JudikaturJustiz7Ob267/04x

7Ob267/04x – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Dezember 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Vogel, Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef G********** *****, vertreten durch Dr. Josef Lachmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Curatial-Kirche, Pfarre St. J*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung (Streitinteresse EUR 10.000,--), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 30. Juni2004, GZ 3 R 143/04w-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St. Veit/Glan vom 26. Februar 2004, GZ 4 C 1024/02y-17, (in der Hauptsache) bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 665,66 (hierin enthalten EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch der Zulässigkeit der Revision durch das Berufungsgericht nicht gebunden. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann er sich bei der Zurückweisung einer derartigen Revision auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Im Jahre 1069 wurde die Kirche St. Jakob in Kärnten gegründet und 1683 zu einer selbständigen Pfarre erhoben. 1884 wurde im Grundbuch die Dienstbarkeit des Zuganges zum Friedhof und zur Kirche ob der Liegenschaft der Rechtsvorgänger des Klägers einverleibt. Der Kläger ist seit 1990 als Käufer Eigentümer ua der Liegenschaft Gst. *****; Voreigentümerin war Herta O*****. Die beklagte Partei ist grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaften EZ ***** (Pfarrhof) mit dem Gst. ***** und EZ ***** (Curatial-Kirche) GB ***** St***** Land Bezirksgericht St. Veit/Glan. Der ebene Bereich des Gst. ***** nördlich der Kirche wurde zumindest seit 1940 zum Abstellen von Fahrzeugen, welche die Kirchgänger und Friedhofbesucher benützten, verwendet; seinerzeit wurde mit Pferden und Wagen zugefahren, später mit Traktoren und etwa ab 1950 mit PKWs und Motorrädern. Der Zugang und die Zufahrt zum Stallgebäude der Rechtsvorgängerin des Klägers wurden hiebei immer freigehalten. Die aus Sch***** und weiter nördlich kommenden Besucher stellten ihre Fahrzeuge traditionell oberhalb (nördlich), jene aus L***** und M***** kommenden hingegen südlich der Kirche ab. Bei Hochzeiten, der Fleischweihe, Taufen und ähnlichen Anlässen wurde mit Pferdegespann zugefahren. Sonntags wurden nur ältere Leute, die nicht mehr gut gehen konnten, mit dem Pferdewagen zur Kirche geführt. Zur Fleischweihe waren es ca 20 Gespanne. Der ganze Bereich zwischen Stallgebäude und Kirche war nie zugeparkt. Bei Firmungen und Hochzeiten war der Platz später ausnahmsweise mit Autos gefüllt. Zur Sonntagsmesse waren im Schnitt etwa 10 Autos nördlich der Kirche abgestellt, weil dies “immer so war und niemals verboten wurde”.

“Vor August 1982” versuchte Herta O*****, “das Parken streitig zu machen”. Es wurde zur Straße hin ein Zaun aufgestellt, den die Bevölkerung allerdings “immer wieder abtrug. Dieser Vorfall ging über einige Wochen.”

Am 19. 8. 1982 fand anlässlich eines Bauverfahrens eine Ortsverhandlung der Stadtgemeinde St***** statt. Der Amtsleiter versuchte, zwischen den Parteien zu vermitteln und es kam zur Protokollierung einer Vereinbarung, wonach Herta O***** eine näher beschriebene Teilfläche der Parzelle ***** nördlich der Kirche für das Abstellen von Kraftfahrzeugen und Fahrzeugen aller Art für Friedhofs-und Kirchenbesucher der Kirche St. Jakob überließ, wobei jedoch die Zufahrt zum Wirtschaftsgebäude (wie bisher) frei bleiben musste. Als Entgelt sollte ihr von der beklagten Partei der jährliche Gräberzins für zwei vorhandene Gräber am dortigen Friedhof erlassen werden. Die Nutzungsvereinbarung sollte für 20 Jahre gelten und nach Ablauf dieses Zeitraumes, falls kein Widerspruch erfolgt, jeweils um ein weiteres Jahr verlängert werden. Peter Qu***** sagte als Vertreter der Finanzkammer des Bischöflichen Ordinariates Klagenfurt zu, dass er sich um die Genehmigung des Ordinariates sorgen werde. Tatsächlich wurde eine solche Genehmigung in der Folge nicht erteilt, sodass der Bestandvertrag mit Rücksicht auf das maßgebliche kanonische Recht niemals in Wirksamkeit erwuchs. Ein vom Kläger am 7. 8. 2002 unter Stützung auf diese Vereinbarung vom 19. 8. 1982 beim Bezirksgericht St. Veit/Glan zu 5 C 157/02f eingebrachter Auftrag zur Übergabe des Bestandgegenstandes gemäß § 567 ZPO wurde mit Urteil des genannten Gerichtes für wirksam erklärt und die beklagte Partei zur Übergabe binnen 14 Tagen verpflichtet; das Landesgericht Klagenfurt als Berufungsgericht änderte diese Entscheidung jedoch mit Urteil vom 19. 2. 2003, 3 R 3/03f, mangels Vorliegens eines gültigen Bestandvertrages im Sinne einer Klageabweisung ab. Eine außerordentliche Revision des Klägers wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 26. 8. 2003 zu 5 Ob 137/03p zurückgewiesen.

Tatsächlich waren die seinerzeitigen Vertragsparteien nach der Übereinkunft von 1982 davon ausgegangen, dass diese gültig sei. Es wurde daraufhin “im Wesentlichen” nördlich der Kirche geparkt, die südlich gelegene Fläche wurde nicht mehr als Parkplatz genützt. Als der Kläger die Liegenschaft im September 1990 kaufte, wurden die Fahrzeuge jeweils oberhalb der Kirche geparkt und waren auch Fahrspuren durch Abfahren der Grasnarbe ersichtlich. Seitens der Verkäuferin war der Kläger nicht über die Vereinbarung von 1982 informiert worden; er kam erst durch spätere Recherchen auf diese Niederschrift. Die “Mitglieder” der beklagten Partei glaubten, sie dürften im gegenständlichen Bereich parken.

Mit der am 2. 12. 2002 eingebrachten “Dienstbarkeitsklage” begehrte der Kläger gegenüber der beklagten Partei die Feststellung, dass zu Lasten seines Grundstückes ***** das von der beklagten Partei behauptete Recht des Fahrens und des Abstellens von Fahrzeugen aller Art nicht bestehe. Von einer entsprechenden Dienstbarkeit könne keine Rede sein. Durch die Benützung der Fläche als Parkplatz bzw durch das Befahren werde seine Liegenschaft im Bereich des Stall- und Wirtschaftsgebäudes “praktisch unbenutzbar”. Eine Ersitzung sei weder aus rechtlichen noch aus faktischen Gründen möglich, nämlich wegen Fehlens eines tauglichen Erwerbsgrundes, Gutgläubigkeit und Redlichkeit. Die nunmehr behauptete Berechtigung des Parkens mit Kraftfahrzeugen bedeute eine unzulässige Ausweitung der Dienstbarkeit gegenüber früher mit Pferden, Pferdefuhrwerken und Traktoren und müsse vom Kläger nicht geduldet werden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die gegenständliche Fläche werde schon seit mehr als 200 Jahren zum Gehen und Fahren sowie zum Abstellen von Fahrzeugen jeder Art benützt, sodass die Beklagte, die Pfarrkirchenratsmitglieder und deren Rechtsvorgänger sowie die Besucher der Kirche und des Friedhofes sowie deren Rechtsvorgänger das Recht des Gehens und Fahrens sowie des Abstellens von Fahrzeugen aller Art durch Ersitzung erworben hätten. Der Kläger nutze schon seit Jahren weder den Stall noch das Wirtschaftsgebäude zu landwirtschaftlichen Zwecken. Im Falle der Offenkundigkeit könne eine Dienstbarkeit auch ohne bücherliche Eintragung erworben werden.

Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der eingangs wiedergegebene Sachverhalt wurde (zusammengefasst) dahin rechtlich beurteilt, dass eine Dienstbarkeit auch durch einen unbestimmten Personenkreis (hier: die Besucher der Pfarrkirche und des Friedhofes) beansprucht und durch diese für die juristische Person (hier: die Kirche) ersessen werden könne. Wenn allenfalls vor August 1982 die Voreigentümerin sich der Ausübung der Dienstbarkeit kurzfristig widersetzt habe, so hätten die Mitglieder der Pfarrkirche bzw Benützer des Grundstückes die der Benützung entgegenstehenden Hindernisse jeweils entfernt und sei es so zu einem ausreichenden Widersetzen im Sinne des § 1489 ABGB nicht gekommen.

Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000,--, nicht jedoch EUR 20.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, “ob das Vorliegen einer formungültigen und damit rechtsunwirksamen Bestandsvereinbarung über eine Grundstücksfläche, die dem Eigentümer des herrschenden Gutes allerdings bekannt ist und an welche sich die Parteien des Bestandvertrages in der Folge auch gehalten haben, unter Bedachtnahme auf § 1500 ABGB das Bestehen einer für den späteren Erwerber des Grundstückes offenkundigen Dienstbarkeit ausschließt.”

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels als unzulässig, in eventu diesem keine Folge zu geben beantragt wird.

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass der Erwerber einer Liegenschaft - bezogen auf eine wie hier Grunddienstbarkeit - dann nicht als gutgläubig angesehen wird, wenn auf dem dienenden Grundstück bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge erkennbar sind, die das Bestehen einer Grunddienstbarkeit vermuten lassen (SZ 62/62, 68/194; 4 Ob 213/04h). Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, begründet regelmäßig - vom Fall einer krassen, gegen den Beurteilungsmaßstab massiv verstoßenden Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage (4 Ob 213/04h). Keine erhebliche Rechtsfrage bildet auch die Frage, ob sich der Verpflichtete der Servitut im Sinne des § 1488 ABGB widersetzen konnte, ist diese Frage doch hier schon deshalb für die Entscheidung letztlich unerheblich, weil nach den maßgeblichen Feststellungen die von der Rechtsvorgängerin des Klägers und Voreigentümerin gesetzte Maßnahme einer Zaunerrichtung schon nach wenigen Wochen wiederum zufolge Widerstandes der Parkplatzbenützer aufgegeben wurde und sich Herta O***** in der Folge mit dieser Entfernung des Zaunes als Hindernis ihrerseits abfand. Dass der Vereinbarung vom 19. 8. 1982 mangels Zustimmung des rechtmäßigen Kirchenoberen im Sinne des Art 1533 CIC keine Rechtswirksamkeit als “Bestandvertrag” zukam, hat bereits das Berufungsgericht im Vorverfahren - geprüft und zustimmend bejaht, was auch vom Obersten Gerichtshof im Rahmen der hiegegen erhobenen, jedoch zurückgewiesenen außerordentlichen Revision zu 5 Ob 137/03p gebilligt wurde. Auch durch die von der Rechtsvorgängerin damit beabsichtigte “Streitigmachung” kam es (jedenfalls im nördlichen Bereich) zu keiner Veränderung in den Dienstbarkeitsausübungsgepflogenheiten durch die Kirch- und Friedhofsbesucher.

Es entspricht weiters der Rechtsprechung, dass der zur Ersitzung führende Besitz auch durch Stellvertreter, Boten oder andere Besitzmittler ausgeübt werden kann, als welche gerade dann, wenn es um die Ersitzung des Rechtes zur Benützung von Grundflächen etwa als Kunden- oder Gästeparkplätze als Bestandteile eines auf dem berechtigten Grundstück betriebenen Unternehmens geht, naturgemäß die Kunden bzw Gäste in Betracht kommen, sofern diese Rechtsausübung vom Besitzwillen des Unternehmers getragen wird (RIS-Justiz RS0011655); nichts anderes hat hier im Zusammenhang mit einem an einer Kirche samt Friedhof gelegenen derartigen Parkplatz zu gelten. Für den Besitzwillen ist dabei das äußere Bild der Benützung ausschlaggebend (7 Ob 133/98d). Im vorliegenden Fall haben die Gläubigen (Kirchenbesucher, aber auch Teilnehmer an diversen festlichen Veranstaltungen im Rahmen der Kirche, wie bei Taufen, Hochzeiten oder bei der sog Fleischweihe) seit über 30 Jahren (ab 1940) im Wesentlichen gleichbleibend, nämlich (auch) mit PKWs zum Zweck, die Parkfläche (vorwiegend) nördlich der Kirche, teilweise (freilich wesentlich geringer) auch südlich davon, zu erreichen und diese Fläche als solche im Zusammenhang mit derartigen kirchlichen Veranstaltungen auch zu gebrauchen, das Grundstück des Klägers benützt; dass (im Zuge der zunehmenden Motorisierung) die Anzahl der Fahrzeuge und damit auch das Ausmaß des Befahrens im Laufe dieser Jahre (Jahrzehnte) zugenommen haben mag, ist ebenfalls nicht weiter schädlich (7 Ob 133/98d mwN). Durch eine solche Ersitzung können auch unregelmäßige Dienstbarkeiten außerbücherlich erworben werden; notwendig ist aber jedenfalls eine für den Eigentümer des belasteten Gutes erkennbare Rechtsausübung - durch die Ersitzungszeit im Wesentlichen gleichbleibend - zu bestimmten Zwecken in bestimmtem Umfang (RIS-Justiz RS0011591; SZ 66/53).

Auch an der Gutgläubigkeit der Ersitzungsberechtigten kann füglich nicht gezweifelt werden. Wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst zu 6 Ob 312/03f ausgeführt hat, ist zur Ersitzung einer Dienstbarkeit zu Gunsten einer (dort Orts-, hier Pfarr-)Gemeinde der gute Glaube ihrer “Machthaber” (§ 337 ABGB) während der gesamten Ersitzungszeit erforderlich (RIS-Justiz RS0010298). Ein solche fiele nur weg, wenn der Ersitzungsbesitzer entweder positiv Kenntnis erlangt, dass sein Besitz nicht rechtmäßig ist oder wenn er zumindest solche Umstände erfährt, die zu Zweifeln an der Rechtsmäßigkeit seines Besitzes Anlass geben (RIS-Justiz RS0010184). Auch hiefür sind die Umstände des Einzelfalles maßgebend (6 Ob 312/03f). Nach neuerer Rechtsprechung genügt es, dass die Gemeindeangehörigen den Weg (oder hier die Fläche um die Kirche) so benützen, als handelte es sich um einen öffentlichen Weg bzw Platz; in diesem Fall wird der Besitzwille der Gemeinde vermutet (4 Ob 96/04b). Dass auch diese Voraussetzungen gegeben sind, ist aus den Feststellungen der Vorinstanzen gleichfalls unschwer ableitbar. Auch Teilflächen eines Grundstückes bzw Rechte daran sind ersitzbar (JBl 1994, 476). Dass der Kläger vom “Bestandvertrag” des Jahres 1982 erst nachträglich erfahren hatte, vermag an diesen objektiven Gegebenheiten der Offenkundigkeit der streitgegenständlichen Dienstbarkeit nichts zu ändern, weil diese dem Kläger auch sonst bekannt sein mussten und damit (auch für ihn) offenkundig waren, weshalb sich auch eine weitergehende Vertiefung der diesbezüglichen Rechtsfragenformulierung im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes erübrigt.

Die Revision ist damit als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich und zutreffend hingewiesen.

Rechtssätze
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