JudikaturJustiz7Ob2253/96s

7Ob2253/96s – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Dezember 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Alois P*****, und 2.) Pauline P*****, beide vertreten durch Dr.Wilfrid Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, gegen die beklagten Parteien 1.) Johann R*****, und 2.) Maria R*****, beide vertreten durch Dr.Wolfgang Reinisch, Rechtsanwalt in Bad Radkersburg, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit, infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 13.Dezember 1995, GZ 5 R 208/95-41, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Mureck vom 26.April 1995, GZ C 34/94m-36, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit insgesamt S 11.662,66 (darin enthalten S 1.943,78 USt) bestimmten Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten sind Eigentümer der Liegenschaft EZ 1 GB 66202 D***** mit den Grundstücken Nr 115/3 LNR 7 Baufläche und Nr 115/1 Garten. Über diese Grundstücke führt ein 3,2 bis 3,5 m breiter asphaltierter Weg, der die Landesstraße Nr 206 mit dem Gemeindeweg Parzelle Nr 214 der KG D***** verbindet. Der Weg wird allgemein als "Stimpflweg" bezeichnet und hat eine Länge von ca 160 m.

Bis 1936 stellte ein Gemeindeweg, der über die Grundstücke 114/4, 114/3 und 113/2 der KG D***** verlief, die Verbindung zwischen den beiden Straßenzügen her. Die genannten Grundstücke gehörten dem Vater und Rechtsvorgänger der Zweitbeklagten, Josef H*****, der diese Grundstücke im Jahr 1936 verkaufte. Seit damals wurde der "alte" Gemeindeweg nicht mehr benützt. Vielmehr wurde nun der Stimpflweg seitens der Gemeinde D*****, deren Bürgermeister damals Josef H***** war, durch Beschotterung befestigt und schließlich im Jahr 1970 asphaltiert.

Der Erstkläger benützte den Stimpflweg seit 1924, und zwar um Fischen zu gehen und um von der Peterquelle Wasser zu holen. Der Stimpflweg diente vornehmlich als Hofzufahrt für die Beklagten und deren Rechtsvorgänger sowie als Feldzufahrt für benachbarte Landwirte, die zum Teil Grundstücke von den Beklagten und deren Rechtsvorgängern gekauft hatten. Zwischen 1946 und 1972 benützte der Erstkläger den Stimpflweg auch, um seine Kühe ca 10 x jährlich zum Gemeindestier zu treiben. Andere Landwirte trieben ebenfalls Kühe über den Stimpflweg.

Seit 1936 stand der Stimpflweg der Allgemeinheit zur Verfügung und wurde wie ein öffentlicher Weg benützt. Josef H***** gestattete jedermann die Benützung des Weges, ohne daß um Erlaubnis gefragt werden mußte. Sämtliche umliegende Landwirte benützten den Stimpflweg etwa in demselben Ausmaß wie der Kläger.

Im Jahr 1971 erwarben die Kläger mehrere Grundstücke von den Beklagten. Sie benützten den Stimpflweg nun auch, um diese Grundstücke zu erreichen.

Mit Bescheid der Gemeinde D***** vom 29.9.1987 wurde festgestellt, daß es sich beim Stimpflweg um eine öffentliche Straße handelt, die der allgemeinen Benützung freisteht.

In der Gemeinderatssitzung vom 10.2.1993 beschloß die Gemeinde D***** die Verordnung, daß gemäß § 8 Abs 3 des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes das öffentliche Benutzungsrecht des Stimpflweges aufgelassen werde. Mit Tauschvertrag vom 11.2.1993 übertrug die Gemeinde D***** ein Trennstück ihrer Parzelle 114/4 an die Beklagten, die hiefür ihrerseits der Gemeinde D***** Trennstücke aus drei ihrer Parzellen übertrugen. Hiebei wurde zwischen der Gemeinde D***** und den Beklagten vereinbart, daß die Öffentlichkeit am Stimpflweg nach grundbücherlicher Durchführung dieses Tauschvertrages aufgehoben werden sollte. Dementsprechend enthält der Gemeinderatsbeschluß vom 10.2.1993 die Anordnung, daß die Verordnung über die Auflassung des öffentlichen Benutzungsrechtes am Stimpflweg mit Ende der Kundmachungsfrist, weiters aber erst in Kraft tritt, wenn der "Kaufvertrag" zwischen der Gemeinde D***** und den Beklagten "grundbücherlich genehmigt und rechtskräftig ist".

Die Gemeinde D***** legte als Ersatz für den Stimpflweg einen Gemeindeweg mit anderem Streckenverlauf an. Der Tauschvertrag wurde inzwischen verbüchert.

Die Kläger begehrten 1.) die Feststellung, daß ihnen als derzeitigen Eigentümern der Liegenschaften EZ 8 und EZ 243 GB 66202 D***** mit den im Begehren näher angeführten Grundstücken als Dienstbarkeit das Recht zustehe, über den über die näher bezeichneten Grundstücke der Beklagten verlaufenden, von der Landesstraße Nr 206 abzweigenden und bis zum öffentlichen Weg Parzelle Nr 214 führenden und in diesen einmündenden Stimpflweg zu gehen und zu fahren und 2.), daß die Beklagten schuldig seien, in die Verbücherung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen.

Die Kläger behaupteten zunächst, daß sie sowie die Allgemeinheit den Stimpflweg bereits seit 1936 als kürzeste Verbindung zwischen der Landesstraße und dem Gemeindeweg benützt hätten. Außerdem sei ihnen die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes seitens der Beklagten für alle Zeiten eingeräumt worden. Diese vertragliche Servitutseinräumung sei bei späteren Grundstückskäufen jeweils ausdrücklich von den jeweiligen Verkäufern bestätigt worden. Insbesondere beim Ankauf der Grundstücke Nr 121/2 Acker und 114/5 Wiese im Jahr 1971 sei im Zuge der Vertragsverhandlungen vor der Agrarbezirksbehörde ausdrücklich vereinbart worden, daß den Klägern das Recht zustehe, zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung der Grundstücke über den Stimpflweg zu gehen und zu fahren. Dessen ungeachtet hätten die Beklagten am 31.12.1993 eine Absperrung über den Weg errichtet.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Der Stimpflweg sei ein öffentlicher Weg. Eine Ersitzung des Wegerechtes durch die Beklagten sei mangels einer über den Rahmen des Gemeingebrauches hinausgehenden Benützung nicht erfolgt.

Das Erstgericht wies im ersten Rechtsgang das Klagebegehren ab, weil der Stimpflweg seit 1936 von der Allgemeinheit durch Gehen, Fahren und Viehtreiben benützt worden sei und keine Anhaltspunkte hervorgekommen seien, daß die Kläger den Weg in anderer Weise benützt hätten. Deshalb hätten die Kläger keine Wegedienstbarkeit ersessen.

Das Gericht zweiter Instanz übernahm die diesbezüglichen Feststellungen und teilte die angeführte Rechtsansicht des Erstgerichtes, hob aber das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung zur Prüfung der Behauptung der Kläger auf, daß ihnen anläßlich des Grundstückskaufes im Jahr 1971 die Wegedienstbarkeit vertraglich eingeräumt worden sei.

Im zweiten Rechtsgang widerriefen die Kläger ihre Behauptung, daß der Stimpflweg seit 1936 der Allgemeinheit zur Verfügung gestanden sei. Richtig sei vielmehr, daß der Weg seit 1936 ausschließlich von Anrainern bzw Nachbarn benützt werde, die östlich der Liegenschaft der Beklagten Grundstücke besäßen. Weiters brachten sie noch vor, daß die Benützung des "neuen" Gemeindeweges nicht nur einen Umweg darstelle, sondern daß auch die Einfahrt von der Landesstraße in den Hof der Kläger schwierig sei sowie daß der "neue" Gemeindeweg von der Landstraße "nach einer gefährlichen Kurve" abzweige. Zudem wiesen sie daraufhin, daß die Verordnung der Gemeinde D*****, womit die Öffentlichkeit des Stimpflweges aufgehoben wurde, von ihnen mittels Individualbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof angefochten worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im zweiten Rechtsgang neuerlich ab. Es traf hinsichtlich der strittigen Servitutseinräumung anläßlich der Grundstückskäufe im Jahr 1971 folgende Feststellungen.

Die Kläger kauften im Jahr 1970 (gemeint wohl: 1971) verschiedene Grundstücke von den Beklagten. Ebenso kaufte Richard T***** ein Grundstück von den Beklagten. Bei den Vertragsverhandlungen waren neben den Parteien der Sohn der Kläger, Richard T*****, und der Vertragserrichter Dr.H***** als Vertreter der Agrarbezirksbehörde anwesend. Anläßlich der Verkaufsgespräche wurde auch über eine Zufahrtsmöglichkeit zu den betreffenden Grundstücken für die Kläger und Richard T***** gesprochen. Dr.H***** fragte die Vertragsteile, ob eine Zufahrtsmöglichkeit bestünde. Es wurde einvernehmlich erklärt, daß der Stimpflweg als (damals) einzige Möglichkeit als Zufahrt dienen solle. Hätte bereits damals die 1993 angelegte Gemeindestraße bestanden, "hätte sich die Vereinbarung einer Zufahrt über den Stimpflweg erübrigt". Seitens der Beklagten wurde die Zufahrtsmöglichkeit über den Stimpflweg deshalb "bestätigt", weil dieser Weg ohnehin der Allgemeinheit zur Verfügung stand.

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, daß weder die Behauptung der Kläger, sie hätten die Grundstücke im Jahr 1971 gar nicht gekauft, wäre eine Zufahrt über den Stimpflweg nicht möglich gewesen, noch jene der Beklagten, daß sie die Grundstücke nicht verkauft hätten, hätten sie den Käufern eine Servitut einräumen müssen, glaubhaft sei.

In seiner rechtlichen Beurteilung meinte das Erstgericht, daß das nunmehr geänderte Vorbringen der Kläger, der Weg sei seit 1936 ausschließlich von Anrainern und Nachbarn benützt worden, durch das ergänzende Beweisverfahren nicht erwiesen worden sei und insoweit kein Anlaß bestehe, von den bisherigen Feststellungen und der rechtlichen Würdigung abzuweichen. Das ergänzende Beweisverfahren habe auch nicht ergeben, daß die Einräumung einer Wegedienstbarkeit in der Absicht der Parteien gelegen gewesen sei, sodaß eine "richterliche Vertragsergänzung" nicht vorzunehmen sei.

Das Gericht zweiter Instanz hob dieses Urteil im zweiten Rechtsgang abermals auf. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Frage, ob der Stimpflweg seit 1936 von der Allgemeinheit benützt worden sei, sei bereits im ersten Rechtsgang abschließend im bejahenden Sinn geklärt worden. Abschließend erledigte Streitpunkte könnten nicht wieder aufgerollt werden, sodaß sich ein Eingehen auf die nunmehr erhobenen Behauptungen der Kläger und auf die betreffende Beweisrüge erübrige. Im übrigen billigte das Berufungsgericht ausdrücklich die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und die darauf basierenden Feststellungen über den Inhalt der Verkaufsgespräche im Hinblick auf die Zufahrtsmöglichkeit im Jahr 1971, meinte aber, daß diese Feststellungen nicht hinreichten, um durch Vertragsergänzung klären zu können, was für den von den Parteien nicht vorhergesehenen Fall der Auflassung der Öffentlichkeit des Stimpflweges zu gelten habe. Hiezu seien ergänzende Feststellungen über die örtlichen Gegebenheiten erforderlich.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof begründete das Berufungsgericht damit, daß zwar die Rechtsprechung das Wiederaufrollen abschließend erledigter Streitpunkte verneine, aber Fasching in seinem Lehrbuch auch widersprechendes Vorbringen und Beweisanbieten im zweiten Rechtsgang zulasse.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs der Kläger ist zulässig, obwohl sie mit ihrer Berufung die begehrte Aufhebung des Urteiles des Erstgerichtes erwirkt haben, weil sie sich gegen eine ihrem Prozeßstandpunkt nicht entsprechende Rechtsansicht wenden, von der das Berufungsgericht im bekämpften Beschluß ausgegangen ist (SZ 48/79 mwN). Die Kläger beantragen primär, den Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und dem Berufungsgericht aufzutragen, die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde D***** über die Auflassung des öffentlichen Benutzungsrechtes am Stimpflweg gemäß Art 89 Abs 2 und 139 Abs 1 B-VG anzufechten. Die Kläger meinen, das Verfahren zweiter Instanz sei deshalb mangelhaft geblieben, weil eine solche Verordnungsanfechtung unterblieben sei, obwohl die Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung einen derartigen Antrag gestellt hätten.

Den Klägern ist insoweit zunächst entgegenzuhalten, daß ein subjektives Recht darauf, daß ein Gericht von der Anfechtungsbefugnis im Sinn des Art 89 Abs 2 B-VG Gebrauch macht, nicht besteht (Mayer, MKK/B-VG Anm III 2 zu Art 89 B-VG).

Gemäß Art 89 Abs 2 und Art 139 Abs 1 B-VG ist jedes Gericht zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofes zwecks Prüfung einer Verordnung auf ihre Gesetzmäßigkeit berufen. Der erkennende Senat sieht aber ebenfalls keine Veranlassung zu einer solchen Vorgangsweise. Denn die Frage der Gesetzmäßigkeit der betreffenden Verordnung ist für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreites ohne jede Bedeutung (vgl Mayer aaO, Anm II zu Art 89 B-VG; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes8, Rz 1110).

Die Kläger gründeten ihr Begehren von Anfang an auf die Behauptung, daß ihnen eine entsprechende, auf einem Privatrechtstitel beruhende Dienstbarkeit am Stimpflweg zustehe. Sie begehren nicht die Gestattung des Befahrens und Begehens des Stimpflweges, weil der Stimpflweg zum öffentlichen Weg erklärt worden sei. Sie machen also nicht einen aus einem Akt der Verwaltungsbehörde entspringenden öffentlich-rechtlichen Titel geltend und könnten ein auf einen solchen Titel gestütztes Begehren im Rechtsweg auch nicht durchsetzen, weil über Störungen und Eingriffe in den Gemeingebrauch an öffentlichen Wegen die Verwaltungsbehörden auch dann entscheiden, wenn der Weg über Privatgrund führt (SZ 27/4). Die Frage, ob den Klägern ein Privatrechtstitel, sei es jener der Ersitzung oder jener des Servitutsvertrages, im Sinne eines Geh- und Fahrtrechts am Stimpflweg zusteht, wird durch die Frage, ob der Weg nach wie vor eine öffentliche Straße im Sinn des § 2 des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes ist oder ob die öffentliche Gemeindestraße inzwischen wirksam bzw gesetzeskonform im Sinn des § 8 Abs 3 des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes aufgelassen wurde, in keiner Weise berührt.

Die Kläger begehren in ihrem Rekurs weiters die Abänderung des Beschlusses des Berufungsgerichtes im Sinn einer Klagsstattgebung mit der Begründung, daß bereits aufgrund der vorliegenden Feststellungen des Erstgerichtes eine Vertragsergänzung dahin vorzunehmen sei, daß den Klägern als den Käufern ein für allemal das Recht zustehen sollte, den Stimpflweg als Zufahrt zu benützen, und zwar unabhängig davon, ob der Stimpflweg der Allgemeinheit zur Verfügung stehe oder nicht.

Auf die Frage, ob der Stimpflweg seit 1936 im Gemeingebrauch stand, kommt der Rekurs nicht mehr zurück, sondern geht selbst davon aus, daß der Stimpflweg zum Zeitpunkt des Ankaufes der Grundstücke im Jahr 1971 eine öffentliche Gemeindestraße war. Ebenso unbekämpft blieb die Ansicht der Vorinstanzen, daß eine Ersitzung des Wegerechtes durch die Kläger infolge der Rechtsausübung seitens der Kläger bloß im Rahmen des Gemeingebrauches nicht stattfinden konnte. Der in erster Instanz geltend gemachte rechtserzeugende Rechtsgrund der Ersitzung wurde nicht mehr aufrechterhalten, sodaß darauf nicht weiter einzugehen ist (EvBl 1985/154 ua).

Die Beklagten, die selbst keinen Rekurs erhoben haben, halten den Rekursausführungen in ihrer Rekursbeantwortung entgegen, daß die Rechtssache schon aufgrund des nunmehr feststehenden Sachverhaltes im Sinn einer Klagsabweisung spruchreif sei.

Im Rekursverfahren gegen Aufhebungsbeschlüsse wie dem hier vorliegenden gilt das Verbot der reformatio in peius nicht. Anstelle des Aufhebungsbeschlusses kann der Oberste Gerichtshof daher auch auf Rekurs der Kläger ein Urteil auf Klagsabweisung fällen (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 5 zu § 520 ZPO mwN). Ausgehend von den vom Erstgericht insgesamt getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen erweist sich die Rechtssache entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes als spruchreif, sodaß der Oberste Gerichtshof in der Sache selbst, wenn auch zum Nachteil der Kläger, zu entscheiden befugt ist.

Eine ausdrückliche oder auch nur schlüssige Servitutseinräumung ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen zu verneinen.

Der Umstand, daß der Parteiwille nicht auf eine Servitutseinräumung gerichtet war, steht zwar im Gegensatz zur Ansicht des Erstgerichtes einer ergänzenden Auslegung nicht im Wege, weil es bei der ergänzenden Auslegung gerade um die Lösung von Problemfällen geht, für die die vertragschließenden Parteien nichts geregelt haben (Rummel in Rummel, ABGB2, II, Rz 9 zu § 914 ABGB).

Als Mittel der ergänzenden Auslegung kommen der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs (Verkehrssitte), Treu und Glauben, hilfsweise auch die Verkehrsauffassung in Betracht. Die Frage, was die Parteien gewollt hätten, hätten sie für sie unvorhersehbare Entwicklungen bedacht, kann sich aus der Natur und dem Zweck des Vertrages, aus Vorverhandlungen oder anderen "Umständen des Geschäftes" beantworten (vgl Rummel aaO, Rz 11, 12 zu § 914 ABGB). Eine ergänzende Vertragsauslegung müßte, um dem Begehren der Kläger zum Erfolg zu verhelfen, ergeben, daß nach den angeführten Kriterien ein Wegerecht vereinbart worden wäre oder als vereinbart zu gelten hätte, wenn man damals vorhergesehen und bedacht hätte, daß der Stimpflweg als öffentlicher Weg aufgelassen und als Ersatz hiefür ein etwas anders verlaufender öffentlicher Weg als Verbindung zwischen den beiden Straßenzügen, von denen einer zu den angekauften Grundstücken der Kläger führt, angelegt wird. Nach den vom Erstgericht getroffenen und vom Gericht zweiter Instanz ausdrücklich übernommenen Feststellungen hiezu hätte für die Parteien keine Notwendigkeit bestanden, eine Vereinbarung einer Zufahrtsmöglichkeit über den Stimpflweg zu treffen, wenn damals bereits die "heutige" Gemeindestraße vorhanden gewesen wäre. Aus dem Zweck des Kaufvertrages, Liegenschaften jenseits der Gemeindestraße Parzelle Nr 214 zu erwerben und diese zu bewirtschaften, läßt sich somit zugunsten der Kläger nichts gewinnen. Sie können dieses Ziel auch ohne Wegedienstbarkeit über den Stimpflweg, wenn auch etwas beschwerlicher, ohne weiteres über den nunmehr angelegten Gemeindeweg erreichen. Die Tatsache, daß ein offenbar geringfügiger Umweg zurückzulegen ist (die Kläger brachten selbst vor, nunmehr "rund 240 m" auf der Landesstraße fahren zu müssen, um zum neuen Verbindungsweg zu gelangen) und auch der Umstand, daß die Landesstraße nicht bloß zu überqueren, sondern daß in diese einzubiegen und von ihr abzubiegen und eine zusätzliche Kurve zu durchfahren ist, lassen keineswegs den Schluß zu, daß die zugekauften Grundstücke nur bei Beibehaltung der bisherigen "Abkürzung" sinnvoll bewirtschaftet werden könnten. Eine Abwägung der Interessen muß hier zugunsten der Beklagten berücksichtigen, daß der über ihre Parzellen und unmittelbar an ihrem Gehöft vorbeiführende Weg eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung darstellt, wenn er von außenstehenden Personen zum Gehen und Fahren benützt wird, ohne daß hiefür eine zwingende Notwendigkeit besteht. Eine ergänzende Vertragsauslegung in dem von den Klägern gewünschten Sinn läßt sich daher auch nicht mit dem Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben oder auf die redliche Verkehrsanschauung rechtfertigen.

Da die bereits vorliegenden Feststellungen ohnehin ausreichen, um die vertragliche Einräumung einer Servitut selbst bei Zuhilfenahme ergänzender Vertragsauslegung zu verneinen, war die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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