JudikaturJustiz6Ob140/20m

6Ob140/20m – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei d***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Dyck, Dr. Christine Monticelli, Dr. Xavier Dyck, Rechtsanwälte in Salzburg, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei, d*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Saxinger, Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. Mai 2020, GZ 6 R 20/20h-64, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. November 2019, GZ 9 Cg 36/18x-57, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es folgendermaßen zu lauten hat:

„1. Der in der außerordentlichen Generalversammlung der beklagten Partei vom 12. 4. 2018 zu Punkt 2. der Tagesordnung gemäß der Niederschrift über diese außerordentliche Generalversammlung gefasste Beschluss der Gesellschafter mit dem Wortlaut: 'Herr Univ.-Prof. Dr. M***** A*****, geboren am *****, wird in den Aufsichtsrat der Gesellschaft gewählt.' wird für nichtig erklärt.

2. Der in der außerordentlichen Generalversammlung der beklagten Partei vom 12. 4. 2018 zu Punkt 3. der Tagesordnung gemäß der Niederschrift über diese außerordentliche Generalversammlung gefasste Beschluss der Gesellschafter mit dem Wortlaut: 'Herr Dipl.-Kfm. M********** D*****, geboren am *****, wird in den Aufsichtsrat der Gesellschaft gewählt.' wird für nichtig erklärt.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 70.305,33 EUR (darin 1.461,10 EUR Barauslagen und 11.474,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

Die Nebenintervenientin hat ihre Kosten des Verfahrens erster Instanz selbst zu tragen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 5.855,52 EUR (darin 2.360,60 EUR Barauslagen und 582,49 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 5.664,42 EUR (darin 3.147,10 EUR Barauslagen und 419,55 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Nebenintervenientin hat ihre Kosten der Verfahren zweiter und dritter Instanz selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die beklagte Partei ist eine im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ihre Gesellschafter sind die klagende Partei, eine Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht, mit einer Beteiligung von ca 32 % und die Nebenintervenientin auf Seite der Beklagten, eine im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, mit einer Beteiligung von ca 68 %.

[2] Die Klägerin ist Teil des im Lebensmittelhandel tätigen S*****-Konzerns (im Folgenden „S“ bzw „S-Konzern“) .

[3] Dr. G***** D***** ist Vorstandsmitglied zweier dem S-Konzern angehöriger Gesellschaften und Verwaltungsrat der Klägerin.

[4] Die Nebenintervenientin gehört dem d*****-Konzern (im Folgenden „d“ bzw „d-Konzern“) an, dessen Gründer Prof. G***** W***** ist. Dieser war bis 23. 5. 2019 Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten.

[5] In Anlehnung an das Konzept der in Deutschland schon bestehenden d***** Drogeriemärkte führte die d Deutschland im Jahr 1976 das Geschäftsmodell von Drogerieselbstbedienungsmärkten in Österreich ein.

[6] Am Anfang der 1980er Jahre kamen die Geschäftsführer von d unter der Führung von Prof. G***** W***** und von S, L***** D***** und Dr. F***** P*****, überein, durch ein gemeinsames unternehmerisches Projekt die d Drogeriemärkte in Österreich zu vermehren. S hatte aufgrund einer entsprechenden Beteiligung die Möglichkeit, die Märkte einer Drogeriekette in Österreich zu übernehmen. Der Plan sah vor, dass ein Unternehmen des S-Konzerns diese Drogeriemärkte in Österreich übernehmen und an die Beklagte verkaufen sowie im Gegenzug dafür einen Geschäftsanteil an der Beklagten übernehmen sollte. Die Beklagte konnte auf diese Weise ihr Filialnetz in Österreich deutlich vergrößern und zugleich ihre damalige Hauptkonkurrentin auf dem österreichischen Markt, nämlich die zu übernehmenden Drogeriemärkte, verdrängen.

[7] Am 21. 8. 1981 unterzeichneten die Vertreter des S-Konzerns sowie diejenigen des d-Konzerns eine Grundsatzvereinbarung, wonach eine GmbH errichtet werden sollte , an der d mit 68 % und S mit 32 % beteiligt sein sollte. Die GmbH sollte einen Aufsichtsrat mit vier Kapitalvertretern haben, wovon zwei von d und einer von S entsendet werden sollten; der vierte sollte gemeinsam bestellt werden.

[8] Die in der Grundsatzvereinbarung aufgelisteten Schritte wurden in der Folge im Wesentlichen dergestalt umgesetzt, dass die S*****-Aktiengesellschaft sich im Jahr 1981 durch ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft P**********gesellschaft m.b.H. ( im Folgenden : P*****) an der Beklagten mit einem Geschäftsanteil von 32 % beteiligte. Die Nebenintervenientin war bereits Gesellschafterin der Beklagten und hielt in der Folge einen Geschäftsanteil von 68 %. Die Regelungen über die Beschickung des Aufsichtsrats wurden im Gesellschaftsvertrag und in einem ebenfalls 1981 zwischen den Gesellschafterinnen unter Beitritt dreier Vertreter des d-Konzerns persönlich sowie der S*****-Aktiengesellschaft abgeschlossenen Syndikatsvertrag festgeschrieben.

[9] Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten in der Neufassung vom 9. 9. 1981 lautet auszugsweise wie folgt:

[...]

§ 7 Geschäftsführer

[...]

4) Zur Durchführung von Einzelinvestitionen, die den Betrag von 6.000.000,-- S (sechs Millionen Schilling) übersteigen, bedürfen die Geschäftsführer der Zustimmung des Aufsichtsrates.

§ 8 Aufsichtsrat

1) Der Aufsichtsrat besteht aus mindestens drei, höchstens vier Mitgliedern, welche von der Gesellschaft bestellt werden.

2) Sie werden, sofern keine abweichenden gesetzlichen Bestimmungen bestehen, längstens für vier Jahre gewählt. Die Funktionsperiode endet mit der Beschlussfassung über die Entlastung für das vierte auf die Bestellung folgende Geschäftsjahr nach der Wahl. Wiederholte Bestellung als Aufsichtsratsmitglied ist zulässig.

3) Der Gesellschafter [Nebenintervenientin] ist berechtigt, zwei Mitglieder des Aufsichtsrates zu entsenden, der Gesellschafter P*****gesellschaft m.b.H. ist berechtigt, ein Mitglied des Aufsichtsrates zu entsenden. Das weitere Aufsichtsratsmitglied wird von der Generalversammlung gewählt.

4) Der Aufsichtsrat kann sich seine Geschäftsordnung selbst geben.

[…]

7) Der Aufsichtsrat ist beschlussfähig, wenn drei gem. § 8 Abs 3.) bestellten Mitglieder, davon der Vorsitzende oder sein Stellvertreter anwesend sind. Der Vorsitzende, im Falle seiner Verhinderung sein Stellvertreter, leitet die Sitzung. Die Art der Abstimmung bestimmt der Leiter der Sitzung.

8) Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Im Falle der Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Leiters der Sitzung.

Für die Genehmigung zustimmungspflichtiger Geschäfte bedarf es überdies der Zustimmung der Aufsichtsratsmitglieder, welche von den Gesellschaftern entsandt wurden.

[...]

[10] Es kann nicht festgestellt werden, dass im Zeitpunkt der Neufassung dieses Gesellschaftsvertrags zwischen den beiden Gesellschafterinnen der Beklagten klar war , dass das in § 8 Abs 3 enthaltene Entsendungsrecht der P***** für den Fall einer Anteilsübertragung durch diese an eine andere Gesellschaft de s S-Konzerns der den Anteil übernehmenden Gesellschaft zustehen sollte.

[11] Der Syndikatsvertrag lautet auszugsweise folgendermaßen:

„§ 1

Die Syndikatspartner verpflichten sich über das in der Generalversammlung der [Beklagte] von den Kapitaleignern zu wählende Aufsichtsratsmitglied Einvernehmen herzustellen und dem gemeinsam erstellten Wahlvorschlag in der Generalversammlung die Zustimmung zu erteilen.

Die Syndikatspartner verpflichten sich weiters, auf die von ihnen entsandten und gewählten Aufsichtsratsmitglieder einzuwirken, dass diese den Vorsitzenden und den Stellvertreter des Aufsichtsrates so wählen, dass jede dieser Funktionen von einem Aufsichtsratsmitglied ausgeübt wird, welches von jeweils einem der Syndikatspartner nominiert wird.

§ 2

Die Syndikatspartner verpflichten sich, sich wechselseitig von einer Übertragung bzw. vertragsgemäßen Verpfändung oder sonstigen Verfügung oder Belastung ihres Geschäftsanteiles rechtzeitig zu informieren.

[...]

§ 5

Die Syndikatspartner verpflichten sich, die mit diesem Syndikatsvertrag eingegangenen Verpflichtungen auch an ihre jeweiligen Rechtsnachfolger zu überbinden.

§ 6

Verstöße gegen die gegenständliche Vereinbarung bilden zwischen den Vertragspartnern einen klagbaren Anspruch.

§ 7

Dieser Syndikatsvertrag wird grundsätzlich auf die Dauer des Bestehens der [Beklagten] abgeschlossen. Beide Partner verzichten unwiderruflich auf die Ausübung des Kündigungsrechtes auf 10 Jahre, d.h. bis zum 30. 9. 1992. Wird der Syndikatsvertrag zu diesem Termin nicht aufgekündigt, so verlängert er sich jeweils um 5 Jahre. Die jeweilige Aufkündigung ist gültig, wenn sie unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr dem anderen Partner mittels eingeschriebenem Brief mitgeteilt wird.

[...]

[12] In der ersten Generalversammlung der Beklagten am 22. 1. 1982 machten beide Gesellschafterinnen unter Bezugnahme auf § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags von ihrem Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat Gebrauch. Die P***** entsandte ein, die Nebenintervenientin entsandte zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat. Beide Gesellschafterinnen wählten sodann als viertes von den Kapitaleignern zu wählendes Aufsichtsratsmitglied stimmeneinhellig den anwesenden Univ.-Prof. DDr. W***** J*****. In diesem ersten Generalversammlungsprotokoll wird sprachlich zwischen der Entsendung (betreffend die entsandten Mitglieder ) und der Wahl des vierten Aufsichtsratsmitglieds differenziert.

[13] Im Protokoll über die Generalversammlung der Beklagten vom 18. 12. 2001 wurde unter Punkt 5 „Entsendung in den Aufsichtsrat“ festgehalten:

„Herr Präsident KR L***** D***** erklärt, dass er sein Aufsichtsratsmandat mit Ablauf dieser Generalversammlung zurücklegt. Der Gesellschafter „P*****gesellschaft mbH“ erklärt gemäß § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages Herrn Dr. G***** D***** in den Aufsichtsrat zu entsenden. Herr Dr. G***** D***** erklärt, diese Funktion anzunehmen…“

[14] Im Protokoll der Generalversammlung der Beklagten vom 18. 12. 2003 ist zum fünften Tagesordnungspunkt festgehalten:

„Der Vorsitzende stellt fest, dass von dem Gesellschafter P*****gesellschaft mbH weiters Herr Dr. G***** D***** (...) und von der [Nebenintervenientin] weiters Herr G***** L***** (...) und Herr G***** W***** (...) in den Aufsichtsrat entsandt werden. Als viertes Aufsichtsratsmitglied wird von Herrn Dr. G***** D*****, Herr Prof. DDr. W***** J***** (...) zur Wahl vorgeschlagen. Die Wahl erfolgt stimmeneinhellig.

[…]

[15] Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten wurde in der Generalversammlung vom 10. 3. 2004 in § 7 Abs 4 dahin geändert, dass die Höhe der Einzelinvestitionen, für die die Geschäftsführer der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen, auf 1 Million EUR angehoben wurde.

[16] Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sah zu keinem Zeitpunkt vor, dass eine Gesellschafterin ihren Geschäftsanteil nur mit Zustimmung der jeweils anderen an einen Dritten übertragen könnte.

[17] Mit Spaltungs- und Übernahmsvertrag vom 27. 5. 2004 wurde der Geschäftsanteil der P***** a n die B*****gesellschaft m.b.H. (im Folgenden: B*****) übertragen. Mit Sacheinlage-, Übertragungs- und Abtretungsvertrag vom 27. 10. 2004 wurde im Zuge einer konzerninternen Umstrukturierung des S-Konzerns d er Geschäftsanteil der B***** an die Klägerin übertragen .

[18] Dr. G***** D***** hatte schon 2003 vor Durchführung dieser Umstrukturierungen mündlich Prof. G***** W***** davon verständigt.

[19] Nach den durchgeführten Umstrukturierungen 2004 verständigte die Klägerin davon auch die Beklagte, nicht jedoch d ie Nebenintervenientin.

[20] Es ist nicht feststellbar, dass die Nebenintervenientin dieser konzerninternen Anteilsübertragung vor Durchführung derselben zugestimmt hätte.

[21] Es kann nicht festgestellt werden, dass die Nebenintervenientin im Jahr 2004 im Zuge der Umstrukturierung im S-Konzern zu einer Abänderung des Gesellschaftsvertrags der Beklagten dergestalt bereit gewesen wäre, dass in § 8 Abs 3 anstatt der P***** die Klägerin als Entsendungsberechtigte aufscheint.

[22] Im Protokoll der Generalversammlung der Beklagten vom 13. 12. 2007 ist zum sechsten Tagesordnungspunkt („Neuwahl des Aufsichtsrates“) festgehalten:

„Der Vorsitzende stellt fest, dass von dem Gesellschafter [Klägerin] weiters Herr Dr. G***** D***** (...) und von der [Nebenintervenientin] weiters Herr G***** L***** (...) und Herr G***** W***** (...) in den Aufsichtsrat entsandt werden.

Als viertes Aufsichtsratsmitglied wird von Herrn Dr. G***** D*****, Herr Prof. DDr. W***** J***** (...) zur Wahl vorgeschlagen. Die Wahl erfolgt stimmeneinhellig.“

[23] Das Protokoll ist von Prof. G***** W***** unterfertigt.

[24] Die Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten (sowohl Kapital- als auch Arbeitnehmervertreter) beschlossen in der Aufsichtsratssitzung am 13. 12. 2007 eine Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat. Diese sieht vor:

„…

§ 1 Zusammensetzung des Aufsichtsrats

1. Der Aufsichtsrat besteht derzeit aus vier Mitgliedern, welche von der Gesellschaft bestellt sind.

2. Der Gesellschafter '[Nebenintervenientin]' entsendet zwei Mitglieder des Aufsichtsrats, der Gesellschafter '[Klägerin]' entsendet ein Mitglied des Aufsichtsrats. Das weitere Aufsichtsratsmitglied wird von der Generalversammlung gewählt.

3. Die Aufsichtsratsmitglieder werden auf längstens vier Jahre bestellt (…)“

[25] Am 14./19. 12. 2011 fassten die G esellschafter der Beklagten gemäß § 34 GmbHG folgenden Umlaufbeschluss:

„5. Neuwahl des Aufsichtsrates

Es wird der Beschluss gefasst, dass von dem Gesellschafter [Klägerin] weiters Herr Dr. G***** D***** (...) und von der [Nebenintervenientin] weiters Herr Prof. G***** W***** (…) sowie Herr KR G***** B***** (...) in den Aufsichtsrat für eine Funktionsperiode entsandt werden.

Es wird aufgrund des Vorschlags von Herrn Dr. G***** D***** der Beschluss gefasst, Herrn Univ. Prof. em DDr. W***** J***** (...) als 4. Aufsichtsratsmitglied für eine Funktionsperiode in den Aufsichtsrat zu wählen.“

[26] Am 16./21. 12. 2015 fassten die Gesellschafter der Beklagten abermals einen mit Punkt 5. des Beschlusses vom 14./19. 12. 2011 wortgleichen Umlaufbeschluss gemäß § 34 GmbHG.

[27] In der Präsentationsunterlage vom 16. 12. 2015 für die 121. Aufsichtsratssitzung der Beklagten war eine von der Beklagten erstellte Übersicht unter der Überschrift „Wiederbestellung Aufsichtsräte“ enthalten, in der die vier Aufsichtsratsmitglieder namentlich jeweils mit den Vermerken „Wiederbestellung 16. 12. 2015“ und „Dauer: 4 Jahre“ angeführt waren.

[28] Ab dem Jahr 2017 ergaben sich Meinungsverschiedenheiten zwischen Dr. D***** und den Geschäftsführern der Beklagten bzw der Nebenintervenientin über die von der Nebenintervenientin angestrebte und von Dr. D***** als Vertreter des S*****-Konzerns abgelehnte Implementierung eines bestimmten Kundenbindungsprogramms bei der Beklagten. Die weitere Entwicklung im Zusammenhang mit dem Kundenbindungsprogramm ist Gegenstand des Verfahrens 6 Ob 155/20t.

[29] Mit Datum 14. 11. 2017 erstattete Univ. Prof. Dr. M***** A***** über Auftrag der Nebenintervenientin ein Rechtsgutachten, nach dem für den Vertragsabschluss mit der Betreiberin des Kundenbindungsprogramms keine Zustimmung des Aufsichtsrats gemäß § 7 Abs 4 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten erforderlich sei.

[30] In der Generalversammlung der Beklagten am 21. 11. 2017 wurde Dr. D***** als Aufsichtsratsmitglied der beklagten Partei mit den Stimmen der Nebenintervenientin als Mehrheitsgesellschafterin und gegen die Stimmen der klagenden Minderheitsgesellschafterin abberufen. Dieser Generalversammlungsbeschluss wurde von der klagenden Partei (neben weiteren Streitpunkten) in dem zu AZ 8 Cg 88/17k des Landesgerichts Salzburg (6 Ob 155/20t) geführten Verfahren angefochten.

[31] Am 10. 1. 2018 kündigte die Nebenintervenientin gegenüber der Klägerin für den Fall, dass wider ihrem Erwarten ein Syndikatsvertrag zwischen der Nebenintervenientin und der klagenden Partei bestehe, diesen „höchstvorsorglich aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung auf“ . Sie führte darin aus, nach den ihr vorliegenden Informationen habe zwischen der Nebenintervenientin und der Klägerin als Gesellschaftern der Beklagten zu keinem Zeitpunkt ein Syndikatsvertrag bestanden. Hilfsweise erkläre die Nebenintervenientin die Kündigung zum nächstmöglichen Kündigungstermin.

[32] Am 11. 1. 2018 legte Univ. Prof. Dr. M***** A***** ein weiteres Rechtsgutachten im Auftrag der Nebenintervenientin vor, in dem er zum Ergebnis gelangte, dass § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags der P***** ein höchstpersönliches Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat gewährt habe, das nicht auf die B***** und daher auch nicht auf die Klägerin übergegangen, sondern mit dem Verlust der Gesellschafterstellung der P***** im Jahr 2004 erloschen sei.

[33] Am 12. 3. 2018 verstarb das Mitglied im Aufsichtsrat der Beklagten Univ. Prof. DDr. W***** J*****.

[34] Am 22. 3. 2018 forderte die Nebenintervenientin die Beklagte zur Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung auf, da die gesellschaftsvertragliche und gesetzliche Mindestanzahl von drei Kapitalvertretern im Aufsichtsrat nicht erreicht werde und der Aufsichtsrat daher nicht beschlussfähig sei. Weiters führte die Nebenintervenientin aus:

„Da die [Nebenintervenientin] unter Ausübung ihres gesellschaftsvertraglichen Entsendungsrechtes bereits zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat der Gesellschaft entsandt hat und das Entsendungsrecht der P***** […] untergegangen ist, sind die weiteren Aufsichtsratsmitglieder von der Generalversammlung zu wählen.“

[35] Die Nebenintervenientin regte die Wahl von Univ. Prof. Dr. M***** A***** und DKfm M***** D***** zu Aufsichtsräten an.

[36] Letzterer ist Geschäftsführer der Nebenintervenientin und Geschäftsführer sämtlicher Unternehmen des deutschen Teilkonzerns d*****. Überdies ist er Vorstand eines Vereins mit Sitz in Deutschland, in dem jene Unternehmen zusammengeschlossen sind, die in Deutschland am strittigen Kundenbindungsprogramm teilnehmen.

[37] Die Geschäftsführung der Beklagten berief mit Einschreiben vom 22. 3. 2018 eine außerordentliche Generalversammlung für den 12. 4. 2018 mit den Tagesordnungspunkten der Wahl von Univ. Prof. Dr. M***** A***** und DKfm M***** D***** in den Aufsichtsrat ein.

[38] Ein von der Klägerin am 5. 4. 2018 im Verfahren ***** des Landesgerichts ***** gestellter Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit der (hier) Nebenintervenientin verboten werden sollte, in der Generalversammlung mehr als ein Aufsichtsratsmitglied zu wählen und hinsichtlich dieses einen Mitglieds ohne Einvernehmen mit der klagenden Partei vorzugehen, wurde vor der Generalversammlung am 12. 4. 2018 nicht erledigt. Der in der Folge gegen die Antragsabweisung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin wurde zu 6 Ob 194/18z zurückgewiesen.

[39] Der Versuch der Gesellschafterinnen, am 12. 4. 2018 vor dem Beginn der Generalversammlung eine Einigung über ein Aufsichtsratsmitglied herzustellen, scheiterte.

[40] In der Generalversammlung am 12. 4. 2018 wurden zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3 Univ. Prof. Dr. M***** A***** und DKfm M***** D***** mit den Stimmen der Nebenintervenientin und gegen die Stimmen der Klägerin in den Aufsichtsrat der Beklagten gewählt. Der Vorsitzende der Generalversammlung hielt jeweils fest, dass der Antrag mit einfacher Mehrheit angenommen sei; die Klägerin erklärte jeweils Widerspruch zu Protokoll. Beide Gewählten erklärten, die Wahl anzunehmen.

[41] Vor seiner Wahl beantwortete DKfm M***** D***** die Frage des Rechtsvertreters der Klägerin , auf welche Stelle er in den Aufsichtsrat gewählt werden solle, nämlich jene, hinsichtlich derer der Klägerin ein Entsendungsrecht zustehe, oder jene, hinsichtlich derer die Gesellschafterinnen eine einvernehmliche Wahl zu treffen hätten, d ies nicht zu wissen.

[42] Mit Urteil vom 18. 2. 2021 hat der Senat zu 6 Ob 155/20t dem Eventualbegehren der (auch hier) Klägerin stattgegeben und den Beschluss, mit dem Dr. G***** D***** als Mitglied des Aufsichtsrats abberufen wurde, für nichtig erklärt.

[43] Die Klägerin stellte die aus dem Spruch ersichtlichen Begehren. Sie brachte vor, die Wahlbeschlüsse seien aus mehreren Gründen anfechtbar. Einerseits schlage die Rechtsmissbräuchlichkeit der Abberufung von Dr. D***** am 21. 11. 2017 auf die hier angefochtenen Beschlüsse durch. Andererseits habe die Nebenintervenientin gegen die im Syndikatsvertrag präzisierte Treuepflicht der Gesellschafter verstoßen, indem sie der Klägerin die Möglichkeit genommen habe, einen Einfluss auf die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds auszuüben. Sie habe damit insgesamt die durch den Gesellschafts- und den Syndikatsvertrag umgesetzte Annäherung der Rechtsstellung der Klägerin an jene einer 50 %-Gesellschafterin missachtet und besetze alle vier Kapitalvertreter im Aufsichtsrat. Es lägen ein Stimmrechtsmissbrauch und eine schikanöse Rechtsausübung wegen der Abkehr von einer lange dauernden Übung der Gesellschafter vor, weil ein Entsendungsrecht der Klägerin jahrelang akzeptiert und erst aus Anlass von Meinungsverschiedenheiten zum Kundenbindungsprogramm bestritten worden sei. Die Wahl eines vierten Aufsichtsratsmitglieds sei zudem eine interesselose Rechtsausübung, weil die Nebenintervenientin den Aufsichtsrat bis zur Höchstzahl beschickt habe, um eine Entsendung durch die Klägerin auch für den Fall des Obsiegens der Klägerin im Verfahren ***** des Landesgerichts *****, in dem die Klägerin die formelle Etablierung ihres Entsendungsrechts im Gesellschaftsvertrag anstrebe, zu vereiteln. Schließlich sei die im vorliegenden Verfahren angefochtene Wahl von Univ. Prof. Dr. M***** A***** in besonderem Maß treuwidrig, weil dieser für die Nebenintervenientin Rechtsgutachten in jenem Verfahren erstattet habe, in dem die Klägerin die Abberufung von Dr. D***** aus den Aufsichtsrat bekämpfe.

[44] Die Beklagte beantragte die Klageabweisung. Sie brachte vor, das Entsendungsrecht der P***** sei erloschen und stehe der Klägerin nicht zu. Das eingeholte Rechtsgutachten von Univ. Prof. Dr. M***** A***** habe der Rechtssicherheit für die Beklagte gedient; die gewählten Aufsichtsratsmitglieder seien für die Funktion geeignet.

[45] Die Nebenintervenientin bestritt das Klagebegehren. Sie brachte vor, Dr. D***** lehne die Teilnahme am Kundenbindungsprogramm allein im Interesse des S*****-Konzerns, unter Außerachtlassung der Interessen der Beklagten ab. Seine Abberufung als Aufsichtsrat sei nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt, sondern sei wegen des Untergangs des Entsendungsrechts der P***** rechtmäßig. Auch der Syndikatsvertrag sei nicht auf die Klägerin übergegangen und sei vorsichtshalber aus wichtigem Grund gekündigt worden. Es habe keine Zustimmung der Nebenintervenientin zur Übertragung des Vertragsverhältnisses vorgelegen. Die vorgelegten Protokolle könnten nicht zu einem Wiederaufleben des Entsendungsrechts führen. Die „Grundsatzvereinbarung“ schlage nicht durch, weil sie auf eine Tochter der S***************-Aktiengesellschaft und nicht auf irgendeine Gesellschaft des S*****-Konzerns abgestellt habe und die Klägerin keine solche Tochtergesellschaft sei.

[46] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte rechtlich aus, das Entsendungsrecht sei der P***** und nicht dem jeweiligen Inhaber des Geschäftsanteils zugekommen. Da Dr. D***** unbefristet entsendet worden sei und das Entsendungsrecht der P***** weggefallen sei, habe er mit Mehrheitsbeschluss abberufen werden können. Auch den angefochtenen Beschlüssen könne daher das Entsendungsrecht nicht entgegen stehen. Der Syndikatsvertrag habe kein Entsendungsrecht eingeräumt, weshalb es weder auf den behaupteten Vertragsübergang noch auf die behauptete Kündigung ankomme. Die beiden neu gewählten Aufsichtsratsmitglieder seien nicht befangen. Das Stimmverhalten der Nebenintervenientin verstoße auch nicht gegen die guten Sitten oder gegen ihr eigenes früheres Verhalten.

[47] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die Revision nicht zu, weil zu den relevanten Grundsatzfragen höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe und hier die Umstände des Einzelfalls ausschlaggebend seien.

[48] Rechtlich führte es zunächst aus, das ursprünglich der P***** eingeräumte Entsendungsrecht stehe der Klägerin nicht zu.

[49] Folge man der Rechtsansicht der Klägerin, dass die P***** im Gesellschaftsvertrag als „Statthalterin“ des jeweiligen Inhabers des Geschäftsanteils zu verstehen sei, verlange die Übertragung des Entsendungsrechts nach § 30c AktG die Vinkulierung des Geschäftsanteils, die nicht vorliege. Selbst wenn das Entsendungsrecht im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die B***** übergegangen wäre, wäre es bei der Übertragung des Geschäftsanteils durch Einzelrechtsnachfolge auf die Klägerin untergegangen. Allerdings sei in der Neufassung des Gesellschaftsvertrags vom 10. 3. 2004 ohnehin ein höchstpersönliches Entsendungsrecht der P***** eingeräumt. Dieses sei mangels gesellschaftsvertraglicher Vorsorge für seinen Übergang bereits mit der Abspaltung und Übertragung des Geschäftsanteils auf die B***** untergegangen.

[50] Aufgrund des Wegfalls des Entsendungsrechts sei das Aufsichtsratsmitglied wieder nach § 30b AktG zu wählen. Die Rechtsansicht der Klägerin, dass stets nur ein Aufsichtsratsmitglied zu wählen, die übrigen drei zu entsenden seien, treffe nicht zu.

[51] Da das GmbHG für entsandte Aufsichtsratsmitglieder keine Beschränkung der Funktionsperiode vorsehe, sei Dr. D***** bis zu seiner Abberufung am 21. 11. 2017 das von der P***** entsandte Aufsichtsratsmitglied gewesen. Die späteren Protokollierungen, er sei von der Klägerin entsandt, widersprächen dem Gesetz und dem Gesellschaftsvertrag und schafften daher keinen Vertrauenstatbestand, dass die Nebenintervenientin mit einer Entsendung durch die Klägerin einverstanden sei. Die Nebenintervenientin habe daher durch die Abberufung von Dr. D***** nicht im Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten, die Entsendung zu akzeptieren, gehandelt.

[52] Eine Stellungnahme dazu, ob ein Verstoß gegen einen omnilateraten Syndikatsvertrag einen Beschluss anfechtbar mache, könne unterbleiben, weil der Syndikatsvertrag nicht omnilateral sei, seien diesem doch auch natürliche Personen beigetreten und sei die Klägerin nicht Vertragspartei (sondern die P*****). Selbst wenn der Syndikatsvertrag auf die B***** übergegangen wäre, hätte keine Übertragung auf die Klägerin stattgefunden, weil der Syndikatsvertrag im Sacheinlage-, Übertragungs- und Abtretungsvertrag nicht genannt sei. Daher komme es auch nicht darauf an, ob der Syndikatsvertrag durch außerordentliche oder ordentliche Kündigung aufgelöst worden sei. Die Grundsatzvereinbarung des Jahres 1981 könne nicht auf die Gesellschafterbeschlüsse durchschlagen.

[53] Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im klagestattgebenden Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[54] Die Revisionswerberin bringt zusammengefasst vor, die Nebenintervenientin hätte bei beiden Beschlussfassungen ihre Treuepflichten verletzt. Einerseits hätte sie aufgrund des omnilateralen Syndikatvertrags, der auf die Klägerin übergegangen sei und mit dem die Treuepflichten der Gesellschafter konkretisiert würden, nur für ein vorab mit der Klägerin abgestimmtes Aufsichtsratsmitglied stimmen dürfen. Andererseits hätten die von der Nebenintervenientin seit dem Eintritt der Klägerin als Gesellschafterin gesetzten Verhaltensweisen geboten, ihr die Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds zu ermöglichen.

[55] Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen in den ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortungen, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[56] Die Revision ist wegen einer Fehlbeurteilung des Vorliegens einer zur Beschlussanfechtung berechtigenden Treuwidrigkeit durch das Berufungsgericht zulässig , sie ist auch berechtigt .

[57] Hierzu wurde erwogen:

[58] 1. Zur Treuwidrigkeit der Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds in Folge der Abberufung Dris. D*****:

[59] 1.1. Die Klägerin hat als Anfechtungsgrund unter anderem geltend gemacht, die Rechtsmissbräuchlichkeit der Abberufung Dris. D***** als Aufsichtsratsmitglied der Beklagten schlage auf zumindest einen der hier angefochtenen Generalversammlungsbeschlüsse durch; jedenfalls seien nicht zwei Aufsichtsratsmitglieder zu wählen gewesen, sondern der Klägerin hätte die Entsendung eines Mitglieds ermöglicht werden müssen.

[60] 1.2. Die Frage des Bestehens eines Entsendungsrechts der Klägerin sowie die Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Abberufung von Dr. D***** als Aufsichtsratsmitglied der Beklagten mit Beschluss vom 21. 11. 2017 sind Gegenstand des zwischen den selben Parteien geführten Verfahrens 6 Ob 155/20t. Dort wird unter anderem klargestellt, dass das ursprünglich der P***** eingeräumte Entsendungsrecht nach § 8 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten spätestens mit der Übertragung des Geschäftsanteils an die Klägerin am 27. 10. 2004 erloschen ist. Das auf Feststellung, dass das ursprünglich zugunsten der P***** bestehende Entsendungsrecht für ein Mitglied des Aufsichtsrats der Klägerin zustehe, gerichtete Klagebegehren wurde abgewiesen.

[61] Die Klägerin kann der Wahl zweier Aufsichtsratsmitglieder in der Generalversammlung am 21. 11. 2017 daher nicht entgegen halten, dass ihr hinsichtlich eines Aufsichtsratsmitglieds die Entsendung hätte ermöglicht werden müssen.

[62] 1.3. Die Klägerin ist aber zu 6 Ob 155/20t mit ihrem Begehren auf Nichtigerklärung des Beschlusses auf Abberufung von Dr. D***** als Aufsichtsratsmitglied der Beklagten mit Generalversammlungsbeschluss vom 21. 11. 2017 durchgedrungen, weil die Stimmabgabe der Nebenintervenientin als treuwidrig zu qualifizieren war. Hier ist zu beurteilen, ob die zu 6 Ob 155/20t ausgesprochene Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses auf jenen Beschluss durchschlägt, mit dem ein neues Aufsichtsratsmitglied als Ersatz des abberufenen Dr. D***** gewählt wurde. Auf die Frage, welcher der beiden oder ob gegebenenfalls beide Wahlbeschlüsse dadurch anfechtbar sind, wird später eingegangen.

[63] 1.4. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu den Rechtsfolgen der Nichtigkeit von Beschlüssen auf Folgebeschlüsse Stellung genommen, wenn zwischen den Beschlüssen ein Zusammenhang besteht. Demnach liegt Nichtigkeit eines späteren Beschlusses der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft vor, wenn dieser sachlich an den früheren anschließt und seinem Inhalt nach die Gültigkeit desselben voraussetzt, mag das ausdrücklich ausgesprochen sein oder sich nur aus dem Zusammenhang ergeben. In diesen Fällen hat die Nichtigerklärung des ersten Beschlusses auch die Nichtigkeit des zweiten zur Folge, da mit dem ersten Beschluss eine notwendige Voraussetzung für das Bestehen des zweiten fortfällt (RS0114612; 10 Ob 32/00d; Harrer , Fehlerhafte Willensbildung im Aktienrecht, wbl 2000, 60, 63; Zib , Die gestohlene AG, in FS Koppensteiner [2001] 277, 288 f; Koppensteiner/Rüffler , GmbHG³ § 41 Rz 12). Diese Rechtsfolge erfasst nicht nur Folgebeschlüsse, die durch die Nichtigkeit des vorangehenden Beschlusses „sachlich widersprüchlich“ oder perplex (also inhaltlich so ausgestaltet, dass sich durch Auslegung kein durchführbarer Sinn ermitteln lässt, vgl Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss , AktG² § 199 Rz 39) sind, wie etwa der Beschluss einer Erhöhung des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft von 2,1 Mio ATS auf 5,2 Mio ATS, wenn das Grundkapital wegen der Nichtigkeit des vorangegangenen Kapitalerhöhungsbeschlusses lediglich 1 Mio ATS betrug (10 Ob 32/00d). Die Nichtigkeit des Folgebeschlusses erfasst etwa auch die Erteilung der Zustimmung zum Geschäftsbericht des Aufsichtsrats, wenn bereits die Beschlüsse auf Wahl der Aufsichtsratsmitglieder nichtig waren. Hier leitete der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeit aus dem untrennbaren inneren Zusammenhang ab und stellte klar, dass davon auch „nicht perplexe“ Beschlüsse erfasst sein können (10 Ob 32/00d).

[64] Diese Grundsätze sind auch auf die Beschlüsse von Vereinsorganen anzuwenden, die an ungültige frühere Beschlüsse anschließen (4 Ob 109/15f).

[65] Sie gelten auch für das GmbH-Recht, namentlich für Fälle, in denen die Gesellschafterversammlung an einen früheren Beschluss anknüpfen wollte, der durch einen anderen Beschluss geändert oder modifiziert oder aufgrund einer erfolgreichen Beschlussanfechtung für nichtig erklärt wurde ( Harrer in Gruber/Harrer , GmbHG² §§ 41, 42 Rz 36).

[66] 1.5. Im Sinn dieser Ausführungen folgt aus der treuwidrigen Abberufung von Dr. D***** als Aufsichtsratsmitglied durch die Nebenintervenientin in der Generalversammlung vom 21. 11. 2017 (vgl 6 Ob 155/20t B.1.) die Treuwidrigkeit der Wahl eines anderen Aufsichtsratsmitglieds anstelle von Dr. D***** durch die Nebenintervenientin.

[67] 1.6. Daraus folgt, dass der Beschlussanfechtung der Klägerin jedenfalls hinsichtlich eines Wahlbeschlusses stattzugeben ist. Die Frage, welcher der beiden angefochtenen Beschlüsse aus den dargestellten Gründen für nichtig zu erklären ist, muss nicht erörtert werden, weil auch die Anfechtung des zweiten Wahlbeschlusses berechtigt ist.

[68] 2. Zur Treuwidrigkeit der Wahl eines weiteren Aufsichtsratsmitglieds ohne das Einvernehmen der Klägerin :

[69] 2.1. Die Klägerin stützt ihre Beschlussanfechtungsklage auch auf einen Verstoß gegen die Treuepflicht, der sich dadurch, dass die Nebenintervenientin die Verpflichtung gemäß § 1 des Syndikatsvertrags , über das zu wählende Aufsichtsratsmitglied das Einvernehmen herzustellen , missachtet habe. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, Partei des Syndikatsvertrags geworden zu sein.

[70] 2.2. Die Beurteilung des Übergangs der Vertragsposition aus dem Syndikatsvertrag auf die Klägerin ist Gegenstand des Verfahrens ***** des Landesgerichts *****. Dort begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Syndikatsvertrag zwischen ihr und der (hier) Nebenintervenientin (ungekündigt, hilfsweise bis zum 30. 9. 2022) aufrecht bestehe. Dieses Begehren wurde mit Urteil vom 29. 1. 2021 in erster Instanz abgewiesen; eine rechtskräftige Entscheidung liegt noch nicht vor. Im vorliegenden Verfahren ist die Frage, ob die Klägerin Partei des Syndikatsvertrags wurde, als Vorfrage auf Grundlage des hier festgestellten Sachverhalts selbständig zu beurteilen.

[71] Zum Übergang des Syndikatsvertrags von der P***** auf die B***** :

[72] 3.1. Gemäß § 14 Abs 2 SpaltG gehen die Vermögensteile der übertragenden Gesellschaft entsprechend der im Spaltungsplan vorgesehenen Zuordnung mit der Eintragung der Spaltung jeweils im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die neue(n) Gesellschaft(en) über. Das gleiche gilt gemäß § 17 Z 2 SpaltG bei der Spaltung zur Aufnahme ( Kalss , Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung 2 § 1 SpaltG Rz 7), wobei an die Stelle des Spaltungsplans der Spaltungs- und Übernahmsvertrag tritt (§ 17 Z 1 SpaltG). Das bedeutet ua, dass Verträge ohne Zustimmung des Vertragspartners übertragen werden ( Kalss , Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung 2 [2010] § 1 SpaltG Rz 7; vgl RS0112576 [T1]). Das gilt auch für Syndikatsverträge ( Koppensteiner/Rüffler , GmbHG³ § 39 Rz 21; Tichy , Syndikatsverträge bei Kapitalgesellschaften [2000] 196; Ulmer/Löbbe in Habersack/Casper/Löbbe , GmbHG³ [2019] § 3 Rz 118).

[73] 3.2. Nach dem (unstrittigen) Spaltungs- und Übernahmsvertrag vom 27. 5. 2004 gehen die von dem Vertrag erfassten Geschäftsanteile – darunter der Geschäftsanteil der P***** an der Beklagten – „einschließlich aller damit verbundenen Rechte und Pflichten sowie Rechts- und Vertragsverhältnisse, soweit sich diese auf die Geschäftsanteile beziehen“, über.

[74] 3.3. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der zwischen der P***** und der Nebenintervenientin im Jahr 1981 (unter Beitritt weiterer Personen) abgeschlossene Syndikatsvertrag als Vertragsverhältnis zu qualifizieren ist, das sich auf den Geschäftsanteil der P***** an der Beklagten im Sinn von Punkt 3 Z 1 des Spaltungs- und Übernahmsvertrags bezieht. Dies ergibt sich bereits aus der Bezeichnung des Syndikatsvertrags, der „zur Wahrung der gemeinsamen Interessen in der [Beklagten], an welcher die [Nebenintervenientin] zu 68 % und die P***** […] zu 32 % beteiligt sind“ dienen sollte. Dass der Syndikatsvertrag im Spaltungs- und Übernahmevertrag nicht gesondert angeführt ist, schadet nicht, weil es ausreicht, wenn das zu übertragende Vermögen bestimmbar ist ( Kalss , Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung² § 2 SpaltG Rz 59; RS0112576; 8 Ob 36/05k).

[75] Mit der Eintragung der Spaltung ins Firmenbuch wurde daher die B***** Vertragspartnerin des Syndikatsvertrags.

[76] Zum Übergang des Syndikatsvertrags von der B***** auf die Klägerin :

[77] 4.1. In der Folge kam es zur Übertragung des von der B***** gehaltenen Geschäftsanteils an der Beklagten auf die Klägerin durch den Sacheinlage-, Übertragungs- und Abtretungsvertrag vom 27. 10. 2004. Eine gesellschaftsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge fand daher nicht statt.

[78] Eine Übertragung der syndikatsvertraglichen Rechte und Pflichten konnte daher nur rechtsgeschäftlich im Weg einer – von der Klägerin behaupteten – Vertragsübernahme stattfinden ( Koppensteiner/Rüffler , GmbHG³ § 39 Rz 21; Frenzel / Gero , Die Absicherung syndikatsvertraglicher Überbindungspflichten durch Satzungsgestaltung bei der GmbH, GesRZ 2016, 260).

[79] 4.2. Die Vertragsübernahme erfordert die Übereinkunft aller Beteiligten, nämlich der verbleibenden, der ausscheidenden und der an ihre Stelle tretende Partei (RS0032607), wobei der im Schuldverhältnis verbleibende Geschäftspartner seine Zustimmung zur Vertragsübernahme auch im Voraus erklären kann (RS0108705). Nach allgemeinen Regeln kann auch die Zustimmung zur Vertragsübernahme eines Syndikatsvertrags konkludent erteilt werden ( Ulmer/Löbbe in Habersack/Casper/Löbbe , GmbHG³ § 3 Rz 118).

[80] 4.3. Im vorliegenden Fall sind die Geschäftsanteile an der Beklagten nicht vinkuliert; sie sind sohin ohne die jeweilige Zustimmung des Mitgesellschafters übertragbar. Die ursprünglichen Parteien des Syndikatsvertrags, die P***** und die Nebenintervenientin, trafen in den §§ 2 und 5 des Vertrags Vorsorge für einen Wechsel in der Person des Mitggesellschafters und das Schicksal des Syndikatsvertrags in einem solchen Fall. Nach § 2 haben einander die Syndikatspartner über eine Übertragung des Geschäftsanteils rechtzeitig zu informieren. Nach § 5 verpflichten sie sich, „die mit diesem Syndikatsvertrag eingegangenen Verpflichtungen auch an ihre jeweiligen Rechtsnachfolger zu überbinden“.

[81] 4.4. Mit dieser Bestimmung tragen die Syndikatspartner dafür Sorge, dass die ihnen durch den Syndikatsvertrag gewährten Rechte nicht dadurch verloren gehen, dass ein neu hinzutretender Gesellschafter die Übernahme des Syndikatsvertrags verweigert. In diesem Sinn verpflichtet § 5 den ausscheidenden Gesellschafter dazu, dem Neugesellschafter die Pflichten aus dem Syndikatsvertrag zu überbinden. Damit bewirkt der Syndikatsvertrag, dass im Hinblick auf die für eine Vertragsübernahme erforderliche Dreiparteien-Einigung zwei Parteien jedenfalls ihre Zustimmung erteilen, nämlich der ausscheidende Gesellschafter und sein Rechtsnachfolger. Dass nur die Übertragung der Pflichten und nicht auch der korrespondierenden Rechte ausdrücklich erwähnt ist, kann nur vor dem Hintergrund zu verstehen sein, dass die Übertragung der Rechte auf den neu hinzukommenden Gesellschafter und Syndikatspartner eben der Mitwirkung des verbleibenden Gesellschafters bedarf.

[82] Eine ausdrückliche Erklärung der Gesellschafter, der Übernahme des Syndikatsvertrags durch einen neu hinzutretenden Gesellschafter bereits vorweg zuzustimmen, findet sich im Vertrag nicht. Daraus, dass die Übernahme des Syndikatsvertrags im Fall eines Gesellschafterwechsels aber nicht einfach ungeregelt (und damit in der vollen Disposition der Beteiligten) bleibt, sondern für das Vorliegen von zwei Zustimmungserklärungen vorgesorgt ist, lässt sich aber die klare Absicht der Vertragsparteien entnehmen, grundsätzlich einen Übergang des Syndikatsvertrags auf einen neu hinzukommenden Gesellschafter anstreben.

[83] Daraus ist weiters abzuleiten, dass in Fällen wie dem hier vorliegenden, in denen im Zusammenhang mit einem Gesellschafterwechsel keine ausdrückliche Übernahme des Syndikatsvertrags stattfindet, bei der Beurteilung, ob aus dem Verhalten des verbleibenden Gesellschafters zweifelsfrei im Sinn des § 863 ABGB die Zustimmung zur Vertragsübernahme hervorgeht, die aus § 5 Syndikatsvertrag hervorleuchtende grundsätzliche Bereitschaft zur Vertragsübernahme zu berücksichtigen ist. Dazu kommt, dass im Sinn der „Grundsatzvereinbarung“ nicht entscheidend war, dass eine bestimmte Gesellschaft des S*****-Konzerns Mitgesellschafterin der Nebenintervenientin wurde.

[84] Daraus folgt, dass bereits geringe zusätzliche Anhaltspunkte geeignet sind, die zweifelsfreie Zustimmung des verbleibenden Gesellschafters zu erkennen zu geben.

[85] 4.5. Im vorliegenden Fall informierte Dr. G***** D***** mündlich G***** W*****, der 1985 bis 2008 selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Nebenintervenientin war, von den bevorstehenden Umstrukturierungen innerhalb des S*****-Konzerns. Dass dieser einen Vorbehalt gegen den Gesellschafterwechsel bekundet hätte, wurde im Verfahren nicht behauptet. Im Zuge der ordentlichen Generalversammlung der Beklagten vom 16. 12. 2004, deren Vorsitz G***** W***** führte, wurde ihm auch bekannt, dass die Klägerin die Gesellschafterstellung auch tatsächlich erlangte. Die Beklagte wurde ausdrücklich über den Gesellschafterwechsel informiert.

[86] In der Folge wurde in der vom Aufsichtsrat der Beklagten erlassenen Geschäftsordnung für die Geschäftsführung vom 15. 12. 2005 ausdrücklich die Klägerin als Vertragspartnerin des Syndikatsvertrags angeführt; diese Geschäftsordnung wurde von G***** W***** unterfertigt. Auch wenn die Unterfertigung durch G***** W***** in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagen erfolgte, ändert dies nichts daran, dass ein redlicher Erklärungsempfänger in der Situation der Klägerin unter Berücksichtigung der gesamten Umstände (RS0014150 [T8]) die ausdrückliche Bezeichnung der Klägerin als Vertragspartnerin nur dahin auffassen konnte, dass die Nebenintervenientin damit ihrem Eintritt in die zuvor von der B***** innegehabte Stellung als Vertragspartnerin des Syndikatsvertrags zustimmte. Von der Zustimmung der B***** und der Klägerin zur Vertragsübernahme konnte die Nebenintervenientin schon wegen der im Syndikatsvertrag enthaltenen Überbindungspflicht ausgehen.

[87] 4.6. Die Negativfeststellungen, wonach nicht feststeht, dass die Nebenintervenientin der Anteilsübertragung auf die Klägerin zugestimmt hätte – was für die Wirksamkeit der Übertragung ohnehin nicht erforderlich war –, und ebenfalls nicht feststeht, dass die Nebenintervenientin einer Abänderung des Gesellschaftsvertrags dahin, dass das der P***** eingeräumte Entsendungsrecht der Klägerin zukomme, zugestimmt hätte, stehen dieser Beurteilung nicht entgegen. Auch für konkludente Willenserklärungen gilt nämlich, dass der objektive Erklärungswert und nicht der subjektive Wille des Erklärenden maßgeblich ist (RS0014160 [T51]). Darauf, ob die Klägerin eine Tochtergesellschaft der S*****-Aktiengesellschaft ist, kommt es angesichts der namentlichen Nennung der Klägerin in der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung vom 15. 12. 2005 nicht an.

[88] 4.7. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Nebenintervenientin in den Jahren 2004 bis 2017 insgesamt mehrfach deutlich zu erkennen gab, aus dem 2004 stattgefundenen Wechsel in der Person des aus dem SP*****-Konzern stammenden Mitgesellschafters insgesamt keine Änderung der Rechte dieses Gesellschafters abzuleiten. Dies manifestierte sich in der Generalversammlung und Aufsichtsratssitzung vom 13. 12. 2007, dem Umlaufbeschluss vom 14./19. 12. 2011, dem Umlaufbeschluss vom 16./21. 12. 2015 (hinsichtlich des Entsendungsrechts), sowie (hinsichtlich der syndikatsvertraglichen Bindung) in der Aufsichtsratssitzung vom 15. 12. 2005; auch die dreimalige jeweils einstimmige Wahl des Aufsichtsratsmitglieds Univ. Prof. DDr. J***** lässt nicht erkennen, dass die Nebenintervenientin entgegen ihrem sonstigen Vorgehen aus dem Gesellschafterwechsel eine geänderte Machtverteilung der Gesellschafter ableitete.

[89] Auch diese langjährige gelebte Praxis indiziert, dass der Klägerin nach dem Willen der Nebenintervenientin die gleichen Rechte wie ihren Rechtsvorgängerinnen zukommen sollten, daher auch die durch den Syndikatsvertrag gestaltete Rechtsposition.

[90] 4.7. Im Ergebnis ist die Klägerin daher durch Vertragsübernahme Partei des ursprünglich mit der P***** abgeschlossenen Syndikatsvertrags geworden .

[91] Zur Beschlussanfechtung :

[92] 5.1. Ein Stimmrechtsbindungsvertrag bindet grundsätzlich nur die Gesellschafter, nicht die GmbH selbst (RS0049389; RS0059854). Eine Beschlussanfechtung wegen Verletzung des Stimmbindungsvertrags scheidet daher grundsätzlich aus, sofern sich die Stimmbindung nicht darauf beschränkt, die – auch ohne Syndikatsvertrag gegebene – Treuepflicht zu konkretisieren (RS0049389 [T1]; RS0079236 6 Ob 90/19g).

[93] Darüber hinaus wurde es vom Obersten Gerichtshof als sachgerecht angesehen, auch Gesellschafterbeschlüsse, die unter Verletzung von Stimmbindungsvereinbarungen, die von sämtlichen Gesellschaftern eingegangen wurden, zustande kamen, als anfechtbar zu betrachten und solche Regelungen daher – ohne dass sie Bestandteil der Satzung wären – als solche der Gesellschaft selbst zu behandeln (RS0079236 [T2]; 2 Ob 46/97x; 6 Ob 90/19g). Als Voraussetzung eines solchen „Durchgriffs“ wurde auf eine ausgeprägt personalistische Struktur der Gesellschaft abgestellt, da sich mit dem Grad der personalistischen Ausrichtung auch die Intensität der einzuhaltenden Treuepflichten steigert (RS0079236 [T2]; 2 Ob 46/97x; 6 Ob 90/19g).

[94] In den Entscheidungen 6 Ob 202/10i und 6 Ob 90/19g konnte die Frage eines „Durchgriffs“ des Syndikatsvertrags auf die Ebene der Gesellschaft bei omnilateralen Stimmbindungsverträgen zuletzt offen gelassen werden, weil ein von allen Gesellschaftern geschlossener Syndikatsvertrag jeweils nicht vorlag.

[95] 5.2. In der Literatur wurde der Entscheidung 2 Ob 46/97x entgegen gehalten, die Verletzung des Syndikatsvertrags sei im Gesetz nicht als Anfechtungsgrund vorgesehen; es sei auch nicht treuwidrig gegenüber Mitgesellschaftern, gegen den Syndikatsvertrag zu verstoßen, weil nur der Gesellschaftsvertrag Grundlage der Treuepflicht sein könne; dieser könne durch die Treuepflicht schon wegen der Publizitätsvorschriften nicht abgeändert werden ( Rüffler , GmbH-Satzung und schuldrechtliche Gesellschafter-vereinbarungen, in FS Koppensteiner [2007] 97 [111 ff]; Koppensteiner/Rüffler , GmbHG³ § 39 Rz 21; ablehnend auch Harrer in Gruber/Harrer , GmbHG² §§ 41, 42 Rz 152 ff; Eckert/Schopper in Artmann/Karollus , AktG 6 § 195 Rz 16; Walch , Anm zu 6 Ob 90/19g, NZ 2019, 302 f, der seine Kritik beim omnilateralen Syndikatsvertrag in der stark personalisierten GmbH allerdings relativiert).

[96] Die Wertung, dass die besondere Ausprägung der Treuepflicht bei stark personalistischer Ausrichtung einer GmbHG es rechtfertigen könne, die Vereinbarung aller Gesellschafter auch gegenüber der Gesellschaft durchschlagen zu lassen, hat in der Literatur jedoch auch Zustimmung gefunden ( Tichy , Syndikatsverträge bei Kapitalgesellschaften [2000] 67 ff; ders , Syndikatsvertrag als Beschlussanfechtungsgrund, ecolex 2000, 204 ff; Linder in Foglar-Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher-Summer , GmbHG § 41 Rz 102; zustimmend auch Diregger in Doralt/Nowotny/Kalss , AktG² § 195 Rz 20; Haberer , Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht [2009] 357 ff; Kalss , Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung² § 9 SpaltG Rz 86; Kalss/Probst , Familienunternehmen [2013] Rz 4/158; Reich Rohrwig , Das österreichische GmbH-Recht [1983] 368).

[97] Der BGH hat in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, es bestehe „kein Grund, die vertragswidrig überstimmten Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen die Mitgesellschafter zu verweisen, um durch deren Verurteilung zu einer gegenteiligen Stimmabgabe den Beschluß aus der Welt zu schaffen“ (BGH II ZR 243/81, 20. 1. 1983, WM 1983, 334 = BB 1983, 996 = DB 1983, 827 = AG 1983, 249 = GmbHR 1983, 196 = NJW 1983, 1910 = ZIP 1983, 297; BGH II ZR 240/85, 27. 10. 1986 NJW 1987, 1890 = WM 1987, 71 = ZIP 1987, 293 = BB 1987, 218 = GmbHR 1987, 94).

[98] 5.3. Zudem besteht Einigkeit jedenfalls darüber, dass ein Verstoß gegen einen Stimmbindungsvertrag in jenen (Sonder-)Fällen die Anfechtbarkeit begründet, in denen die Stimmbindung die auch ohne den Syndikatsvertrag bestehende Treuepflicht konkretisiert (siehe nur Koppensteiner/Rüffler , GmbHG³ § 39 Rz 21; Rüffler in FS Koppensteiner [2007] 111 Fn 87; Haberer , Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 359).

[99] Zutreffend zeigt Haberer auf, dass es daher im Kern um die Ermittlung der Inhalte von Treuepflichten geht ( Haberer , Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 357 ff; vgl Oberhammer , Einstweiliger Rechtsschutz zur Durchsetzung syndikatsvertraglicher Stimmpflichten, in Artmann/Rüffler/Torggler , Die Verbandsverfassung [2013] 63, 64 f, nach dem nicht die personalistische Ausprägung einer GmbH, sondern der im Einzelfall ermittelte Inhalt der Treuepflicht ausschlaggebend ist).

[100] Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass nur die Satzung die Treuepflicht ausgestalten kann. Die Satzung ist nämlich nicht alleinige Quelle von Treuepflichtsinhalten, sondern bloßer Geltungsgrund der Treuepflicht ( Tichy , ecolex 2000, 204; Tichy , Syndikatsverträge 168 ff), was sich schon darin deutlich zeigt, dass die Treuepflicht maßgeblich von der Realstruktur der Gesellschaft abhängig ist und auch auf Interessen von Mitgesellschaftern Rücksicht zu nehmen ist, die sich nicht unmittelbar aus der Satzung ergeben ( Tichy aaO mwN).

[101] 5.4. Es liegt auf der Hand, dass syndikatsvertragliche Pflichten nicht schlechthin zu Treuepflichten „umetikettiert“ werden dürfen. Die Treuepflichten zwischen den Gesellschaftern können aber durchaus mittels eines omnilateralen Syndikatsvertrags konkretisiert werden ( Walch , Verstoß gegen einen omnilateralen Syndikatsvertrag als Anfechtungsgrund eines Gesellschafterbeschlusses, GES 2015, 159, 163). Dazu wird vertreten, dass aus dem Syndikatsvertrag, bei dem es sich immerhin um eine zwischen den Parteien konkret abgeschlossene und gewollte Vereinbarung handle, sogar neue Inhalte von Treuepflichten gewonnen werden können ( Haberer , Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 357 ff; vgl Tichy , Syndikatsverträge 168 ff).

[102] 5.5. Im vorliegenden Fall konkretisiert der Syndikatsvertrag insofern die zwischen den Gesellschaftern bestehenden Treuepflichten, als er das in der Grundsatzvereinbarung festgehaltene Verständnis der Zusammenarbeit der beiden, aus den Unternehmensgruppen S***** und d***** stammenden Gesellschafter umsetzt. Nach diesem Verständnis soll der Minderheitsgesellschafterin aus dem S*****-Konzern über den Aufsichtsrat eine wesentlich weiter gehende Einflussmöglichkeit zugewiesen werden, als es ihrer Beteiligungsquote entspricht.

[103] 5.6. Die Wahl der beiden von der Nebenintervenientin vorgeschlagenen Kandidaten Univ. Prof. Dr. M***** A***** und DKfm M***** D***** in den Aufsichtsrat mit den Stimmen der Nebenintervenientin erfolgte, ohne dass zuvor – hinsichtlich eines Wahlbeschlusses – Einigkeit über die zu wählende Person hergestellt worden wäre.

[104] Die Stimmabgabe der Nebenintervenientin verstieß damit gegen § 1 des Syndikatsvertrags.

[105] Die Vorgangsweise der Nebenintervenientin, als Mehrheitsgesellschafterin alle vier Aufsichtsratsmitglieder einseitig durchzusetzen, indem sie zusätzlich zu den von ihr bereits entsandten zwei Mitgliedern gegen die Stimmen der Klägerin in der Generalversammlung zwei Mitglieder mit einfacher Mehrheit wählte, läuft zudem auch der in der Grundsatzeinigung skizzierten, im Syndikatsvertrag umgesetzten Abgrenzung der Einflusssphären der Gesellschafterinnen aus den beiden beteiligten Unternehmensgruppen diametral entgegen. Insofern liegt im Vertragsverstoß im vorliegenden Fall auch ein Verstoß gegen die Treuepflicht der Nebenintervenientin.

[106] Diese Umstände führen zur Berechtigung der Anfechtung eines (weiteren) Wahlbeschlusses.

[107] 5.8. Die von der Nebenintervenientin ausgesprochene außerordentliche und ordentliche Kündigung des Syndikatsvertrags hat auf die Beurteilung des vorliegenden Falls keine Auswirkungen. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung folgt das bereits daraus, dass § 7 des Syndikatsvertrags jeweils eine Verlängerung des Vertrags um fünf Jahre vorsieht, sofern der Vertrag nicht gekündigt wird. Der nächste in Betracht kommende Kündigungstermin liegt demnach erst im Jahr 2022. Das im Verfahren erstattete Vorbringen zur außerordentlichen Kündigung ist nicht ausreichend konkretisiert, um daraus die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses im vorliegenden Fall ableiten zu können. Auf die behauptete Kündigung des Syndikatsvertrags und eine daraus abzuleitende Änderung des Inhalts der Treuepflichten muss daher im vorliegenden Fall nicht weiter eingegangen werden.

[108] 6. Im Ergebnis sind beide angefochtenen Wahlbeschlüsse vom 21. 11. 2017 wegen treuwidriger Stimmabgabe der Nebenintervenientin für nichtig zu erklären. Der Revision war daher Folge zu geben.

[109] 7. Die Kostenentscheidungen gründen auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren in Verbindung mit § 50 ZPO.

Rechtssätze
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