JudikaturJustiz7Ob190/99p

7Ob190/99p – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Mei Tai T*****, vertreten durch Dr. Erhard Hackl, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Antragsgegner Ing. Friedrich D*****, derzeit unbekannten Aufenthalts, vertreten durch Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwalt, 4010 Linz, Spittelwiese 15, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den Revisionsrekurs des Vertreters des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 15. April 1999, GZ 14 R 165/99d-48, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 12. Februar 1999, GZ 6 F 50/95v-44, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Nach der Scheidung ihrer Ehe mit dem Antragsgegner aus dessen Alleinverschulden beantragte die Antragstellerin die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Der Antragsgegner, dem der Antrag zunächst nicht zugestellt werden konnte, gab am 4. 11. 1996 seine Adresse mit *****, bekannt. Unter dieser Anschrift wurden ihm am 18. 11. 1996 mehrere verfahrensgegenständliche Schriftstücke persönlich zugestellt. Am 13. 1. 1997 erstattete Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwalt in Linz, unter Hinweis darauf, daß ihn der Antragsgegner mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt habe, eine Äußerung zum Aufteilungsantrag. Etwa drei Monate später teilte er unter Bezugnahme auf eine dem Antragsgegner aufgetragene Äußerung zum Wert der Ehewohnung mit, daß ihm eine Kontaktaufnahme mit seinem Mandanten nicht möglich gewesen sei, dieser sei unbekannten Aufenthaltes; er befinde sich mit ziemlicher Sicherheit im Ausland.

Mit am 31. 3. 1999 beim Erstgericht eingelangtem Schriftsatz beantragte der Vertreter des Antragsgegners, für diesen einen Zustellkurator zu bestellen, damit er seinem Mandanten, der weiterhin unbekannten Aufenthalts sei, die Vollmacht kündigen könne.

Das Erstgericht bestellte daraufhin Dr. Kurt L*****, Rechtsanwalt in Linz, zum Abwesenheitskurator des Antragsgegners gemäß § 276 ABGB, der ihn auf seine Kosten und Gefahr in diesem Verfahren zu vertreten haben werde, bis er selbst vor Gericht wieder auftrete oder einen Vertreter namhaft mache. Der Antragsgegner sei bescheinigtermaßen unbekannten Aufenthalts, weshalb für die Zustellung der Vollmachtskündigung ein Zustellkurator zu bestellen gewesen sei.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs des bestellten Abwesenheitskurators den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es den Antrag des Antragsgegnervertreters auf Kuratorbestellung abwies. Ein unbekannter Aufenthalt im Sinne des § 115 ZPO, § 25 ZustG liege nicht vor, wenn - wie hier der Antragsgegner - der Empfänger als Partei während des Verfahrens unbekannt wohin verzogen sei. In einem solchen Fall seien Zustellungen gemäß § 8 Abs 2 ZustG ohne Zustellversuch zu hinterlegen. Mangels der Voraussetzungen des § 115 ZPO komme die Bestellung eines Prozeßkurators oder Zustellkurators nach § 116 ZPO nicht in Betracht. Gemäß § 276 ABGB sei Abwesenden ein Kurator zu bestellen, wenn sie keinen ordentlichen Sachwalter zurückgelassen hätten, ohne einen solchen ihre Rechte aber gefährdet wären. Der Vertreter des Antragsgegners sei insofern nicht als dessen ordentlicher Sachwalter anzusehen, als sein Geschäftskreis nicht auch das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Antragsgegner umfasse. Die weitere Voraussetzung für die Bestellung eines Abwesenheitskurators nach § 276 ABGB, nämlich eine Gefährdung der Rechte des Abwesenden im Zusammenhang mit seiner Abwesenheit könne im vorliegenden Fall aber nicht erkannt werden. Die weitere Vertretung durch Dr. Polte sei für den Antragsgegner im Hinblick auf den stattgefundenen Kontakt vielmehr von Vorteil. Eine Kurator läge demnach nur im Interesse des Antragsgegnervertreters, nicht aber seines Mandanten. Demnach seien auch die Voraussetzungen für eine Kuratorbestellung nach § 276 ABGB nicht gegeben.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher mit der Frage, ob die Bestellung eines Abwesenheitskurators zur Zustellung der Aufkündigung des Vollmachtsverhältnisses durch den Bevollmächtigten zulässig sei, nicht befaßt gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß die Bestellung eines Zustellkurators nach der ZPO (= prozessualer Abwesenheitskurator - zur Terminologie vgl die Nachweise bei Rassi, Der prozessuale Abwesenheitskurator, RZ 1996, 217 FN 13) einen Spezialfall einer allgemeinen Abwesenheitskuratorernennung nach dem bürgerlichen Recht darstellt (vgl Zimmeter, Kuratorbestellung nach § 276 ABGB und nach § 116 ZPO in JBl 1947, 75; Fasching II Anm 1 zu § 116 ZPO; JBl 1947, 75; SZ 21/155 = JBl 1949, 553; SZ 60/219 = ÖA 1988, 20). Weiters ist vorweg darauf hinzuweisen, daß die §§ 116 ff ZPO auch in Verfahren Außerstreitsachen anwendbar sind. Auch dort hat der Antragsteller bei konkurrierenden Voraussetzungen die Wahl, ob er die Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO durch das für das konkrete außerstreitige Verfahren zuständige Gericht oder eines Abwesenheitskurators nach § 276 ABGB durch das Pflegschaftsgericht begehrt (vgl Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht, 79).

Der Revisionsrekurswerber erklärt nun ausdrücklich, den Beschluß des Rekursgerichtes (nur) insoweit anzufechten, als kein Zustellkurator zur Vollmachtskündigung bestellt wurde. Er führt dazu im wesentlichen aus, obwohl von ihm nur ein Zustellkurator beantragt worden sei, habe das Erstgericht einen Abwesenheitskurator gemäß § 276 ZPO (gemeint ABGB) bestellt. § 8 ZustG sei hier entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes nicht anzuwenden, weil die Meldepflicht nur gegenüber der Behörde gelte und auch nur die Behörde die Möglichkeit habe, die Zustellung durch Hinterlegung vorzunehmen.

Diese Ausführungen erlauben keinen Zweifel daran, daß der Vertreter des Antragsgegners eine Kuratorbestellung - und zwar ausschließlich - nach § 116 ZPO, nicht aber nach § 276 ABGB anstrebt und er sich daher folgerichtig an das Erstgericht als "Prozeßgericht" gewendet hat, während eine Kuratorbestellung nach § 276 ABGB bei dem für den Abwesenden zuständigen Pflegschaftsgericht zu beantragen gewesen wäre (vgl Fasching Komm II Anm 1 zu § 116 ZPO uva). Eine ein Schutzbedürfnis im Sinne des § 21 ABGB voraussetzende (ÖA 1988, 20 = EFSlg 54.101) amtswegige Bestellung eines Kurators nach § 276 ABGB dritter Fall kommt hier nicht in Betracht. Maßgeblich ist vielmehr der gegenständliche Aufteilungsantrag, an den das Gericht gebunden ist.

Nach den - zufolge des demnach hier uneingeschränkt herrschenden Antragsprinzips - daher sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen des § 405 ZPO (vgl Fasching III 658; RIS-Justiz RS0008751) verbietet es sich also, den gegenständlichen Antrag unter dem Blickwinkel des § 276 ABGB zu prüfen und - im Hinblick auf das in § 11 Abs 2 RAO ausdrücklich statuierte Recht des Anwalts, seiner Partei die Vertretung zu kündigen - insbesondere zu untersuchen, ob nicht eine vom Rekursgericht offenbar nicht bedachte Kuratorbestellung nach § 276 ABGB dritter Fall (Voraussetzung: daß "die Rechte eines anderen in ihrem Gang gehemmt wären") in Frage käme.

Zu prüfen ist vielmehr allein, ob vom Vertreter des Antragsgegners zum Zwecke der Vollmachtskündigung, also einer gegenüber dem Mandanten abzugebenden Willenserklärung (VersR 1977, 334), die Bestellung eines Zustellkurators gemäß § 116 ZPO zurecht gefordert wird. Das ist aber zu verneinen:

Der Revisionsrekurswerber übersieht, daß die Kuratorbestellung nach § 116 ZPO nur möglich ist, wenn die Voraussetzungen des § 115 ZPO gegeben sind und außerdem der Empfänger entweder eine Prozeßhandlung vorzunehmen hat oder vor Gericht geladen werden soll (Fasching aaO Anm 3 zu § 116 ZPO). Wie das Rekursgericht bereits richtig bemerkte, ist eine Kuratorbestellung nach § 116 ZPO dann ausgeschlossen, wenn der Empfänger als Partei bzw Verfahrensbeteiligter eine bekannte Anschrift hatte und die Zustellung an diese Anschrift ordngungsgemäß erfolgte; in diesem Fall der nachträglichen Aufenthaltsänderung einer Partei während des Verfahrens ist nach § 8 Abs 2 ZustG vorzugehen (vgl Fasching Komm II Anm 2; Gitschthaler in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 115 ZPO; SZ 27/102).

Die Bestellung eines sog Zustellkurators (vorzuziehen ist wohl der Ausdruck: "prozessualer Abwesenheitskurator" - s Rassi aaO 216, vgl auch Fasching Zivilprozeßrecht2 Rz 543) kommt jedenfalls nur im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens in Betracht. Der gegenständliche Antrag betrifft nun aber das vorliegende Außerstreitverfahren insoweit nicht unmittelbar, als es sich bei der beabsichtigten Vollmachtskündigung nicht um einen Vorgang im Rahmen des gerichtlichen Aufteilungsverfahrens gemäß §§ 81 ff EheG, sondern lediglich um einen rechtsgeschäftlichen Akt zwischen dem Vertreter des Antragsgegners und seinem Mandanten handelt (vgl SZ 34/129 = EvBl 1962/38).

Da das Gericht zweiter Instanz demnach die Bestellung eines Zustellkurators gemäß § 116 ZPO für den Antragsgegner ohne Rechtsirrtum abgelehnt hat, muß der Revisionsrekurs seines Vertreters erfolglos bleiben.

Rechtssätze
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