JudikaturJustiz8Ob247/99b

8Ob247/99b – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg.GenmbH, ***** vertreten durch Dr. Josef Broinger und Dr. Johannes Hochleitner, Rechtsanwälte in Eferding, wider die beklagten Parteien 1. Dr. Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in Wels, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Ernst S*****, 2. B***** GesmbH i.L., ***** vertreten durch Dr. Martin Morscher, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen Feststellung (Streitwert S 5,100.000,--) infolge Revisionsrekursen des Gemeinschuldners Ernst S*****, vertreten durch Dr. Martin Morscher, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, und der zweitbeklagten Partei gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 25. Mai 1999, GZ 1 R 53/99s-220 und 1 R 54/99p-221, womit die Rekurse des Gemeinschuldners Ernst S***** und der zweitbeklagten Partei gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Wels vom 18. Jänner 1999, GZ 4 Cg 239/97g-213 und 214, zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerber haben die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Im Konkurs einer Grundstücksverwertungsgesellschaft mbH i.L. meldete die Klägerin eine Forderung aus Darlehens- und Kreditgewährung in der Höhe von S 11,966.452,81 an. Hievon anerkannte der Masseverwalter in der Prüfungstagsatzung vom 5. September 1985 einen Teilbetrag von S 100.000 und mit Schriftsatz vom 27. November 1989 einen weiteren Teilbetrag von S 5 Mio. Konkursgläubiger, und zwar unter anderem der Erst- und die Zweitbeklagte bestritten die angemeldeten Forderungen zur Gänze.

Mit ihrer am 6. 2. 1990 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin gegenüber den Beklagten als bestreitende Konkursgläubiger die Feststellung, es stehe ihr im Konkurs über das Vermögen der Grundstücksverwertungsgesellschaft mbH i.L. eine Konkursforderung im Betrag von S 5,100.000 zu.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten vor allem ein, die aus den Darlehens- und Kreditverträgen resultierenden Schuldbeträge seien durch Mietzinse aus den von der Grundstücksverwertungsgesellschaft mbH i.L. an die Darlehensgeberin abgetretenen Mietzinsforderungen getilgt worden.

Mit Beschluss vom 11. 12. 1997 (ON 194) stellte das Erstgericht die Unterbrechung des Verfahrens fest, weil über das Vermögen des Erstbeklagten am 1. 12. 1997 das Konkursverfahren eröffnet worden war. Mit Schriftsatz vom 7. 1. 1998 (ON 197) beantragte die Zweitbeklagte gemäß § 7 Abs 2 KO die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens sowie die Anberaumung einer Tagsatzung. Das Erstgericht trug daraufhin mit Beschluss vom 15. 1. 1998 (ON 199) dem Masseverwalter im Konkurs des Erstbeklagten auf, die Erklärung abzugeben, ob der Erstbeklagte in den Rechtsstreit eintrete. Dem Masseverwalter müsse die Wahl zwischen Eintritt oder Ablehnung des Eintritts in den Rechtsstreit frei bleiben, wobei nach ungenutztem Ablauf der Frist Konkursfreiheit des Prozessgegenstandes eintrete. Nach Fristerstreckungsanträgen gab der Masseverwalter mit Schriftsatz vom 18. 5. 1998 (ON 204) bekannt, dass er nicht bereit sei, in den Prozess einzutreten. Mit Beschluss vom 28. 5. 1998 (ON 206) erklärte das Erstgericht die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens gegen die Zweitbeklagte und mit Beschluss vom 3. 9. 1998 (ON 208) auch gegenüber dem Erstbeklagten. In der Tagsatzung vom 14. 12. 1998 (ON 212) intervenierte der Masseverwalter und brachte vor, dass die Ausscheidungsgründe des § 8 Abs 1 KO nicht vorlägen, weshalb der Masseverwalter nach wie vor passiv legitimiert sei, seine Erklärung, in den Rechtsstreit nicht eintreten zu wollen, sei nichtig. In dieser Tagsatzung forderte die Klägerin den Masseverwalter zum Eintritt in das Verfahren auf und brachte vor, dass sie die im Verfahren bisher aufgelaufenen Kosten von S 1,431.018,15 im Konkursverfahren des Erstbeklagten angemeldet habe und dass die Forderung in der Prüfungstagsatzung vom Masseverwalter bestritten worden sei. Es werde das Eventualbegehren gestellt, dass festgestellt werde, der Klägerin stehe im Konkurs über das Vermögen des Erstbeklagten eine Konkursforderung im Betrag von S 1,431.018,15 zu.

Mit Beschluss vom 18. 1. 1999 (ON 213) stellte das Erstgericht "zur Passivlegitimation des Erstbeklagten" fest, "dass hiezu" der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Erstbeklagten "ausschließlich berechtigt" sei. Die im § 8 Abs 1 KO bezeichneten Ausscheidungsgründe lägen hier nicht vor. In den von dieser Gesetzesstelle nicht erfassten Fällen sei es unzulässig, Konkursvermögen in das ungebundene Vermögen des Gemeinschuldners überzuführen, weil es zwingendes Recht sei, dass alle Bestandteile der Sollmasse von den Konkurswirkungen erfasst werden.

Mit Beschluss gleichen Datums (ON 214) bewilligte das Erstgericht der Klägerin bereits unter Anführung des Masseverwalters als Vertreter des Erstbeklagten eine Fristverlängerung zur aufgetragenen Vorlage von Kontounterlagen.

Die beiden letztgenannten Entscheidungen bekämpften die Beklagten mit Rekurs. Das Gericht zweiter Instanz stellte mit den angefochtenen Beschlüssen im Punkt 1. die Bezeichnung des Erstbeklagten auf "Dr. Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in Wels, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des ... (Erstbeklagten)" richtig und wies im Punkt 2. den Rekurs zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zum Rekurs des Erstbeklagten führte es in beiden Beschlüssen aus, dass gemäß § 8 Abs 1 KO der geltend gemachte Anspruch nur dann aus der Konkursmasse ausscheide, wenn der Masseverwalter den Eintritt in einen Rechtsstreit ablehne, in dem der Gemeinschuldner Kläger sei oder in dem gegen den Gemeinschuldner der Anspruch auf Aussonderung nicht zur Konkursmasse gehöriger Sachen geltend gemacht werde. Von den Passivprozessen könnten nur solche unter § 8 KO fallen, bei denen die Zugehörigkeit des Gegenstands zur Masse strittig sei, somit Streitigkeiten über Ansprüche, die den Charakter von Aussonderungsansprüchen haben. Treffe dies, wie vorliegendenfalls, nicht zu, dann bestehe keine Möglichkeit der Ablehnung des Eintritts des Masseverwalters auf der Beklagtenseite mit der Wirkung des § 8 KO, weshalb das gemäß § 7 Abs 2 KO wieder aufgenommene Verfahren ohne Rücksicht auf die Stellungnahme des Masseverwalters gegen ihn fortzusetzen sei. Durch die Aufnahme des durch die Konkurseröffnung unterbrochenen Verfahrens sei der gesetzliche Parteienwechsel eingetreten, weshalb die Parteienbezeichnung zu berichtigen gewesen sei. Dem Erstbeklagten fehle die Rekurslegitimation, weil nicht er, sondern der Masseverwalter Partei des Verfahrens sei. Der Rekurs der Zweitbeklagten sei, insoweit sie den Beschluss ON 213 anfechte, mangels Beschwer abzuweisen, weil nicht zu erkennen sei, inwieweit ihre Rechtsstellung durch die angefochtene Entscheidung betroffen werden könne und in Ansehung des Beschlusses ON 214, weil der Beschluss, mit dem die zur Vorlage der Beweismittel gesetzte Frist verlängert werde, gemäß § 291 ZPO unanfechtbar sei.

Den dagegen erhobenen Revisionsrekursen der Beklagten kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 8 Abs 1 KO scheiden der Anspruch oder die vom Aussonderungskläger beanspruchten Sachen aus der Konkursmasse aus, wenn der Masseverwalter den Eintritt in einen Rechtsstreit ablehnt, in dem der Gemeinschuldner Kläger ist oder in dem gegen den Gemeinschuldner der Anspruch auf Aussonderung nicht zur Konkursmasse gehöriger Sachen geltend gemacht wird. Die Revisionsrekurswerber verweisen insoweit zutreffend auf Petschek/Reimer/Schiemer, Insolvenzrecht, 465, als diese Gesetzesstelle nur ungenau von der Klägerrolle des Gemeinschuldners spricht. Sie übersehen allerdings den Hinweis in FN 4, welcher erklärend ausführt, das Gesetz meine Aktivprozesse ohne Rücksicht darauf, wer Kläger sei. Der Terminus "Aktivprozess" bezieht sich hier nicht auf die prozessuale Stellung des Gemeinschuldners, sondern meint Prozesse über einen Aktivbestandteil der Konkursmasse, gleichgültig, ob der Anspruch vom oder gegen den Gemeinschuldner verfolgt wird (Schubert in Konecny/Schubert, KO § 8 Rz 2; Jelinek, Kralik-FS 233 f; Kilger/K. Schmidt KO17 § 10 Anm 1c, 4). Ein Aktivprozess kann somit auch vorliegen, wenn der Gemeinschuldner Beklagter ist, so etwa im Fall der negativen Feststellungsklage mit der geltend gemacht wird, ein zur Masse gehöriger Anspruch sei erloschen oder bestehe nur eingeschränkt, der Klage auf Aberkennung eines Patents des Gemeinschuldners oder der Erbrechtsklage, mit der die Feststellung begehrt wird, dem Gemeinschuldner komme ein Erbrecht nach einer bestimmten Person nicht zu (Schubert aaO Rz 3). Nur in diesem reine Aktivbestandteile der Masse betreffenden Umfang können durch die Ablehnung des Eintritts des Masseverwalters in den Rechtsstreit dem Gemeinschuldner Prozesse überlassen werden (1 Ob 151/67; 5 Ob 197/68). Nur in den von der Bestimmung des § 8 KO erfassten Fällen ist ein Widerruf der Erklärung, den Eintritt in den Prozess abzulehnen, unzulässig (Schubert aaO Rz 22), während in Passivprozessen eine Aufforderung an den Masseverwalter, sich über den Eintritt in das Verfahren zu erklären, nicht zu ergehen hat und der Masseverwalter den Eintritt in den anhängigen Prozess nicht verweigern kann. Seine Nichtteilnahme am Verfahren hat nicht zur Folge, dass die Forderung nur mehr gegen den Gemeinschuldner in dessen konkursfreies Vermögen geltend gemacht werden könnte, sondern zieht lediglich Säumnis des Masseverwalters nach sich (Schubert aaO Rz 31).

Das hier zu beurteilende Verfahren betrifft keinen Aktivbestandteil der Konkursmasse des Erstbeklagten, sondern einen gegen dieselbe gerichteten Anspruch auf Forderungsfeststellung. Es handelt sich somit um keinen Aktivprozess, weil dieser Anspruch nicht zur Konkursmasse gehört und daher denknotwendig auch nicht aus dieser ausscheiden kann, wie dies § 8 Abs 1 KO vorsieht.

In allseitiger rechtlicher Prüfung ist allerdings noch auf die Zulässigkeit des Aufnahmebeschlusses einzugehen, weil dieser lediglich prozessleitenden Charakter hat und keine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs beinhaltet (ZIK 1996, 25; ZIK 1999, 58; Schubert aaO § 7 Rz 51). Das sonst für die Zulässigkeit des Prozesswegs bestehende Erfordernis der Anmeldung der Forderung im Konkurs und deren Bestreitung besteht hier - abgesehen von der Kostenforderung - nicht, weil im Prüfungsprozess zwischen Konkursgläubigern kein Rechtsverhältnis vorliegt, das einen Leistungsanspruch begründen könnte (Konecny in Konecny/Schubert, KO § 110 Rz 42). Der Anspruch unterliegt daher nicht der Anmeldung im Konkurs über das Vermögen des Erstbeklagten, weil die Forderung nicht auf Geldleistung gerichtet ist und auch nicht gemäß § 14 Abs 1 KO in eine solche verwandelt werden kann. Derartige Ansprüche sind zwar Konkursforderungen, unterliegen aber nicht der Anmeldungspflicht, weil der Anspruch nicht aus der Masse zu befriedigen ist (EvBl 1968/164; SZ 61/50; 4 Ob 555/90). Es liegt allerdings kein "Gemeinschuldnerprozess" im Sinne des § 6 Abs 3 KO vor, weil in Anbetracht der Gläubigerstellung der Beklagten im Konkurs der Grundstücksverwertungsgesellschaft mbH i.L. der Streitgegenstand mit vermögensrechtlichen, die Masse betreffenden Ansprüchen derart eng verknüpft ist, dass sich das klagsstattgebende Urteil auf deren Bestand rechtsnotwendigerweise unmittelbar auswirkt (SZ 67/168; SZ 69/70; 2 Ob 564/95; 8 Ob 25/98d). Die Befugnisse des Gemeinschuldners sind daher auch hier gemäß § 6 Abs 1 KO dergestalt beschränkt, dass die Konkursmasse ein ex lege vertretungsbefugtes und -verpflichtetes Organ in der Person des Masseverwalters erhält (4 Ob 555/90; SZ 69/70 ua).

Auf die Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz zur Verneinung ihrer Rekurslegitimation kommt die Zweitbeklagte in ihrem Rechtsmittel nicht mehr zurück.

Den Rekursen ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 40 ZPO.

Rechtssätze
11