JudikaturJustiz5Ob506/96

5Ob506/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. März 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna T*****, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr.Wolfgang Grohmann, Dr.Helmut Paul, Kommanditpartnerschaft in 3500 Krems, wider die beklagte Partei C***** Ges.m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Hubert Köllensperger, Rechtsanwalt in 4600 Wels, wegen S 111.600,-- s.A., infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 17.Oktober 1995, GZ 4 R 76/95-14, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 18.Jänner 1995, GZ 6 Cg 191/94h-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Revision der klagenden Partei teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden wie folgt abgeändert:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 111.600,-- samt 4 % Zinsen seit 30.8.1994 zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 12 % Zinsen aus S 111.600,-- vom 14.5.1992 bis 29.8.1994 und weitere 8 % Zinsen aus S 111.600,-- seit 30.8.1994 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 68.624,83 (darin enthalten S 27.344,40 Barauslagen und S 6.880,07 USt) bestimmten Kosten aller drei Instanzen zu ersetzen".

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin beteiligte sich mit Einsätzen von insgesamt S 189.000,-- an dem von der beklagten Partei initiierten Pyramidenspiel "Action-Corporation-System- International" und zahlte der beklagten Partei dazu noch eine Verwaltungsgebühr von S 10.800,--; S 88.200,-- wurden an sie wieder ausbezahlt.

Die Klägerin begehrt zuletzt die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung der Differenz von S 111.600,-- samt 12 % Zinsen seit 14.5.1992 und brachte dazu vor:

Im Mai 1992 sei Franz R***** als Systemberater der beklagten Partei an sie mit der Aufforderung zur Beteiligung am gegenständlichen Spiel herangetreten und habe ihr dabei das System so dargestellt, daß sie mit einem Gewinn von bis zu über S 1 Mio rechnen könne. Aufgrund der euphorischen Darstellungen des Systemberaters habe sie sich überreden lassen, in das Spiel einzusteigen. Infolge der offenbar unrichtigen Information des Systemberaters über das System sei ihr durch bewußte Irreführung ein Schaden in (letztlich) Höhe des Klagsbetrages entstanden. Sie stütze ihr Klagebegehren auf den Titel der Sittenwidrigkeit mit allen sich daraus abzuleitenden Konsequenzen, sowie insbesondere auf arglistige Irreführung, subsidiär auf jeden sonst in Frage kommenden Rechtsgrund. Sie nehme einen den Klagsbetrag übersteigenden Bankkredit in Anspruch und werde hiefür mit 12 % Debetzinsen belastet.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein:

Mangels konkreter Behauptung, welche falschen Informationen vom Systemberater R***** abgegeben worden sein sollten, könne die Verbreitung unrichtiger Informationen durch diesen nur pauschal bestritten werden. Die Klägerin habe anläßlich ihrer Beteiligung am System ausdrücklich die dafür aufgestellten Regeln anerkannt. Danach habe jeder Teilnehmer zwei weitere Teilnehmer zu werben, die wiederum diese Verpflichtung zu übernehmen hätten. Der Klägerin sei daher völlig klar gewesen, daß es sich um ein "Schneeballsystem" handle, das nur erfolgreich sei, wenn die Kette der Neuerwerbungen nicht unterbrochen werde. Da die Klägerin nicht zwei neue Teilnehmer geworben habe bzw wiederum diese nicht zwei neue Teilnehmer geworben hätten, habe sie keine weiteren Auszahlungen erhalten können. Die beklagte Partei sei im übrigen lediglich Verwalter des Action-Corporation-System-International und habe die Setzungen ordnungsgemäß vorgenommen. Die Klägerin habe zur Kenntnis genommen, daß Ansprüche auf Systemgelder nur innerhalb der Teilnehmer am System bestünden. Es werde deshalb auch die mangelnde passive Klagslegitimation eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es legte seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Die beklagte Partei verwaltet und organisiert das als Pyramidenspiel konzipierte Spiel Action-Corporation-System-International. Über Systemberater, das sind selbständige und nur auf Provisionsbasis arbeitende Mitarbeiter der beklagten Partei, werden Interessenten geworben, die Beteiligungen an diesem Pyramidenspiel kaufen und die Verpflichtung übernehmen, weitere Mitspieler zu werben. Die Interessenten werden damit angelockt, daß unverhältnismäßig hohe Gewinne in kurzer Zeit in Aussicht gestellt werden, was aber nur dann eintreffen kann, wenn - und zwar entsprechend rasch - eine immer größer werdende Anzahl von Mitspielern gewonnen wird (Schneeballsystem).

Bei einer von Franz R*****, einem Systemberater der beklagten Partei, organisierten Werbeveranstaltung am 14.5.1992 hat sich die Klägerin mit Gesamteinsätzen von S 189.000,-- (zuzüglich einer Verwaltungsgebühr von insgesamt S 10.800,--) an diesem Spiel beteiligt, wobei drei Verträge zu je vier Beteiligung (je eine Beteiligung am System 1 und je drei Beteiligungen am System 2) zwischen der Klägerin und der beklagten Partei abgeschlossen wurden. Zwei dieser Verträge lauten allerdings formell auf den Namen der Kinder der Klägerin.

Die Klägerin hat sich von der (mündlichen) Darstellung der zu erwartenden Gewinne derart blenden lassen, daß sie die Vertragsformulare unterschrieben hat, ohne sie durchzulesen. Mit ihrer Unterschrift hat sie aber ausdrücklich bestätigt, daß sie die auf der Rückseite der Vertragsformulare abgedruckten Regeln des Action-Corporation-Systems zur Kenntnis nimmt und akzeptiert. Diese Regeln haben unter anderem folgenden Wortlaut:

"1.) ... Jeder Teilnehmer hat die Aufgabe, zwei neue Teilnehmer zu werben, um einen Gewinnanspruch und die Berechtigung für automatische Folgeeinstiege zu erlangen. Wirbt ein Teilnehmer keinen oder nur einen neuen Teilnehmer, so wird im Falle einer Gewinnauszahlung lediglich der Einsatz ausbezahlt. Der Restgewinn wird in der Form von "Automatik-Team" zur Gänze dem System 2 als Automatik-Einstieg in die jeweils datumsälteste Liste zugefügt, um so allen Teilnehmern zugute zu kommen. Der aktive Teilnehmer (zwei neue Teilnehmer geworben), deren offene Felder gefüllt wurden, erhält einen Teil seines Gewinnes ausbezahlt und wird mit dem anderen Teil automatisch zweimal in die datumsälteste Liste der Automatikstufe A gesetzt. Gelangt ein Einstieg eines Teilnehmers nicht in die Gewinnzone, besteht kein Anspruch auf Rückerstattung des Einsatzes.

2.) Vertragslage - Verwaltungszentrale:

Mögliche rechtsgeschäftliche Beziehungen innerhalb des Action-Corporation-Systems entstehen ausschließlich unter den Teilnehmern und nicht mit der Verwaltungszentrale ("C*****-***** Ges.m.b.H.). Bezüglich der Vereinnahmung der an berechtigte Teilnehmer auszuzahlenden Gewinne tritt die Verwaltungszentrale im Namen und für Rechnung der Teilnehmer auf. Die Verwaltungszentrale hat selbst keinen Anspruch auf Einsätze oder Gewinne. Die Verwaltungszentrale ist für den Systemverlauf nicht verantwortlich. Sie überprüft die ordnungsgemäße Durchführung des Action-Corporation-Systems, sie übernimmt und überwacht im Auftrag jedes Teilnehmers die dafür erforderliche Datenverarbeitung, Auszahlungen, automatische Folgeeinstiege gemäß umseitiger Systemgraphik. Die Verwaltungszentrale erhält zur Deckung ihrer Kosten für jeden Neueinsteiger und für jeden automatischen Folgeeinstieg in das System eine Verwaltungsgebühr von S 900,--, die nicht rückforderbar ist. Weitergehende direkte oder indirekte Ansprüche gegen die Verwaltungszentrale sind ausgeschlossen. Mündliche Absprachen mit Mitarbeitern der Verwaltungszentrale oder mit Systemberatern haben keine Gültigkeit. Sie bedürfen in jedem Falle einer schriftlichen Bestätigung der Verwaltungszentrale."

Die Klägerin hat am 15.5.1992 je S 66.600,-- (auf ihren Namen und auf die Namen ihrer beiden Kinder) auf einem Treuhandkonto der beklagten Partei einbezahlt und erhielt kurz darauf jene Beträge ausbezahlt, welche durch das Auffüllen der folgenden Pyramidenstufen durch diese mehreren Beteiligungen (durch sie selbst und durch ihre Kinder) als Gewinn fällig geworden sind. Insgesamt wurden S 88.200,-- an die Klägerin bezahlt. Weitere Auszahlungen erfolgten jedoch nicht mehr. Es ist möglich, aber nicht gesichert, daß es noch zu Auszahlungen an die Klägerin kommt. Das hängt davon ab, ob (vor allem im Ausland) das Spiel noch lange genug weiterläuft, sodaß Auszahlungen über die im System auch vorgesehene "Automatik" erfolgen können.

In rechtlicher Beurteilung dieser Feststellungen führte das Erstgericht aus, allfällige unzutreffende Versprechungen des Franz R***** könnten eine Irrtumsanfechtung nicht begründen, da sie die Klägerin bei einem Mindestmaß an Aufmerksamkeit nicht hätte ernst nehmen dürfen. Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit hätten nicht gefunden werden können.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, daß es die beklagte Partei zur Zahlung von S 10.800,-- samt 4 % Zinsen seit 30.8.1994 an die Klägerin verurteilte und das Mehrbegehren abwies. Es übernahm sämtliche Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und auch ausreichend und führte in rechtlicher Hinsicht aus:

Aufgrund des Aufbaues des Pyramidenspiels nach dem Schneeballsystem sei der mit der Klägerin geschlossene Vertrag gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig:

Nach § 168 StGB sei strafbar u.a. die Veranstaltung eines Spieles, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen. Daß nach § 168 StGB nicht mehr schlechthin jede Beteiligung an einem verbotenen Glücksspiel, sondern nur mehr die gewerbsmäßige Beteiligung an einem solchen Spiel bzw das aus Gewinnsucht betriebene Veranstalten und Fördern solcher Spiele unter Strafe gestellt wird, sei nicht dafür entscheidend, was als ein verbotenes Spiel anzusehen ist, sondern nur dafür, welche Tätigkeiten im Zusammenhang mit einem verbotenen Spiel strafbar sind (SZ 54/157). Spielen mit geometrischer Progression - ein solches liege hier nach den erstrichterlichen Feststellungen vor - sei es eigentümlich, daß sie mit Sicherheit alsbald zu einer Marktverengung führen, die zur Folge habe, daß nicht mehr die Fähigkeiten des Spielers als Werber, sondern allein oder hauptsächlich der Zufall bestimmend dafür sei, ob weitere Spieler gewonnen werden. Dabei sinke mit steigender Spieldauer das Maß der Beeinflußbarkeit nicht nur des Erfolges, sondern auch der Abwendung des Verlustes immer weiter ab. Die Beurteilung, ob Glücksspiel vorliegt oder nicht, könne nur einheitlich erfolgen. Es könne daher nicht auf die ersten Spieler der geometrischen Reihe abgestellt werden, sondern es sei auch an die Spieler in einer späteren Phase des Spieles zu denken. Für sie, die in der Mehrzahl sind, entscheide nicht Geschick, sondern Zufall über Erfolg oder Mißerfolg (vgl NJW 1952, 392; 673 L; 1972, 1963).

Es liege somit ein unerlaubter Glücksvertrag vor, weshalb das auf seiner Grundlage Gezahlte zurückzuzahlen sei (Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 66 zu §§ 1267 ff; vgl Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 877; aA noch SZ 19/184).

Aktiv zur Geltendmachung des Rückforderungsanspruches sei die Klägerin zur Gänze legitimiert, da sie, was die auf die Namen ihrer Kinder lautenden Verträge betreffe, nicht in fremdem Namen, sondern unter fremdem Namen, und daher nicht als Stellvertreterin aufgetreten sei.

Ihre Passivlegitimation habe die beklagte Partei mit der Begründung bestritten, sie sei lediglich als Verwalter des Systems bzw der Systemgelder der Teilnehmer aufgetreten. Nach den vom Erstgericht festgestellten, von der Klägerin durch Unterfertigung der Vertragsformulare anerkannten Spielregeln entstünden mögliche rechtsgeschäftliche Rechtsbeziehungen innerhalb des Action-Corporation-Systems ausschließlich unter den Teilnehmern und nicht mit der Verwaltungszentrale (beklagten Partei). Bezüglich der Vereinnahmung der an berechtigte Teilnehmer auszuzahlenden Gewinne trete die Verwaltungszentrale im Namen und für Rechnung der Teilnehmer auf, sie selbst habe keinerlei Anspruch auf Einsätze oder Gewinne, sondern bloß auf eine Verwaltungsgebühr von S 900,-- (pro Einsatz). Daraus ergebe sich, daß die beklagte Partei offengelegt habe, als Vertreter aufzutreten. Der Offenlegungsgrundsatz verlange nicht die Nennung des Namens des Geschäftsherrn durch den Vertreter; es genüge, wenn sich der dritte Kontrahent jederzeit danach erkundigen oder darüber informieren kann. Handle der Vertreter eindeutig im fremden Namen, behalte sich aber mit Zustimmung des Kontrahenten das Recht vor, den Vertretenen erst zu benennen - sei es, weil der Geschäftspartner vorerst unbekannt bleiben will oder der Geschäftsherr im Augenblick des Geschäftsabschlusses noch unbestimmt ist - , so spreche man von zulässigem vertretungsweisen Handeln "für den, den es angeht" (Strasser in Rummel, ABGB2 Rz 50 zu § 1002). Daß sie sich über die Mitspieler, insbesondere über die Identität der vor ihr in der Pyramide rangierenden, in bezug auf ihre Einsätze gewinnberechtigten Mitspieler nicht informieren könne (siehe auch Punkt 5. der Spielregeln), habe die Klägerin nicht behauptet. Ihr in den Rechtsausführungen der Berufung enthaltener Hinweis auf § 6 Abs 2 KSchG schlage fehl, da die offenbar gemeinte Z 2 dieser Bestimmung sich nicht auf Stellvertretungsfälle, sondern auf Schuld- und Vertragsübernahmen beziehe. Der Oberste Gerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, daß eine Stellvertretung bei Inempfangnahme von Beträgen aus einem verbotenen oder nichtigen Geschäft möglich sei (MietSlg 15.212/29; MietSlg 5751/30; SZ 23/159). Die von der Klägerin an die beklagte Partei geleisteten Zahlungen erfolgten somit mit Ausnahme der Verwaltungsgebühr an die Vertretenen, welche insoweit alleinige Kondiktionsgegner seien (Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 18 vor § 1431 mwH).

Im Umfang der Abweisung eines Begehrens von S 100.800,-- s.A. sei daher im Ergebnis das Urteil des Erstgerichtes zu bestätigen gewesen.

Die im Klagsbetrag enthaltene Gebühr für die Verwaltung des verbotenen Spieles von insgesamt S 10.800,-- sei hingegen die beklagte Partei infolge Nichtigkeit des Vertrages zurückzuzahlen verpflichtet. Die Rückforderung eines aufgrund einer nichtigen Vereinbarung geleisteten Entgeltes könne auch vertraglich nicht abbedungen werden. Aus der formularmäßigen Vereinbarung, wonach die Verwaltungsgebühr nicht rückforderbar sei, ergebe sich aber, daß diese in dem von der beklagten Partei bezahlten Betrag von S 88.200,-- nicht enthalten sei.

Einen die gesetzlichen Zinsen übersteigenden Zinssatz habe die Klägerin nicht bewiesen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Begründet wurde dies mit einem Abweichen von der Entscheidung SZ 19/184; jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Rückforderbarkeit eines bezahlten Verlustes aus verbotenem Spiel habe nicht aufgefunden werden können.

Das Berufungsurteil haben sowohl die Klägerin als auch die beklagte Partei fristgerecht mit Revision angefochten. Die Klägerin hat dessen Abänderung im Sinn einer gänzlichen Stattgebung ihres Klagebegehrens beantragt, die beklagte Partei die Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Beide Rechtsmittel enthalten überdies noch Aufhebungsanträge; die Rechtssache solle zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückverwiesen werden.

Von beiden Parteien liegen überdies fristgerecht erstattete Revisionsbeantwortungen vor. Sie zielen jeweils darauf, dem gegnerischen Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Die Revisionen sind, weil sie über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen, zulässig; als berechtigt erweist sich jedoch nur die Revision der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

1.) Zur Revision der beklagten Partei.

Die beklagte Partei bekämpft vor allem die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß es sich bei dem von ihr organisierten Pyramidenspiel um ein verbotenes Glücksspiel iSd § 879 Abs 1 ABGB handle. Kein Strafgericht habe jemals ein dem Action-Corporation-System vergleichbares Spiel dem Tatbestand des § 168 StGB oder des § 146 StGB unterstellt. Außerdem dürften nicht alle Pyramidenspiele in einen Topf geworfen werden. Beim gegenständlichen Spiel hänge die Gewinnchance nicht vorwiegend vom Zufall ab, weil es im wesentlichen auf das Tun oder Unterlassen der Teilnehmer ankomme, ob es weiterläuft. Eine Marktverengung sei wegen der Möglichkeit der Wiederbeteiligung bereits einmal zur Teilnahme gewonnener Spieler nicht zu befürchten. Schon mangels Erfüllung eines Verbotstatbestandes iSd § 879 Abs 1 ABGB komme eine Rückforderung der Verwaltungsgebühr nicht in Frage. Außerdem stelle die Verwaltungsgebühr ein zulässiges Entgelt für die von der beklagten Partei erbrachten Leistungen im Rahmen eines separaten Werkvertrages dar.

Diesen Ausführungen ist mit dem bereits im angefochtenen Urteil enthaltenen Hinweis zu begegnen, daß die zivilrechtliche Unerlaubtheit eines Spiels nicht allein daran gemessen werden kann, ob die Beteiligung einen speziellen Straftatbestand erfüllt. Vielmehr sind jene Spiele iSd § 1174 Abs 2 ABGB verboten und damit nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB, die den in § 168 Abs 1 StGB und in § 1 Abs 1 GlücksspielG angeführten Charakter haben, bei denen also Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen (SZ 54/157; SZ 63/139; vgl auch SZ 59/117). Daß dies auf das von der beklagten Partei organisierte Pyramidenspiel zutrifft, wurde vom Berufungsgericht richtig erkannt. Die zur Wahrung oder Erhöhung der eigenen Gewinnchance notwendige Anwerbung neuer Mitspieler hängt nämlich nicht nur von den Fähigkeiten des werbenden Teilnehmers ab, sondern ist durch die Anzahl der vorhandenen Interessenten begrenzt. Daß diese Zahl nicht beliebig vermehrbar ist, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, die auch dadurch nicht widerlegt wird, daß die Möglichkeit einer mehrmaligen Beteiligung an einem von der ständigen Vermehrung der Mitspieler abhängigen Gewinnspiel besteht. Auch dieses Reservoir an Mitspielern erschöpft sich zwangsläufig, weil nicht erwartet werden kann, daß sich alle Spieler oder auch nur einzelne, diese dafür in einer sich unendlich wiederholenden, immer schneller fortschreitenden Reihe, für eine Wiederbeteiligung gewinnen lassen. Die Gewinnchance der Mitspieler insgesamt hängt daher bei jedem nach dem Schneeballsystem funktionierenden Pyramidenspiel letztlich vom Zufall ab, wenn man die Inkaufnahme des unausweichlichen Verlustes der letzten Teilnehmer nicht überhaupt als Betrug wertet. Zu Recht hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß es hier auf eine Gesamtschau ankommt, die nicht nur die ersten Teilnehmer mit (noch) intakten "Gewinnchancen", sondern auch die Spieler einer späteren Phase berücksichtigt, deren Verlust praktisch vorprogrammiert ist.

Eben diese Gesamtschau verbietet es auch, die organisatorische, verwaltende Tätigkeit der beklagten Partei vom eigentlichen "Spielbetrieb" zu trennen. Die Klägerin wurde für die Teilnahme am streitgegenständlichen Pyramidenspiel gewonnen, wofür sie einen Einsatz zu leisten und dazu noch eine Verwaltungsgebühr zu entrichten hatte. Der "(Werk )Auftrag" an die beklagte Partei war Voraussetzung für die Beteiligung am verbotenen Spiel und damit so eng mit diesem verflochten, daß die Nichtigkeit das gesamte Vertragsverhältnis erfaßt. Dies gebietet der Zweck der Verbotsnorm, die sich - wie oben ausgeführt wurde - eben nicht nur gegen besonders sozialschädliche Formen der Förderung verpönter Spiele (§ 168 Abs 1 StGB) oder der Beteiligung hieran (§ 168 Abs 2 StGB) richtet, sondern schlechthin gegen die Organisation derartiger Spiele. Zu Recht hat daher das Erstgericht die Nichtigkeit des gesamten zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrages angenommen und daran die Rechtsfolge geknüpft, daß die beklagte Partei der Klägerin (zumindest) die eingehobenen Verwaltungsgebühren zurückzuzahlen hat.

2.) Zur Revision der Klägerin:

Sie macht - neben vielen anderen Argumenten, auf die nicht weiter einzugehen ist, weil das hier aufgegriffene zum Erfolg führt - geltend, daß die beklagte Partei selbst unter der Annahme, daß sie bei der Einziehung und Verwendung der Spieleinsätze immer nur in offener Stellvertretung der Mitspieler handelte (ohne sich selbst am Spiel zu beteiligen), für die Rückzahlung der Einsätze einzustehen habe, weil die Spieler einander gar nicht gekannt hätten und auch gar keine realistische Möglichkeit bestanden habe, deren Identität zu erfahren. Schon die unabsehbare Anzahl der zu erwartenden Mitspieler habe dies verhindert; dazu hätten sich viele Spieler nur mit Synonymen wie "Pferd", "Aras", "Wuffi", "Bingo" etc bezeichnet. Diese Argumentation, die zum Problem der Haftung des Vertreters für Ansprüche gegen den Vertretenen hinführt, läßt unter Beachtung des Gebots umfassender rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhalts tatsächlich die Berechtigung des Klagebegehrens - auch hinsichtlich der Spieleinsätze - erkennen.

Auszugehen ist zunächst davon, daß das Berufungsgericht zu Recht der Lehre folgte, die in teilweiser Abkehr von der zitierten SZ 19/184 alles für rückforderbar hält, was auf der Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksvertrages gezahlt wurde (Krejci in Rummel2, Rz 66 zu §§ 1267 - 1274 ABGB Koziol/Welser I10, 413). Dieser Lehre ist auch die Judikatur bereits gefolgt (vgl 7 Ob 579/95). Demnach erzeugen verbotene Spiele nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne daß dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde, weil die Leistung nicht "zur Bewirkung" der unerlaubten Handlung, sondern als "Einsatz" erbracht wurde. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote. Daß die Klägerin den eingeklagten Spieleinsatz von der beklagten Partei zurückverlangen könnte, wäre diese ihr Vertragspartner (Mitspieler), steht daher fest.

Zutreffend belegt und keiner weiteren Erörterung mehr bedürftig (§ 510 Abs 3 ZPO) ist dazu noch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die beklagte Partei - hält man mangels ausreichender Anfechtung an der Geltung der allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Action-Corporation-System-International fest - bei der Entgegennahme und Verwendung der Spieleinsätze als Stellvertreter der am Pyramidenspiel Beteiligten gehandelt und dieses Vertretungsverhältnis offengelegt hat. Der Offenlegungsgrundsatz verlangt nämlich - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte - nicht, den Namen des Geschäftsherrn zu nennen (Strasser in Rummel2, Rz 50 zu § 1002 ABGB mwN). Wer als Bevollmächtigter auftritt, ist jedoch im Verhältnis zum Dritten nicht irgend jemand, sondern eine Person, die am Vertragsgeschehen entscheidend beteiligt ist. Ihn treffen Aufklärungspflichten, für deren Verletzung er nach Vertragsgrundsätzen zu haften hat; es kann ihn sogar eine unmittelbare Haftung für Ansprüche gegen den Geschäftsherrn dann treffen, wenn er mit dem Vertragsabschluß eigene Interessen verfolgt (vgl SZ 51/79 mwN). In Weiterentwicklung dieses Grundsatzes hat die Judikatur eine kumulative Verantwortlichkeit von Vertretenem und Vertreter dann bejaht, wenn der Vertreter ein erhebliches und unmittelbares eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages hatte oder bei den Vertragsverhandlungen in besonderem Maß persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und die Verhandlungen dadurch beeinflußt hat (SZ 56/135; SZ 57/37; vgl auch JBl 1990, 599). Diese Haftung greift auch dann ein, wenn es gilt, den Vertreter für die Rückabwicklung eines aufgehobenen Vertrages aus dem Titel des Schadenersatzes einstehen zu lassen (vgl SZ 56/135).

Nun trifft es zu, daß ein bloßer Entgeltanspruch aus dem Innenverhältnis zum Vertretenen nicht genügt, um ein die Haftung rechtfertigendes wirtschaftliches Eigeninteresse des Vertreters annehmen zu können (Welser, Vertretung ohne Vollmacht, 102). Es muß sich vielmehr um ein ausgeprägtes wirtschaftliches Interesse handeln, das der Vertreter gerade im Verhältnis zum Gegenkontrahenten verfolgt (SZ 56/135). Dies ist jedoch hier der Fall. Die beklagte Partei läßt sich ihre Mühewaltung im Zusammenhang mit der Organisation und Abwicklung des streitgegenständlichen Gewinnspiels durch eine von jedem Teilnehmer, ja sogar bei jedem Geschäftsfall eingehobene Verwaltungsgebühr entlohnen. Ihr eigenwirtschaftliches Interesse an der Werbung von Mitspielern (denen sie durch die besondere Vertragsgestaltung die Alleinverantwortung für den Erfolg des Spiels auflastete, indem sie direkt miteinander kontrahieren) ist daher unübersehbar und kann geradezu als Motor des ganzen Systems betrachtet werden. Zu Recht macht daher die Klägerin geltend, daß die Beklagte, die am Zustandekommen eines verbotenen Spiels maßgeblich mitwirkte, für die aus der Rückabwicklung des nichtigen Vertrags resultierenden Ansprüche unmittelbar haftet.

Das Klagebegehren besteht somit sowohl hinsichtlich der Einsätze der Klägerin - soweit sie diese nicht in Form von Ausschüttungen ohnehin zurückerhalten hat - als auch hinsichtlich der entrichteten Verwaltungsgebühren samt gesetzlichen Zinsen ab Geltendmachung dieser Ansprüche (die Klage wurde der beklagten Partei am 29.8.1994 zugestellt) zu Recht. Abzuweisen war nur das über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehende Zinsenbegehren, weil die Klägerin, wie schon das Berufungsgericht feststellte, die behauptete Belastung durch Kreditzinsen nicht nachgewiesen hat.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Zu berücksichtigen war dabei, daß die Klägerin, die zunächst S 198.000,-- s.A. begehrt hatte, bis zur Einschränkung des Klagebegehrens am Beginn der mündlichen Streitverhandlung am 18.1.1995 nur mit ca 56 % ihres Begehrens durchgedrungen ist, sodaß sie im ersten Verfahrensabschnitt nur 12 % ihrer Vertretungskosten und 56 % ihrer Barauslagen ersetzt verlangen kann; in allen folgenden Verfahrensstadien ist sie als voll obsiegend zu betrachten, doch beruht das ihrer Revisionsbeantwortung angeschlossene Kostenverzeichnis auf einer unrichtigen Bemessungsgrundlage. Es ergeben sich damit folgende Kostenersatzansprüche: Für die erste Instanz S 19.132,99 (darin enthalten S 3.494,40 Barauslagen und S 2.606,43 USt), für die zweite Instanz S 25.388,20 (darin enthalten S 10.600,-- Barauslagen und S 2.464,70 USt) sowie für dritte Instanz S 24.103,64 (davon S 13.250,-- Barauslagen und S 1.808,94 USt).

Rechtssätze
6
  • RS0102179OGH Rechtssatz

    30. Oktober 2014·3 Entscheidungen

    Pyramidenspiel: Die zur Wahrung oder Erhöhung der eigenen Gewinnchance notwendige Anwerbung neuer Mitspieler hängt hier nicht nur von den Fähigkeiten des werbenden Teilnehmers ab, sondern ist durch die Anzahl der vorhandenen Interessenten begrenzt. Daß diese Zahl nicht beliebig vermehrbar ist, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, die auch dadurch nicht widerlegt wird, daß die Möglichkeit einer mehrmaligen Beteiligung an einem von der ständigen Vermehrung der Mitspieler abhängigen Gewinnspiel besteht. Auch dieses Reservoir an Mitspielern erschöpft sich zwangsläufig, weil nicht erwartet werden kann, daß sich alle Spieler oder auch nur einzelne, diese dafür in einer sich unendlich wiederholenden, immer schneller fortschreitenden Reihe, für eine Wiederbeteiligung gewinnen lassen. Die Gewinnchance der Mitspieler insgesamt hängt daher bei jedem nach dem Schneeballsystem funktionierenden Pyramidenspiel letztlich vom Zufall ab, wenn man die Inkaufnahme des unausweichlichen Verlustes der letzten Teilnehmer nicht überhaupt als Betrug wertet. Es kommt hier auf eine Gesamtschau an, die nicht nur die ersten Teilnehmer mit (noch) intakten "Gewinnchancen", sondern auch die Spieler einer späteren Phase berücksichtigt, deren Verlust praktisch vorprogrammiert ist. Eben diese Gesamtschau verbietet es auch, die organisatorische, verwaltende Tätigkeit der beklagten Partei vom eigentlichen "Spielbetrieb" zu trennen. Die Klägerin wurde für die Teilnahme am streitgegenständlichen Pyramidenspiel gewonnen, wofür sie einen Einsatz zu leisten und dazu noch eine Verwaltungsgebühr zu entrichten hatte. Der "(Werk-)Auftrag" an die beklagte Partei war Voraussetzung für die Beteiligung am verbotenen Spiel und damit so eng mit diesem verflochten, daß die Nichtigkeit das gesamte Vertragsverhältnis erfaßt. Zu Recht ist daher von der Nichtigkeit des gesamten zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrages auszugehen.