JudikaturJustiz3Ob585/84

3Ob585/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 5. August 1981 verstorbenen Matthäus Johann D*****, infolge Revisionsrekurses 1. der erblichen Witwe K*****, und 2. der erblichen Tochter Erika P*****, beide vertreten durch Dr. Romeo Nowak, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Juli 1984, GZ 44 R 158, 181/84 35, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 29. Februar 1984, GZ 1 A 471/81 28 und 30, aufgehoben wurden, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am 5. 8. 1981 verstorbene Matthäus D***** hat seine Ehegattin Karoline D*****, seine beiden Töchter aus erster Ehe Maria J***** und Johanna S*****, sowie seine Tochter aus zweiter Ehe, Erika P*****, gleichteilig zu Erben seines Nachlasses eingesetzt; eine weitere Tochter aus erster Ehe, die voll entmündigte Paula S*****, beschränkte er auf den Pflichtteil.

Matthäus D***** war gemeinsam mit seiner Ehegattin Karoline D***** Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** je zur Hälfte. Auf dieser Liegenschaft befand sich ein Haus, das vor 1975 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wurde. Bauführer des Neubaues eines zur Gänze unterkellerten, einstöckigen Kleinhauses mit zwei Kleinwohnungen waren Erika P***** und Franz P*****, der Ehegatte Erika P*****s. Die Zustimmung der beiden Grundeigentümer zur Bauführung erfolgte durch Unterfertigung der Einreichpläne. Die Baubewilligung wurde am 28. 1. 1975 erteilt, die Bauführung mit dem Benützungsbewilligungsbescheid vom 3. 4. 1980 abgeschlossen. Nach der Fertigstellung des Hauses wurde die eine Wohnung von Matthäus und Karoline D*****, die andere von Erika und Franz P***** benützt. Die Begründung eines Superädifikats für das neu errichtete Objekt ist aus dem Grundbuch nicht ersichtlich. Erika und Franz P***** haben den Neubau mit eigenen Mitteln und mit Wissen und Willen von Matthäus und Karoline D***** errichtet; eine schriftliche Vereinbarung über die Bauführung liegt nicht vor.

Die Witwe des Erblassers und seine Töchter Maria J*****, Johanna S***** und Erika P***** haben bedingte Erbserklärungen zu je einem Viertel des Nachlasses abgegeben. Es wurde ein Inventar errichtet, das einen Reinnachlass von 202.637,91 S ergab; dabei wurde der Wert des Hälfteanteils des Erblassers an der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit 218.000 S angesetzt. Dieser Wert umfasst nur das Grundstück, nicht auch das auf diesem errichtete Haus (Sachverständigengutachten ON 4), da bei der Errichtung des Inventars davon ausgegangen wurde, dass es sich hiebei um ein Superädifikat handle, das je zur Hälfte im Eigentum von Erika und Franz P***** stehe (AS 36).

Der Beistand (Sachwalter) von Paula S***** hat wiederholt den Antrag gestellt, auch das Haus zu schätzen und in das Inventar aufzunehmen, da ein Superädifikat nicht vorliege (ON 11, 14 und 18). Die Witwe des Erblassers und Erika P***** haben sich gegen diesen Antrag ausgesprochen (ON 20).

Mit Beschluss vom 29. 2. 1984, ON 28, hat das Erstgericht neben anderen Verfügungen das Hauptinventar dahin ergänzt, dass das auf der Liegenschaft EZ ***** KG ***** errichtete Haus unter die Aktiven aufgenommen, ein Wert jedoch nicht ausgeworfen wird (Punkt 2); es hat das Hauptinventar mit einem Reinnachlass von 187.043,19 S zu Gericht angenommen (Punkt 3), den Antrag auf Schätzung des auf der Liegenschaft errichteten Hauses abgewiesen (Punkt 4), den Erlag des Pflichtteils der erblichen Tochter Paula S***** in der Höhe von 15.586,93 S genehmigend zur Kenntnis genommen (Punkt 6), den Testaments und Pflichtteilsausweis als erbracht angesehen (Punkt 7) und angekündigt; dass die Einantwortungsurkunde erlassen und mit deren Rechtskraft die Verlassenschaftsabhandlung für beendet erklärt wird (Punkt 9). Mit der Einantwortungsurkunde vom gleichen Tag, ON 30, hat das Erstgericht den Nachlass der Witwe des Erblassers und dessen Töchtern Erika P*****, Maria J***** und Johanna S***** je zu einem Viertel eingeantwortet. In der Begründung des Beschlusses ON 28 vertrat das Erstgericht die Ansicht, das von den Ehegatten P***** aus eigenen Mitteln mit Zustimmung der Liegenschaftseigentümer errichtete Haus sei zwar in das Inventar aufzunehmen gewesen, da es sich im Besitz des Erblassers befunden habe, jedoch gemäß § 104 AußStrG ohne seinen Wert auszuwerfen, da das Eigentumsrecht von Erika und Franz P***** klar scheine.

Infolge Rekurses der durch ihren Sachwalter vertretenen Pflichtteilsberechtigten Paula S***** hob das Rekursgericht den Beschluss ON 28 der in seinen Punkten 1, 5, 8 und 10 unbekämpft blieb in seinen Punkten 2, 3, 4, 6, 7 und 9, sowie die Einantwortungsurkunde ON 30 auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die erblasserische Liegenschaftshälfte sei gemäß § 97 Abs 1 AußStrG in das Inventar aufzunehmen gewesen, weil der Erblasser gemeinsam mit seiner Ehegattin eine der beiden Wohnungen in dem auf der Liegenschaft errichteten Haus bewohnt und sich damit im physischen Besitz (Mitbesitz) der Liegenschaft befunden habe. Zwar sei gemäß § 104 Abs 1 AußStrG der Wert einer angeblich fremden Sache, in deren Besitz sich der Erblasser befunden habe, im Inventar nicht auszuwerfen und bei Berechnung des Vermögens nicht in Anschlag zu bringen, wenn die Eigentumsrechte dritter Personen klar scheinen; doch treffe diese Voraussetzung im gegenständlichen Fall nicht zu. Aus der Auskunft der Magistratsabteilung 37 vom 19. 9. 1983, ON 13, ergebe sich, dass der Erblasser und seine Ehegattin der Bauführung durch Unterfertigung der Einreichpläne zugestimmt haben. Habe aber jemand ein Bauwerk mit dem Willen des Grundeigentümers, also aufgrund einer mit ihm bestehenden Willensübereinstimmung, auf dessen Grund gebaut, fehle es an den Voraussetzungen für einen Eigentumserwerb des Bauführers iSd § 418, dritter Satz, ABGB. Es sei daher auch die Vorschrift des § 104 Abs 1 AußStrG nicht anwendbar; das Haus sei vielmehr gemäß § 97 Abs 1 AußStrG zu bewerten. Daraus werde sich ein höherer Reinnachlass und ein höherer Pflichtteil, als aus den Punkten 3 und 6 des Beschlusses ON 28 ersichtlich, ergeben. Nicht berechtigt sei zwar der Rekurs, soweit er sich gegen die Kenntnisnahme des Erlags des Pflichtteils beim Erbenmachthaber Dr. Romeo Nowak richte; doch sei der Beschluss auch insoweit aufzuheben gewesen, weil damit der Pflichtteil betragsmäßig festgestellt worden sei.

Die Witwe des Erblassers und sein Tochter Erika P***** bekämpfen den Beschluss des Rekursgerichts mit Revisionsrekurs und beantragen, den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen. Das auf der Liegenschaft befindliche Haus sei aufgrund einer Vereinbarung der Ehegatten P***** mit den damaligen Liegenschaftseigentümern allein mit den Mitteln des Ehepaares P*****s errichtet worden, wobei übereinstimmender Wille der Beteiligten gewesen sei, dass das Eigentum an dem Haus den Ehegatten P***** zustehen solle. Dem Haus habe deshalb die rechtliche Qualifikation eines Superädifikats zukommen sollen; es habe die Absicht gefehlt, den Bau, beständig auf dem Grund zu belassen. Sollte aber das Haus kein Superädifikat darstellen, hätten Erika und Franz P***** das Eigentum daran und an der dazugehörigen Grundfläche durch den übereinstimmenden Willen aller Beteiligter erworben. Der unmittelbare Erwerb eines redlichen Bauführers an einer Grundfläche sei unter Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes möglich.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Außerbücherlicher Eigentumserwerb des Bauführers an der Baufläche im Sinne des dritten Satzes des § 418 ABGB tritt nur ein, wenn der Grundeigentümer vom Bau weiß, ihn vorwerfbar dennoch nicht untersagt (sich also verschweigt) und der Bauführer redlich ist ( Spielbüchler in Rummel , ABGB, Rdz 4 zu § 418). Redlicher Bauführer ist zwar nicht nur, wer entschuldbar über die Eigentumsverhältnisse irrt und deshalb auf fremdem Grund baut, sondern auch wer aufgrund einer Vereinbarung darauf vertraut, dort, wo er baut, auch bauen zu dürfen. Doch hat die Bestimmung des § 418, dritter Satz ABGB eine Willensdiskrepanz zwischen Grundeigentümer und Bauführer zur Voraussetzung. Das rechtlich entscheidende Moment für den Eigentumserwerb durch den redlichen Bauführer ist die Unredlichkeit des Grundeigentümers (der den Bauführer bauen lässt, obwohl er weiß, dass dieser auf fremdem Grund baut); § 418, dritter Satz, ABGB, ist vor allem als Sanktion für ein unredliches Verhalten des Grundeigentümers gedacht. Liegt deshalb eine Vereinbarung über die Bauführung vor, ist die Regelung des § 418, dritter Satz, ABGB nicht anwendbar (EvBl 1975/261, SZ 50/141 = MietSlg 29.053, MietSlg XXIV/10 ua). Es hängt in einem solchen Fall von der Vereinbarung ab, ob das Bauwerk dem Grundeigentümer oder der Grund dem Bauführer zufällt (iglS Spielbüchler aaO, Rdz 7).

Eine Vereinbarung zwischen dem Erblasser und dessen Ehegattin einerseits und Erika und Franz P***** andererseits in der Richtung, dass wie im Revisionsrekurs in offenem Widerspruch zu den unmittelbar zuvor erstatteten Ausführungen vorgebracht wird „das Haus samt dem dazugehörenden Grund“ in das Eigentum der Erika und des Franz P***** übergehen sollte, ist ebensowenig aktenkundig wie ein Einverständnis dahin, dass das Bauwerk den Grundeigentümern zufallen oder dass etwa Miteigentum der Vertragspartner entstehen sollte (vgl SZ 50/141). Nach den Verfahrensergebnissen war vielmehr lediglich vereinbart, dass Erika und Franz P***** Eigentümer des Hauses (nicht auch des Grundes) werden sollten; von einer derartigen Vereinbarung sind auch die Vorinstanzen ausgegangen.

Nach § 297 ABGB gehören zu den unbeweglichen Sachen diejenigen, welche aufgrund und Boden in der Absicht aufgeführt werden, dass sie stets darauf bleiben sollen, wie Häuser und andere Gebäude. Für die Dauer bestimmte Bauwerke werden unselbständige Bestandteile der Liegenschaft; nur nicht für die Dauer bestimmte Bauwerke („Überbauten“, „Superädifikate“) bleiben selbständige (bewegliche) Sachen ( Spielbüchler aaO, Rdz 3 und 4 zu § 297). Entscheidend dafür, ob ein Gebäude durch seine Errichtung kraft Gesetzes zum (unselbständigen) Bestandteil des Grundes und damit Eigentum des Liegenschaftseigentümers wird, ist die Belassungsabsicht des Erbauers. Es kommt dabei nicht auf die (unkontrollierbare) innere Absicht des Erbauers, sondern deren äußeres Erscheinungsbild an, das vornehmlich aus dem Zweck des Gebäudes, aber auch seiner Beschaffenheit oder anderen Umständen erschlossen werden kann (JBl 1981, 479 ua). Wesentlich ist der Mangel der Absicht, das Bauwerk beständig auf dem fremden Grund zu belassen; dieser Mangel der Absicht muss objektiv in Erscheinung treten und ergibt sich entweder durch die Bauweise des Gebäudes oder durch ein von vornherein zeitlich begrenztes Grundbenützungsrecht, auf dessen Grundlage mit Einverständnis des Grundeigentümers gebaut wurde (JBl 1981, 479; Bydlinski , Das Recht der Superädifikate, 17 f und 20 f, je mwN). Die zwingende Bestimmung des § 297 ABGB kann nicht durch Parteienvereinbarung ausgeschaltet werden (NotZ 1977, 26; Bydlinski aaO 22).

Es geht daher entgegen der Meinung des Erstgerichts nicht an, allein aus einer Vereinbarung der Liegenschaftseigentümer mit den Bauführern anzunehmen, diese seien durch die Bauführung Eigentümer des Hauses als einer selbständigen Sache geworden; denn eine selbständige Sache, ein Superädifikat, kann, wie ausgeführt wurde, nur bei objektiv in Erscheinung tretendem Fehlen der Belassungsabsicht gegeben sein.

Ein Fehlen der Belassungsabsicht wurde nicht festgestellt; es ergibt sich auch keinesfalls aus den Verfahrensergebnissen. Eine ungeachtet des Vorhandenseins der Belassungsabsicht zustandegekommene Vereinbarung verstieße gegen § 297 ABGB.

Damit scheint das Eigentumsrecht dritter Personen, und zwar der Erika und des Franz P*****, an dem auf der Liegenschaft erbauten Haus keinesfalls „klar“ iSd § 104 Abs 1 AußStrG. Ist dieses Eigentumsrecht aber nicht klar, ist es gemäß § 97 AußStrG in das Inventar unter Angabe des Wertes aufzunehmen. Das Abhandlungsgericht hat gemäß den §§ 97, 104 AußStrG nur zu prüfen, welche Gegenstände in das Inventar aufzunehmen sind, darf jedoch über die Eigentumsfrage nicht entscheiden (EvBl 1968/98); darüber darf nur der Prozessrichter entscheiden (EvBl 1967/187). Wie weit sich Ansprüche der Erika und des Franz P***** auf den Passivstand auswirken, ist im Rahmen dieser Entscheidung nicht zu erörtern.

Bemerkt sei, dass die Inventierung nur für die Zwecke des Nachlassverfahrens vorgenommen wird. Die bezügliche Entscheidung des Abhandlungsgerichts hat Wirkungen nur für dieses Verfahren, nicht aber darüber hinaus (NotZ 1969, 42; SZ 49/149).

Der Revisionsrekurs erweist sich daher als unberechtigt, sodass ihm ein Erfolg versagt bleiben musste.

Rechtssätze
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