JudikaturJustiz8Ob22/13p

8Ob22/13p – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. April 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen Mag. Dr. K***** P*****, zuletzt *****, wegen 1. Ausstellung einer Amtsbestätigung und 2. Bestellung eines Verlassenschaftskurators, über den ordentlichen und den außerordentlichen Revisionsrekurs des K***** P*****, vertreten durch Dr. Norbert Stelzer, Rechtsanwalt in Fürstenfeld, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. November 2012, GZ 45 R 428/12t, 45 R 429/12i 91, mit dem die Beschlüsse des Erstgerichts vom 16. Mai 2012, GZ 2 A 145/08b 77 und 2 A 145/08b 78, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem ordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Neben dem Revisionsrekurswerber, dem Sohn des Verstorbenen, haben die Witwe und die Tochter des Verstorbenen jeweils bedingte Erbantrittserklärungen abgegeben.

Der Verstorbene und seine Gattin waren unter anderem Eigentümer je eines halben Mindestanteils einer Liegenschaft (Reihenhaus) in S*****, verbunden mit gemeinsamem Wohnungseigentum. Die Witwe beantragte die Übernahme des Anteils des Verstorbenen am Mindestanteil der Liegenschaft und die Ausstellung einer entsprechenden Amtsbestätigung (ON 71). Der Sohn sprach sich gegen die Ausstellung einer Amtsbestätigung mit der Begründung aus, dass zuvor der Übernahmspreis festzusetzen und an die Verlassenschaft zu leisten sei.

Mit Beschluss vom 16. 5. 2012 (ON 77) bestätigte das Erstgericht gemäß § 182 Abs 3 AußStrG, dass das Eigentumsrecht an dem zum Nachlass gehörigen Anteil an dieser Liegenschaft unter gleichzeitiger Auflösung der Verbindung gemäß § 12 Abs 1 WEG für die Witwe im Grundbuch einverleibt werden kann. Der Anspruch der Witwe auf Erteilung dieser Amtsbestätigung ergebe sich aus § 14 Abs 1 Z 5 WEG. Eine Einigung der Erben mit dem überlebenden Partner über die Rechtsfolgen des Zuwachses sei weder Voraussetzung für den Eigentumsübergang noch für die Ausstellung einer Amtsbestätigung. Die Witwe habe weder auf den Eigentumsübergang verzichtet (vielmehr sei durch ihren Antrag das Gegenteil dokumentiert), noch sei eine Vereinbarung iSd § 14 Abs 1 Z 2 WEG getroffen worden. Die Forderung der Verlassenschaft gegen den überlebenden Ehegatten auf Zahlung eines Übernahmspreises hindere die Ausstellung einer Amtsbestätigung nicht. Diese könne im konkreten Fall mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 176 Abs 2 AußStrG auch nicht von einer Sicherstellung abhängig gemacht werden.

Ebenfalls mit Beschluss vom 16. 5. 2012 (ON 78) bestellte das Erstgericht von Amts wegen einen Verlassenschaftskurator zur Vertretung und Verwaltung des Nachlasses des Verstorbenen. Die Voraussetzungen des § 173 Abs 1 AußStrG seien gegeben, weil zwischen den Erben im Zusammenhang mit der Verwaltung des Liegenschaftsvermögens in vielerlei Hinsicht Uneinigkeit bestehe und darüber hinaus Verbindlichkeiten und Forderungen der Verlassenschaft einer Regelung bedürften. Insbesondere bestehe Uneinigkeit der Erben im Zusammenhang mit einer vom Sohn gemieteten (weiteren) Eigentumswohnung des Verstorbenen in W*****.

Das Rekursgericht gab dem vom Sohn erhobenen Rekurs gegen den Beschluss ON 77, sowie den vom Sohn einerseits und von der Witwe und der Tochter andererseits erhobenen Rekursen gegen den Beschluss ON 78 mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung nicht Folge.

Zur Ausstellung einer Amtsbestätigung gemäß § 182 Abs 3 AußStrG (Beschluss ON 77) führte das Rekursgericht aus, dass sich der Rechtsübergang gemäß § 14 Abs 1 Z 1 WEG bereits mit dem Erbfall vollziehe. Durch diese Konstruktion werde der Intabulationsgrundsatz durchbrochen. Für den Anwendungsbereich des § 14 WEG werde mit der Bestätigung gemäß § 182 Abs 3 AußStrG der Nachweis erbracht, dass der überlebende Eigentumspartner durch Anwachsung unmittelbar Eigentum am halben Mindestanteil des verstorbenen Partners erworben habe, sodass ihm eine dem bücherlichen Eigentümer vergleichbare Rechtsstellung zukomme. Die Erben seien hier zum Antrag der Witwe gehört worden; ihre im sinngemäß anzuwendenden § 182 Abs 3 AußStrG verlangte Zustimmung sei im Fall des Eigentumserwerbs durch Anwachsung nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG nicht erforderlich. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 178 AußStrG aF. Eine Einigung der Erben über die Rechtsfolgen des Zuwachses sei weder Voraussetzung für den Zuwachs noch für die Ausstellung einer Amtsbestätigung. Der Streit über die Höhe des Übernahmspreises hindere den Zuwachs nicht, sondern sei auch ohne ausdrückliche Verweisung auf dem Rechtsweg auszutragen. Dass die Witwe ihren Vermächtnisanspruch angemeldet und die Ausstellung einer entsprechenden Amtsbestätigung beantragt habe, bedeute nicht nur, dass sie den Zuwachs in Anspruch nehme, sondern enthalte auch wie der Oberste Gerichtshof bereits zur Vorgängerbestimmung des § 10 Abs 1 Z 2 WEG 1975 judiziert habe die Erklärung, auf den Zuwachs nicht zu verzichten und sich nicht zu einer einvernehmlichen Übertragung des Mindestanteils an einen Dritten zu verstehen. Damit bedürfe es auch nicht mehr der Fristsetzung nach § 14 Abs 1 Z 2 WEG.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob im Fall eines Eigentumserwerbs durch Anwachsung gemäß § 14 Abs 1 Z 1 WEG die Zustimmung der Erben zur Ausstellung einer Amtsbestätigung gemäß § 182 Abs 3 AußStrG erforderlich ist, fehle.

Zur Bestellung eines Verlassenschaftskurators (Beschluss ON 78) führte das Rekursgericht aus, dass eine solche Maßnahme zu erfolgen habe, wenn sich die Personen, denen die gemeinschaftlichen Rechte nach § 810 ABGB zukommen, über die Art der Vertretung oder einzelne Vertretungshandlungen nicht einigen könnten. Entscheidend seien nicht die Interessen einzelner Erben, sondern das objektive Interesse des ruhenden Nachlasses. Hier sei die Bestellung des Verlassenschaftskurators schon im Hinblick auf die zwischen den Erben bestehende Uneinigkeit über die Zahlung von Mietzinsen durch den Sohn für eine zur Verlassenschaft gehörige Eigentumswohnung in W***** zweckmäßig. Dass durch die mit der Bestellung eines Verlassenschaftskurators verbundenen Kosten ein gewisser Druck zur Einigung auf die Erben entstehe, sei vom Gesetzgeber beabsichtigt. Den ordentlichen Revisionsrekurs gegen diesen Beschluss ließ das Rekursgericht mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu.

Gegen die Beschlüsse des Rekursgerichts ON 77 und ON 78 richten sich der ordentliche und der außerordentliche Revisionsrekurs des Sohnes.

Die Witwe und die Tochter erstatteten zum ordentlichen Revisionsrekurs des Sohnes eine Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Werden wie hier zwei verschiedene, aber in einer Ausfertigung zusammengefasste Entscheidungen angefochten, so gilt der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels nicht (RIS Justiz RS0040202; RS0127342), weshalb die getrennte Einbringung des ordentlichen und des außerordentlichen Revisionsrekurses durch den Sohn zulässig ist.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig.

1. Zur Ausstellung einer Amtsbestätigung :

1.1 Die Akkreszenz in das Eigentum des überlebenden Ehegatten nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG erfolgt unmittelbar, ohne dass es eines besonderen Erwerbungsakts bedürfte (arg: „geht unmittelbar ins Eigentum über“). Der Verbücherung kommt nur noch deklarative Bedeutung zu, sodass insoweit eine Durchbrechung des Intabulationsgrundsatzes vorliegt (5 Ob 97/11t). § 14 Abs 1 Z 5 WEG ordnet für den Erwerb nach § 14 Abs 1 Z 1 oder Z 2 WEG die sinngemäße Anwendung des § 182 Abs 3 AußStrG an. Danach hat das Verlassenschaftsgericht Erwerbern, die nicht aufgrund der Einantwortung Rechte an bücherlich zu übertragenden Sachen erworben haben, eine Bestätigung darüber auszustellen, dass sie als Eigentümer in die öffentlichen Bücher eingetragen werden können. Dadurch wird bestätigt, dass dem Erwerbsvorgang keine verlassenschaftsgerichtlichen Bedenken entgegenstehen. Für den Anwendungsbereich des § 14 WEG wird mit einer solchen Bestätigung der Nachweis erbracht, dass der überlebende Eigentumspartner durch Anwachsung unmittelbar Eigentum am halben Mindestanteil des verstorbenen Teils erworben hat (5 Ob 97/11t).

1.2 Da der Zuwachs in das Eigentum des Überlebenden unmittelbar erfolgt, ist hiefür wie der Oberste Gerichtshof bereits zur insoweit vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 10 WEG 1975 ausgeführt hat die Zustimmung des Erben bzw eine Einigung des überlebenden Ehegatten mit dem Erben über die Rechtsfolgen des Zuwachses nicht erforderlich (RIS Justiz RS0013472). Der Streit über die Höhe des Übernahmspreises ist daher wie das Rekursgericht richtig erkannt hat im Rechtsweg auszutragen und verhindert den Zuwachs nicht (RIS Justiz RS0013472). Demgemäß wurde in der bisherigen Rechtsprechung auch für die Erteilung der Amtsbestätigung die früher nach § 178 AußStrG aF auszustellen war die Zustimmung des Erben nicht als erforderlich erachtet (RIS Justiz RS0013472).

Richtig ist, dass § 182 Abs 3 AußStrG 2005, dessen sinngemäße Anwendung § 14 Abs 1 Z 5 WEG nunmehr anordnet, nach seinem Wortlaut anders als § 178 AußStrG 1854 auf eine Einigung der Erben als Voraussetzung für die Ausstellung einer Amtsbestätigung abstellt (5 Ob 182/09i; 6 Ob 22/08s). Die von § 14 Abs 1 Z 5 WEG angeordnete „sinngemäße“ Anwendung dieser Bestimmung muss allerdings dem oben erörterten Umstand Rechnung tragen, dass es im Anwendungsbereich des § 14 Abs 1 Z 1 WEG auf eine Einigung der Erben für den Eigentumserwerb nicht ankommt. Wie schon nach der früheren Rechtslage ist daher eine Einigung der Erben für die Ausstellung der Amtsbestätigung nicht erforderlich.

1.3 Der im Revisionsrekurs dagegen ins Treffen geführten Entscheidung 5 Ob 182/09i ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen, zumal sie sich nicht auf den Zuwachs nach § 14 Abs 1 Z 1 WEG bezieht.

1.4 Im Übrigen wird der im konkreten Fall erfolgte Eigentumserwerb der Witwe an dem auf den Verstorbenen entfallenden Mindestanteil vom Revisionsrekurswerber gar nicht bestritten. Einer der Fälle des § 14 Abs 1 Z 2 WEG liegt unstrittig nicht vor. Sonstige Einwände werden im Revisionsrekurs nicht erhoben.

Dem ordentlichen Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

2. Zur Bestellung eines Verlassenschaftskurators :

Der Grundsatz des Parteiengehörs im Außerstreitverfahren erfordert nur, dass der Partei ein Weg eröffnet wird, auf dem sie die Argumente für ihren Standpunkt vorbringen kann. Das rechtliche Gehör ist daher etwa auch dann gewahrt, wenn sich die Partei nur schriftlich äußern konnte oder geäußert hat (RIS Justiz RS0006048; RS0006036). Eine mögliche Verletzung des rechtlichen Gehörs im Verfahren erster Instanz wird geheilt, wenn die Möglichkeit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (RIS Justiz RS0006057). Dieser Grundsatz gilt auch nach Inkrafttreten des AußStrG 2005 (RIS Justiz RS0006057 [T12]; 1 Ob 8/11z).

Hier hat der Revisionsrekurswerber schon in seinem Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichts seinen Standpunkt ausführlich dargelegt. Das Rekursgericht hat sich mit seinen im Rekurs vorgetragenen Argumenten inhaltlich auseinandergesetzt, sodass ein allfälliger Mangel des Verfahrens erster Instanz geheilt ist.

Im Übrigen räumt der Revisionsrekurswerber selbst in seinem Revisionsrekurs nach wie vor bestehende Uneinigkeiten der Erben im Zusammenhang mit dem „Problem der Mietzinszahlungen“ ein. Mit dem Argument, dass diese im Fall der Erörterung der Frage der Bestellung eines Verlassenschaftskurators beseitigt hätten werden können, übergeht er, dass gerade auch diese Fragen bereits seit geraumer Zeit Gegenstand widerstreitender Anträge und Vorbringen der Parteien im Verfahren waren. Vor diesem Hintergrund sind die Vorinstanzen in keineswegs unvertretbarer Weise vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Bestellung eines Verlassenschaftskurators gemäß § 173 AußStrG ausgegangen.

Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

Rechtssätze
9