JudikaturJustiz6Ob150/22k

6Ob150/22k – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* R*, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. B* GmbH, *, 2. V* AG, *, Deutschland, beide vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 25.584,04 EUR sA, über die Revisionen sämtlicher Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. September 2020, GZ 4 R 41/20h 41, womit das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 20. Jänner 2020, GZ 3 Cg 65/17b 34, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Das mit Beschluss vom 8. 1. 2021, AZ 6 Ob 249/20s, unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.

Der Fortsetzungsantrag der Klägerin wird, soweit er (darüber hinausgehende) Ausführungen enthält, zurückgewiesen.

Die Bekanntgaben der klagenden Partei vom 18. 7. 2022 und der beklagten Parteien vom 6. 9. 2022 sowie die Stellungnahme der beklagten Parteien vom 13. 9. 2022 werden zurückgewiesen.

II. Der Revision der beklagten Parteien wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

„1. Der zwischen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei abgeschlossene Kaufvertrag vom 24. 3. 2015 über den Ankauf des VW Tiguan Lounge TDI BMT (*), Fahrgestellnummer: *, um 28.375 EUR wird aufgehoben.

2. Die Klagsforderung gegen die erstbeklagte Partei besteht mit 25.584,04 EUR zu Recht.

3. Die Gegenforderung der erstbeklagten Partei besteht mit 1.919,29 EUR zu Recht.

4. Die Klagsforderung gegen die zweitbeklagte Partei besteht mit 23.664,75 EUR zu Recht.

5. Die Gegenforderung der zweitbeklagten Partei besteht nicht zu Recht.

6. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen Zug um Zug gegen Rückgabe des Kraftfahrzeugs VW Tiguan Lounge TDI BMT (*), Fahrgestellnummer: *, 23.664,75 EUR sowie die erstbeklagte Partei 4 % Zinsen aus 28.375 EUR von 24. 3. 2015 bis 13. 12. 2017, aus 25.584,04 EUR von 14. 12. 2017 bis 15. 10. 2019 und aus 23.664,75 EUR seit 16. 10. 2019 und die zweitbeklagte Partei 4 % Zinsen aus 23.664,75 EUR seit 4. 1. 2018 zu bezahlen.

7. Das Mehrbegehren, die beklagten Parteien seien darüber hinaus zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen Zug um Zug gegen Rückstellung des genannten Kraftfahrzeugs weitere 1.919,29 EUR sowie die erstbeklagte Partei 4 % Zinsen aus 2.790,96 EUR von 13. 12. 2017 bis 15. 10. 2019 und aus 4.710,25 EUR seit 16. 10. 2019 und die zweitbeklagte Partei 4 % Zinsen aus 1.919,29 EUR seit Einbringung der Klage sowie 4 % Zinsen aus 23.664,75 EUR von Einbringung der Klage bis zum 3. 1. 2018 zu bezahlen, wird abgewiesen.

8. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit  14.048,84 EUR (darin 5.217,30 EUR an Barauslagen und 1.471,92 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.“

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 6.859,09 EUR (darin enthalten 1.654,20 EUR an Barauslagen und 867,49 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

[1] Der Senat hat das Revisionsverfahren mit Beschluss vom 8. 1. 2021, AZ 6 Ob 249/20s, bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Obersten Gerichtshof am 17. 3. 2020 zu 10 Ob 44/19x gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen. Der EuGH hat darüber mit Urteil vom 14. 7. 2022 entschieden. Das Verfahren über die Revision der Klägerin ist daher fortzusetzen.

[2] Soweit im Fortsetzungsantrag der Klägerin darüber hinaus auch weitere Ausführungen (Anregung zum Auftrag eines Schriftsatzwechsels „vor der nächsten Tagsatzung“) enthalten sind, verstößt dies gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, nach dem auch Nachträge oder Ergänzungen unzulässig sind (RS0041666). Aus dem gleichen Grund sind auch die Eingaben der Parteien vom 18. 7. 2022, 6. 9. 2022 und 13. 9. 2022 zurückzuweisen.

Zu II.:

[3] Die Klägerin erwarb mit Kaufvertrag vom 24. 3. 2015 von der Erstbeklagten einen VW Tiguan Lounge BMT TDI um 28.375 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem von der in Deutschland ansässigen zweitbeklagten H erstellerin des Fahrzeugs entwickelten und gemäß EURO 5 zertifizierten 2 Liter Dieselmotor „EA 189“ ausgestattet, der vom „Abgasskandal“ betroffen ist, wo rüber die Klägerin mit Schreiben vom 8. 10. 2015 informiert wurde. Der eingebaute Dieselmotor war mit einer gesetzlich verbotenen Manipulationssoftware ausgestattet. Diese Software spielte auf dem Rollenprüfstand beim Stickstoffausstoß (NOx) ein anderes Motorprogramm ein als im Normalbetrieb. Hierdurch wurden auf dem Prüfstand geringere Stickstoffwerte und hohe Abgastemperaturen produziert und damit Stickoxidabgase emittiert, deren Werte innerhalb der vorgeschriebenen Emissionsstandards liegen. Im Betrieb auf der Straße schaltete die Software hingegen ein „normales Programm“, das weitaus höhere NOx Emissionen und niedrigere Abgastemperaturen zur Folge hatte.

[4] Spätestens ab 2006 unter Leitung der Vorgesetzten R* K*, J* H* und R* D* wurde der neue EA 189 Motor entwickelt. Bei der Entwicklung der Abschalteinrichtung nutzten die VW Ingenieure das ursprüngliche Konzept der dualen Emissionszyklus-Erkennungssoftware von Audi, dh, eines Modus 1 und Modus 0. Den genannten Mitarbeitern war bewusst, dass es sich dabei um eine unzulässige Abschaltvorrichtung handelte und dass sie, und damit die Zweitbeklagte, den Einsatz dieser Software den Kunden nicht offenlegen würden, um Zugang zum amerikanischen Markt sowie die EU Typengenehmigung zu erlangen und mehr Kraftfahrzeuge „als saubere und umweltfreundliche Dieselfahrzeuge“ zu verkaufen, obwohl sie wussten, dass nur die genannte unzulässige Software lediglich im Prüfmodus zu niedrigeren Abgaswerten führte.

[5] Am 3. 10. 2016 wurde beim Klagsfahrzeug ein kostenloses Software Update durchgeführt. Nach dem Software-Update ist jedoch ein Thermofenster vorgesehen, welches bei Fahrzeugen mit Euro 5 Akkreditierung zwar Stand der Technik und als branchenüblich zu bezeichnen ist, jedoch die Abgasrückführrate unter 15 und über 33 Grad Celcius mit Frischluftzufuhr korrigiert; diese Korrektur dient dem Schutz bestimmter Bauteile von Motor und Abgasanlage. Es steht nicht fest, dass eine Schonung der Bauteile auf andere Weise möglich wäre. Das Fahrzeug weist nach dem Update zur Zeit eine gültige Zulassung auf.

[6] Der Listenneupreis des Fahrzeugs im Kaufzeitpunkt (24. 3. 2015) betrug 31.000 EUR, der Kaufpreis 28.375 EUR. Die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs beträgt 250.000 km. Das Fahrzeug hat derzeit einen Kilometerstand von rund 41.500 km; der Händlereinkaufspreis liegt bei 15.375 EUR.

[7] Wäre der Klägerin vor Vertragsschluss gesagt worden, dass im Fahrzeug eine illegale Umschaltautomatik verbaut ist, die den Emissionsausstoß im Prüfstand positiv beeinflusst, hätte sie den Vertrag nicht geschlossen. Wäre ihr überdies gesagt worden, dass die Umschaltautomatik durch ein Software-Update ausgeschaltet werden kann, sodass das Fahrzeug in einem Temperaturfenster von 15 bis 33 Grad Celcius Außentemperatur auch im Realbetrieb auf der Straße im Prüfstandmodus fährt, hätte sie den Vertrag auch nicht geschlossen.

[8] Die Klägerin begehrt Vertragsaufhebung ex tunc und von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von 25.584,04 EUR samt Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs, hilfsweise 6.000 EUR an Preisminderung bzw entsprechend erlittener Vermögensschädigung; neuerlich hilfsweise begehrt sie die Feststellung der Haftung beider Beklagten zur ungeteilten Hand für jeden ihr aus dem Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung entstehenden Schaden. Gegenüber der Erstbeklagten macht die Klägerin gewährleistungsrechtliche sowie Schadenersatzansprüche ex contractu geltend, darüber hinaus stützt sie ihre Klage auf einen von der Erstbeklagten veranlassten Irrtum, hilfsweise auf gemeinsamen Irrtum. Herstellerseitig sei die EG Typgenehmigung mithilfe einer Manipulationssoftware erwirkt worden, der ein „NOx optimierter“ Modus am Prüfstand zugrunde liege, während im Fahrbetrieb in Wahrheit ein anderer „partikeloptimierter“ Modus zur Anwendung gelange. Auf die „Nachrüstung“ komme es nicht an, weil das Vertrauen der Klägerin in den Hersteller aufgrund dessen Manipulationen schwer erschüttert sei. Jenes Software-Update beinhalte überdies ein „Thermofenster“ und damit eine EU rechtswidrige Abschalteinrichtung. Hätte die Klägerin im Ankaufszeitpunkt von der Manipulation und der Erforderlichkeit eines Software-Updates gewusst, hätte sie das Fahrzeug nicht erworben. Gegenüber der Zweitbeklagten stützt sie ihre Ansprüche auf Schadenersatz ex delicto. Von ihrem Rückforderungsanspruch in Höhe des geleisteten Kaufpreises brachte sie für gefahrene 24.950 km ein Benützungsentgelt von 2.790 EUR in Abzug.

[9] Die Beklagten bestritten den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung in den Motor sowie das Vorliegen einer absichtlich sittenwidrigen Schädigung. Die Klägerin habe keinen Schaden erlitten, weil die Typengenehmigung für das Fahrzeug weiter aufrecht sei. Sämtliche betroffenen Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA 189 würden auf Kosten der Herstellerin technisch überarbeitet. Die Umsetzung der technischen Maßnahme sei auch beim Fahrzeug der Klägerin erfolgreich durchgeführt worden. Es sei kein Mangel vorgelegen, jedenfalls sei das Fahrzeug nach dem Software Update mangelfrei. Ein kausales Fehlverhalten der Organe der Beklagten liege nicht vor, weil das Abgasverhalten ohne Einfluss auf die Kaufentscheidung der Klägerin gewesen sei. Ein auf listige Irreführung Dritter gestützter Schadenersatzanspruch bestehe nicht. Jedenfalls habe sich die Klägerin insgesamt ein Benützungsentgelt von 15.375 EUR anrechnen zu lassen, das der Klagsforderung compensando entgegengehalten werde.

[10] Das Erstgericht gab dem Aufhebungsbegehren statt, erkannte die Klagsforderung mit 25.584,04 EUR, die Gegenforderung mit 10.209,04 EUR als zu Recht bestehend und gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von 15.375 EUR samt Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs statt. Dieses sei wegen der eingebauten Manipulationssoftware im Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft gewesen, weshalb die Erstbeklagte gewährleistungspflichtig sei. Der Mangel sei auch nicht geringfügig gewesen und berechtige die Klägerin zur Wandlung. Durch das Software Update sei die Klägerin nicht klaglos gestellt, weil die Abgasreinigung auch nach diesem Update nur bei bestimmten Außentemperaturen („Thermofenster“) einsetze, außerhalb dieses engen Bereichs ausgeschaltet sei und diese Abschalteinrichtung über die in Art 5 Abs 2 Satz 1 Verordnung (EG) Nr 715/2007 vorgesehenen Ausnahmen hinausgehe. Die Abgasreinigung sei daher nach wie vor unzulässig. Auch wenn das deutsche Kraftfahrt Bundesamt (KBA) bislang keine Maßnahmen ergriffen habe, sei jederzeit damit zu rechnen, dass das Fahrzeug aufgrund behördlicher Anordnung nicht mehr im Straßenverkehr benützt werden könne.

[11] Die Zweitbeklagte hafte der Klägerin auch für bloße Vermögensschäden wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung ihrer Repräsentanten nach § 1295 Abs 2 ABGB, die die ursprüngliche Manipulationssoftware und das Update vorsätzlich entwickelt hätten, um einen umweltfreundlichen Motor und die Einhaltung der vorgeschriebenen Abgaswerte vorzutäuschen. Der Anspruch auf Naturalrestitution führe zur Rückabwicklung des Vertrags. Ohne Manipulation wäre der Kaufvertrag nicht zustande gekommen und liege ein Schaden vor. Das von der Klägerin zu zahlende Benützungsentgelt berechnete das Erstgericht zum Händlereinkaufspreis im Wandlungszeitpunkt.

[12] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, der Berufung der Klägerin gab es teilweise Folge und sprach dieser einen um 5.000 EUR höheren Betrag zu. Es ging von einem gemeinsamen Irrtum aus, weil die Klägerin und die Erstbeklagte über eine vertragswesentliche Eigenschaft des Kaufgegenstands irrten, nämlich über das Vorliegen einer rechtsbeständigen EG Typgenehmigung. Eine Abwendung durch Klaglosstellung mittels Thermofenster sei nicht möglich, weil dessen Zulässigkeit zumindest soweit rechtlich zweifelhaft sei , dass ein (hypothetischer) Vertragswille der Klägerin zu einer solchen Lösung nicht angenommen werden könne . Die Zweitbeklagte hafte wegen absichtlich sittenwidriger Schädigung und arglistig veranlasstem Vertragsabschluss. Der arglistig Täuschende könne seine Haftung durch eine „Klaglosstellung“ nicht abwenden, insbesondere weil fraglich erscheine, ob die getroffene Maßnahme Thermofenster rechtlichen Bestand haben werde . Auf einen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen den europarechtlichen Vorschriften und den Vermögensinteressen der Fahrzeugkäufer komme es nicht an. Das Benützungsentgelt bewertete das Berufungsgericht nach § 273 ZPO um insgesamt 5.000 EUR niedriger, sohin mit 8.000 EUR, weil der Verlust der Neuheit nicht der Käuferin aufzubürden sei und bei einem Privatverkauf aufgrund der geringen Kilometerleistung ein höherer Preis als der Händlereinkaufspreis erzielbar wäre.

[13] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur irrtumsrechtlichen Vertragsaufhebung gegenüber dem jeweiligen Fahrzughändler und zu den Ansprüchen gegen den Hersteller in „Abgasskandal“ Fällen noch nicht abschließend Stellung genommen habe.

[14] Gegen die Abweisung eines Teilbetrags von (richtig) 3.289,76 EUR sA richtet sich die Revision der Klägerin , gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils die Revision der Beklagten .

Rechtliche Beurteilung

[15] Die Revisionen sind – zu Klarstellung und weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist – zulässig . Die Revision der Klägerin ist berechtigt , jene der Beklagten hingegen nicht berechtigt .

A. Zum Anspruch gegenüber der Erstbeklagten:

[16] A.1. Das Rechtsmittelgericht hat, wenn es in der Rechtsfrage angerufen ist, die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu prüfen (RS0043352).

[17] A.2.1. Im Verfahren war nicht strittig, dass das Fahrzeug in den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 6. 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171/1 vom 29. 6. 2007; künftig: VO 715/2007/EG) fällt.

[18] A.2.2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 ([Teilurteil] ÖJZ 2023/31, 193 [ Perner/Spitzer ] = ZVR 2023/83, 236 [ Kathrein ]) ausführlich zu Gewährleistungsansprüchen Stellung genommen, die – wie im vorliegenden Fall – aus der Mangelhaftigkeit eines Dieselfahrzeugs abgeleitet wurden, das mit einem Motor des Typs EA 189 derselben Herstellerin ausgestattet war.

[19] Auch im vorliegenden Fall ist die im Zeitpunkt der Übergabe des Kaufgegenstands vorhandene „Umschaltlogik“ als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn der Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG zu qualifizieren. Eine Abschalteinrichtung, deren einziger Zweck darin besteht, die Einhaltung der in der VO 715/2007/EG vorgesehenen Grenzwerte allein während der Zulassungstests sicherzustellen, läuft der Verpflichtung zuwider, bei normalen Nutzungsbedingungen des Fahrzeugs eine wirkungsvolle Begrenzung der Emissionen sicherzustellen (EuGH 17. 12. 2020, C 693/18, CLCV [Rn 98] ÖJZ 2021/38 [ Kumin/Maderbacher ]). Daher kann eine Abschalteinrichtung – wie die auch im vorliegenden Fall zu beurteilende Einrichtung –, die bei Zulassungsverfahren systematisch die Leistung des Emissionskontrollsystems verbessert, damit die in der VO 715/2007/EG festgelegten Emissionsgrenzwerte eingehalten werden können und so die Zulassung dieser Fahrzeuge erreicht wird, auch nicht unter die Ausnahmebestimmung des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG fallen (EuGH 17. 12. 2020, C 693/18, CLCV [Rn 115]; 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 47 f]).

[20] A.2.3. Nach dem Urteil C 145/20 des EuGH (Rs Porsche Inter Auto und Volkswagen , ÖJZ 2022/114 [ Brenn ]) ist ein Kraftfahrzeug, das im Zeitpunkt der bedungenen Übergabe mit einer gemäß Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, nicht vertragskonform im Sinne der Verbrauchsgüterkauf-RL (Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl L 171/12 vom 7. 7. 1999), konkret deren Art 2 Abs 2 lit d, weil es nicht die Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftiger Weise erwarten kann (Beantwortung der Frage 1; vgl 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 49]).

[21] A.2.4. Diese Beurteilung nach der Verbrauchsgüterkauf RL führt auch zur Qualifikation eines solchen Kraftfahrzeugs als mangelhaft gemäß § 922 ABGB, weil es nicht die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften aufweist (10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Rz 50]). Das Vorhandensein der „Umschaltlogik“ begründet daher auch im vorliegenden Fall einen Mangel im Sinn des § 922 ABGB. Da es sich dabei um einen Mangel der Substanz des Fahrzeugs handelt, ist er als Sachmangel zu qualifizieren (vgl 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Teilurteil; Rz 51]).

[22] A.3.1. Die Beklagten stehen auf dem Standpunkt, im Weg der Durchführung des Software-Updates den bei Übergabe vorhandenen Mangel, der im Vorhandensein einer nach Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbotenen Abschalteinrichtung bestanden habe, behoben zu haben. Das ist nicht der Fall.

[23] A.3.2. Denn auch das nach dem Software-Update vorhandene „Thermofenster“, aufgrund dessen der emissionsmindernde Betriebsmodus nicht mehr nur im Prüfbetrieb, sondern auch im Fahrbetrieb zum Einsatz kommt, allerdings nur bei Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius voll wirksam ist, wurde in der Entscheidung 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 (Teilurteil; Rz 55 ff) mit ausführlicher Begründung und unter Hinweis auf die einschlägige Judikatur des EuGH als Abschalteinrichtung im Sinn des Art 3 Z 10 VO 715/2007/EG qualifiziert, die nicht nach dem Ausnahmetatbestand des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG zulässig ist (vgl auch 10 Ob 16/23k [Rz 24]).

[24] A.3.3. Danach ist eine Abschalteinrichtung nur dann „notwendig“ im Sinn des Art 5 Abs 2 Satz 1 lit a VO 715/2007/EG, wenn zum Zeitpunkt der EG-Typengenehmigung dieser Einrichtung oder des mit ihr ausgestatteten Fahrzeugs keine andere technische Lösung unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall, die beim Fahren eines Fahrzeugs eine konkrete Gefahr hervorrufen, abwenden kann (EuGH C 873/19, Deutsche Umwelthilfe , Rn 95).

[25] Ungeachtet des Vorliegens der in Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG normierten Voraussetzungen fällt eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, nicht unter die Verbotsausnahme des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG (EuGH C 145/20, Porsche Inter Auto und Volkswagen , Rn 73, 81; C 128/20, GSMB Invest , Rn 65, 70; C 134/20, IR gegen Volkswagen , Rn 77, 82; C 873/19, Deutsche Umwelthilfe , Rn 90 f). Es kommt für die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung daher darauf an, ob sie aufgrund der vorherrschenden Außentemperaturen im überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist.

[26] A.3.4. Aufgrund eines schlüssigen Tatsachengeständnisses der Beklagten steht auch im vorliegenden Fall fest, dass die Abgasrückführung beim vorliegenden Fahrzeugtyp nach dem Software-Update aufgrund der im deutschsprachigen Raum herrschenden klimatischen Verhältnisse nur in vier oder fünf Monaten im Jahr voll aktiv ist.

[27] Tatsachen, die der Prozessgegner im Sinn des §§ 266, 267 ZPO ausdrücklich oder schlüssig zugestanden hat, bedürfen keines Beweises (RS0039941 [T6]) und sind der Entscheidung – auch im Rechtsmittelverfahren – ohne weiteres zugrunde zu legen (RS0040101; 3 Ob 215/19t). Eine unterbliebene Bestreitung ist dann als Zugeständnis zu werten, wenn gewichtige Indizien dafür sprechen (RS0039941 [T3, T4]), etwa weil eine Behauptung offenbar leicht widerlegbar wäre (vgl RS0039927).

[28] Die Klägerin brachte unter anderem in ihrem Schriftsatz vom 25. 1. 2018 (ON 6) vor, das mit dem Software-Update installierte „Thermofenster“ sei keine erlaubte Abschalteinrichtung im Sinn des Ausnahmetatbestands des Art 5 Abs 2 Satz 2 lit a VO 715/2007/EG, weil ein System, nach dem die Abgasrückführung nur bei Umgebungstemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius voll aktiv sei, dazu führe, dass die Abgasrückführung in Österreich nur während vier bis fünf Monaten voll wirksam sei. Das kehre das Regel-Ausnahme-Verhältnis um und laufe dem Regelungszweck zuwider. Die Beklagten replizierten darauf mit Schriftsatz vom 7. 3. 2018, es treffe nicht zu, dass in Form des „Thermofensters“ eine neue unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut worden sei. Nach dem Software-Update finde eine volle Abgasrückführung zwar lediglich zwischen 15 und 33 Grad Celsius statt, während außerhalb dieser Temperaturbedingungen eine „Korrektur“ der Abgasrückführung „über die Frischluftzufuhr“ vorgenommen werde. Dies diene aber dem Schutz „bestimmter Bauteile von Motor und Abgasanlage unter- oder oberhalb festgelegter Temperaturen“. Dies sei vom Kraftfahrt Bundesamt (KBA) in den jeweiligen Freigabebescheinigungen bestätigt worden; zudem würden Thermofenster durch alle Hersteller von Dieselmotoren zum Bauteilschutz verwendet.

[29] Die Beklagten haben damit zu dem aus der temperaturabhängigen Programmierung abgeleiteten Vorbringen der Klägerin konkret Stellung genommen. Sie haben das Klagevorbringen, dass die Abgasrückführung in Österreich nur zwischen vier und fünf Monaten im Jahr voll wirksam sei, auf Tatsachenebene nicht bestritten, sondern vielmehr auf einen anderen Aspekt, nämlich den Schutz von Bauteilen verwiesen. Da ein Vorbringen zu den vorherrschenden Temperaturen und der zeitlichen Wirksamkeit der Abgasrückführung leicht zu erstatten gewesen wäre haben die Beklagten die Grundlage für die von der Klägerin behauptete Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses – dass die Abschalteinrichtung aufgrund der klimatischen Bedingungen im überwiegenden Teil des Jahres die volle Abgasrückführung vermindert – zugestanden (vgl 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Teilurteil; Rz 64 ff]).

[30] A.3.5. Der Umstand, dass der EuGH die Rechtsansicht der Klägerin zur dargestellten Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses teilte, begründet keinen Erörterungsbedarf nach §§ 182, 182a ZPO, weil dieser Beurteilung keine von den Beklagten unbeachtete Rechtsansicht zugrunde liegt. Auf die Offenkundigkeit (RS0037536; RS0040240; RS0040219) der vorherrschenden Temperaturverhältnisse (vgl nur die im Statistischen Jahrbuch Österreichs, herausgegeben von der Statistik Austria, veröffentlichten Lufttemperaturen [Rubrik 1.08: Messpunkte Wien Hohe Warte, Eisenstadt, Klagenfurt, St. Pölten, Linz Hörsching, Irdning Gumpenstein, Graz Flughafen, Innsbruck Universität und Feldkirch, alle abrufbar auf der Website der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik www.zamg.ac.at/cms/de/klima/klimauebersichten/jahrbuch]) ist aufgrund des Tatsachengeständnisses nicht weiter einzugehen (vgl 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Teilurteil; Rz 68]).

[31] A.3.6. Aus den dargestellten Erwägungen folgt, dass das Fahrzeug der Klägerin auch nach der durchgeführten Verbesserung durch Installation des Software-Updates mit einer gemäß Art 5 Abs 2 Satz 2 VO 715/2007/EG verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Es ist daher weiterhin mangelhaft im Sinn des § 922 ABGB.

[32] A.4.1. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Übernehmer schon bei Misslingen des ersten Verbesserungsversuchs den Sekundärbehelf (Wandlung oder Preisminderung) in Anspruch nehmen (RS0018722 [T2]; RS0018702 [T9]; jüngst 9 Ob 83/21b). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass ein Mangel wie der (auch) hier vorliegende nach der Entscheidung des EuGH zu C 145/20 auch nicht geringfügig im Sinn des § 932 Abs 4 ABGB und die vom Kläger geltend gemachte Wandlung daher berechtigt ist (10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Teilurteil; Rz 76 ff]).

[33] A.4.2. Zutreffend hat daher schon das Erstgericht erkannt, dass die Klägerin bereits auf dieser Rechtsgrundlage zur Vertragsaufhebung berechtigt ist.

A.5. Zum Benützungsentgelt:

[34] A.5.1. Nach Auflösung eines Vertrags durch Anfechtung oder Wandlung hat gemäß § 877 (bei Gewährleistung iVm § 932 ABGB) iVm §§ 1435 ff ABGB jeder Teil alles zurückzustellen, was er aus einem solchen Vertrag zu seinem Vorteil erlangt hat. Stehen beiden Teilen Rückforderungsansprüche zu, so brauchen diese nur Zug um Zug erfüllt zu werden (RS0016321; 4 Ob 70/18z; 8 Ob 59/16h; 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Teilurteil; Rz 89]).

[35] A.5.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Kondiktion von Leistungen aus gegenseitigen Verträgen, bei denen die Parteien regelmäßig von der Annahme einer Äquivalenz der beiderseitigen Leistungen ausgehen, eine Verpflichtung des redlichen Besitzers, die nach der Herstellung des Austauschverhältnisses bezogenen Früchte und Nutzungen herauszugeben, zu verneinen; der redliche Empfänger des Kaufpreises aus einem schwebend unwirksamen Vertrag darf nach dem Wegfall des Rechtsgrundes daher die Zinsen behalten, wenn auch der Käufer in der Zwischenzeit in den als äquivalent angesehenen Genuss der Kaufsache gekommen ist (RS0010214; krit Kerschner , Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, JBl 2001, 756, nach dem dies nur in Ausnahmsfällen angenommen werden könne). Eine solche – einem Anspruch auf Benützungsentgelt entgegenstehende – „Pauschalverrechnung“ setzt daher voraus, dass die Hauptleistungen als annähernd gleichwertig angesehen werden können, woran es aber fehlt, wenn die benützte Sache – wie dies bei Kraftfahrzeugen angenommen wird – einer starken gebrauchsbedingten Wertminderung unterliegt. Solche Bereicherungsansprüche des beklagten Verkäufers sind – soweit sie der Käufer nicht schon von sich aus vom geltend gemachten Zahlungsanspruch abgezogen (aufgerechnet) hat – grundsätzlich als Gegenforderungen einzuwenden (10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Teilurteil; Rz 84 f und Rz 89]).

[36] Die Klägerin bezweifelt in ihrer Revision auch nicht, dass sie der Erstbeklagten ein Benützungsentgelt für die Nutzung des Fahrzeugs zu entrichten hat, wendet sich allerdings zu Recht gegen deren vom Berufungsgericht ermittelte Höhe.

[37] A.5.3. Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung 10 Ob 2/23a (vom 21. 2. 2023 [Teilurteil; Rz 92 ff]) zu einem vergleichbaren Sachverhalt grundlegend und unter Berücksichtigung der auch hier von den Parteien formulierten Einwände mit der Berechnung des Benützungsentgelts auseinandergesetzt und wie folgt ausgeführt:

„I.D.2.1. Ausgangspunkt aller Erwägungen zur Ermittlung des Benützungsentgelts, das der mit dem Aufhebungs- oder Wandlungsbegehren durchdringende Kläger schuldet, ist, dass das Entgelt dem verschafften Nutzen angemessen sein muss (vgl RS0019850; dies betonend etwa 8 Ob 74/13k).

I.D.2.2. Nach ständiger Rechtsprechung hängt die Beurteilung der Frage, ob bzw welchen Nutzen sich der Kläger im Fall eines berechtigten Wandlungsbegehrens als Benützungsentgelt anrechnen lassen muss, von den Umständen des Einzelfalls ab (4 Ob 21/21y; 3 Ob 131/19i; 8 Ob 59/16h = RS0018534 [T13]). Das folgt schon daraus, dass der Gebrauchsnutzen, den der Übernehmer aus einer Sache ziehen konnte, keine exakt messbare Größe ist (vgl etwa BGH 29. 9. 2021, VIII ZR 111/20 Rz 52, 72 ['Schätzungsermessen']), auch wenn das begehrte Benützungsentgelt im Prozess beziffert werden muss. Abhängig von dem mit der Beweisaufnahme verbundenen Aufwand und dem Streitwert kann die Bemessung des angemessenen Benützungsentgelts daher gemäß § 273 ZPO erfolgen (RS0018534 [T5]; 3 Ob 131/19i).

I.D.2.3. In diesem Sinn erachtete der Oberste Gerichtshof in seiner Rechtsprechung unterschiedliche Herangehensweisen zur Ermittlung des Gebrauchsnutzens als vertretbar.

So billigte er jüngst zu 4 Ob 21/21y die Ermittlung des Benützungsentgelts nach der Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs anhand der Formel 'Gebrauchsvorteil = vereinbarter Kaufpreis x gefahrene Kilometer in der Nutzungsphase : erwartete Restlaufleistung', wies aber gleichzeitig darauf hin, dass es sich nicht um die einzig zulässige Methode der Ausmittlung des Nutzungsentgelts handle: So sei nach der Entscheidung 5 Ob 274/09v bei der Bemessung der Höhe des angemessenen Benützungsentgelts im Fall der Rückabwicklung von Kaufverträgen über Kfz jener Aufwand zu ermitteln, den ein Käufer hätte tragen müssen, um sich den Gebrauchsnutzen eines gleichwertigen Gegenstands durch Kauf und Weiterverkauf nach Gebrauch zu verschaffen. Dies erfolge dadurch, dass vom konkret angemessenen Kaufpreis für das übergebene (mangelhafte) Fahrzeug der Händlereinkaufspreis im Fall der Weiterveräußerung durch den Kläger nach dem Verbrauch abgezogen werde (vgl die Darstellung in 4 Ob 21/21y).

I.D.2.4. Zum Verständnis der unterschiedlichen Ermittlungsansätze greift der isolierte Blick auf einzelne Entscheidungen allerdings zu kurz; dies insbesondere dann, wenn – wie zu 5 Ob 274/09v – die Methode der Ermittlung des Gebrauchsnutzens vom dortigen Revisionswerber gar nicht in Frage gestellt wurde. Es ist vielmehr erforderlich, auf die Erwägungen einzugehen, die den unterschiedlichen Ansätzen zugrunde liegen.

I.D.2.5. Der Ansatz, auf den Kaufpreis abzüglich des Händlereinkaufspreises im Rückabwicklungszeitpunkt abzustellen (degressive Abwertung, Händlereinkaufspreismethode), wurde in Entscheidungen entwickelt, in denen darüber abzusprechen war, ob bei der Bemessung des im Rahmen der Rückabwicklung eines Vertragsverhältnisses zu vergütenden Gebrauchsnutzens der ortsübliche Mietzins für eine gleichartige Sache heranzuziehen sei. Betrachtet man die dazu ergangenen frühen Entscheidungen, wird klar, dass es sich dabei um eine Begrenzung des geschuldeten Benützungsentgelts nach oben handelte:

Der Oberste Gerichtshof lehnte die Ausmessung des Benützungsentgelts anhand eines fiktiven Mietzinses mit der Begründung ab, dass diese Methode zu unbilligen Ergebnissen führe, wenn es sich um Sachen handle, die auf lange Zeit üblicher Weise nicht gemietet, sondern käuflich erworben werden. Dies deshalb, weil ein am Mietzins orientiertes Benützungsentgelt in solchen Fällen schon in verhältnismäßig kurzer Zeit die Höhe des Barkaufpreises erreichen würde (grundlegend 5 Ob 575/85 zu einem Pkw; vgl 9 Ob 712/91 zu einem Radlader, in welchem Fall der Gebrauchsnutzen durch Bezugnahme auf die Lebensdauer des Fahrzeugs, also linear, ausgemittelt wurde; 1 Ob 516/92 zum Kauf eines Reitpferds; RS0018534).

I.D.2.6. Vor diesem Hintergrund wurde es beim Kauf eines Pkw nach der Aufhebung des Kaufvertrags wegen Verzugs des Käufers (§ 921 ABGB) als sachgerecht angesehen, bei der Rückabwicklung auf den Aufwand abzustellen, den der Käufer hätte tätigen müssen, um sich den Gebrauchsnutzen eines dem gekauften gleichwertigen Pkw zu verschaffen (5 Ob 575/85).

Die Frage, ob es gerechtfertigt ist, den in den ersten Jahren hohen Wertverlust eines Neuwagens dem Käufer aufzubürden, stellte sich im Fall 5 Ob 575/85 schon deshalb nicht, weil ein Gebrauchtwagenkauf zu beurteilen war. Es musste auch nicht auf die Frage eingegangen werden, ob die Gegenüberstellung des ursprünglichen Kaufpreises (Händlerverkaufspreises) mit dem Händlereinkaufspreis zum Zeitpunkt der Vertragsrückabwicklung den Käufer zu Unrecht mit der Handelsspanne des Verkäufers belaste, weil der dortige Käufer nur ein Wrack (mit einem Wrackwert) zurückstellen konnte (vgl 5 Ob 575/85).

I.D.2.7. Die angesprochene, auch im vorliegenden Fall relevante Frage der Tragung des hohen Wertverlusts bei Neuwägen ist in der Rechtsprechung aber schon seit langem erkannt. Bereits in der Entscheidung 1 Ob 516/92 schloss sich der Oberste Gerichtshof der Ansicht Honsells (in Schwimann, ABGB [1987] § 1437 Rz 4; vgl nunmehr Mader in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar 4 [2016] § 1437 ABGB Rz 14) an, dass dem Käufer, der die Rückabwicklung nicht zu vertreten hat, nicht auf dem Weg des Benützungsentgelts die Wertminderung aufgebürdet werden dürfe, die die Sache durch den Verlust der Neuheit erleide.

Dem ist die mittlerweile ständige Rechtsprechung gefolgt: Demnach geht es nicht an, den Käufern, die die Wandlung nicht zu vertreten haben, die – gerade bei neuen Fahrzeugen oder Geräten am Anfang sehr hohe – Wertminderung durch Zeitablauf ('degressive Abschreibung') anzulasten (1 Ob 516/92; 3 Ob 550/95; 3 Ob 248/08d; vgl 5 Ob 274/09v; 4 Ob 21/21y). Ebenso wenig haben die Käufer, die die Rückabwicklung nicht zu vertreten haben, die merkantile Wertminderung zu tragen, die durch eine verzögerte Rückabwicklung – also nach Geltendmachung der Wandlung – eintritt (8 Ob 74/13k).

I.D.2.8. Die Zuordnung des Wertverlusts der Sache zum Verkäufer und nicht zum Käufer, der die Wandlung nicht zu vertreten hat, folgt aus der Erwägung, dass durch eine Bemessung der Bereicherung nach der Wertminderung des Guts nicht der Gebrauchsnutzen des rückabwicklungsberechtigten Käufers abgeschöpft, sondern der Vermögensnachteil des vertragswidrig handelnden Verkäufers ausgeglichen wird (3 Ob 550/95; 2 Ob 95/06v ecolex 2007/363 [Wilhelm]; vgl 8 Ob 74/13k [der Übernehmer kann aus der Wertminderung keinen Vorteil ziehen]). Es sei daher erforderlich, den Anteil an der Wertminderung zu ermitteln, der auf die gebrauchsbedingte Abnützung zurückzuführen sei; nur diesen Anteil habe der bereicherte Käufer bei der Rückabwicklung zu ersetzen (3 Ob 248/08d). Auch ausgehend vom Ansatz der 'Händlereinkaufspreis-Methode' verlangt die Rechtsprechung daher, dass aus dem Preis, um den der rückabwicklungsberechtigte Käufer die Sache wieder verkaufen hätte können, der Wertverlust wegen des Verlusts der Neuheit der Sache auszuscheiden ist (vgl 3 Ob 248/08d; vgl 3 Ob 131/19i).

I.D.2.9. Zu 8 Ob 74/13k nahm der Oberste Gerichtshof zur Frage Stellung, bis zu welchem Zeitpunkt – jenem der Wandlungserklärung oder der Rückstellung der Kaufsache – der Verkäufer im Fall der Wandlung einen Anspruch auf Benützungsentgelt gegen den Käufer hat. Demnach kann sich der Verkäufer bei verzögerter Abwicklung zwar weder auf eine bloß theoretische Gebrauchsmöglichkeit berufen noch auf den infolge Zeitablaufs eingetretenen Wertverlust. Es wird aber klargestellt, dass der Käufer, der nach der Geltendmachung der Wandlung die Sache weiterhin nutzt und einen tatsächlichen Gebrauchsnutzen zieht, auch für den Zeitraum nach Geltendmachung der Wandlung ein angemessenes Nutzungsentgelt zu leisten hat (vgl auch 8 Ob 126/15k ecolex 2016/331 [Schoditsch]). Klargestellt wurde darüber hinaus, dass die vor der Rückabwicklung des Kaufvertrags stattgefundene Nutzung durch den Verbraucher auch im Lichte der Verbrauchsgüterkauf-RL (Richtlinie 1999/44/EG) eine Minderung der an den Verbraucher zu leistenden Erstattung rechtfertigt (8 Ob 126/15k, gestützt auf EuGH 17. 4. 2008, C 404/06, Quelle AG, insb Rz 39).

I.D.2.10. In jüngerer Zeit billigte der Oberste Gerichtshof im Weg eines Zurückweisungsbeschlusses die Gegenüberstellung des konkret (angesichts bestehender Mängel) angemessenen Kaufpreises und des Händlereinkaufspreises im Wandlungszeitpunkt und sprach aus, dass die Wertminderung durch den Verlust der Neuheit jedenfalls nicht zur Gänze zu Lasten des Käufers gehen dürfe (3 Ob 131/19i).

Zu 9 Ob 83/21b sah es der Oberste Gerichtshof als mit den dargestellten Grundsätzen der um den Wertverlust bereinigten 'Händlereinkaufspreis-Methode' vereinbar an, bei der relativ bald nach dem Kauf eines Neuwagens erfolgten Rückabwicklung von einer linearen Abwertung auf Basis der gefahrenen Kilometer auszugehen.

Auch zu 4 Ob 21/21y schloss sich der Oberste Gerichtshof der Ausmittlung des Gebrauchsnutzens im Weg der linearen Abwertung – ausgehend von den gefahrenen Kilometern – an und wies neuerlich darauf hin, dass der zeitabhängige Wertverlust auch nach dem auf den Kauf und Verkauf des Fahrzeugs abstellenden Ansatz vom Verkäufer zu tragen sei, wenn der Käufer die Wandlung nicht zu vertreten habe.

I.D.2.11. Aus der Analyse der dargestellten Rechtsprechung ergibt sich, dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung den Vorinstanzen zwar bei der Ausmittlung des Gebrauchsnutzens bzw des dafür vom Käufer, der die Rückabwicklung nicht zu vertreten hat, zu entrichtenden Nutzungsentgelts einen Ermessensspielraum zugesteht. Die Ausmittlung des Gebrauchsnutzens anhand des Aufwands, den ein Käufer für den Kauf einer gleichwertigen Sache und deren Weiterverkauf hätte aufwenden müssen, dient allerdings der Abgrenzung des Benützungsentgelts nach oben gegenüber höheren Forderungen, die sich durch den Vergleich mit der Miete einer gleichwertigen Sache für den Nutzungszeitraum ergeben würden. Für die Ermittlung des Benützungsentgelts kommt es vielmehr auf den konkret gezogenen Nutzen an, der mit dem zeitablauf abhängigen Wertverlust eines Kfz in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht (so bereits 3 Ob 248/08d), sodass dem Käufer weder der Wertverlust aufgrund des Verlusts der Neuheit noch der Wertverlust wegen einer nicht von ihm zu vertretenden verzögerten Rückabwicklung nach Geltendmachung der Wandlung anzulasten ist.

I.D.2.12. Die konsequente Umsetzung dieser in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze spricht dafür, den Gebrauchsnutzen des Käufers eines Kfz, der die Rückabwicklung nicht zu vertreten hat, grundsätzlich in Abhängigkeit von den gefahrenen Kilometern (linear) zu berechnen.

I.D.2.13. In der Literatur sprechen sich eine Reihe von Autorinnen und Autoren für die Ausmessung des Benützungsentgelts anhand der linearen Abwertung durch Abstellen auf die zu erwartende Laufleistung im Erwerbszeitpunkt mit den gefahrenen Kilometern aus (Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.02 § 932 Rz 72 [Stand 1. 1. 2016, rdb.at]; Pfeffer/Wegrath, Benützungsentgelt bei Wandlung, RZ 2018, 97 [102] = dies, Benützungsentgelt bei Wandlung, in FS Danzl [2017] 737 [744]; Kepplinger, Benützungsentgelt für die rechtsgrundlose Verwendung von Kraftfahrzeugen, ZVR 2018, 352 [358], der nur für unredliche Kondiktionsschuldner die 'Händlereinkaufspreis-Methode' in Betracht zieht, worauf im vorliegenden Fall nicht eingegangen werden muss; Maderbacher, Diesel-Abgasskandal: Benützungsentgelt nach Rückabwicklung, VbR 2020, 204 [207]; der Entscheidung 2 Ob 95/06v zustimmend auch Meyenburg, Zur 'neuen Gewährleistung' – Fragen aus der Praxis, Zak 2008, 43; vgl Riautschnig, Berechnung der Benützungsvergütung für Fahrzeuge unter Berücksichtigung der Judikatur des OGH, Zak 2019, 224 [227], der allerdings bei Gebrauchtfahrzeugen nicht den vereinbarten Kaufpreis und die zu erwartende Restlaufleistung, sondern den Neupreis und die Gesamtlaufleistung zugrunde legen will; ders, Betriebswirtschaftliche Berechnung des Nutzungsentgelts für Kfz unter Berücksichtigung der Judikatur des OGH und des BGH, ZVR 2020, 290 [294], s ebendort zu einem Modell der Kilometerentschädigung bei überschrittener Lebenslaufleistung; vgl Kerschner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ [2018] § 1437 ABGB Rz 14). Dabei müsse der auf die Laufleistung verteilte Kaufpreis den Minderwert des Fahrzeugs aufgrund des Mangels berücksichtigen (Maderbacher, VbR 2020, 204 [207]), sofern der Mangel die Nutzung der Sache beeinträchtige (Riedler, VW Abgasskandal, ZVR 2020, 320 [321 FN 19]).

I.D.2.14. Gegen die sogenannte 'Händlereinkaufspreis-Methode' und für die lineare Betrachtung wird ergänzend ins Treffen geführt, dass der rückabwicklungs-berechtigte Käufer nicht mit der Händlerspanne beschwert sein solle (Pfeffer/Wegrath, RZ 2018, 102 = dies in FS Danzl 744). Der gewerbliche Verkäufer solle nicht dadurch belohnt werden, dass er das Fahrzeug zum Händlereinkaufspreis zurücknehmen und zum Händlerverkaufspreis neuerlich veräußern könne (Striessnig, Schon wieder das Benützungsentgelt für Fahrzeugnutzungen samt den entzweiten Berechnungsmethoden, Zak 2022, 268 [269]).

I.D.2.15. In der Nutzungsphase eingetretene Schäden oder eine merkantile Wertminderung (gemeint: infolge einer Reparatur) sollen dem Benützungsentgelt hinzugerechnet werden (Pfeffer/Wegrath in FS Danzl 743).

I.D.2.16. Von anderer Seite wird eine auf den Wiederverkaufswert des Fahrzeugs abstellende Berechnung, die die Überwälzung des Verlusts der Neuheit auf den Käufer durch Berücksichtigung der geplanten Behaltedauer ausgleichen soll, befürwortet (Novak, Vorteilsausgleich bei Aufhebung von Pkw-Kaufverträgen mit schuldrechtlicher Wirkung ex tunc, ZVR 2020, 284 [287 f]).

I.D.2.17. Nach der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs, die zur Rückabwicklung von Kaufverträgen über mit einem Dieselmotor EA189 ausgestattete Fahrzeuge ergangen ist, ist der Schätzung des Werts der gezogenen Nutzungen die zeitanteilige lineare Wertminderung zugrunde zu legen, die bei Neufahrzeugen ausgehend vom Bruttokaufpreis anhand eines Vergleichs zwischen tatsächlichem Gebrauch (gefahrene Kilometer) und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer (erwartete Gesamtlaufleistung) zu bestimmen ist (BGH 25. 5. 2020, VI ZR 252/19 Rz 80 ff; 29. 9. 2021, VIII ZR 111/20 Rz 55; 12. 10. 2021, VIII ZR 255/20 Rz 22 je mwN). Dabei wird nicht auf die Laufleistung des Motors an sich, sondern auf die Lebensdauer des gesamten Fahrzeugs abgestellt (BGH 29. 9. 2021, VIII ZR 111/20 Rz 58 mwN). Es kommt auf die unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende durchschnittliche Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs und nicht darauf an, welche Gesamtlaufleistung das Fahrzeug unter günstigsten Bedingungen erreichen kann oder in bestimmten Einzelfällen erreicht hat. Der gezogene Gebrauchsvorteil pro gefahrenem Kilometer wird daher unabhängig davon bemessen, ob der konkrete Nutzer eine schonende oder beanspruchende Fahrweise an den Tag gelegt hat (BGH 29. 9. 2021, VIII ZR 111/20 Rz 59).

Eine ähnliche Berechnung führt der Bundesgerichtshof bei gebrauchten Fahrzeugen durch. Danach ist der konkrete Altwagenpreis mit der voraussichtlichen Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt ins Verhältnis zu setzen und mit der tatsächlichen Fahrleistung zu multiplizieren (BGH 11. 8. 2022, VII ZR 499/21 Rz 27; 28. 4. 2022, III ZR 75/21 Rz 7; 24. 1 2022 VIa ZR 100/21 Rz 24).

I.D.2.18. Der Oberste Gerichtshof erachtet den (auch vom BGH zur Ermittlung des Gebrauchsnutzens herangezogenen) Ansatz, der Ausmittlung die lineare Wertminderung zugrunde zu legen, in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Käufer des Kfz die Wandlung nicht zu vertreten hat, als sachgerecht. Dass der überproportional hohe anfängliche Wertverlust aus dem Verlust der Neuheit der Sache nicht dem Käufer, der die Wandlung nicht zu vertreten hat, aufzuerlegen ist, ist in der österreichischen Rechtsprechung bereits anerkannt. Dem Umstand, dass es sich um einen Neuwagen handelt, wird durch den gegenüber einem Gebrauchtwagen höheren, die Neuheit reflektierenden Kaufpreis, der in die Ausmittlung einfließt, Rechnung getragen.

Wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs bereits erreicht ist, kann dahinstehen.

Bei einem gebrauchten Fahrzeug ist es gleichermaßen sachgerecht, bei der Berechnung den konkret vereinbarten Kaufpreis heranzuziehen, wenn und weil dieser als angemessene Gegenleistung angesehen werden kann. Konsequenterweise ist dann bei der Berechnung nicht die Gesamtlaufleistung, sondern – wie dies der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 21/21y bereits gebilligt hat – die dem (als angemessen unterstellten) Kaufpreis zugrunde gelegte (geringere) erwartete Restlaufleistung zu berücksichtigen.“

[38] A.5.4. Diese Erwägungen, denen sich bereits weitere Senate des Obersten Gerichtshofs angeschlossen haben (2 Ob 82/23g; 9 Ob 68/22y; RS0134263), werden auch vom erkennenden Senat geteilt.

A.5.5. Das führt im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis:

[39] Ausgehend von der festgestellten zu erwartenden Restlaufleistung des Fahrzeugs im Erwerbszeitpunkt von 250.000 km und dem damals vereinbarten Kaufpreis von 28.375 EUR sowie weiters ausgehend davon, dass die Klägerin das Fahrzeug weiter nutzte und bis zum Beurteilungszeitpunkt (§ 193 ZPO) damit 41.500 km zurücklegte, schuldet die Klägerin – wie sie in ihrer Revision zutreffend errechnet hat – ein Benützungsentgelt von 4.710,25 EUR. Da sie bereits bei Bezifferung der Klageforderung ein Nutzungsentgelt von 2.790,96 EUR in Abzug brachte, ist die Gegenforderung der Erstbeklagten im Umfang von 1.919,29 EUR berechtigt (der in der Revision irrtümlich mit 1.919,25 EUR bezifferte Betrag beruht auf einem offensichtlichen Rechenfehler [richtige Berechnung noch in der Berufung]).

[40] A.5.6. Die Klägerin macht außerdem ein Benützungsentgelt für die Nutzung des der Erstbeklagten gezahlten Kaufpreises in Höhe der gesetzlichen Zinsen geltend (Vergütungszinsen).

[41] Eine solche Bereicherung kann aber nur so lange bestehen, als der Kaufpreis tatsächlich zur Nutzung zur Verfügung steht, mit anderen Worten nicht zurückgezahlt wurde. Im vorliegenden Fall rechnete die Klägerin selbst mit einem Teil ihrer Klageforderung gegen das Benützungsentgelt auf und tilgte den Rückzahlungsanspruch damit in diesem Ausmaß. Mangels Vorbringens zum konkreten Zeitpunkt des Wegfalls der eingetretenen Bereicherung ist daher von einer teilweisen Tilgung des Rückforderungsanspruchs mit der Zustellung der Klage an die Erstbeklagte (14. 12. 2017) auszugehen. Bis zu diesem Zeitpunkt schuldet die Erstbeklagte Vergütungszinsen aus 28.375 EUR, ab 14. 12. 2017 nur noch aus dem entsprechend reduzierten Betrag von 25.584,04 EUR. Die von der Erstbeklagten erklärte gerichtliche Aufrechnung richtet sich zwar auf eine Aufrechnung erst im Urteil, sodass ihre Tilgungswirkung erst mit dem Zeitpunkt der Rechtskraft der darüber gefällten Entscheidung feststeht. In der darüber zu fällenden Entscheidung ist aber ungeachtet dessen auf die (mit Eintritt der Rechtskraft erfolgende) Rückwirkung (auch) der (gerichtlichen) Aufrechnung Bedacht zu nehmen. Auch insofern lässt sich dem Akteninhalt jedoch nur der Kilometerstand bei Schluss der Verhandlung und die Geltendmachung dieser (restlichen) Forderung durch die Erstbeklagte (beides am 16. 10. 2019) entnehmen. Dass und wann die Aufrechnungslage vor diesem Zeitpunkt entstanden wäre, lässt sich dem Vorbringen der Erstbeklagten nicht entnehmen. Auch insofern ist daher mangels Vorbringens zum Wegfall der seit 14. 12. 2017 noch bestehenden Bereicherung davon auszugehen, dass die Erstbeklagte ab 16. 10. 2019 Vergütungszinsen (nur noch) aus dem dem Kläger zuzusprechenden Betrag schuldet. Umgekehrt kommt der Klägerin ein im Fahrzeug „gebundenes Kapital“ (anders als die Nutzung des Fahrzeugs, deren Abgeltung die Beklagten ohnedies fordern und erhalten) nicht zugute (vgl zu alldem ausführlich 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023 [Teilurteil; Rz 123 ff]).

B. Zum Anspruch gegenüber der Zweitbeklagten:

[42] B.1. Die Parteien haben zur nunmehr zu beantwortenden Frage, ob die emissionsrechtlichen Bestimmungen Schutzgesetze darstellen, auf die sich die Klägerin zur Begründung eines Schadenersatzanspruchs gegen die Zweitbeklagte berufen kann, jeweils Stellung genommen. Dabei erkannte die Zweitbeklagte auch, dass sich die Klägerin (unter anderem) auf Art 5 der VO 715/2007/EG als Anspruchsgrundlage für einen Schadenersatzanspruch berief, trat sie dieser Rechtsansicht doch ausdrücklich entgegen. Eine überraschende Rechtsansicht – und damit ein Erörterungsbedarf – liegt nicht vor, wenn sich das Gericht dem Standpunkt des Prozessgegners anschließt (RS0133948). Da das Urteil C 100/21 des EuGH der von der Klägerin vertretenen Rechtsansicht im Hinblick auf die Eignung des Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG, einen deliktischen Schadenersatzanspruch zu tragen, entspricht, löst diese Entscheidung des EuGH im vorliegenden Verfahren keinen Erörterungsbedarf aus (vgl 10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 [Endurteil; Rz 9]).

[43] B.2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung (10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 [Endurteil]; vgl auch 10 Ob 16/23k) zu einem vergleichbaren Sachverhalt zur Frage der schadenersatzrechtlichen Haftung des Herstellers Stellung genommen und Folgendes klargestellt:

„II.2. Die von der Zweitbeklagten vertretene Rechtsansicht [der Schutzzweck von (unter anderem) Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG erfasse Vermögensschäden der Fahrzeughalter nicht] kann nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, auch nicht geteilt werden.

II.2.1. Darin beantwortet er die an ihn gestellten Vorlagefragen wie folgt:

1. Art 18 Abs 1, Art 26 Abs 1 und Art 46 der Richtlinie 2007/46/EG in Verbindung mit Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG sind dahin auszulegen, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art 5 Abs 2 dieser Verordnung ausgestattet ist.

2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es in Ermangelung einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften Sache des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats ist, die Vorschriften über den Ersatz des Schadens festzulegen, der dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG ausgestatteten Fahrzeugs tatsächlich entstanden ist, vorausgesetzt, dass dieser Ersatz in einem angemessenen Verhältnis zum entstandenen Schaden steht.

II.2.2. In seiner Entscheidungsbegründung rekapituliert der EuGH zunächst, dass ein individueller Käufer, der ein Fahrzeug erwirbt, das zur Serie eines genehmigten Fahrzeugtyps gehört und somit mit einer Übereinstimmungsbescheinigung versehen ist, vernünftiger Weise erwarten kann, dass die VO 715/2007/EG und insbesondere deren Art 5 bei diesem Fahrzeug eingehalten werden (EuGH C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 81 unter Hinweis auf C 145/20, Porsche Inter Auto und Volkswagen, Rn 54).

Diese ursprünglich (in C-145/20, Porsche Inter Auto und Volkswagen, Rn 54) für das Vertragsverhältnis zwischen Fahrzeugkäufer und Händler konstatierte berechtigte Verkehrserwartung ist nach dem Urteil C-100/21 auch für das außervertragliche Verhältnis zwischen einem Fahrzeugerwerber und dem Fahrzeughersteller relevant.

Konkret leitet der EuGH aus den Bestimmungen über die Übereinstimmungsbescheinigung (Art 18 Abs 1 und Art 26 Abs 1 der Rahmen-RL [RL 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge; künftig: RL 2007/46]) ab, dass die Übereinstimmungsbescheinigung 'eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Automobilhersteller und dem individuellen Käufer eines Kraftfahrzeugs herstellt, mit der diesem gewährleistet werden soll, dass das Fahrzeug mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften der Union übereinstimmt' (C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 82).

Weiters folgert der EuGH aus den von ihm zitierten unionsrechtlichen Bestimmungen (Art 18 Abs 1, 24 Abs 1 RL 2007/46 über die Übereinstimmungsbescheinigung, Art 46 RL 2007/46 betreffend Sanktionen), dass ein individueller Käufer eines Kraftfahrzeugs gegen den Hersteller dieses Fahrzeugs einen Anspruch darauf hat, dass dieses Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinn von Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG ausgestattet ist (Rn 89).

Auf der Rechtsfolgenseite müssen die Mitgliedstaaten daher einen Anspruch auf Schadenersatz durch den Hersteller des Fahrzeugs vorsehen, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist (Rn 91).

In Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften über die Modalitäten für die Erlangung eines solchen Ersatzes durch die betreffenden Käufer wegen des Erwerbs eines solchen Fahrzeugs ist es Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, diese Modalitäten festzulegen (Rn 92), wobei nationale Rechtsvorschriften es dem Käufer nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen, einen angemessenen Ersatz des entstandenen Schadens zu erhalten (Rn 93).

II.3.1. Aus der zitierten Entscheidung des EuGH – insbesondere im Zusammenhang mit dem Ausgangsverfahren (vgl EuGH C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 23 u 69) – ergibt sich somit, dass ein Verstoß gegen Art 5 der VO 715/2007/EG den Hersteller auch dann ersatzpflichtig machen kann, wenn er in keinem Vertragsverhältnis zum Käufer steht.

II.3.2. Für diesen Schadenersatzanspruch macht der EuGH grundsätzliche Vorgaben, nämlich in dem Sinn, dass die Mitgliedstaaten in einem solchen Fall einen Schadenersatzanspruch zu Gunsten eines Käufers gegenüber dem Hersteller vorzusehen haben, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist (EuGH C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 91). Dabei handelt es sich somit um einen im nationalen Recht wurzelnden Schadenersatzanspruch, der am unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz zu messen ist (EuGH C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 93), also eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion für den Verstoß darstellen muss (vgl EuGH C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 90). Im Übrigen richten sich die Modalitäten dieses Schadenersatzanspruchs nach nationalem Recht (EuGH C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 92), hier also unstrittig nach österreichischem Recht.

II.3.3.1. Eine unionsrechtliche Vorgabe eines Schadenersatzanspruchs ist das Vorliegen eines Schadens: Der EuGH betont, dass dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs ein Schadenersatzanspruch zusteht, wenn ihm ein Schaden entstanden ist (EuGH C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 91).

Als nachteilige Folge – vor der ein Fahrzeugkäufer durch das Unionsrecht geschützt werden soll – sieht der EuGH an, dass durch die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung die Gültigkeit der EG-Typengenehmigung und daran anschließend die der Übereinstimmungsbescheinigung in Frage gestellt werden, was wiederum (unter anderem) zu einer Unsicherheit über die Nutzungsmöglichkeit (Anmeldung, Verkauf oder Inbetriebnahme des Fahrzeugs) und 'letztlich' zu einem Schaden führen kann (EuGH C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 84). Damit stellt der EuGH klar, dass ein deliktischer Schadenersatzanspruch nicht als ein von einem Schadenseintritt losgelöster Akt der privaten Durchsetzung von Emissionsnormen zu sehen ist. Vielmehr geht es um den Ausgleich der objektiven Unsicherheit hinsichtlich der Fahrzeugnutzung, mit der der individuelle Fahrzeugerwerber konfrontiert ist.

Der Schadensbegriff des ABGB wird diesen unionsrechtlichen Voraussetzungen gerecht. Als Schaden im Sinn des § 1293 ABGB ist jeder Zustand zu verstehen, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht (RS0022537). Im vorliegenden Fall des Erwerbs eines mit einer im Sinn des Art 5 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs besteht dieses geringere rechtliche Interesse – den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechend – in der (objektiv) eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit.

Ein Schadenseintritt wäre lediglich dann zu verneinen, wenn das objektiven Verkehrserwartungen nicht genügende Fahrzeug dennoch konkret dem Willen des Käufers entsprach.

II.3.3.2. Daraus ergibt sich, dass dem Kläger im vorliegenden Fall ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist: Dass das Fahrzeug latent mit einer Unsicherheit hinsichtlich der rechtlichen Nutzungsmöglichkeit behaftet ist, ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass es mit einer nach Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist und auch bei Installation des (vom Kläger abgelehnten) Software-Updates eine unzulässige Abschalteinrichtung weiterhin (in Form des festgestellten 'Thermofensters') vorliegen würde.

In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die Frage, ob aufgrund der Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung latent die Gefahr einer Betriebsuntersagung des Fahrzeugs droht, an der objektiven Rechtslage zu messen ist (in diesem Sinn auch BGH 8. 12. 2021, VIII ZR 190/19 Rz 82).

Hier ging der Kläger beim Abschluss des Kaufvertrags davon aus, dass das Fahrzeug den geltenden Normen entsprach; andernfalls hätte er es nicht gekauft. Die Feststellungen zu den subjektiven Vorstellungen des Klägers stehen mit dem offenkundigen Vertragszweck im Einklang, sodass sich auch die Frage nicht stellt, welche konkreten Kenntnisse der Kläger (über die 'Manipulationssoftware' und ihre Auswirkungen auf die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs bzw die Erfüllung des Vertragszwecks) hatte.

II.3.3.3. Dass die vorhandene 'Umschaltlogik' als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn der Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG zu qualifizieren ist, wurde bereits im Vorlagebeschluss vom 17. März 2020 zu 10 Ob 44/19x (Pkt 2.1) und in der Entscheidung vom 21. Februar 2023 unter Berufung auf die im Vorlageverfahren ergangene Entscheidung des EuGH unter Berufung auf die im Vorlageverfahren ergangene Entscheidung des EuGH (10 Ob 2/23a [Rz 47 f]) klargestellt. Die Zweitbeklagte verstieß also gegen die den Käufer schützenden unionsrechtlichen Vorschriften und handelte somit rechtswidrig.

II.3.3.4. Soll das Zuwiderhandeln gegen eine Vorschrift einen Schadenersatzanspruch auslösen, muss es nach österreichischem Recht jene Interessen verletzen, deren Schutz die Rechtsnorm bezweckt (RS0031143). Da sich der Schutzzweck aus dem Inhalt des Schutzgesetzes ergibt und es teleologisch zu interpretieren ist, um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den in einem konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten wollte (RS008775), ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang im vorliegenden Fall aus den maßgeblichen unionsrechtlichen Bestimmungen zu ermitteln. Auch insofern ist ihre Auslegung durch den EuGH zu berücksichtigen:

Die genannten Bestimmungen der RL 2007/46 in Verbindung mit Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG bezwecken wie ausgeführt (auch), das Vertrauen eines Käufers auf die Richtigkeit der vom Hersteller ausgestellten Übereinstimmungsbescheinigung zu schützen. Ein Schaden, der darin besteht, dass die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs eingeschränkt ist und sich das Vermögen des Erwerbers des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs infolge unrichtiger Übereinstimmungsbescheinigung nicht entsprechend den objektiv berechtigten Verkehrserwartungen oder einem von diesen Verkehrserwartungen abweichenden Willen des Erwerbers zusammensetzt, steht folglich im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit den hier gegenständlichen Schutzgesetzen (Art 18 Abs 1, Art 26 Abs 1, Art 46 RL 2007/46 in Verbindung mit Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG).

Der im vorliegenden Fall eingetretene Schaden steht somit auch im Rechtswidrigkeitszusammenhang.

II.3.4. Die Qualifikation des Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG (und der weiteren genannten unionsrechtlichen Normen) als auch die Einzelinteressen des Käufers schützende Norm(en) entspricht im nationalen Recht einem Verständnis als Schutznorm(en) im Sinn des § 1311 ABGB. Eine Haftung wegen einer solchen Schutzgesetzverletzung setzt ein Verschulden voraus (RS0026351), es kommt aber zu einer Beweislastumkehr (RS0026351 [T7]): Der Schädiger hat nachzuweisen, dass ihn an der Übertretung kein Verschulden trifft (RS0112234 [T1]; RS0026351 [T1]). Diesen Beweis trat die Zweitbeklagte nicht an. Der Kläger stützte sich überdies ausdrücklich (auch) auf fahrlässige Irreführung durch die Zweitbeklagte und ihre Kenntnis von der Manipulationsoftware bzw der unzulässigen Abschalteinrichtung. Die Zweitbeklagte stellte hingegen (bloß) eine vorsätzliche Täuschung und eine Schädigungsabsicht in Abrede. Da die Zweitbeklagte eine bloß fahrlässige Irreführung nicht konkret bestritt, ist eine solche als zugestanden anzusehen (vgl RS0039927 [T12]).

Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch scheitert somit auch nicht an einem mangelnden Verschulden der Zweitbeklagten.

II.3.5.1. Der Schadenersatzanspruch ist primär auf Naturalersatz gerichtet (§ 1323 ABGB). Dem Wiederherstellungsbefehl ist Genüge getan, wenn eine im Wesentlichen gleiche Lage, ein gleichartiger, wirtschaftlich gleichwertiger Zustand ('Ersatzlage') hergestellt wird (RS0030228; RS0060539). Der Geschädigte ist demnach primär so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde (RS0022818; RS0030228 [T7]).

Da ein individueller Käufer eines Kraftfahrzeugs einen Anspruch gegen den Hersteller dieses Fahrzeugs darauf hat, dass dieses Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG ausgestattet ist (EuGH C 100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 89), wäre primär an eine Beseitigung dieser unzulässigen Abschalteinrichtung zu denken. Eine geeignete Beseitigung dieses Schadens (in Natura) wurde von der Zweitbeklagten aber nicht angeboten (s dazu noch unten ErwGr II.3.6.).

II.3.5.2. Gegenstand des der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens ist der vom dortigen Kläger geltend gemachte Anspruch auf Erstattung des für das Fahrzeug bezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs (vgl die dritte und fünfte Vorlagefrage, EuGH C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 38). Einem so ausgestalteten Ersatzanspruch tritt der EuGH nicht entgegen. Aufgrund der unionsrechtlichen Vorgabe, dass die Sanktionen für Verstöße gegen die Vorschriften der VO 715/2007/EG wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen (EuGH C 100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 90 u 93), kann der Ersatz daher – jedenfalls in dem Fall, dass eine (geeignete) Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung durch Reparatur des Fahrzeugs nicht angeboten wird – in Form einer Erstattung des Kaufpreises gegen Übergabe des mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs (Zug-um-Zug-Abwicklung) verlangt werden (vgl auch RS0129706). Dies kommt der – auch nach § 1323 ABGB grundsätzlich vorrangigen – Naturalrestitution am nächsten, weil es die ungewollte Zusammensetzung des Vermögens unmittelbar beseitigt.

II.3.6. Die Behauptung der Zweitbeklagten, durch das von ihr entwickelte Software-Update wäre der vom Kläger als mangelhaft gerügte Zustand (und damit zugleich die ungewollte Zusammensetzung seines Vermögens) beseitigt worden, trifft nicht zu. Wie in der Entscheidung des Senats vom 21. Februar 2023 in der vorliegenden Rechtssache (10 Ob 2/23a [Rz 70 ff und 81]) ist auch hier als unstrittig zugrunde zu legen, dass die Abgasrückführung beim Fahrzeug des Klägers nach dem angebotenen Software-Update infolge des 'Thermofensters' nur zwischen vier und fünf Monaten des Jahres voll aktiv wäre. Eine solche Abschalteinrichtung, die den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, wäre nach der Rechtsprechung des EuGH gleichermaßen unzulässig (Urteile C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 65 f; C-145/20, Porsche Inter Auto und Volkswagen, Rn 73, 81 ua). Die von der Zweitbeklagten angebotene Maßnahme würde somit auch nicht zur Beseitigung der vorliegenden Unsicherheit hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeit und des ungewollten Zustands des Vermögens des Klägers (einem Fahrzeug, bei dem die zulassungsrechtlichen Vorschriften eingehalten werden) führen, sodass die Weigerung des Klägers, sie durchführen zu lassen, dem geltend gemachten Schadenersatzanspruch nicht entgegen gehalten werden kann.

II.3.7.1. Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne schädigendes Ereignis stünde, ist auch ein Vorteil des Geschädigten, der ohne die erfolgte Beschädigung nicht entstanden wäre, prinzipiell zugunsten des Schädigers zu buchen (RS0022834; RS0022726). Die schadenersatzrechtliche Vorteilsausgleichung ist nach der Rechtsprechung über Einwendung vorzunehmen, wenn Schaden und Vorteil im selben Tatsachenkomplex wurzeln, das schädigende Ereignis nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch einen Vorteil im Vermögen des Geschädigten verursachte und dieser – etwa bei Ersatz des gemeinen Werts – an der beschädigten Sache selbst entstand (RS0022824 [T2]).

II.3.7.2. Im Rahmen der Vorteilsanrechnung ist alles zu berücksichtigen, was der Geschädigte aus dem (ungewollten) Vertrag zu seinem Vorteil hat, also nicht bloß das (zurückzustellende) Fahrzeug selbst, sondern auch seine tatsächliche Nutzung (bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz). Die Rückstellung des Fahrzeugs hat im Rahmen des Zug-um-Zug-Begehrens zu erfolgen, sodass dieser Vorteil keiner besonderen Bewertung bedarf. Der in der Nutzung des Fahrzeugs liegende Vorteil ist nach den in der Entscheidung des Senats vom 21. Februar 2023 in der vorliegenden Rechtssache (10 Ob 2/23a [Rz 92 ff]) ausführlich dargelegten bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zu ermitteln, sodass darauf verwiesen werden kann.

II.3.7.3. Der Kläger muss sich somit ein – auf Basis einer zeitanteiligen linearen Wertminderung ausgemitteltes – Benützungsentgelt von 7.563,69 EUR im Rahmen des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen, wodurch die Ersatzpflicht der Zweitbeklagten unmittelbar vermindert wird (RS0022726; vgl auch RS0022788 [T4, T5]). Dieser Betrag ist daher vom an den Kläger zurückzustellenden Kaufpreis in Abzug zu bringen, sodass ihm gegen die Zweitbeklagte ein Schadenersatzanspruch von 19.326,31 EUR Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs zusteht.

II.3.7.4. Der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte eines Käufers eines Fahrzeugs lässt es nach dem EuGH unter dem Vorbehalt des Grundsatzes der Effektivität zu, eine ungerechtfertigte Bereicherung des Anspruchsberechtigten zu verhindern (EuGH C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 94). Da trotz Anrechnung des Nutzungsvorteils eine angemessene Entschädigung gewährleistet ist (EuGH C-100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 95) und der Erhalt eines angemessenen Schadenersatzes dadurch auch nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (EuGH C 100/21, QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 93), bestehen gegen einen so ermittelten Schadenersatzanspruch auch in unionsrechtlicher Hinsicht keine Bedenken.

II.3.7.5. Da die Nutzung des Fahrzeugs durch den Kläger bereits im Rahmen des Vorteilsausgleichs durch Abzug von der Klageforderung und nicht aufrechnungsweise in Form einer Gegenforderung zu berücksichtigen ist, besteht auch die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht.

II.3.7.6. Der Kläger begehrte die Zahlung zur ungeteilten Hand. Dass die Haftung der einzelnen Haftpflichtigen auf verschiedenen rechtlichen Grundlagen beruht, steht der Annahme einer ('unechten') Solidarhaftung nicht entgegen (RS0005730; RS0017315; vgl auch RS0017366; RS0107710). Die Beklagten haften somit nicht bloß anteilig, sondern der Anspruch des Klägers gegen die Zweitbeklagte tritt zur Gänze neben jenen gegenüber der Erstbeklagten, was im Spruch entsprechend zu verdeutlichen war.“

[44] B.3. Der erkennende Senat schließt sich diesen Erwägungen an, die auch der im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Konstellation entsprechen. Dass hier eine Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung mittels Software Update fehlschlug, eine andere geeignete Maßnahme aber nicht angeboten wurde, führt zu keiner anderen Beurteilung.

[45] B.4. Die Klägerin kann daher von der Zweitbeklagten Ersatz in Form einer Erstattung des Kaufpreises gegen Übergabe des mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs (Zug-um-Zug-Abwicklung) verlangen. Auch hier ist die Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin bereits im Rahmen des Vorteilsausgleichs durch Abzug von der Klageforderung und nicht aufrechnungsweise in Form einer Gegenforderung zu berücksichtigen, sodass die eingewendete Gegenforderung der Zweitbeklagten nicht zu Recht besteht.

[46] B.5. Die Klägerin muss sich somit ein – auf Basis einer zeitanteiligen linearen Wertminderung ausgemitteltes – Benützungsentgelt von 4.710,25 EUR im Rahmen des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen (dazu Punkt A.5.6), wodurch die Ersatzpflicht der Zweitbeklagten unmittelbar vermindert wird. Dieser Betrag ist daher vom an die Klägerin zurückzustellenden Kaufpreis in Abzug zu bringen, sodass ihr gegen die Zweitbeklagte ein Schadenersatzanspruch von 23.664,75 EUR Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs zusteht.

[47] B.6. Ein Anspruch auf Schadenersatz wird erst mit der zahlenmäßig bestimmten Geltendmachung durch Mahnung, Klage oder Klageerweiterung fällig, sodass Verzugszinsen auch erst ab diesem Zeitpunkt mit Erfolg gefordert werden können. Da es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, ist der Zugang der Mahnung, im Fall der Klage also deren Zustellung maßgeblich. Nach dem Akteninhalt wurde die Klage der Zweitbeklagten am 4. 1. 2018 zugestellt, sodass der Zinsenlauf mit diesem Tag anzusetzen und das Zinsenmehrbegehren abzuweisen ist (vgl 10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 [Endurteil; Rz 44]) .

[48] B.7. Da sich das gegen die Zweitbeklagte erhobene Klagebegehren bereits aus diesem Grund als berechtigt erweist, muss auf die übrigen Rechtsgründe, auf die die Klägerin ihren Anspruch stützte, nicht mehr eingegangen werden. Auch auf die in der Berufung bekämpften Feststellungen kommt es nicht entscheidend an.

[49] C. Die Revision der Klägerin hat daher Erfolg, jene der Beklagten bleibt erfolglos. Das Klagebegehren besteht im dargelegten Ausmaß zu Recht, sodass die Entscheidung des Berufungsgerichts (wie im Spruch ersichtlich) abzuändern war.

D. Kostenentscheidung:

[50] D.1. Die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 43 Abs 1 1. Fall ZPO. Die Klägerin ist lediglich geringfügig unterlegen. Aufgrund der zutreffenden Einwendungen der Beklagten war die Kostennote der Klägerin um die Schriftsätze vom 28. 9. 2018 und 8. 8. 2019 zu kürzen. Die Anregung auf Unterbrechung, der das Erstgericht nicht Folge leistete, war ebenso wenig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig wie der Schriftsatz ON 31. Der dort enthaltene Hinweis auf ein Eingeständnis der Zweitbeklagten vor deutschen Strafbehörden und auf die Beweislast hätten im Rahmen der nächstfolgenden Tagsatzung erfolgen können.

[51] D.2. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO. Die Bemessungsgrundlage für die Revision der Klägerin betrug lediglich 3.289 EUR. Im Unterbrechungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs vom 8. 1. 2021, AZ 6 Ob 249/20s, wurde ausgesprochen, dass die Fortsetzung des Verfahrens nach Einlangen der Vorabentscheidung von Amts wegen erfolgen wird. Der Antrag der Klägerin auf Fortsetzung des Verfahrens war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

Rechtssätze
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