JudikaturJustiz4Ob33/02k

4Ob33/02k – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Februar 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen Hermann G*****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Tochter Gabriela G*****, vertreten durch Dr. Ernst Brunner, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 30. November 2001, GZ 16 R 224/01g 76, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 26. Juni 2001, GZ 2 A 119/00z 72, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird aufgetragen , nach Verfahrensergänzung erneut über die Annahme der Erbserklärung der Monika G***** zu entscheiden.

Text

Begründung:

Der Erblasser hat in einem Kodizill vom 27. 3. 1997 seinen Sohn bedacht; sein Testament vom 18. 5. 1997 lautet wie folgt:

"Es ist mein Wille, dass nach meinem Tode mein gesamter Besitz in das Eigentum meiner Gattin Theresia übergeht und unsere Kinder Monika, Gabriela und Hermann erst nach dem Ableben meiner Frau oder zu einem früheren, nur von ihr bestimmbaren Zeitpunkt erben. Mit Ausnahme meines Gartens in der K*****straße, Grundstücksnummer *****, den mein Sohn Mag. Hermann G***** nach meinem Tod bekommt (Testament schon vorhanden; 27. 3. 1997).

Da jedes unserer Kinder bereits zu Lebzeiten einen Anteil in Form eines Hauses (Hermann), Möbeln, Wohnzimmereinrichtung (Gabi) sowie Wohnung und Geld (Monika) erhalten hat, entfällt der gesetzliche Pflichtanteil und darf daher von keinem der drei Kinder gefordert werden."

Die Witwe gab aufgrund des Testaments eine unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlass ab. Der Sohn nahm das Legat an und verzichtete - ebenso wie seine Schwester Gabriela - auf den Pflichtteil. Monika G***** gab keinen Pflichtteilsverzicht ab. Sie bestritt die Gültigkeit des Testaments mit der Begründung, dass der Vater nicht testierfähig gewesen sei, und gab aufgrund des Gesetzes zu 2/9 eine bedingte Erbserklärung ab. Das Erstgericht nahm mit Beschluss vom 2. 2. 1998 sowohl ihre Erbserklärung als auch die der Witwe an, bestellte einen Verlassenschaftskurator und teilte der Tochter die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zu.

Monika G***** brachte die Erbrechtsklage fristgerecht zu 4 Cg 65/98d des Landesgerichts St. Pölten ein. Das Verfahren ist noch anhängig.

Am 27. 10. 1999 verstarb die Witwe. In dem zu 7 A 1502/99g des Bezirksgerichts Tulln geführten Verlassenschaftsverfahren gab Gabriela G***** aufgrund eines Testaments vom 10. 4. 1997 eine unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlass ab. Monika G***** bestritt auch die Gültigkeit dieses Testaments und gab aufgrund des Gesetzes zu einem Drittel des Nachlasses eine bedingte Erbserklärung ab. Auch in diesem Verfahren wurde ihr die Klägerrolle zugewiesen; sie hat jedoch keine Erbrechtsklage eingebracht.

In der Folge brachte Monika G***** im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren vor, das - von ihr ursprünglich als ungültig bestrittene - Testament ihres Vaters vom 18. 5. 1997 enthalte in Wahrheit eine fideikommissarische Substitution zu Gunsten aller drei Kinder. Durch den Tod der Witwe sei der Substitutionsfall eingetreten und deren Vermögen in die Abhandlung nach dem Vater einzubeziehen. Monika G***** erklärte, nunmehr aufgrund des Testaments vom 18. 5. 1997 zu einem Drittel des Nachlasses die bedingte Erbserklärung abzugeben.

Mit Beschluss vom 26. 6. 2001 nahm das Erstgericht die Erbserklärung an.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die nunmehrige Erbserklärung stehe zwar im Widerspruch zur ersten Erbserklärung; das schließe ihre Annahme aber nicht aus, weil der Erbrechtstitel nachträglich geändert werden könne. Das Erstgericht werde Monika G***** zur Klarstellung aufzufordern haben, wie sich die nunmehrige Erbserklärung zur ersten verhalte. Allenfalls werde sodann nach § 125 AußStrG vorzugehen sein. Die nunmehrige Erbserklärung könne jedenfalls nicht als Anerkenntnis der Gültigkeit des Testaments gewertet werden, weil eine solche Erklärung nur im Erbrechtsstreit abgegeben werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs Gabriela G*****s ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, dass die nunmehrige Erbserklärung rechtlich nicht möglich sei. Solange ihre Schwester die Gültigkeit des Testaments bestreite, könne sie keine Erbserklärung aufgrund des Testaments abgeben. In einem solchen Fall sei die Erbeneigenschaft in völlig unzweifelhafter Weise ausgeschlossen. Die (zweite) Erbserklärung ihrer Schwester sei daher zurückzuweisen.

Die Rechtsmittelwerberin erblickt die Unzulässigkeit der (zweiten) Erbserklärung damit allein darin, dass die Erbansprecherin im Erbrechtsstreit nach wie vor die Ungültigkeit des Testaments behauptet. Wird allein dieser Gesichtspunkt betrachtet, so muss ihr entgegengehalten werden, dass das Gericht die Annahme einer Erbserklärung (nur) verweigern kann, wenn der in Anspruch genommene Titel keinesfalls zu einer Einantwortung des Nachlasses an den erbserklärten Erben führen kann (stRsp ua 3 Ob 2191/96v = SZ 69/161; Welser in Rummel , ABGB³ §§ 799, 800 Rz 16 mwN). Gemäß § 122 AußStrG hat das Gericht nämlich jede in der vorgeschriebenen Form ausgestellte Erbserklärung anzunehmen. Eine Prüfung der materiellen Berechtigung findet grundsätzlich nicht statt ( Welser aaO §§ 799, 800 Rz 14 mwN). Solange daher nicht unzweifelhaft feststeht, dass der Erbansprecher nicht Erbe sein kann, muss das Gericht die Erbserklärung annehmen.

Ob die Erbeneigenschaft des Erbansprechers völlig ausgeschlossen ist, ist nach der Aktenlage zu beurteilen. Solange der behauptete Titel überhaupt geeignet ist, zu einer Einantwortung zu führen, muss die Erbserklärung angenommen werden (s Welser aaO §§ 799, 800 Rz 16 mwN). Das muss auch dann gelten, wenn der Erbansprecher im Verlassenschaftsverfahren die Gültigkeit des Testaments bestritten hat und - wie im vorliegenden Fall - im anhängigen Erbrechtsstreit noch bestreitet. Durch die auf das Testament gestützte Erbserklärung wird im Verlassenschaftsverfahren die Gültigkeit des Testaments schlüssig behauptet; der im Erbrechtsstreit eingenommene Prozessstandpunkt steht dem nicht entgegen. Er kann vor allem nicht bewirken, dass die Erbserklärung in sich widersprüchlich wäre oder dass eine Einantwortung aufgrund des Testaments zweifelsfrei ausgeschlossen wäre. Dass der Erbansprecher die Gültigkeit des Testaments bestritten hat oder - im anhängigen Erbrechtsstreit - noch bestreitet, sagt nämlich nichts darüber aus, ob das Testament tatsächlich ungültig ist.

Im vorliegenden Fall ist daher nicht völlig ausgeschlossen, dass die Schwester der Rechtsmittelwerberin Testamentserbin ist. Sie hat allerdings bereits vor der verfahrensgegenständlichen Erbserklärung eine Erbserklärung abgegeben, die sie auf das Gesetz gestützt hat. Dem Erstgericht lag damit bei Abgabe der zweiten Erbserklärung bereits eine Erbserklärung aufgrund des Gesetzes vor, deren Verhältnis zur zweiten, auf das Testament gestützten Erbserklärung ungeklärt geblieben ist.

Daraus muss noch nicht die Unzulässigkeit der zweiten Erbserklärung folgen. Der Erbe kann das Erbrecht aufgrund verschiedener Titel in Anspruch nehmen, wenn (zB) der Erblasser nicht über den gesamten Nachlass verfügt hat oder wenn wenigstens der Erbe das Testament so auslegt, dass es Erbansprüche aufgrund des Gesetzes bestehen lässt. Der Erbe kann Berufungsgründe auch nur hilfsweise anführen und sich damit dagegen absichern, dass sich der zuerst in Anspruch genommene Berufungsgrund als unzureichend erweist ( Welser aaO §§ 799, 800 Rz 9 mwN). Sind die beiden Erbserklärungen aber miteinander unvereinbar, so kann die zweite Erbserklärung nur insoweit wirksam sein, als darin eine (zulässige) Änderung der ersten Erbserklärung liegt.

Da die Erbserklärung unwiderruflich ist (§ 806 ABGB), kann sie nur beschränkt geändert werden. Bis zur Rechtskraft der Einantwortung kann der Titel geändert werden (1 Ob 540, 541/94 = NZ 1996, 273 ua); die nachträgliche Änderung der in Anspruch genommenen Erbquote wird (zumindest dann) als zulässig angesehen, wenn sie auf Änderungen im Verlassenschaftsverfahren zurückzuführen ist ( Welser aaO §§ 799, 800 Rz 10 mwN).

Im vorliegenden Fall ist offengeblieben, in welchem Verhältnis die zweite Erbserklärung zur ersten Erbserklärung stehen soll. Diese Frage muss entgegen der Auffassung des Rekursgerichts bereits vor der Entscheidung über die Annahme geklärt werden, weil ihre Beantwortung darüber entscheidet, ob die zweite Erbserklärung angenommen werden kann. Das Erstgericht wird die Erbansprecherin daher zur Klarstellung aufzufordern haben.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Rechtssätze
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