JudikaturJustiz7Ob287/05i

7Ob287/05i – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Innsbruck, Maria Theresien Straße 18, 6020 Innsbruck, diese vertreten durch Dr. Christian Waldhart, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Ihab F*****, vertreten durch Dr. Walter Sarg, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 27. September 2005, GZ 1 R 131/05d 19, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 5. Jänner 2005, GZ 16 C 2147/03v 15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 399,74 EUR (darin 66,22 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Stadt ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 716, Grundbuch 81113 Innsbruck. Deren Gutsbestand umfasst ua das Grundstück 1042, das in der Altstadt von Innsbruck liegt und als „Hofgasse" bezeichnet wird. Bei der Grundfläche handelt es sich um öffentliches Gut.

Der Beklagte betreibt in Innsbruck, Hofgasse *****, seit 1. 4. 1996 ein Souvenirgeschäft. Vor seinem Geschäft hat er einen Warenverkaufsständer in Verwendung, für den er bereits im Juni 1996 die entsprechende Bewilligung beantragte und kurz darauf auch erhielt. In der Folge präsentierte der Beklagte seine Waren in diesem Verkaufsständer, durch Aufhängen an der Fassade und in straßenseitigen Vitrinen, die bereits sein Vorgänger angebracht hatte.

Am 1. 3. 2002 suchte der Beklagte erneut um Verlängerung der Bewilligung zur Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken (Aufstellen eines Warenständers) an. Mit Bescheid des Stadtmagistrats Innsbruck Amt für Straßen und Verkehrsrecht - vom 12. 6. 2002, Zl II SV 486/2002 wurde ihm die verwaltungsrechtliche Bewilligung zur Aufstellung eines Warenständers im Höchstausmaß von 0,5 m² für den Zeitraum vom 28. 6. 2002 bis 27. 6. 2004 mit der Auflage erteilt, das Einvernehmen mit dem Grundeigentümer herzustellen.

Im Bescheid ist das „Parteienerklären" der Klägerin als „Grundeigentümerin oder Dienstbarkeitsberechtigte bzw als Straßenverwalter gemäß § 5 Tiroler Straßengesetz", vertreten durch die Magistratsabteilung IV - Liegenschaftsverwaltung, enthalten, wonach sie der Aufstellung auf städtischen Grund bzw auf der Dientsbarkeitsfläche unter Einhaltung ua folgender Bestimmungen zustimmt:

„1. Diese Zustimmung erfolgt nur gegen jederzeit möglichen Widerruf und gilt auch für eine eventuelle Verlängerung des vorliegenden Bescheides nach den Bestimmungen der StVO.

2. Im Falle des Widerrufes hat der Bewilligungswerber den Bewilligungsgegenstand vom städtischen Grund (ersatzlos) zum angesetzten Termin zu entfernen, ohne dass ihm Ersatzansprüche, welcher Art auch immer, zustehen.

...

6. Für diese prekaristische Grundbenützungsgestattung bzw Zustimmung als Dienstbarkeitsberechtigte ist ein jährlicher Anerkennungszins in Höhe von EUR 36,34 zu bezahlen (zusätzlich EUR 2,18 Verwaltungskostenbeitrag jährlich)".

Der Beklagte bezahlte den Anerkennungszins in der vorgeschriebenen Höhe ebenso wie den Verwaltungskostenbeitrag, der mittlerweile auf EUR 5 pro Jahr erhöht wurde. Seine Waren präsentierte er weiterhin in der oben beschriebenen Weise im Bereich des Zugangs zu seinem Geschäft und auf dem Warenständer.

In der Hofgasse präsentieren ca 10 weitere Gewerbetreibende ihre Waren auf einem Verkaufsständer vor ihrem Geschäft. Diese Gewerbetreibenden haben genauso wie der Beklagte immer wieder und regelmäßig die grundsätzlich eingeräumte Fläche von 0,5 m² (für die Aufstellung eines Werbeständers) überschritten. Der Beklagte hatte etwa im Zeitraum zwischen 21. 1. 2003 und 23. 11. 2003 mehrfach weitere Warenständer ohne Bewilligung aufgestellt oder sonstige Verkaufsbehelfe (Regale, Gehänge) ohne Bewilligung angebracht. Zudem wurde die bewilligte Fläche für den Warenständer um 100 % überschritten (24. 10. 2003).

Bereits seit Jahren gibt es Bestrebungen der Klägerin, das Erscheinungsbild der Altstadt im Hinblick auf die aufgestellten Warenständer zu verbessern. Im Zuge einer Besprechung zwischen dem Vizebürgermeister der Klägerin und einem leitenden Beamten einerseits sowie Vertretern der Gewerbetreibenden in der Hofgasse andererseits wurde von letzteren ein Lösungsvorschlag präsentiert, wonach jene Kaufleute, die die Fassadenwände nicht mit Waren behängen, einen zusätzlichen genehmigungsfähigen Warenständer aufstellen dürften. Der Vizebürgermeister erklärte, dem Lösungsvorschlag unter der Voraussetzung zuzustimmen, dass die Prüfung durch die zuständigen Ämter zu einem positiven Ergebnis führen würde. Die Vertreter der Gewerbetreibenden informierten diese (ihre Mitglieder) mit Schreiben vom 23. 9. 2003 dahingehend, dass bis zur endgültigen Umsetzung eine Übergangslösung vereinbart worden sei, wonach die Händler zwei genehmigungsfähige Warenständer (0,5 m²) aufstellen dürften, wenn sie sämtliche Waren von den Fassaden entfernten. Wer die Fassaden freimache, erhalte mehr Ständerfläche, wer weiterhin die Fassaden behänge, würde nach den bisher geltenden Bestimmungen beurteilt.

Im Herbst 2003 wurde der Klagevertreter von Mitarbeitern der Klägerin informiert, dass es mit dem Beklagten Probleme gebe und das erteilte Prekarium widerrufen würde. Am 6. 11. 2003 kontrollierte der Klagevertreter die Einhaltung der Bewilligungen beim Beklagten und stellte fest, dass ein Warenständer aufgestellt war, der die Grundfläche von 0,5 m² überschritt. Das Ausmaß dieser Überschreitung kann im Detail nicht festgestellt werden.

Mit Schreiben vom 23. 10. 2003 widerrief die Innsbrucker I*****gesellschaft mbH unter Bezugnahme auf eine Informationsveranstaltung vom 27. 5. 2003 und die dortige Klarstellung, dass bei einer weiteren Missachtung der Richtlinien ein Widerruf der zivilrechtlichen Gestattung erfolgen werde, wegen solcher Regelverstöße mit sofortiger Wirkung das Prekarium gegenüber dem Beklagten und ersuchte um unverzügliche Entfernung des Waren- und Werbeständers. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde die Einbringung einer Unterlassungsklage angedroht. Der Beklagte präsentierte jedoch weiterhin Waren vor seinem Geschäft auf einem Warenständer.

In der Folge unterbreitete der Klagevertreter einen Vorschlag, welche Gewerbetreibenden aus der Hofgasse geklagt werden sollten. Die Innsbrucker I***** GmbH stimmte diesem Vorschlag zu. Daher wurden nicht nur gegen den Beklagten, sondern auch gegen Peter P***** und die Firma S***** GmbH (zu 16 C 2145/03z und 16 C 2146/03x des Erstgerichtes) Klagen eingebracht (über die Letzteren hat der Oberste Gerichtshof bereits entschieden [6 Ob 191/05i]).

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 18. 11. 2003 beim Erstgericht eingelangten Klage vom Beklagten die Unterlassung der Aufstellung von Werbe bzw Warenständern. Durch die - mittlerweile widerrufene - Zustimmung der Grundeigentümerin sei kein Mietvertrag mit den Beklagten abgeschlossen worden; es handle sich vielmehr um ein Prekarium. Der Widerruf sei daher jederzeit und ohne Grund möglich. Hier habe der Beklagte auch noch laufend Vertragsverletzungen begangen, nämlich mehr Fläche verwendet als vereinbart und auch die Fassade behängt. Alle Gewerbetreibenden in der Stadt seien von der Klägerin gleich behandelt worden.

In der Tagsatzung vom 29. 3. 2004 (ON 9) stellte die Klägerin das Eventualbegehren, der Beklagte habe es zu unterlassen, auf dem Grundstück der Klägerin Werbe bzw Warenständer aufzustellen, sofern dadurch mehr als 0,5 m² Grundfläche verwendet werde.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Er habe mit der Klägerin einen dem MRG unterliegenden Mietvertrag abgeschlossen, der weiterhin aufrecht sei, weil nicht ein Anerkennungszins, sondern ein erhebliches Mietentgelt bezahlt werde. Die Klägerin als Eigentümerin des öffentlichen Gutes dürfe nicht willkürlich vorgehen und den Beklagten ohne sachlichen Grund nicht anders behandeln wie seine Mitbewerber. Der Klage liege wohl eine unfreundlich verlaufene Begegnung des Beklagten mit der Bürgermeisterin zugrunde.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab, gab dem Eventualbegehren aber statt. Über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus stellte es noch fest, dass in Bezug auf die Warenpräsentation des Beklagten auf seinen Warenständern im Vergleich zu den anderen Geschäften in der Hofgasse kein Unterschied festgestellt werden könne. Auch die anderen Gewerbetreibenden in der Hofgasse hätten immer wieder und regelmäßig die grundsätzlich eingeräumte Fläche von 0,5 m² überschritten.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Klägerin habe auch im Rahmen ihrer privatrechtlichen Tätigkeit dem Gleichheitsgrundsatz Genüge zu tun. Schon daraus sei ein Kontrahierungszwang abzuleiten. Außerdem sei die Klägerin als Straßenverwalterin Monopolistin. Gravierende und wiederholte Vertragsverletzungen könne sie zum Anlass nehmen, die Aufrechterhaltung eines Vertragszustandes zu verweigern. Die Klägerin dürfe aber nicht willkürlich einzelne Vertragspartner in dieser Weise bestrafen. Eine individuelle Untersagung der Aufstellung von Verkaufsständern sei daher unzulässig. Die Klägerin könne vom Beklagten aber verlangen, sich an die bescheidmäßigen Auflagen zu halten. Dem Eventualbegehren sei stattzugeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es hielt zunächst fest, dass im Rechtsmittelverfahren nur mehr strittig sei, ob der Beklagte im Umfang der Bewilligung und der entsprechenden privatrechtlichen Gestattung durch die Klägerin Warenständer aufstellen dürfe, weil die Untersagung der darüber hinausgehenden Nutzung - für die nie ein Titel bestand - mangels Anfechtung rechtskräftig erledigt sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dass nach § 2 Abs 6 des Tiroler Straßengesetzes ein Sondergebrauch jede nicht unter den Gemeingebrauch fallende Benützung einer Straße sei. Der Beklagte nutze die Straße durch Aufstellen von Verkaufsständern im Rahmen eines Sondergebrauchs. Hiefür sei die schriftliche Zustimmung des Straßenverwalters (§ 5 Abs 1 Tiroler Straßengesetz) erforderlich. Der Straßenverwalter sei derjenige, dem als Träger von Privatrechten der Bau, die Erhaltung und die Verwaltung einer Straße obliege (§ 2 Abs 7 leg cit ). Die Zustimmung dürfe nur erteilt werden, wenn der beabsichtigte Sondergebrauch die Schutzinteressen der Straße nicht beeinträchtige und dürfe nur unter Beschränkungen erteilt werden, soweit die Schutzinteressen der Straße dies erforderten. Die Zustimmung dürfe weiters nur befristet oder unbefristet auf jederzeitigen Widerruf erteilt werden (§ 5 Abs 2 Tiroler Straßengesetz). Der Beklagte verfüge über eine zeitlich befristete straßenverkehrsbehördliche Genehmigung iSd § 82 StVO einerseits sowie über eine unbefristete privatrechtliche Zustimmungserklärung der Klägerin als Grundeigentümerin zum Sondergebrauch andererseits. Die entgeltliche Gebrauchsüberlassung durch Einräumung privatrechtlich gestalteter Sonderbenützungsrechte von Straßengrund sei keine Gebrauchsüberlassung iSd § 1090 ABGB, sondern die Gestattung, das öffentliche Gut unter Ausschluss des Gemeingebrauchs zu benützen. Die Zustimmung zur Sonderbenützung werde in Form eines Gestattungsvertrags erteilt, der in bestimmten Belangen, insbesondere hinsichtlich der Beendigungsgründe des Dauerrechtsverhältnisses seine besondere Ausgestaltung durch das Straßenrecht erfahre. Es liege ein Innominatvertrag vor. Die Beendigung des Gestattungsvertrags regle § 5 Abs 3 Tiroler Straßengesetz. Der Straßenverwalter habe die Zustimmung zum Sondergebrauch unter Setzung einer angemessenen Frist ganz oder teilweise zu widerrufen, a) soweit dies die Schutzinteressen der Straße erforderten oder b) wenn es wegen einer baulichen Änderung der Straße erforderlich sei. Die Klägerin unterliege als Eigentümerin des öffentlichen Guts dem Kontrahierungszwang. Dieser bestehe überall dort, wo faktische Übermacht eines Beteiligten ihm die Möglichkeit der „Fremdbestimmung" über andere gebe, insbesondere bei Innehabung einer Monopolstellung. Eine solche komme der Straßenverwaltung zu. Der Monopolist müsse, wenn ihm ein Vertragsabschluss zumutbar sei, einen guten sachlichen Grund für die Verweigerung des Vertragsabschlusses haben. Dies gelte auch für den Widerruf der Bewilligung einer Sondernutzung. Die Klägerin dürfe ihre Zustimmung nur aus den im § 5 Abs 3 lit a und b Tiroler Straßengesetz genannten Gründen widerrufen. Sie behaupte zwar rechtsirrig das Vorliegen eines Prekariums, habe sich aber bei ihrem Widerruf auch auf mehrfache Vertragsverletzungen des Beklagten berufen. Ein wichtiger Grund für den Widerruf liege vor, wenn durch die Vertragsverletzung Interessen der Straße nach § 2 Abs 9 Tiroler Straßengesetz verletzt würden, etwa das Interesse der Wahrung des Straßenbildes. Wenn die Klägerin somit gegen Vertragsverletzer vorgehe, könnten sich diese nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Hier sei entscheidend, ob die ursprüngliche privatrechtliche Gestattung wirksam widerrufen worden sei. Gemäß § 5 Abs 3 Tiroler Straßengesetz dürfe der Straßenverwalter die Zustimmung zum Sondergebrauch nur unter Setzung einer angemessenen Frist widerrufen. Da der Innominatvertrag ausschließlich durch das Tiroler Straßengesetz determiniert werde, könne sich die Klägerin nicht auf einen anderen, im Gesetz nicht angeführten wichtigen Grund stützen. Zumindest sei eine Fristsetzung für den Widerruf erforderlich. Die Klägerin habe sich darauf gestützt, keine Frist einhalten zu müssen. Es sei nicht festgestellt worden, dass dem Beklagten eine angemessene Frist eingeräumt worden sei. Eine anlässlich einer Bürgerversammlung erfolgte Klarstellung sei einer Fristsetzung nicht gleichzusetzen. Es sei auch nicht vorgebracht und festgestellt worden, dass die Beklagten bei der Bürgerversammlung anwesend gewesen wären.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zu den Fragen, ob neben den Widerrufsgründen des Tiroler Straßengesetzes auch sonstige wichtige Gründe zur Auflösung des Dauerschuldverhältnisses führen können und ob die Fristsetzung eine Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Widerruf der Zustimmung zum Sondergebrauch darstelle, liege keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren „gänzlich" stattgegeben werde; hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Aufstellung von Werbeträgern auf Straßen und anderem öffentlichen Gut steht nicht schon aufgrund des Gemeingebrauchs zu. Sie bedarf einer privatrechtlichen Bewilligung des Grundeigentümers (1 Ob 578, 579/79 = SZ 52/62; RIS Justiz RS0009802 [T2] und RS0009822 [T1] = 6 Ob 191/05i). Die über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung ist ein Eingriff in das Eigentumsrecht, den der Grundeigentümer gegen Entgelt oder unentgeltlich mit einem dem Privatrecht unterliegenden Gestattungsvertrag erlauben kann (6 Ob 280/98i = SZ 72/14 mwN). Mit der festgestellten Zustimmungserklärung der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Grundeigentümerin wurde in diesem Sinn ein Gestattungsvertrag abgeschlossen.

Es ist der Revisionswerberin in ihrer Argumentation zu folgen, dass für die Sondernutzung (den Sondergebrauch) an einer öffentlichen Straße oder an einem anderen öffentlichen Gut klar voneinander zu unterscheidende Voraussetzungen gegeben sein müssen, nämlich die behördliche Bewilligung des Straßenverwalters unter den in § 5 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl 1989/13 idgF normierten Voraussetzungen und (kumulativ) die Zustimmung des Eigentümers des Straßengrundes:

Für den Fall, dass der Straßengrund nicht im Eigentum der Gebietskörperschaft steht, ist die Unterscheidung geradezu selbstverständlich; bedeutete doch eine Sondernutzung nur auf Grund der Zustimmung der Straßenverwaltung und ohne Zustimmung des Grundeigentümers einen Enteignungsfall. Die Zustimmung des Grundeigentümers ist aber auch im Fall der hier gegebenen Personalunion (die Gemeinde einerseits als Straßenverwaltung und Trägerin der sog Straßenbaulast und andererseits in ihrer Eigenschaft als Grundeigentümerin) zu verlangen. Das Tiroler Straßengesetz unterscheidet selbst und völlig unmissverständlich zwischen diesen beiden Eigenschaften; sieht doch § 5 neben der in den Abs 1 und 2 angeführten behördlichen Zustimmung des Straßenverwalters im Abs 6, wenn der Straßengrund im Eigentum der Gemeinde steht, in den dort genannten Fällen ausdrücklich deren Gestattungspflicht vor, und zwar nach lit c „gegen ein angemessenes Entgelt" und „befristet oder unbefristet auf jederzeitigen Widerruf".

Es ist daher der Revisionswerberin zuzustimmen, dass das mit dem Gestattungsvertrag begründete Dauerschuldverhältnis, bei dem es sich nach Auffassung der Klägerin um ein Prekarium handeln soll, nicht schon deshalb unwiderruflich ist, weil unstrittig kein Widerrufsgrund nach § 5 Abs 3 des Tiroler Straßengesetzes (Schutzinteressen der Straße oder wegen einer baulichen Änderung der Straße) vorliegt. In diesem Sinne anerkannte der Oberste Gerichtshof in der präjudiziellen Vorentscheidung 3 Ob 521/88 (auch dort ging es um Warenständer in der Hofgasse in Innsbruck mit derselben Klägerin), dass bei der Entscheidung der Gemeinde über den Sondergebrauch die Interessen aller Bürger an der Stadtbild und Denkmalpflege zu berücksichtigen seien und dass diese Interessen gegen einen Kontrahierungszwang sprechen könnten. Wenn solche Gründe zur Verweigerung der Sondernutzung herangezogen werden können, liegt es auf der Hand, dass diese Gründe auch einen Widerrufsgrund darstellen können und dass die im § 5 Abs 3 des Tiroler Straßengesetzes angeführten Umstände nur für den Straßenverwalter, nicht aber für den Grundeigentümer maßgebliche und taxativ aufgezählte Widerrufsgründe sind (6 Ob 191/05i = RIS Justiz RS0009814 [T1]).

Hat sich der Eigentümer der Sache trotz der Entgeltlichkeit des Verhältnisses das Recht vorbehalten, die Rückgabe nach seinem Gutdünken zu verlangen, dann liegt mangels der Voraussetzungen der Überlassung der Sache auf eine gewisse Zeit ein Bestandvertrag nicht vor (so schon 1 Ob 614/57 = JBl 1958, 363 = RIS Justiz RS0025312). Es handelt sich vielmehr um einen Innominatvertrag (2 Ob 3/98z = SZ 71/53), also einen im Rahmen der Privatautonomie geschlossenen und zulässigen Vertrag, der keinem gesetzlichen Vertragstypus entspricht ( Rummel in Rummel³ § 859 ABGB Rz 21; Binder in Schwimann³ IV § 974 ABGB Rz 33; 6 Ob 191/05i = RIS Justiz RS0025312 [T2] und RS0109844 [T1]). Gegen diese Beurteilung führt die Klägerin die vereinbarte jederzeitige Widerruflichkeit der Gestattung ins Treffen. Für den Widerruf bedürfe es keiner Fristsetzung (eine solche sei aber ohnehin erfolgt) und auch keines Widerrufsgrundes (ein solcher läge aber wegen vertragswidrigen Verhaltens des Beklagten auch vor). Dazu ist Folgendes auszuführen:

Das wesentliche Element der Bittleihe (Prekarium) ist die jederzeitige Widerruflichkeit durch den Verleiher. Dieser kann die entlehnte Sache nach Willkür zurückfordern (§ 974 ABGB). Daneben ist die Unentgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung wesentlich. Ein bloß geringfügiges Entgelt, das gegenüber dem Wert der Benützung nicht ins Gewicht fällt, schließt ein Prekarium nicht aus ( Schubert in Rummel³ § 974 ABGB Rz 2 mwN; Binder aaO Rz 10). Auf den Einwand, hier sei bloß ein geringfügiger Anerkennungszins zu zahlen, kommt die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr zurück, sodass es schon fraglich erscheint, ob nicht das festgestellte jährliche Entgelt von immerhin 36 EUR bei dem geringen Ausmaß der Sondernutzung von nur 0,5 m² Straßenfläche (Gehsteig) nicht mehr als geringfügig anzusehen wäre. Für diese Beurteilung spricht jedenfalls der Gesetzeswortlaut des § 5 Abs 6 lit c des Tiroler Straßengesetzes, wonach die Gebietskörperschaften (Land und Gemeinden) die Benützung des Straßengrundes in den dort genannten Fällen gegen „ein angemessenes Entgelt" zu gestatten haben. Es liegt nahe, dass sich die Klägerin bei ihrer Zustimmungserklärung und dem geforderten Entgelt an dieser Gesetzesformulierung orientierte (also ein angemessenes Entgelt verlangte), genauso, wie sie dies beim Vorbehalt des jederzeit möglichen Widerrufs machte. Letzterer ist im Lichte der oberstgerichtlichen Judikatur zum Kontrahierungszwang von Gebietskörperschaften auch bei Gestattungsverträgen dahin auszulegen, dass die Vereinbarung über den Widerruf um den Halbsatz zu ergänzen ist: „... wenn ein wichtiger Widerrufsgrund vorliegt."

Nach der ständigen Judikatur seit der Entscheidung 1 Ob 227/71 = SZ 44/138 besteht ein Kontrahierungszwang überall dort, wo faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloß formaler Parität ihm die Möglichkeit der „Fremdbestimmung" über andere gibt, also insbesondere bei Innehabung einer Monopolstellung. Der Straßenverwaltung kommt eine solche Monopolstellung zu. Der Monopolist muss, wenn ihm ein Vertragsabschluss zumutbar ist, einen guten (sachlichen) Grund für die Verweigerung eines Vertragsabschlusses haben (RIS Justiz RS0016745). Der Kontrahierungszwang besteht nicht nur für lebenswichtige Güter wie beispielsweise auf dem Gebiet der Stromversorgung, er wurde auch schon für den völlig vergleichbaren Fall eines Gestattungsvertrags über die Aufstellung eines Warenständers auf öffentlichem Gut bejaht (siehe die schon zit E 3 Ob 521/88 und RIS Justiz RS0110808 [T5] = 6 Ob 191/05i). Daraus ist abzuleiten, dass es sich bei der Vereinbarung über den jederzeitigen Widerruf nicht um einen unbegründeten Widerruf iSd gesetzlichen Prekariums gemäß § 974 ABGB handeln kann, weil es geradezu sinnwidrig wäre, dass die Klägerin jederzeit und grundlos das Schuldverhältnis zur Auflösung bringen könnte, andererseits aber verpflichtet wäre, über Verlangen sofort wieder einen neuen Gestattungsvertrag abzuschließen. Dies erkennt die Revisionswerberin offenbar auch selbst, wenn sie im Anschluss an die Behauptung eines frist und grundlosen Widerrufsrechts bemerkt, dass der Beklagte „dann gegebenenfalls lediglich das Recht (hätte), auf Abschluss eines Vertrags zu klagen" (Seite 11 der Revision).

Zum Kontrahierungszwang der Gemeinde ist schließlich noch ergänzend auszuführen, dass sich dieser auch aus dem für Gebietskörperschaften geltenden Gebot der Gleichbehandlung ableiten lässt. Der Monopolist darf ohne sachliche Begründung Interessenten nicht verschieden behandeln (4 Ob 538, 539/91; RIS Justiz RS0030805 [T7] = 6 Ob 191/05i).

Entgegen den Revisionsausführungen liegt hier kein ausreichend wichtiger Grund zur Auflösung des mit dem Gestattungsvertrag, einem Innominatkontrakt begründeten Dauerschuldverhältnisses vor:

Wohl steht fest, dass der Beklagte in unzulässiger Rechtsanmaßung sein Benutzungsrecht ausgeweitet hat. Vertragsverletzungen rechtfertigen jedoch nicht generell die Auflösung des Dauerschuldverhältnisses. Der Auflösungsgrund liegt vor, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses dem einen Teil unter Berücksichtigung der Eigenart des Schuldverhältnisses, des gesamten Verhaltens der Vertragspartner und der Interessen beider Vertragsteile nicht zugemutet werden kann (RIS Justiz RS0018842). Auch die Bewilligung einer Sondernutzung aufgrund eines Gestattungsvertrags kann nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen widerrufen werden, insbesondere dann, wenn es um die wirtschaftliche Existenz des Sonderbenützungsberechtigten geht (1 Ob 544/89 = SZ 62/34 = RIS Justiz RS0053816). Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ist hier ein Widerrufsgrund (Auflösungsgrund) schon deshalb zu verneinen, weil dem österreichischen Recht außerhalb der gesetzlichen Verwirkungstatbestände ein allgemeiner Verwirkungstatbestand fremd ist (RIS Justiz RS0014221; zuletzt: 6 Ob 191/05i mwN) und künftige Vertragsverletzungen von der Klägerin leicht und ohne besondere Aufwendungen durch Erwirkung eines Unterlassungstitels verhindert werden können. Besondere Gründe dafür, dass der Klägerin die fortgesetzte Gestattung der Sondernutzung im Ausmaß der Verwendung von 0,5 m² öffentlichen Guts nicht zumutbar wäre, führt die Revisionswerberin auch gar nicht ins Treffen. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ist daher ein wichtiger Grund für den Widerruf der Gestattung zu verneinen und die Abweisung des Hauptbegehrens der Klägerin zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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