JudikaturJustiz6Ob124/02g

6Ob124/02g – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Februar 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna Maria B*****, vertreten durch Mag. Thomas Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Richard B***** , vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 19.621,67 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. Februar 2002, GZ 43 R 49/02b-16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23. November 2001, GZ 2 C 85/01w-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.063,80 EUR (darin enthalten 177,30 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 17. 11. 1948 die Ehe geschlossen. Seit 8. 6. 1998 ist ein Ehescheidungsverfahren anhängig.

Die Klägerin begehrt ein Schmerzengeld von 19.621,67 EUR (270.000 S). Sie leide an Schlaflosigkeit, Kopfweh, Erregungszuständen aller Art, Depressionen und Psychosen. Diese psychischen Beeinträchtigungen von Krankheitswert und auch ihre nunmehrige Erkrankung an Hautkrebs seien auf den schuldhaften Verstoß des Beklagten gegen die ihm gemäß § 90 ABGB auferlegten ehelichen Pflichten zurückzuführen. Der Beklagte sei aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und unterhalte eine ehebrecherische Beziehung zu einer anderen Frau. Für den Beklagten sei es vorhersehbar gewesen, dass sein dem Wesen der Ehe widersprechendes Verhalten derartige Folgen auslösen könne. Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt die Vorwürfe der Klägerin. Diese sei grundlos eifersüchtig gewesen und habe den Beklagten aus der Ehewohnung verwiesen. Sie verschleudere das Ehevermögen für Detektivkosten und verfolge den Beklagten mit Telefonterror, Kontrollbesuchen und Bosheitsakten. Die Klägerin sei nicht erkrankt. Jedenfalls sei ihr Zustand nicht auf das Verhalten des Beklagten zurückzuführen. Selbst der von ihr behauptete Sachverhalt rechtfertige nicht den Zuspruch eines Schmerzengeldes. Hilfsweise werde eine Schmerzengeldforderung des Beklagten von 300.000 S aufgrund des beleidigenden und ehewidrigen Verhaltens der Klägerin kompensando eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass der Beklagte eine ehewidrige Beziehung unterhalte und die Klägerin an psychischen Beeinträchtigungen von Krankheitswert leide. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass sich aus der Auslegung des Schutzzweckes des § 90 ABGB ergebe, dass der Ersatz des Interesses am Fortbestand der Ehe sowie an der Erfüllung ehelicher Pflichten ("Bestandsinteresse") ausgeschlossen sei. Das Ehegesetz gehe davon aus, dass Ehen scheidbar seien und regle die damit verbundenen Konsequenzen. Es würde diesen Vorschriften widersprechen, die Ehepflichten mittels eines Schadenersatzanspruches einfordern zu können.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Klagebegehren sei schon mangels rechtlicher Grundlage abzuweisen, sodass auf die Mängel- und Beweisrüge der Klägerin nicht einzugehen sei. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes sei zutreffend. Das Klagebegehren stütze sich auf § 90 ABGB über die rein persönlichen Rechte und Pflichten zwischen Ehegatten, über die jedoch nicht vor Gericht zu entscheiden sei. Ein Verstoß könne letztlich nur in einem Scheidungsverfahren als Scheidungsgrund geltend gemacht werden. Die Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob aus einem Verstoß gegen die in § 90 ABGB normierten Pflichten ein Schmerzengeldanspruch abgeleitet werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt. Schmerzengeld (§ 1325 ABGB) ist der Ersatz des ideellen Schadens, der im Zusammenhang mit körperlichen Verletzungen entsteht und ist daher dann zu gewähren, wenn solche Verletzungen verursacht wurden. Unter einer Körperverletzung ist jede Beeinträchtigung der leiblichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit zu verstehen. Eine äußerlich sichtbare Verletzung ist nicht Voraussetzung. Auch innere Verletzungen oder Nervenschäden fallen unter den Begriff der Körperverletzung. So wurde bereits ausgesprochen, dass Störungen von Gehirn- und Nervenfunktionen wie zB auch Schlaflosigkeit, Aufregungszustände und Erregungszustände aller Art als Körperverletzung zu qualifizieren sind. Lediglich eine psychische Beeinträchtigung, die bloß in Unbehagen und Unlustgefühlen besteht, reicht für sich allein nicht aus, um als Verletzung am Körper angesehen oder einer Verletzung gleichgestellt zu werden. Massive Einwirkungen in die psychische Sphäre stellen jedenfalls dann eine körperliche Verletzung dar, wenn sie mit körperlichen Symptomen einhergehen, die als Krankheit anzusehen sind. Eine derartig massive psychische Beeinträchtigung ist jedenfalls anzunehmen, wenn aus ärztlicher Perspektive die Behandlung der psychischen Störung geboten ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn nicht damit gerechnet werden kann, dass die Folgen von selbst abklingen oder wenn zu befürchten ist, dass ohne ärztliche Behandlung eine dauernde gesundheitliche Störung zurückbleibt (2 Ob 45/93 = ZVR 1995/46 mwN). Die Klägerin behauptet das Vorliegen insbesondere psychischer Störungen mit Krankheitswert, wobei sie die massiven Einwirkungen in ihre psychische Sphäre, auf die ihre Leiden zurückzuführen seien, in dem gegen § 90 ABGB verstoßenden Verhalten des Beklagten ihr gegenüber erblickt.

Gemäß § 90 Abs 1 ABGB sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, besonders zum gemeinsamen Wohnen, sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand verpflichtet. Diese aus der ehelichen Lebensgemeinschaft erfließenden Pflichten rein persönlicher Art sind gerichtlich nicht erzwingbar. Verstöße dagegen können - abgesehen von bestimmten Schadenersatzansprüchen, nämlich den Kosten eines erfolgreichen Ehelichkeitsbestreitungsprozesses, Unterhaltsleistungen an ein aus einem Ehebruch hervorgehenden Kind, Detektivkosten bei ehewidrigen Beziehungen des Ehepartners - nur als Scheidungsgrund in einem Ehescheidungsverfahren gerichtlich geltend gemacht werden. Es besteht weder Anspruch auf Erfüllung noch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung (Stabentheiner in Rummel ABGB I³ § 90 Rz 12). Ausnahmen bestehen nach § 92 Abs 3 ABGB, § 382b EO und § 97 ABGB. In vermögensrechtlicher Hinsicht kann bei Verletzung ehelicher Vorschriften grundsätzlich nicht das "Bestandinteresse" (dem Erfüllungsinteresse vergleichbar), sondern nur das "Abwicklungsinteresse" begehrt werden (SZ 70/163). Nicht ausgeschlossen ist jedoch die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen nicht rein persönlicher, sondern vermögensrechtlicher Art (vgl §§ 94, 97, 98 ABGB) und die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen eines Ehepartners gegenüber dem anderen bei Eingriffen in absolut geschützte Rechte wie der körperlichen Integrität, des Eigentums, der Ehre und der Privatsphäre (5 Ob 117/99p = JBl 2000, 517).

Die Klägerin macht hier weder ein eheliches Bestandinteresse noch ein Abwicklungsinteresse geltend, sondern Schmerzengeld für eine (deliktisch) zugefügte Körperverletzung. Die Rechtsprechung, dass das Gericht nicht über die rein persönlichen Rechte und Pflichten zwischen Ehegatten zu entscheiden habe, die Ehegatten darauf angewiesen seien, sich zu einigen und ein Verstoß nur als Scheidungsgrund geltend gemacht werden könne (5 Ob 117/99p; SZ 70/163), die das Berufungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung heranzieht, ist daher für die Frage der Berechtigung des geltend gemachten Anspruches nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Den sich aus dem Wesen der Ehe ergebenden Rechten kommt absoluter Schutz zu (RIS-Justiz RS0108842; Koziol, Haftpflichtrecht I³ 8/48). Nach den Klagebehauptungen hat der Beklagte in das Recht der Klägerin insbesondere auf eheliche Treue und gemeinsames Wohnen eingegriffen und damit gegen die in § 90 Abs 1 ABGB konkret genannten ehelichen Pflichten verstoßen. Das behauptete Verhalten des Beklagten ist zufolge dieses Verstoßes rechtswidrig und nach den Klagebehauptungen ursächlich für die von der Klägerin dargelegten Gesundheitsschäden. Dennoch ist ihr Begehren selbst bei Zutreffen ihrer Behauptungen unberechtigt. Im Sinn der Äquivalenztheorie ist die Kausalität zu bejahen, wenn der Erfolg ohne das Verhalten nicht eingetreten wäre. Die Schadenszurechnung wird jedoch durch die Adäquanz und den Normzweck begrenzt: Die Ursache muss ihrer allgemeinen Natur nach für die Herbeiführung des Erfolges noch irgendwie geeignet erscheinen und der Erfolg darf nicht nur wegen einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen eingetreten sein (Koziol/Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts II12 290 ff mwN). Die Adäquanz des behaupteten Verhaltens des Beklagten für die behauptete psychische Erkrankung der Klägerin kann hier nicht ohne weiteres verneint werden. Ehewidrige Beziehungen sind nach der Lebenserfahrung typischerweise in hohem Maß geeignet, psychische Schäden beim betrogenen Ehepartner hervorzurufen.

Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist weiters aber nur für jene Schäden zu haften, die die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern wollte (Koziol/Welser aaO, 296 ff mwN; Karollus, Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung 337 ff), wobei der haftungsrechtliche Schutzzweck der Verhaltensnorm teleologisch zu ermitteln ist. Besonders offensichtlich ist die Notwendigkeit des Abstellens auf den Normzweck bei den sogenannten Schutzgesetzen, die regelmäßig auf den Schutz bestimmter Interessen abzielen. Die Rechtswidrigkeit des Handelns kann sich mangels derartiger konkreter Schutzgesetze auch daraus ergeben, dass gegen die aus der Zuweisung eines Rechtsgutes ableitbaren Verhaltenspflichten verstoßen wurde. Insbesondere aus absoluten Rechten ergeben sich zahlreiche Verhaltenspflichten, doch muss auch bei den absolut geschützten Rechten der Schutzzweck der Verhaltensnorm ermittelt werden (Koziol aaO 8/34).

§ 90 ABGB schützt die ideellen Interessen der Ehepartner. Die Rechtsprechung erkennt Schadenersatz für aufgewendete Überwachungskosten wegen des (begründeten) Verdachtes ehebrecherischer oder ehewidriger Beziehungen sogar unabhängig von einem Scheidungsprozess zu. Die dogmatische Begründung für diesen Schadenersatzanspruch wird aus einer Verletzung ehelicher Verhaltenspflichten oder Rechtsgüter abgeleitet. Vom Schutzzweck der die eheliche Gemeinschaft regelnden gesetzlichen Bestimmungen seien nämlich auch die Vermögensinteressen der Ehegatten umfasst. Ein Ehegatte, dessen Ehe durch ehewidrige Beziehungen des anderen zu einer dritten Person gestört werde, habe ganz allgemein und unabhängig davon, ob er diese Beziehung zum Anlass gerichtlicher Schritte nehmen wolle, ein besonderes Interesse daran, sich Klarheit über den Sachverhalt zu verschaffen (RIS-Justiz RS0022943; 4 Ob 166/02v mwN). Die klare Kenntnis der Sachlage, nämlich ob sich der Verdacht einer ehewidrigen oder ehebrecherischen Beziehung des Ehepartners als zutreffend erweist, ist Voraussetzung dafür, die Beziehung zum Ehepartner und die eigene Position in der Ehe zu überdenken und eine Entscheidung über die weitere Vorgangsweise zu treffen. Diese Kenntnis verschafft Gewissheit über das Recht und die Möglichkeit, die Ehe durch eine aussichtsreiche Scheidungsklage zu beenden. Der insoweit bejahte Schadenersatzanspruch berührt damit in erster Linie die ideelle Interessenlage desjenigen, der die Überwachung in Auftrag gibt und in weiterer Folge auch dessen Vermögensinteressen.

Beim hier begehrten Schadenersatz geht es aber nicht um das Recht auf Aufklärung über ein mögliches ehewidriges Verhalten des Ehepartners, sondern um einen behaupteten Eingriff in die körperliche Unversehrtheit infolge der ehewidrigen Beziehung. Aus der Rechtsprechung über die Zuerkennung von Detektivkosten ist nicht zwingend ableitbar, dass der Schutzzweck des § 90 EheG auch der Abwehr von Körperschäden des durch die Treueverletzung gekränkten Ehepartners liegt.

Im deutschen Schrifttum wird zwar teilweise auch jede Einbuße an der Gesundheit, die durch einen Eingriff in den "absoluten Kern des Eheinhaltes" bzw das "absolut geschützte Recht auf Ungestörtheit der geschlechtlichen Beziehungen in der Ehe" als ersatzpflichtiger Schaden angesehen (Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts4 160; Wacke in Münchener Kommentar4 FamR I § 1353 dBGB Rn 40; weitere Nachweise bei Palandt BGB62 § 823 Rn 18). Der deutsche Bundesgerichtshof erklärte hingegen bereits in einer Entscheidung vom 21. 3. 1956 (NJW 1956, 1149) Schadenersatzansprüche aus § 823 BGB wegen der Verletzung der Treuepflicht durch einen der Ehegatten neben den Ansprüchen, die das bürgerliche Recht in seinen familienrechtlichen Bestimmungen für den Fall einer solchen Verletzung gebe, für ausgeschlossen. An dieser Auffassung hielt er trotz der Kritik der Lehre fest (vgl BGHZ 23, 215; 23, 279; 26, 217; 57, 229). Es sei zwar nicht zu verkennen, dass ein ehewidriges Verhalten einen Schaden für den "schuldlosen" Ehegatten zur Folge haben könne. Das Gesetz wolle hiefür aber einen über die familienrechtlichen Bestimmungen hinausgehenden Ersatz nicht geben. Dies würde jedoch eintreten, wenn das ehewidrige Verhalten als eine unerlaubte Handlung im Sinn der §§ 823 ff BGB nach diesen Bestimmungen eine Schadenersatzpflicht auslösen würde. Der Bereich der Ehestörungen sei nicht dem deliktischen Rechtsgüterschutz des § 823 I BGB zuzuordnen. Die Ehestörung stelle in wesentlicher Hinsicht einen innerehelichen Vorgang dar. Dieser aber sei in den Schutzzweck der deliktischen Haftungstatbestände nicht einbezogen. Im Rahmen des § 823 I BGB sei auch nicht an die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzuknüpfen und auch nicht unter diesem Gesichtspunkt eine Schadenersatzpflicht zu bejahen. Die Grenzen des Persönlichkeitsrechts seien offen und ließen sich immer nur unter Beachtung anderer rechtlich geschützter Bereiche ziehen. Wenn auch in vielen Fällen einer Ehestörung, wohl immer bei Ehebruch, die Voraussetzung einer schweren Beeinträchtigung dieses Rechtes vorliegen dürften, würde doch bei einer Bejahung deliktsrechtlicher Folgen das unterlaufen, was aus der Wertung des engeren familienrechtlichen Regelungsbereiches geboten sei. Die Erfüllung der persönlichen Pflichten, die aus der ehelichen Lebensgemeinschaft fließen, könne nur durch die auf freier sittlicher Entscheidung beruhende eheliche Gesinnung gewährleistet werden, während jeder auch indirekte staatliche Zwang, etwa durch eine Vertragsstrafe oder eine Schadenersatzleistung, ausgeschlossen sei. Das Wesen der Ehe vertrage das Einwirken schadensrechtlicher Grundsätze auf innereheliche Vorgänge nicht, was zur Folge habe, dass das Ehe- und Familienrecht hier Deliktsregeln verdränge. Der Ausschluss deliktsrechtlicher Sanktionen umfasse hingegen nicht den äußeren räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe und erstrecke sich auch nicht auf den Bereich anderer Rechtsgüterverletzungen wie etwa die Schädigung der Gesundheit des anderen Ehegatten durch eine Ansteckung als Folge eines begangenen Ehebruchs. Soweit jedoch (nur) die innerehelichen Beziehungen der Ehegatten zueinander in dem Bereich der Verwirklichung der ehelichen geschlechtlichen Lebensgemeinschaft betroffen seien, schieden deliktische Schadenersatzansprüche aus den dargelegten Gründen aus (BGH 19. 12. 1989, NJW 1990, 706 mwN aus Rechtsprechung und teils zustimmender, teils ablehnender Lehre). Selbst eingedenk der möglichen massiven Kränkung des betrogenen und verlassenen Ehepartners durch ein dem § 90 ABGB widersprechendes Verhalten des anderen hat sich der Gesetzgeber für die Möglichkeit auch des allein an der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft Schuldigen entschieden, die Ehe nach sechsjähriger Trennung durch Scheidung beenden zu können, und zwar selbst dann, wenn dies mit einer besonderen Härte für den die Scheidung ablehnenden Ehepartner verbunden wäre (§ 55 Abs 3 EheG). Die durch das ehewidrige Verhalten des einen Ehepartners hervorgerufene Kränkung ist nur insoweit ausdrücklich sanktioniert, als der andere Ehepartner zunächst noch (sechs Jahre hindurch) dem Ehebegehren nach §§ 54 oder 55 Abs 2 EheG widersprechen oder die Eheverfehlung selbst als Scheidungsgrund geltend machen kann. Die Abwehr von Körperverletzungen ist in Übereinstimmung mit der vom deutschen Bundesgerichtshof vertretenen Auffassung auch nicht in den Schutzbereich der Bestimmungen über die Eheverfehlungen und der sich aus dem Wesen der Ehe ergebenden Rechte einzubeziehen.

Die körperliche Unversehrtheit ist ebenso wie die Wahrung des Wesenskerns der Ehe ein absolut geschütztes Recht, auf das § 1325 ABGB und Strafrechtsnormen wie §§ 83 und 88 StGB Bezug nehmen. Dieses Recht kann unabhängig davon, ob der darin Verletzte und der Schädiger durch eine Ehe verbunden sind, durchgesetzt werden. Selbst aus der Beeinträchtigung eines absolut geschützten Rechts kann aber nicht abschließend auf die Rechtswidrigkeit des ursächlichen Verhaltens geschlossen werden; der nachteilige Erfolg indiziert sie bloß. Es ist vielmehr eine Interessenabwägung vorzunehmen, in die das allgemeine Interesse an der Bewegungsfreiheit, die Zumutbarkeit von Verhaltenspflichten, die Gefährlichkeit des Verhaltens und der Wert der bedrohten Güter einzubeziehen sind (Koziol/Welser aaO 293). Das Recht jedes Einzelnen auf körperliche Integrität und damit sein Recht, nicht durch erniedrigende, kränkende und seelisch verletzende Vehaltensweisen eines Mitmenschen Gesundheitsschäden davonzutragen, ist gegen das im Grundrechtskatalog zum Ausdruck kommende Recht auf Freiheit der Gestaltung des persönlichen Lebensbereiches aufzuwiegen und zu prüfen, ob ein Verzicht auf dieses Recht deshalb zumutbar ist, um die Kränkung eines anderen und damit dessen mögliche gesundheitliche Schäden zu vermeiden. Bei psychischen Schäden, die durch Schockwirkungen hervorgerufen werden, schlägt diese Interessenabwägung nach der Rechtsprechung zu Ungunsten des Schädigers aus (zuletzt 8 Ob 127/02p = JBl 2003, 118 mwN; weitere Nachweise RIS-Justiz RS0031111). Beim Zuspruch von Schadenersatz wird insofern ein unmittelbarer körperlicher Eingriff in die Unversehrtheit des infolge einer Verletzung eines Angehörigen oder bei einem Unfallereignis Geschockten fingiert. Das "seelische Wrack" nach derartigen Schockerlebnissen wird als entschädigenswert angesehen.

Bei (bloßen) Verstößen gegen die eheliche Treuepflicht, die nicht mit besonderen zusätzlichen, gegen die Persönlichkeit des Ehepartners gerichteten Verhaltensweisen einhergehen, ergibt die vorzunehmende Interessenabwägung jedoch eine Verneinung des Ersatzes psychischer Schäden. Schmerzengeld für verlorene Liebe gibt es nicht (Wacke aaO mwN). Dass ein plötzliches, einem seelischen Schock vergleichbares traumatisches Erlebnis die behaupteten psychischen Folgen bei der Klägerin ausgelöst hätte, geht aus ihren Behauptungen nicht hervor. Der Ehepartner, der von einer Eheverfehlung des anderen erfährt, hat es in der Hand, die Ehe und damit den Leidenszustand, der durch die Untreue des anderen und die damit verbundenen Demütigungen hervorgerufen wird, zu beenden.

Das Hinzutreten weiterer schädigender Umstände, die nicht bloß den wesentlichen Kern der ehelichen Geschlechts- und Wohnungsgemeinschaft betreffen, hat die Klägerin nicht behauptet. Aus der Tatsache allein, dass sich der Beklagte einer anderen Frau zugewendet und die Klägerin verlassen hat, kann sie einen Schmerzengeldanspruch nicht ableiten. Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren daher zu Recht wegen Unschlüssigkeit der Klage abgewiesen. Eine Beweisaufnahme zu den vom Beklagten bestrittenen Behauptungen der Klägerin war nicht erforderlich, sodass sich das Berufungsgericht zu Recht nicht mit der Beweis- und Mängelrüge der Klägerin und des Beklagten in seiner Berufungsbeantwortung auseinandergesetzt hat.

Die Urteile der Vorinstanzen sind daher zu bestätigen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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