen solle. Der Separationskurator genieße einen ähnlichen verfahrensrechtlichen Status wie der Masseverwalter in Ansehung der Konkursmasse. Die Einantwortung habe keinen Einfluß auf die Nachlaßseparation, die auch über die Einantwortung hinaus fortwirke.

Dem dagegen vom Kläger erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz dahin Folge, daß es den erstgerichtlichen Beschluß aufhob und dem Erstgericht die neuerliche Beschlußfassung nach Verfahrensergänzung auftrug. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Der Separationskurator habe zwar vor der Einantwortung vorläufig die Stellung eines Verlassenschaftskurators innegehabt und sei daher in diesem Verfahren vertretungsbefugt gewesen. Diese Stellung sei jedoch mit der Einantwortung erloschen. Das nach Einantwortung mit dem Nachlaßkurator fortgeführte Verfahren sei nichtig. Eine sofortige Nichtigerklärung sei jedoch nicht möglich, weil zunächst zu versuchen sein werde, die Nichtigkeit des Verfahrens durch den Eintritt der Erben im eigenen Namen zu sanieren. Nur bei Scheitern dieses Versuches werde das Erstgericht das Verfahren ab Einantwortung für nichtig zu erklären haben.

Mit Beschluß vom 7.6.1993 enthob das Verlassenschaftsgericht Dr.Peter S***** seines Amtes als Separationskurator, weil er auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtete. An dessen Stelle bestimmte es Rechtsanwalt Dr.Helmut H***** zum Separationskurator.

In dieser Eigenschaft bekämpft Dr.H***** den Beschluß des Rekursgerichtes namens der Verlassenschaft nach Karim H*****.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Verlassenschaft ist zwar bis zur Einantwortung parteifähig. Nur sie kann klagen oder geklagt werden (Welser in Rummel2 I Rz 6 zu § 548 ABGB mwN). Mit der Einantwortung tritt Universalsukzession des Erben nach dem Erblasser ein. Der Zustand eines "ruhenden Nachlasses" ist beendet. Die Erben werden Schuldner der Erbschaftsgläubiger. Anstelle der als parteifähig anerkannten ruhenden Verlassenschaft treten die Erben. Der Nachlaß ist nun weder aktiv noch passiv legitimiert. War die ruhende Verlassenschaft Partei eines Rechtsstreites, so ist der eingetretenen Parteiennachfolge durch Änderung der Parteienbezeichnung von Amts wegen Rechnung zu tragen (Welser aaO und bei Rz 5 zu §§ 797, 798 ABGB; NZ 1970, 174; NZ 1970, 175; SZ 40/38; EvBl 1981/199; Fasching Komm II, 102, 103).

Die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Kläger die separierte Sondermasse als zweitbeklagte Partei in Anspruch nehmen wolle, findet im Akteninhalt keine Grundlage. Der Kläger macht vielmehr geltend, er sei durch unreelle Machenschaften des Erblassers bzw der Erstbeklagten um sein Geld gebracht worden. Der Erblasser wird aber zunächst durch die Verlassenschaft und nach der Einantwortung durch die eingeantworteten Erben und nicht durch das separierte Vermögen, das lediglich der Sicherung von Forderungen dienen soll, repräsentiert. Daß die Nachlaßseparation auch nach der Einantwortung aufrecht bleiben kann, vermag daran nichts zu ändern.

Mangels Parteifähigkeit nach der Einantwortung kann demnach das Verfahren nicht gegen die Verlassenschaft, sondern nur gegen die Erstbeklagte und die drei Töchter des Erblassers fortgeführt werden, die im übrigen nach dem bisherigen Akteninhalt dem Separationskurator keine Vollmacht erteilt haben. Es geht hier aber nicht primär um die Frage der Vertretungsmacht, sondern um die Frage der Parteifähigkeit der zweitbeklagten Partei.

Ob die Verlassenschaft (noch) parteifähig ist, hängt nach dem in dieser Frage gemäß § 28 Abs 2 IPRG anzuwendenden österreichischen Recht davon ab, ob die Einantwortungsurkunde den ausgewiesenen Erben rechtswirksam zugestellt wurde und in Rechtskraft erwachsen ist (vgl Welser in Rummel2 I, Rz 3 und 5 zu §§ 797, 798 ABGB; NZ 1970, 182; NZ 1972, 46; NZ 1985, 106; EvBl 1981/199). Rechtskraft und Rechtswirksamkeit setzen voraus, daß eine ordnungsgemäße Zustellung an jene Personen vorgenommen wurde, die ein Recht auf Beteiligung am Verfahren hatten und deren Beteiligung nach dem Inhalt des Aktes auch möglich gewesen wäre (NZ 1981, 25 ua). Diesem Personenkreis gehört auch die am 26.5.1973 geborene Tochter des Erblassers Lona H***** schon deshalb an, weil ihre Erbserklärung zu Gericht angenommen wurde (vgl JBl 1949, 70; RZ 1967, 108), so daß nicht weiter zu prüfen ist, ob auch diese jüngste Tochter des Erblassers nach dem anzuwendenden iranischen Erbrecht (vgl Art 10 Abs 2 des Freundschafts- und Niederlassungsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Kaiserreich Iran, BGBl Nr.45/1966 sowie im übrigen § 28 Abs 1 IPRG) erbberechtigt ist.

Lona H***** war im Zeitpunkt der Einantwortung 17 Jahre alt. Nach österreichischem Recht war sie daher noch minderjährig. Die am 14.3.1991 an ihre Mutter (auch) als ihre nach österreichischem Recht gesetzliche Vertreterin erfolgte Zustellung der Einantwortungsurkunde wäre daher auch ihr gegenüber wirksam, sollte die Frage der Geschäfts- und damit der Prozeßfähigkeit sowie der gesetzlichen Vertretung Minderjähriger nach österreichischem Recht zu beurteilen sein. Dies hängt nach Art 10 Abs 2 des Freundschafts- und Niederlassungsvertrages (und im übrigen nach den subsidiären Bestimmungen der §§ 9, 12, 24 und 27 IPRG) davon ab, ob Lona H***** iranische oder österreichische (bzw auch österreichische) Staatsbürgerin ist. Bei iranischer Staatsbürgerschaft der Lona H***** käme iranisches Recht zur Anwendung. Danach sind weibliche iranische Staatsangehörige gemäß Art 1210, Anm 1 des iranischen Zivilgesetzbuches in der Fassung des Änderungsgesetzes 1983 bereits mit neun Jahren volljährig (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran, S 6 und 32). Ob damit auch bereits die volle Vermögensverwaltung umfaßt ist oder ob die Fähigkeit hiezu erst mit 18 Jahren anzunehmen ist, wie dies Art 1209 des iranischen Zivilgesetzbuches zum Ausdruck bringt, kann hier dahingestellt bleiben, weil der ehelichen Mutter nach iranischem Recht ex lege keine Vertretungsbefugnis bezüglich ihrer Kinder zukommt (vgl Art 1180 ff des iranischen Zivilgesetzbuches in Bergmann/Ferid aaO S 30 ff). War daher Lona H***** im Zeitpunkt der Zustellung der Einantwortungsurkunde an ihre Mutter (nur) iranische Staatsbürgerin, blieb die Zustellung ihr gegenüber wirkungslos. Dies hätte zur Folge, daß der Nachlaß weiterhin und solange parteifähig ist, bis die Einantwortungsurkunde an die nunmehr sowohl nach iranischem als auch nach österreichischem Recht voll geschäftsfähige und prozeßfähige Lona H***** zugestellt wird und in Rechtskraft erwächst. Welche Staatsangehörigkeit Lona H***** besitzt, läßt sich weder dem vorliegenden Akteninhalt noch dem Verlassenschaftsakt entnehmen. Die aufhebende Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz erweist sich daher insofern als berechtigt, als das Erstgericht vor der neuerlichen Entscheidung darüber, ob der Verlassenschaft weiterhin Parteifähigkeit zukommt oder ob die Bezeichnung der zweitbeklagten Partei auf die drei Töchter des Erblassers umzustellen und nun diese als Parteien des Verfahrens zu behandeln und zu befragen sein werden, ob sie die bisherige Prozeßführung ab Einantwortung genehmigen, die Staatsbürgerschaft der Lona H***** zu klären haben wird.

Die Parteifähigkeit ist von Amts wegen zu prüfen und auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen. Im Zwischenstreit über die Parteifähigkeit ist diese jedoch zu unterstellen und der betreffenden Partei die Rekurslegitimation zuzubilligen (Fasching, Kommentar II, S 125 f, Anm 35), so daß der Rekurs der Verlassenschaft jedenfalls als zulässig anzusehen war.

Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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