JudikaturJustiz6Ob251/98z

6Ob251/98z – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Vogel als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 10. März 1997 verstorbenen Walter B*****, infolge Revisionsrekurses des Testamentserben Franz G*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 23. Juli 1998, GZ 1 R 368/98w-56, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Montafon vom 30. Juni 1998, GZ 2 A 48/97b-53, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 10. März 1997 in der Bundesrepublik Deutschland verstorbene Erblasser war Schweizer Staatsbürger, zuletzt in der Schweiz wohnhaft. Er hinterließ zwei Söhne aus erster Ehe sowie seine Gattin aus zweiter (noch aufrechter) Ehe und besaß in Österreich eine Liegenschaft und Liegenschaftsanteile, somit unbewegliches Vermögen.

In dem vom Erblasser und seiner zweiten Frau am 10. Dezember 1986 in der Schweiz errichteten Ehe- und Erbvertrag unterstellten die Vertragsparteien in Punkt I. "Ehevertrag" ihre güterrechtlichen Verhältnisse rückwirkend ab dem Zeitpunkt ihrer Eheschließung schweizerischem Recht, vereinbarten eine allgemeine Gütergemeinschaft gemäß Art 215 ff aF des schweizerischen ZGB (im folgenden nur ZGB; idF vor dem 1. Jänner 1988, mit welchem Zeitpunkt im Rahmen der Teilrevision des ZGB neue Bestimmungen über das eheliche Güterrecht und Erbrecht in Kraft traten) und ua für den Fall der Auflösung der Ehe durch den Tod des einen Ehegatten, daß das gesetzlich vorgeschriebene Viertel des beim Tod des erstversterbenden Ehegatten vorhandenen Gesamtgutes an die - nicht namentlich genannten - Nachkommen gehe (Art 226 Abs 2 ZGB) und drei Viertel des beim Tod des erstversterbenden Ehegatten vorhandenen Gesamtgutes dem überlebenden Ehegatten zufallen (Art 226 Abs 1 ZGB). Sie haben insofern eine von der gesetzlichen Regel des § 225 ZGB - wonach bei Gütergemeinschaft und Tod eines Ehegatten nur die Hälfte des Gesamtgutes dem überlebenden Ehegatten zufällt und die andere Hälfte unter Vorbehalt der erbrechtlichen Ansprüche des Überlebenden auf die Erben des Verstorbenen übergeht - abweichende Regelung über die Teilung des Gesamtgutes getroffen. In Punkt II. "Erbvertrag" hielten die Vertragsteile fest, daß die ehevertraglichen Bestimmungen über die Teilung des Gesamtgutes erbvertraglich bestätigt werden und der überlebende Ehegatte über das ihm güterrechtlich zugewiesene Vermögen frei verfügen kann.

Der Erblasser widerrief in seinem in Österreich errichteten Testament vom 16. Juli 1996 alle früheren letztwilligen Anordnungen und setzte zum Alleinerben seines gesamten beweglichen und unbeweglichen Nachlaßvermögen - einschließlich der in Österreich gelegenen Liegenschaften - Franz G*****(im folgenden nur Testamentserbe) ein.

Nachdem das Erstgericht unangefochten bedingte Erbserklärungen des Testamentserben aufgrund des Testamentes und der beiden Söhne des Erblassers aufgrund des Gesetzes zu Gericht angenommen hatte, nahm es nun bedingte Erbserklärungen aufgrund des Ehe- und Erbvertrages der Witwe und in eventu der beiden Söhne des Erblassers zu Gericht an (Punkt 1. seines Beschlusses), bestimmte gemäß § 125 AußStrG, daß der Testamentserbe gegen die Witwe und die beiden Söhne des Erblassers als Kläger aufzutreten habe (Punkt 2.) und setzte ihm dazu eine Frist von drei Monaten, widrigens mit der Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung der auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprüche vorgegangen werde (Punkt 3.).

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es verneinte eine vom Testamentserben in der unterlassenen "Vernehmung der Parteien" erblickte Nichtigkeit und einen Verfahrensmangel erster Instanz und erachtete in rechtlicher Hinsicht den nach dem maßgeblichen schweizerischen Recht gültigen Ehe- und Erbvertrag - in den auch die Söhne des Erblassers miteinbezogen seien - als den gegenüber dem späteren Testament stärkeren Erbrechtstitel. Dem Argument des Testamentserben, mit dem späteren Testament sei der auf die Nachkommen des Erblasser bezugnehmende Teil des Ehe- und Erbvertrages widerrufen worden, stehe entgegen, daß zwischen dem Erblasser und seiner Ehegattin auch die Zuwendung eines Viertels des zum Zeitpunkt des Ablebens eines der beiden Ehegatten vorhandenen Gesamtgutes zulässigerweise (Art 241 ZGB [Auflösung einer Gütergemeinschaft durch Tod eines Ehegatten] und Art 471 ZGB [Pflichtteilsregelung]) vereinbart worden sei und eine Aufhebung eines Erbvertrages nur unter den Voraussetzungen des Art 513 ZGB erfolgen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Testamentserben ist nicht zulässig.

Selbst wenn das Berufungsgericht - zu Recht - ausgesprochen hatte, die ordentliche Revision (oder der Rekurs an den Obersten Gerichtshof) sei zulässig, das Rechtsmittel aber dann nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision (der Rekurs) trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (8 Ob 2/95, 1 Ob 610/95 ua, zuletzt 1 Ob 2383/96i; RS0102059; Kodek in Rechberger, vor § 502 ZPO Rz 3). Dieser Grundsatz ist mit Einschränkungen auch im Verfahren außer Streitsachen anzuwenden (6 Ob 2222/96t = ÖA 1997, 203), bindet doch auch die hier maßgebliche Vorschrift des § 14 Abs 1 AußStrG die Rekurszulässigkeit daran, daß die Entscheidung über das Rechtsmittel von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Nach der Neuordnung des Revisionsrekursrechtes im Verfahren außer Streitsachen und dessen Anpassung an das Revisionsrecht der Zivilprozeßordnung ist der genannte Grundsatz mit Einschränkungen auch im Verfahren außer Streitsachen anzuwenden. Da § 16 Abs 3 AußStrG nur auf die §§ 508a und 510 Abs 1 letzter Satz und Abs 2 ZPO verweist, nicht jedoch auf § 506 ZPO, werden im außerstreitigen Verfahren vom Revisionsrekurswerber keine besonderen Rechtsausführungen zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels verlangt. Es genügt, wenn in den Anfechtungsgründen die iSd § 14 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage (zumindest) angesprochen wird (RZ 1992/87 = EFSlg 64.914; 6 Ob 2222/96t mwN). Dies ist hier nicht der Fall.

Eine vom Rekursgericht bereits verneinte Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann nicht mit Revisionsrekurs neuerlich geltend gemacht werden (EFSlg 79.676 ua). Auch Verfahrensmängel erster Instanz, die - wie hier - von der zweiten Instanz verneint wurden, können nicht mehr im Rechtsmittel an die dritte Instanz geltend gemacht werden (EFSlg 79.677, 82.862 ua). Festzuhalten bleibt, daß nach herrschender Auffassung (SZ 26/161; 3 Ob 127/74 ua, zuletzt 4 Ob 502/76; RIS-Justiz RS0007988; Eccher in Schwimann2, § 799 ABGB Rz 37; Feil, Verfahren außer Streitsachen 375 mwN) die in § 125 AußStrG vorgesehene Vernehmung der Parteien auch in der Form stattfinden kann, daß die Parteien durch schriftliche Eingaben Stellung nehmen. Als Rechtsmittelgrund wird zwar im Rechtsmittel unzulässigerweise (EFSlg 82.860) auch "unrichtige und mangelhafte Tatsachenfeststellung" genannt, aber inhaltlich nicht mehr ausgeführt.

Die gleichzeitige oder auch hilfsweise Berufung auf mehrere Erbrechtstitel ist zulässig. Die hilfsweise Berufung auf einen weiteren Berufungsgrund bedeutet, daß sie für den Fall erfolgt, als sich der erste Berufungsgrund als unzureichend erweist (6 Ob 385/97d).

Soweit der inländische unbewegliche Nachlaß eines ausländischen Erblassers wie hier in Österreich abzuhandeln ist (§ 22 AußStrG, § 107 JN), ist der Nachlaßerwerb (Erbserklärung, Einantwortung) gemäß § 28 Abs 2 IPRG nach österr. Recht zu behandeln (Schwimann in Rummel2 § 28 IPRG Rz 3 mwN). Damit richtet sich die vom Verlassenschaftsrichter nach §§ 125 f AußStrG vorzunehmende Parteienrollenverteilung für den Erbrechtsstreit mehrerer Erbprätendenten nach österr. Recht. Bei einander widersprechenden Erbserklärungen zu dem nämlichen Nachlasse wie hier sieht § 125 AußStrG vor, daß alle Erbserklärungen durch das Gericht anzunehmen sind. Es muß jedoch unter Setzung einer Frist entschieden werden, welcher Teil gegen den anderen als Kläger aufzutreten hat. Für die Verteilung der Parteirollen sieht § 126 Abs 1 AußStrG eine Reihung vor. Danach muß gegen den Vertragserben, welcher einen mit den erforderlichen Förmlichkeiten versehenen Vertrag für sich hat, dessen Echtheit nicht widersprochen wird, zur Bestreitung des Erbrechtes jedermann, dessen Anspruch sich nur auf eine letzte Willenserklärung ... stützt ..., als Kläger auftreten. Der Erbvertrag ist somit im Zweifel gegenüber dem Testament der stärkere Erbrechtstitel (Welser in Rummel2 §§ 799, 800 ABGB Rz 25; Brauneder in Schwimann2 § 1249 ABGB Rz 3); dem durch den Erbvertrag Begünstigten ist daher die Rolle des Beklagten zuzuweisen. Die in § 126 AußStrG normierten Grundsätze für die Zuteilung der Klägerrolle bei widerstreitenden Erbserklärungen regeln nicht alle im Einzelfall möglichen Konstellationen (6 Ob 385/97d). Aus dieser Bestimmung ergibt sich aber das leitende Prinzip, daß der Außerstreitrichter demjenigen Erbanwärter die Beklagtenrolle zuzuweisen hat, für den die größere Wahrscheinlichkeit des Erbrechtes spricht (SZ 32/23, JBl 1969, 42; 1 Ob 539/93 = JBl 1994, 172 = EvBl 1994/79 ua). Von der Regel des § 126 Abs 1 AußStrG, daß der Testamentserbe gegen den Vertragserben als Kläger aufzutreten habe, ist nur dann abzugehen, wenn der Erbvertrag nicht in "gehöriger Form" errichtet oder wenn die Echtheit eines Erbvertrages "begründet" bestritten wurde (RIS-Justiz RS0008066; Feil, Außerstreitsachen 379 ff).

Da im Rechtsmittel gegen die kollisionsrechtliche Beurteilung durch die zweite Instanz (§§ 8, 9, 28, 30 IPRG) und gegen den in gehöriger Form errichteten Ehe- und Erbvertrag, dessen Echtheit nicht begründet bestritten wurde, ebensowenig etwas ins Treffen geführt wird wie gegen die rekursgerichtliche Auffassung, nach schweizerischem Recht könne ein Erbvertrag nur unter den Voraussetzungen des Art 513 ZGB aufgelöst werden, kann nicht von einem zulässigen Rechtsmittel ausgegangen werden, nimmt es doch zu dieser Bestimmung und den dort genannten materiellen und formellen Voraussetzungen für einen einseitigen Widerruf durch den Erblasser (vgl dazu Piotet in Schweizerisches Privatrecht, Erbrecht 259 ff, 203 f; Tuor, Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Das Erbrecht2, Art 513 Anm I.1.; Tuor/Schnyder/Schmid, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch11 490 ff) überhaupt nicht Stellung. "Keine gehörige Form" mag vorliegen, wenn eine letztwillige Anordnung widerrufen wird, doch geht eben die zweite Instanz von einem nicht wirksamen Widerruf des Erbvertrages aus. Nach Art 494 Abs 1 ZGB kann sich der Erblasser durch Erbvertrag (Art 512 Abs 6 ZGB) einem anderen gegenüber verpflichten, ihm oder auch einem Dritten (Art 112 OR) seine Erbschaft ... zu hinterlassen. Auf den Erbvertrag (Erbzuwendungsvertrag) kann sich aber damit auch der stützen, der ohne Vertragspartner des Erbvertrags gewesen zu sein, durch den Erbvertrag als Dritter begünstigt wird (vgl dazu Gonzenbach in Honsell/Vogt/Wiegand, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht2, Art 112 OR Rz 12). Durch diese Entscheidung über die Parteirollenverteilung wird dem Prozeßverfahren, in welchem der Streit der Erbansprecher endgültig zu klären ist, weder in Ansehung der bei der Auslegung zu berücksichtigenden Tatsachengrundlage noch in Ansehung der rechtlichen Beurteilung vorgegriffen (6 Ob 2, 3/84; NZ 1994, 133; 2 Ob 508/95 = NZ 1996, 298 ua; Eccher aaO § 799 ABGB Rz 36).

Der Revisionsrekurs ist demnach zurückzuweisen.

Selbst für ein erfolgreiches Rechtsmittel ist dem Verfahren außer Streitsachen, von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen, ein Kostenersatzanspruch fremd.

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