JudikaturJustiz5Ob211/23z

5Ob211/23z – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. April 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers T*, vertreten durch Mag. Thomas Meier, Mag. Martin Gürtler, Rechtsanwälte in Bludenz, wegen Eintragungen ob der Liegenschaft EZ *, über den Revisionsrekurs des A*, vertreten durch Dr. Emelle Eglenceoglu, Rechtsanwältin in Feldkirch, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 3. Oktober 2023, AZ 10 R 161/23k, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bludenz vom 5. September 2023, TZ 4190/2023 2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

[1] Der Antragsteller ist der Sohn und testamentarische Erbe des früheren Eigentümers von mehreren Liegenschaften und Liegenschaftsanteilen, darunter die EZ *. Mit Einantwortungsbeschluss vom 9. September 2022 wurde dem Antragsteller die Verlassenschaft aufgrund der aus dem Titel des Testaments vom 16. Februar 2021 abgegebenen bedingten Erbantrittserklärung unter Hinweis auf das Pflichtteilsübereinkommen vom 2. September 2022 zur Gänze eingeantwortet.

[2] Der Antragsteller begehrte die Einverleibung seines Eigentumsrechts (auch) auf der Liegenschaft EZ * sowie die Eintragung eines – näher bezeichneten – Höchstbetragspfandrechts zugunsten einer Bank auf derselben Liegenschaft (simultan haftend mit einer weiteren Liegenschaft). Zu dem auf der Liegenschaft EZ * zu C LNR * verbücherten Vorkaufsrecht des nunmehrigen Revisionsrekurswerbers brachte er vor, es liege kein Vorkaufsfall im Sinn der Vereinbarung vom 4. April 2018 vor, weil kein bestimmter oder auf eine festgelegte Weise bestimmbarer Preis für die Einlösung der belasteten Sache vereinbart worden sei; das Vorkaufsrecht sei daher auf den Erben (Antragsteller) zu übertragen.

[3] Das Erstgericht bewilligte sämtliche beantragten Einverleibungen.

[4] Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Vorkaufsberechtigten – nur gegen die Punkte 10 und 11 des Beschlusses und nur betreffend die insoweit bewilligten Einverleibungen auf der Liegenschaft EZ * erhobenen – Rekurs nicht Folge.

[5] Dem einverleibten Vorkaufsrecht liege die Vereinbarung vom 4. April 2018 zugrunde, mit der dem Vorkaufsberechtigten „für alle Veräußerungsarten“ ob der Liegenschaft EZ * (bestehend aus den Grundstücken Nr ,*) an den Grundstücken Nr * das Vorkaufsrecht eingeräumt worden sei. Einschränkend sei festgehalten worden, dass dieses Recht nicht für Veräußerungsgeschäfte welcher Art auch immer gelte, die zwischen dem Liegenschaftseigentümer und seiner Nichte K* abgeschlossen würden. Der Vorkaufsfall eines – wie hier – „erweiterten“ Vorkaufsrechts werde nur ausgelöst, wenn der Übergang auf eine rechtsgeschäftliche Verfügung des Verpflichteten zurückgehe. Auch ein Vermächtnis zähle zu den „anderen Veräußerungsarten“ und die testamentarische Verfügung sei ebenso zu behandeln, weshalb sich die Frage stelle, welcher Einlösungspreis heranzuziehen sei. Die Einlösung setze nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass schon bei der Einräumung des Vorkaufsrechts der Einlösungspreis bestimmt oder bestimmbar vereinbart worden oder zumindest durch einen Schätzwert in Geld ausgleichbar sei. Ansonsten bleibe das verbücherte Vorkaufsrecht in seinem Bestand unberührt und hafte weiterhin auf der Liegenschaft und komme erst zum Tragen, wenn der Erwerber seinerseits die Liegenschaft veräußern wolle. Im Zusammenhang mit der Schenkung als „andere Veräußerungsart“ habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass bei einer solchen nur subjektive Wertvorstellungen des Geschenkgebers maßgebend seien, die nicht in einem in Geld ausdrückbaren Gegenwert erfasst werden könnten; dem Veräußerer solle keine von ihm nicht gewollte Geldleistung an Stelle einer von ihm angestrebten „Gegenleistung“ aufgezwungen werden. Dies gelte auch für den Fall einer testamentarischen Verfügung, weil auch hier die Wertvorstellungen des Verfügenden nicht durchschaubar seien. Der Vorkaufsfall sei aus diesem Grund nicht eingetreten und das Erstgericht habe zutreffend die (gesamte) beantragte Eigentumseinverleibung zugunsten des Antragstellers bewilligt. Hinsichtlich der Einverleibung des Höchstbetragspfandrechts sei der Rekurswerber schon wegen des Rangprinzips in seinen Rechten nicht verletzt.

[6] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Überlegungen zur Schenkung und einem Vorkaufsrecht auch für letztwillige Verfügungen heranzuziehen seien.

[7] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Vorkaufsberechtigten mit dem Antrag, den Beschluss in seinen Spruchpunkten 10 und 11, in denen die Einverleibungen des Eigentumsrechts für den Antragsteller und die Simultanhaftung für die (näher genannte) Höchstbetragshypothek auf der Liegenschaft EZ * bewilligt wurden, ersatzlos aufheben.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung zulässig. Er ist allerdings im Ergebnis nicht berechtigt.

[9] 1. Zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, dass der Vorkaufsberechtigte durch die bewilligten Einverleibungen des Eigentumsrechts des Antragstellers sowie der (simultan haftenden) Höchstbetragshypothek auf der Liegenschaft in seinen bücherlichen Rechten beeinträchtigt sein kann und er daher zur Anfechtung des Beschlusses legitimiert ist (vgl etwa 5 Ob 210/02x mwN).

[10] 2. Das Rechtsmittelverfahren in Grundbuch-sachen ist einseitig (§ 124 letzter Satz, § 126 Abs 2 letzter Satz GBG; RS0116902).

[11] 3.1 Ebenfalls zutreffend hat das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass ein einverleibtes Vorkaufsrecht grundsätzlich ein Eintragungshindernis bildet und dass die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft, an der ein verbüchertes Vorkaufsrecht besteht, nur bewilligt werden darf, wenn a) kein Vorkaufsfall vorliegt, b) der Vorkaufsberechtigte zustimmt oder c) urkundlich nachgewiesen wird, dass dem Vorkaufsberechtigten die Liegenschaft zum Kauf angeboten wurde und er von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hat (5 Ob 158/22d mwN; RS0021839). Liegt kein Vorkaufsfall vor, dann bleibt das verbücherte Vorkaufsrecht bestehen, haftet weiterhin auf der belasteten Liegenschaft und kommt erst zum Tragen, wenn der Erwerber seinerseits die Liegenschaft veräußern will (vgl RS0014294).

[12] 3.2 Liegt eine Vereinbarung vor, nach welcher sich das Vorkaufsrecht auch auf „andere Veräußerungsarten“ erstrecken soll („erweitertes Vorkaufsrecht“; § 1078 ABGB), dann kommt es auf die Vereinbarung an, ob die Anbotsverpflichtung bei jeder Veräußerung oder nur bei bestimmten Veräußerungsarten besteht. Wird ein Vorkaufsrecht pauschal und ohne Einschränkung für „alle Veräußerungsarten“ vereinbart, kann es grundsätzlich ausgeübt werden, sofern nur irgendein Veräußerungsfall vorliegt (5 Ob 17/15h; 5 Ob 14/11m, je mwN). Zu den „anderen Veräußerungsarten“ im Sinn des § 1078 ABGB zählen grundsätzlich alle Rechtsgeschäfte, die das endgültige Ausscheiden einer Sache aus dem Vermögen des einen und ihre Übertragung auf einen anderen bezwecken oder bewirken (RS0107637; 5 Ob 168/22z; Verschraegen in Kletečka / Schauer , ABGB ON 1.08 § 1078 Rz 4 mwN).

[13] 3.3 Bleiben Zweifel, ob der Vorkaufsfall eingetreten ist, so wirkt das verbücherte Vorkaufsrecht wie ein vom Grundbuchsgericht von Amts wegen zu beachtendes Veräußerungsverbot, das ohne zureichenden urkundlichen Nachweis der Zustimmung des Vorkaufsberechtigten oder der Nichtannahme eines gehörigen Einlösungsangebots der Einverleibung eines Eigentumsübergangs entgegen steht, weil derartige Zweifelsfragen nicht im Grundbuchsverfahren gelöst werden können (RS0020201; vgl auch RS0060573; RS0060878).

[14] 3.4 In der Entscheidung 5 Ob 129/23s hat der Fachsenat jüngst – nach ausführlicher Wiedergabe der Rechtsprechung und Lehre – ausgesprochen, dass auch der Eigentumsübergang auf den mit letztwilliger Verfügung berufenen Rechtsnachfolger (im Unterschied zum Eigentumserwerb im Weg der gesetzlichen Erbfolge) ein Vorkaufsfall sein kann. Im Fall eines vereinbarten „erweiterten Vorkaufsrechts“ ohne weitere Einschränkung auf bestimmte Veräußerungsarten bildet daher die testamentarische Erbfolge grundsätzlich einen Vorkaufsfall.

[15] 3.5 Der Antragsteller hat (auch) die Liegenschaft EZ * aufgrund des Testaments vom 16. Februar 2021 erworben. Außerdem verweist der Einantwortungsbeschluss auf ein Pflichtteilsübereinkommen vom 2. September 2022, weshalb es sich nicht um eine – den Eintritt eines Vorkaufsfalls von vornherein ausschließende – gesetzliche Erbfolge handelt. Daher könnten zumindest Zweifel daran bestehen, ob durch den Übergang des Eigentums hier ein Vorkaufsfall eingetreten wäre.

[16] 3.6 Allerdings wurde hier das Vorkaufsrecht dem Einschreiter nur an neun der insgesamt 13 Grundstücke der Liegenschaft EZ * eingeräumt; dies ergibt sich aus sowohl aus dem Text der Vereinbarung als auch aus dem damit übereinstimmenden Grundbuchstand (C LNR *).

[17] 4.1 Ein Vorkaufsrecht kann sich zwar aus materieller Sicht auf nur eines von mehreren Grundstücken einer Liegenschaft oder auf einen bloßen Grundstücksteil beziehen (dazu ausführlich 6 Ob 238/08f mwN; ebenso bereits 5 Ob 87/06i mwN). Die Belastung ist aber dennoch auf dem ganzen Grundbuchskörper (und nicht nur auf demjenigen Teil, auf den sich die Ausübung dieses Rechts bezieht) einzuverleiben (RS0060181; RS0060186 [T1, T2, T3]; RS0118470 [T3]; dazu auch Rassi in Kodek , Grundbuchsrecht 2 § 3 Rz 20 mwN). Bei einem bücherlich einverleibten Vorkaufsrecht für ein einzelnes Grundstück (oder für nur einzelne Grundstücke) einer aus mehreren Grundstücken bestehenden Liegenschaft (oder eines bloßen Grundstücksteils) ist der Vorkaufsfall grundsätzlich auf den belasteten Bestandteil der Liegenschaft beschränkt (5 Ob 28/19g). Der Vorkaufsberechtigte hat nur Anspruch auf Anbietung des mit dem Vorkaufsrecht belasteten Liegenschaftsteils (vgl 5 Ob 131/19d mwN). Lediglich dem Verpflichteten kommt – jedenfalls wenn anzunehmen ist, dass der mit dem Vorkaufsrecht belastete Teil in untrennbarem Zusammenhang mit dem Verkauf der unbelasteten Restanteile steht – das Gestaltungsrecht zu, das Vorkaufsrecht auf den gesamten Miteigentumsanteil zu erweitern und diesen dem Vorkaufsberechtigten mit der Rechtsfolge anzubieten, dass er sie bei sonstigem Verlust des Vorkaufsrechts einlösen muss (5 Ob 28/19g mwN).

[18] 4.2 Die Belastung durch ein lediglich an einzelnen Grundstücken einer Liegenschaft bestehendes Vorkaufsrecht ist daher (entsprechend dem Grundsatz der einheitlichen Eintragung von Belastungen des § 3 Abs 1 GBG) auf dem gesamten Grundbuchskörper einzuverleiben. Der Vorkaufsfall für ein solches Vorkaufsrecht wird aber durch den Übergang des Eigentums an der gesamten Liegenschaft nicht ausgelöst: Das – nicht die gesamte Liegenschaft betreffende – Vorkaufsrecht bleibt bei der Veräußerung der gesamten Liegenschaft aufrecht ( Rassi in Kodek , Grundbuchsrecht 2 § 3 Rz 20 mwN; derselbe , Grundbuchsrecht 3 Rz 4.119 mwN; dieser Auffassung ausdrücklich folgend 6 Ob 238/08f).

[19] 4.3 Die Vorinstanzen haben daher den Antrag auf Einverleibung des Eigentumsrechts des Antragstellers (auch) an der Liegenschaft EZ * im Ergebnis zutreffend bewilligt und dabei das Vorkaufsrecht unverändert aufrecht erhalten, weil hier der Vorkaufsfall nicht eingetreten ist. Dies ergibt sich – ohne verbleibende Zweifel – aus dem Grundbuchstand und den vorgelegten Urkunden, weil das Vorkaufsrecht nur einzelne Grundstücke der Liegenschaft betrifft. Auf das vom Rekursgericht herangezogene Argument der – in Anbetracht des widerstreitenden Vorbringens des Vorkaufsberechtigten – Möglichkeit einer Bestimmbarkeit der Gegenleistung, das hier Zweifel am Eintritt des Vorkaufsfalls begründet und damit ein Eintragungshindernis gebildet hätte, kommt es im vorliegenden Fall daher nicht an.

[20] 5. Zu der vom Vorkaufsberechtigten ebenfalls beanstandeten Eintragung der Höchstbetragshypothek ist darauf hinzuweisen, dass diese die Rechte des Revisionsrekurswerbers als Verkaufsberechtigte nicht beeinträchtigt, zumal die bloße Belastung der Liegenschaft dem Vorkaufsrecht nicht entgegensteht (es wirkt als Veräußerungsverbot; Apathy/Perner KBB 7 § 1074 Rz 3 mwN).

Rechtssätze
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