JudikaturJustiz4Ob58/23t

4Ob58/23t – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P* GmbH Co KG, *, vertreten durch die Ploil Boesch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung, Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert im Provisorialverfahren 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 3. März 2023, GZ 33 R 9/23w 17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO in Verbindung mit § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Fernsehveranstalterin und Medieninhaberin eines Fernsehprogramms. Die Beklagte ist Medieninhaberin und Veranstalterin eines TV Senders sowie Medieninhaberin einer Website, auf der sie einen audiovisuellen Mediendienst auf Abruf betreibt.

[2] Die Klägerin strahlte im Zuge ihrer Berichterstattung zur Bundespräsidentenwahl 2022 in ihrem Fernsehprogramm die Diskussionssendung „Runde der Herausforderer“ aus. Einer der Kandidaten veröffentlichte auf seinem YouTube-Kanal ein Video, das auch einen 24 Sekunden langen Ausschnitt aus der genannten Sendung der Klägerin enthielt. Die Beklagte sendete sodann auf ihrem Sender den Beitrag des Präsidentschaftskandidaten einschließlich des darin enthaltenen Ausschnitts der Sendung der Klägerin und stellte ihn auch auf ihrer Website zum Abruf bereit.

[3] Das Erstgericht, sodann bestätigt vom Rekursgericht, gebot der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung, zu unterlassen, Programminhalte der Klägerin oder deren Bestandteile, insbesondere Teile der Berichterstattung zur Bundespräsidentenwahl 2022, ohne Zustimmung der Klägerin zu vervielfältigen und/oder auf dem von ihr betriebenen Programm zu senden und/oder im Rahmen des auf der Website betriebenen Abrufdienstes zum Abruf bereitzustellen.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Beklagte macht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs geltend, es handle sich um eine zulässige Berichterstattung über Tagesereignisse und somit um eine freie Werknutzung iSv § 42c UrhG bzw liege ein zulässiges Zitat gemäß § 42f Abs 1 UrhG vor. Im Übrigen sei die Umformulierung des Unterlassungsauftrags zu Unrecht erfolgt; vielmehr wäre das Unterlassungsbegehren zur Hälfte abzuweisen gewesen.

[5] 1.1. Ob die Vervielfältigung von Werken, die bei Vorgängen, über die berichtet wird, öffentlich wahrnehmbar werden, im Rahmen der Freiheit zur Tagesberichterstattung gemäß § 42c UrhG zulässig ist – weil sie in einem durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang erfolgt –, richtet sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls (RS0108466; 4 Ob 203/97z). Die Ausnahmebestimmung ist im Sinn einer sachgerechten Interessenabwägung eng auszulegen (RS0108465). Die Frage, ob auch eine Berichterstattung im Sinn dieser Ausnahmebestimmung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt (4 Ob 368/69) und nicht nach ihrem Zweck zu beurteilen. Dabei stellt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 42c UrhG im Einzelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 528 Abs 1 ZPO dar (4 Ob 51/98y).

[6] 1.2. Die freie Werknutzung betrifft nur Werke, die im Rahmen der Berichterstattung über ein Tagesereignis öffentlich wahrnehmbar werden. Damit trägt das Gesetz der Tatsache Rechnung, dass eine tagesaktuelle (Bild-)Berichterstattung die Wiedergabe dabei wahrnehmbarer Werke in der Regel nicht vermeiden kann (RS0108465). Eine allgemeine Rechtfertigung für die Verwertung von Lichtbildern oder Filmen, die (selbst) Tagesereignisse zeigen oder damit in Zusammenhang stehen, ergibt sich daraus nicht. Das Werk als solches darf nicht allein Gegenstand des Tagesereignisses sein (vgl 4 Ob 92/08w [3.2.]; 4 Ob 7/19m).

[7] 1.3. Das Rekursgericht bewegt sich im Rahmen dieser Rechtsprechung, wenn es den klagsgegenständlichen Ausschnitt aus der Sendung der Klägerin nicht als „Tagesereignis“ beurteilt, weil ein solches nur die Bundespräsidentenwahl selbst oder allenfalls die Bilanz des Kandidaten sein kann, nicht aber ein darüber veröffentlichtes Video.

[8] 1.4. Vertretbar hat das Rekursgericht die freie Werknutzung nach § 42c UrhG auch deshalb verneint, weil der Informationszweck, nämlich die Berichterstattung über das Resümee des Kandidaten, nicht die Übernahme des Ausschnitts der Sendung der Klägerin erforderte (vgl RS0108466).

[9] 2.1. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Veröffentlichung von Lichtbildern als Bildzitat ist, dass das in den Berichten jeweils wiedergegebene Bild Zitat- und Belegfunktion hatte und nicht nur dazu diente, die Berichterstattung zu illustrieren, um so die Aufmerksamkeit der Leser auf den Bericht zu lenken (4 Ob 81/17s [3.3.2]). Ein nach § 42f UrhG zulässiges Bildzitat muss erkennbar der Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk dienen, etwa als Beleg oder Hilfsmittel der eigenen Darstellung. Es muss eine innere Verbindung zwischen dem eigenen und dem fremden Werk hergestellt werden. Zu fragen ist immer, ob der Zitatzweck nicht auch anders gleichermaßen erreicht werden hätte können, zB durch Einholung einer Zustimmung des Rechteinhabers zur Übernahme des Schutzgegenstands oder durch dessen Darstellung mit eigenen Worten (RS0124069 [T3]).

[10] 2.2. Das Rekursgericht hat dargetan, dass die Verwendung des Ausschnitts aus der Sendung der Klägerin nicht unumgänglich für die Berichterstattung der Beklagten über das Resümee des Kandidaten über seinen Wahlkampf war (RS0115377 [T9]) und auch keine Zitat- oder Belegfunktion für die eigene Berichterstattung hatte (vgl 4 Ob 105/03z). Damit hat es das Vorliegen eines Zitatrechts gemäß § 42f UrhG vertretbar verneint.

[11] 3. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Klagebegehrens zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0037874 [T33, T39]); dies gilt auch für Unterlassungsbegehren (RS0037874 [T38]). Bei Urheberrechtsverletzungen ist auf jenes Verwertungsrecht abzustellen, das durch die konkrete Verletzungshandlung berührt wird (4 Ob 88/10k). Dazu ist anerkannt, dass das Gericht dem Spruch eine klare und deutliche, auch vom Begehren abweichende Fassung geben kann, sofern diese in den Behauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und sich im Wesentlichen mit seinem Begehren deckt (RS0039357; RS0041254; 4 Ob 42/12y).

Rechtssätze
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