JudikaturJustiz3Ob509/96

3Ob509/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt W*****, vertreten durch Dr.Friedrich J. Reif-Breitwieser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei f***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Marcella Prunbauer und Dr.Andreas Peyrer-Heimstätt, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15.März 1994, GZ 45 R 68/94-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 14.Juni 1993, GZ 7 C 2263/92y-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. den Beschluß

gefaßt:

Der Antrag der klagenden Partei auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wird abgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Eigentümerin der Wohnhausanlage O*****Hof in W*****. Die beklagte Partei betreibt ein Werbeunternehmen, das sich hauptsächlich mit der Verteilung von Prospekt- und Zeitungsmaterial befaßt. Sie beschäftigt selbständige Werbemittelverteiler, mit denen für jeweils eine Verteilungsaktion ein Werkvertrag geschlossen wird. Die Verteiler haben sich in Filialen, die von einem Filialleiter geführt werden, einzufinden und können sich dort einen bestimmten Rayon aussuchen; sie sind von den Filialleitern angewiesen, offizielle Klebevignetten mit dem Verbot der Anbringung von Werbematerialien zu beachten und die Verteilung von Werbematerialien bei Häusern zu unterlassen, in denen dies alle Mieter ablehnen.

Die klagende Partei begehrt das Urteil, die beklagte Partei sei schuldig, das Verteilen von Werbematerial (Prospekte, Werbezeitschriften) in der Wohnhausanlage der klagenden Partei O*****-Hof in *****W*****, A*****-Gasse 2, auf Stiege E zu unterlassen. Sie brachte vor, die klagende Partei und ihre Mieter, die alle die Belieferung mit Werbematerial nicht wünschten, hätten die beklagte Partei wiederholte Male aufgefordert, das Verteilen von Werbematerial und Zeitungen zu unterlassen. Insbesondere sei bei der Stiege E am 6.2.1992 folgende Tafel angebracht worden: "Die Verteilung von Werbe- und Prospektmaterial ist verboten, sowie unbefugten Personen der Zutritt versagt." Es liege keine öffentliche Verkehrsfläche vor; in den zahlreichen Aufforderungen an die beklagte Partei sei auch das Interesse der klagenden Partei und ihrer Mieter aus Sicherheitsgründen im Hinblick auf den medienbekannten Mord an einer Schülerin dargelegt worden. Die klagende Partei habe gegen die beklagte Partei (zu 5 C 2902/92 des Bezirksgerichtes Favoriten) Besitzstörungsklage eingebracht; die beklagte Partei habe jedoch auch danach Werbematerial zur Verteilung gebracht; Wiederholungsgefahr sei daher gegeben.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und brachte vor, es hätten sich nicht alle Mieter gegen die Verteilung von Werbematerial ausgesprochen. Zwei Mieter wünschten ausdrücklich Werbematerial. Die klagende Partei könne als Eigentümer nicht diejenigen Mieter, welche die Zustellung von Werbematerial wünschen, davon ausschließen; sie sei für die Unterlassungsklage nicht aktiv legitimiert. Die Zustellungen seien nicht einzeln an die jeweilige Wohnungstür, sondern an die gemeinsame Tür im Bereich des Ganges erfolgt. Ein die gesamte Stiege E betreffendes Unterlassungsgebot sei im Hinblick auf den Wunsch einzelner Mieter, Werbematerial zugestellt zu erhalten, ohne Eingriff in die aus dem Mietrecht erfließenden Benützungsrechte nicht denkbar. Die beklagte Partei sei nicht passiv klagslegitimiert, weil sie die beanstandeten Zustellungen von Werbematerial nicht selbst durchführe und über keine Einrichtung zur Verteilung von Prospektmaterial an die endgültigen Informationsempfänger verfüge; sie vergebe ihre Aufträge an selbständige Werbemittelverteiler, die angewiesen seien, Hinweise, daß eine Werbemittelzustellung unerwünscht sei, zu beachten. Ein allfälliges vertragswidriges Verhalten eines selbständigen Verteilers könne der beklagten Partei nicht zugerechnet werden.

Die beklagte Partei habe den Klagevertreter im Zusammenhang mit der parallel eingebrachten Besitzstörungsklage zu 5 C 2902/92 des Bezirkgerichtes Favoriten ersucht, ihr die Zustimmung der fehlenden Mieter zum Ausschluß von Zustellungen von Werbematerial nachzuweisen; dies sei bisher nicht geschehen. Die beklagte Partei habe daher die Klagsführung nicht veranlaßt; die beklagte Partei bot in der Tagsatzung am 19.1.1993 "ohne Präjudiz für ihren Rechtsstandpunkt und für die Kostenentscheidung" folgenden Unterlassungsvergleich an: "Die beklagte Partei verpflichtet sich, die von ihr beauftragten Werbemittelverteiler anzuweisen, in der Wohnhausanlage O*****-Hof ***** W*****, A*****-Gasse 2, auf Stiege E das Verteilen von Werbematerial zu unterlassen." Weiters brachte die beklagte Partei vor, sie habe nach Zustellung der Besitzstörungsklage nochmals die beauftragten Werbemittelverteiler angewiesen, an der Stiege E des O*****-Hofs keine Zustellungen vorzunehmen; auch aus diesem Grund sei die Wiederholungsgefahr weggefallen.

Die klagende Partei replizierte, Werbematerial sei auf Stiege E auch nach Klagseinbringung, insbesondere am 10., 16. und 29.12.1992 und am 5.1.1993 verteilt worden. Die klagende Partei sei als Eigentümerin aktiv klagslegitimiert; die beklagte Partei sei fähig und imstande, von ihren Leuten, denen sie die Aufträge zur Verteilung erteile, auch Abhilfe zu verlangen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte weiters folgenden Sachverhalt fest:

Die Mieter der Stiege E des O*****-Hofes, W*****, A*****-Gasse 2, waren seit etwa 1992 mit der Verteilung von Werbematerial in ihrem Haus nicht mehr einverstanden. Die Hausvertrauensleute legten eine Unterschriftenliste gegen die Verteilung von Werbematerial an, auf der schließlich alle Mieter außer Karl H***** unterschrieben. Karl H***** verweigerte seine Unterschrift insbesondere wegen persönlicher Spannungen mit den übrigen Mietern; auch er legt jedoch keinen Wert auf die Verteilung von Werbematerial; es ist ihm nur gleichgültig. Ausschlaggebend für die Ablehnung von Werbematerial und dem damit verbundenen Betreten des Hauses durch fremde Leute war der Mord an der Schülerin B*****, der in diesem Wohnblock verübt worden war. Nach diesem Vorfall wurden auch die Sicherheitsvorkehrungen verschärft; es wurden Gegensprechanlagen installiert, der Zugang zu den Wohnungstüren durch weitere Zwischentüren gesichert und auch im Lifthaus Sicherungsanlagen angebracht. Die Mietervertreter wendeten sich sowohl an den Geschäftsführer der beklagten Partei als auch an die MA 52, um Abhilfe gegen die Verteilung zu schaffen. Die MA 52 nahm Kontakt mit der beklagten Partei auf. Trotz Übersendung der Unterschriftenlisten und mehrerer Schreiben mit der Aufforderung, die Verteilung von Werbematerial zu unterlassen, wurde fortgesetzt Werbematerial verteilt. Schließlich brachte die MA 52 am 6.2.1992 vor dem Eingang zur Stiege E eine Tafel mit folgenden Wortlaut an: "Die Verteilung von Werbe- und Prospektmaterial ist verboten, sowie unbefugten Personen der Zutritt versagt." Trotzdem wurde die Verteilung fortgesetzt; so wurde von Feber bis Juli 1992 mehrmals im Monat von Verteilern der beklagten Partei Werbematerial verteilt. Im September erfolgte zumindest eine Verteilung, im Oktober zumindest acht Verteilungen, weiters wurde am 6.11., 10.11., 18.11., 10.12., 16.12., 29.12.1992 sowie am 5.1.1993 Werbematerial verteilt. Die Verteilungen setzten sich bis zumindest Mitte Februar 1993 in unregelmäßigen Abständen fort.

Das Erstgericht beurteilte diesen Sachverhalt rechtlich dahin, die Klägerin stütze ihre Klage insbesondere auf das Recht des Eigentümers, jeden anderen von der Nutzung seiner Sache auszuschließen (§ 354 ABGB). Dieses Recht des Eigentümers sei jedoch durch Abschluß von Mietverträgen jedenfalls soweit eingeschränkt, daß den Mietern gewisse Teile des Hauses zur Nutzung übergeben wurden. Der normale Gebrauch des Mietobjektes durch einen Wohnungsmieter umfasse jedenfalls auch, daß seine Besucher, darunter seien natürlich auch geschäftliche Besuche zu verstehen, die allgemeinen Teile des Hauses soweit benützen, daß sie zum Mietgegenstand des Mieters gelangen. Grundsätzlich habe daher jeder Mieter auch das Recht, die Zustellung von Werbematerialien in seine Wohnung zu verlangen. Ein derartiger Wunsch der Mieter liege hier jedoch nicht vor; im Gegenteile werde eine solche Zustellung abgelehnt. Auch Karl H***** sei keineswegs an einer Zustellung von Werbematerial interessiert, sondern nehme sie nur in Kauf.

Die tatsächlich tätig werdenden Werbemittelverteiler stünden jedenfalls in einem Auftragsverhältnis zur beklagten Partei; die Konstruktion des Rechtsverhältnisses habe auf die passive Klagslegitimation der beklagten Partei keinen direkten Einfluß. Auch wenn die Werbemittelverteiler nur durch einen Werkvertrag an die beklagte Partei gebunden seien, seien sie der beklagten Partei gegenüber in den Hauptpunkten ihrer Arbeit, nämlich dem Verteilen von Werbematerial in gewissen Rayonen, weisungsgebunden. Die beklagte Partei müsse sich daher auch ein weisungswidriges Verhalten ihrer Leute, nämlich das Betreten von Häusern trotz entsprechendem Verbot durch die Geschäftsleitung der beklagten Partei, zurechnen lassen. Es handle sich nämlich bei den Werbemittelverteilern um Erfüllungsgehilfen im Sinn des § 1313 a ABGB; auch selbständige Unternehmen könnten Erfüllungsgehilfen seien. Die beklagte Partei habe die Möglichkeit, etwa durch Nichtanstellung der Werbemittelverteiler oder entsprechende Kürzung des Werklohns bei auftragswidrigem Verhalten sowie mangelhafter Erfüllung des Werkvertrags, auf ein Einhalten von Verteilungsverboten hinzuwirken. Die beklagte Partei habe durch wiederholte Verteilungen zumindest nach dem Anbringen der Tafel am Gebäude am 6.2.1992 und auch zu einer Zeit, zu der sie aufgrund von Korrespondenzen davon informiert gewesen sei, daß die Mieter des Hauses eine Zustellung von Werbematerial nicht wünschen, durch Verteilungsaktionen in das Eigentumsrecht der Klägerin eingegriffen. Das Bestehen der Wiederholungsgefahr ergebe sich jedenfalls daraus, daß trotz der Anweisung des Geschäftsführers der Beklagten auch zumindest bis in den Februar des Jahres 1993 hinein Werbematerial verteilt worden sei. Ebenso sei der von der beklagten Partei angebotene Vergleich nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr abzuwenden, weil das Vergleichsanbot nicht mit dem Urteilsbegehren übereinstimme. Die beklagte Partei erkläre sich nur bereit, von ihr beauftragte Werbemittelverteiler anzuweisen, weitere Verteilungen zu unterlassen, ohne sich jedoch selbst der gewünschten Unterlassungsverpflichtung zu unterwerfen.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der beklagten Partei dieses Urteil; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil es der ständigen Rechtsprechung gefolgt sei; es schloß sich als zutreffend bezeichneten rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhaltes durch das Erstgericht an (§ 500 a ZPO) und führte weiters aus, das Eigentumsrecht im subjektiven Sinn gemäß § 354 ABGB als Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen, untersage nicht bloß das Betreten des Grundstücks, sondern auch jede darüber hinausgehende störende Einwirkung. Darunter falle zweifellos auch die Ablagerung von Werbematerial. Auch darin sei die Anmaßung einer Berechtigung zu sehen, gegen die sich der Eigentümer mit der Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB zur Wehr setzen könne. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt stehe der Mieter H***** der Zustellung von Werbematerial gleichgültig gegenüber; er lehne diese also nicht so wie die anderen Mieter ab; allerdings könne daraus nicht abgeleitet werden, daß er eine Verteilung von Werbematerial wünsche. Eine Benutzungsrecht der beklagten Partei in Ableitung von den Mietern der klagenden Partei eingeräumten Nutzungsrechten bestehe daher nicht. Zwar werde im allgemeinen nicht für Handlungen Dritter gehaftet, es könne aber auch derjenige belangt werden, der den Eingriff Dritter veranlaßt habe, den unerlaubten Zustand aufrechterhalte oder von dem sonst Abhilfe zu erwarten sei, weil er den Eingriff zu hindern befugt oder imstande wäre. Die bloß faktische Möglichkeit der Einflußnahme auf Dritte genüge nicht, der Beklagte müsse die rechtliche Möglichkeit oder gar die Pflicht haben, den Eingriff durch Verbote oder Anweisungen, zB an Kinder, Dienstnehmer, beauftragte Mieter, Entlehner, Pensionsgäste und Lieferanten zu hindern oder abzustellen. Diese rechtliche Möglichkeit der beklagten Partei, die von ihr beauftragten Werbemittelverteiler zu beeinflussen, sei hier ausgehend vom festgestellten Auftragsverhältnis gegeben. Aus diesem Grund sei die beklagte Partei auch für das Verhalten der von ihr beauftragten Werbemittelverteiler verantwortlich. Ob man die formal selbständigen Werbemittelverteiler der Beklagten - die Werkvertragskonstruktion stelle offensichtlich den Versuch dar, eine Verantwortung für die Tätigkeit der Werbemittelverteiler möglichst auszuschließen bzw auch aus der Schließung von Dienstverträgen sich ergebende öffentlich-rechtliche Verpflichtungen (Ausländerbeschäftigung, sozialrechtliche Konsequenzen) zu vermeiden - als Erfüllungsgehilfen im Sinn des § 1313 a ABGB ansehen könne, könne dahingestellt bleiben. Die beklagte Partei habe es durch Gestaltung des Inhalts der von ihr geschlossene Werkverträge sehr wohl in der Hand, auf die Tätigkeit der Werbemittelverteiler einzuwirken, den Werkauftrag entsprechend zu gestalten und die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen im Wege der Entgeltleistung durchzusetzen. Die beklagte Partei habe nur angeboten, sich zu verpflichten, die von ihr beauftragten Werbemittelverteiler anzuweisen, auf Stiege E der Wohnhausanlage A*****-Gasse 2 das Verteilen von Werbematerial zu unterlassen, nicht jedoch sich unmittelbar verpflichtet, die Werbemittelverteilung zu unterlassen. Der Anspruch auf eine Einwirkung auf Dritte sei etwas anderes als die Verpflichtung zu eigenem Verhalten. Der von der beklagten Partei angebotene Unterlassungsvergleich bewirke somit keine Klaglosstellung der klagenden Partei und sei nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Im Hinblick auf die Einflußmöglichkeit der beklagten Partei auf die Werbemittelverteiler, denen gegenüber sie zweifellos weisungsberechtigt sei, richte sich der Unterlassungsanspruch der klagenden Partei (direkt) gegen die beklagte Partei, die nicht bloß zur Einwirkung auf ihre Werbemittelverteiler, von selbst zur Unterlassung der Verteilung verpflichtet sei. Durch Beauftragung ihrer Werbemittelverteiler, in einem bestimmten Rayon Werbemittel zu verteilen, sei die beklagte Partei selbst aktiv beteiligt. Dem stehe auch nicht entgegen, daß der Auftrag durch Verbote, in bestimmten Fällen nicht zu verteilen, eingeschränkt wurde, zumal diese Verbote nicht lückenlos befolgt wurden; dies habe die beklagte Partei aufgrund der Ausgestaltung ihres Verhältnisses zu ihren Verteilern zu verantworten.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Für die Anordnung einer mündlichen Revisionsverhandlung (§ 509 Abs 2 ZPO), die im Ermessen des Obersten Gerichtshofes steht (JBl 1994, 185; RZ 1977/15), bestand bei der hier zu beurteilenden Sachlage keine Veranlassung; der entsprechende Antrag der Revisionsgegnerin war daher abzuweisen.

Die klagende Partei leitet ihren Anspruch auf Untersagung des Verteilens von Werbematerial in einem Teil (einer bestimmten Stiege) einer Wohnhausanlage aus ihrem Eigentumsrecht ab. Die Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria) gemäß § 523 ABGB bietet dem Eigentümer nicht nur Schutz vor Anmaßung einer Servitut, sondern dient auch zur Abwendung jeder sonstigen Störung des Eigentums (Petrasch in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 523). Sie ist ein Anwendungsfall der Eigentumsklage und kann unabhängig vom Eintritt eines Schadens sowie von Zurechnungsfähigkeit, Verschulden oder Störungsabsicht gegen jeden, nicht hoheitlichen, unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht erhoben werden (Petrasch aaO Rz 9 zu § 523 mwN).

Die Aktivlegitimation der klagenden Partei als Eigentümerin wird von der beklagten Partei auch noch im Revisionsverfahren mit der Begründung bestritten, aufgrund des festgestellten Sachverhalts sei davon auszugehen, daß ein Mieter die Zustellung von Werbematerial nicht untersagt habe; die Motivation dieses Mieters, nämlich Gleichgültigkeit, sei irrelevant. Das Nutzungsrecht dieses Mieters stehe der Befugnis der klagenden Partei, die beklagte Partei von der Nutzung ihres Eigentums zur Gänze auszuschließen, wohl entgegen.

Nach der Definition der grundlegenden, an anderen Stellen vorausgesetzten Norm des § 354 ABGB (Spielbüchler in Rummel, Rz 3 zu § 354 mwN) ist Eigentum, als ein Recht betrachtet, die Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen. Einschränkungen der Ausübung (vgl Spielbüchler aaO Rz 2 zu § 354) des Eigentumsrechtes bestehen nach dem ersten Fall des § 364 Abs 1 ABGB insofern, als dadurch in die Rechte eines Dritten ein Eingriff geschieht. Dritte sind auch die an der Sache selbst dinglich oder obligatorisch Berechtigten, deren Verhalten der Eigentümer zu dulden hat. Zu beachten sind nicht nur gegen den Eigentümer gerichtete Rechte, sondern auch Positionen, die ein dem Eigentümer gegenüber hiezu Berechtigter eingeräumt hat (Spielbüchler aaO Rz 2 zu § 364). Als Beispiel führt Spielbüchler (aaO) an, daß auch der zulässigerweise aufgenommene Untermieter oder Besucher des Mieters oder Servitutsberechtigten hinzunehmen ist (dem der Eigentümer selbst nicht verpflichtet ist).

Ein Eingriff in die Rechte eines Mieters ist hier jedoch, wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat, schon deshalb zu verneinen, weil keiner der Mieter an der Zustellung von Werbematerial interessiert ist oder diese wünscht. Bei dieser Sachlage kann von einem Eingriff des Vermieters in Rechte eines Mieters durch die Unterbindung der Zustellung von Werbematerial nicht die Rede sein. Auf die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen dem Mieter gegenüber dem Vermieter ein Anspruch auf Empfang von Werbematerial zusteht, ist hier nicht einzugehen.

Bei der Beurteilung der passiven Klagslegitimation der beklagten Partei für Ansprüche, die aus der Nichtbeachtung eines Verbots der Verteilung von Reklamematerial durch ihre Werbemittelverteiler resultieren, ist von den Tatsachenfeststellungen auszugehen, wonach die beklagte Partei selbständige Werbemittelverteiler beschäftigt, mit denen für jeweils eine Verteilungsaktion ein Werkvertrag geschlossen wird. Die Verteiler werden generell angewiesen, Klebevignetten mit dem Verbot der Anbringung von Werbematerial zu beachten; weiters werden sie angewiesen, bei gewissen Häusern, bei denen dies alle Mieter ablehnen, die Verteilung von Werbematerial zu unterlassen.

Abgesehen von juristischen Personen, denen das Verhalten ihrer Organe und Machthaber zuzurechnen ist, wird im allgemeinen nicht wegen Handlungen Dritter gehaftet, außer der Dritte hat den Eingriff veranlaßt, hält den unerlaubten Zustand aufrecht oder es ist sonst von ihm Abhilfe zu erwarten, weil er den Eingriff zu hindern befugt und imstande wäre; eine bloß faktische Möglichkeit der Einflußnahme auf Dritte genügt nicht, der Beklagte muß die rechtliche Möglichkeit oder gar Pflicht gehabt haben, den Eingriff durch Verbote oder Anweisungen abzustellen (Petrasch aaO, Rz 9 zu § 523). Diese Voraussetzungen für die Passivlegitimation sind hier gegeben, weil - unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses - die Werbemittelverteiler im Auftrag der beklagten Partei tätig wurden. So führt Petrasch (aaO) als Beispiele ua neben Dienstnehmern auch Beauftragte an. Die beklagte Partei kann sich somit nicht darauf berufen, sie könne für Eingriffe der von ihr beauftragten Werbemittelverteiler in fremdes Eigentum nicht in Anspruch genommen werden. Gerade bei dem in der Revision gebrachten Beispiel von Studenten, die aus Jux Reklamematerial eines Supermarkts verteilen, liegt die Situation anders als im hier zu beurteilenden Fall; während zwischen solchen Studenten und dem Betreiber des Supermarkts kein Vertragsverhältnis vorliegt und daher allenfalls nur ein bloßes Interesse dieses Betreibers zu bejahen wäre, ist im vorliegenden Fall darüber hinaus der Auftrag der beklagten Partei an die Werbemittelverteiler grundsätzlich auch haftungsbegründend.

Wenn somit zwar die Unterlassungspflicht auch die Verpflichtung in sich schließt, auf solche dritte Personen im Sinn der Unterlassung einzuwirken, auf welche der zur Unterlassung Verpflichtete Einfluß zu nehmen in der Lage ist, folgt daraus noch nicht unbedingt auch die Berechtigung der Unterlassungsklage. So wird in der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine Unterlassungsklage auch gegen denjenigen zugelassen, der durch Einräumung von Rechten an Dritte deren rechtsverletzendes Verhalten herbeiführt oder fördert, damit er seiner Pflicht, dieses rechtsverletzende Tun zu hindern, entsprechend nachkommt (ZBl 1936/220). Überhaupt kann auch derjenige geklagt werden, der Vorkehrungen zur Verhinderung von Störungen zu treffen, sie aber unterlassen hat, etwa gegen das Überweiden von Vieh (SZ 11/174; SZ 6/176). Geklagt werden kann auch der aus einem Geh- und Fahrrecht Berechtigte, der durch die Errichtung einer Jausenstation bzw eines Gasthauses eine Intensivierung der Wegbenützung herbeiführt; der Oberste Gerichtshof sprach aus, daß die sich aus der unzulässigen Ausdehnung des Dienstbarkeitsrechtes ergebende Unterlassungspflicht auch die Verpflichtung in sich schließe, auf die Dritten im Sinne der Unterlassung einzuwirken (MietSlg 29.064; ähnlich auch MietSlg 22.037; SZ5/216). So wurden eine Seilbahngesellschaft und ein Fremdenverkehrsverband verantwortlich gemacht, die eine Schiabfahrtsmöglichkeit so angelegt hatten, daß die Benützung von Grundstücken des Klägers durch Schifahrer geradezu aufgedrängt wurde (JBl 1979, 429). Auch einem Begehren gegen Eltern, ihre Kinder zu veranlassen, bestimmte Plätze nicht zu benützen, wurde stattgegeben, weil sie auf geeignete Weise durch Ermahnungen, Verbote, Bestrafung, Entziehung von Spielgeräten usw auf ihre Kinder einwirken könnten, eigentumsverletzende Handlungen zu unterlassen (EvBl 1959/16). In allen Fällen wurde die Klage gegen die Beklagten nur zugelassen, weil die Störungshandlungen zwar nicht von dem Beklagten selbst gesetzt, aber doch von ihnen direkt veranlaßt worden waren, indem sie durch ihre Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzungen dafür schufen, daß der Dritte die Störung begehen konnte (EvBl 1982/93).

Der Halter eines Kraftfahrzeugs, der seinen Bediensteten nicht untersagt, ein fremdes Grundstück zu befahren, setzt aber damit allein noch keine Handlung, die als unmittelbare Veranlassung der Störung fremden Eigentums angesehen werden könnte; er kann nicht verhindern, daß der Fahrer irgendwo unter Umständen fremdes Eigentum verletzt (EvBl 1982/93). Ebenso ist die Lage, wenn Lieferanten eines aus einer Wegeservitut Berechtigten auf einem fremden Grundstück halten oder dort Ladetätigkeiten durchführen (4 Ob 514/85).

Im vorliegenden Fall ist aber aus folgenden Überlegungen das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei zu bejahen.

Eine aktive Beteiligung der beklagten Partei am Verhalten der Werbeausträger hat die klagende Partei zwar nicht behauptet.

Der aus dem Eigentum der klagenden Partei abgeleitete Abwehranspruch kann sich aber auch gegen denjenigen richten, der die Störung nur mittelbar veranlaßt hat. Die Störung muß dann aber auf dem maßgebenden Willen des Anspruchsgegners beruhen, bei juristischen Personen also auf dem Willen ihres gesetzlichen Vertreters, bei Auftragsverhältnissen auf dem Willen des Auftraggebers. Als mittelbarer Störer kann nämlich nur angesehen werden, wer die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hat, die auf ihn zurückgehende seiner Interessenwahrung dienenden, aber unmittelbar von Dritten vorgenommene Störhandlung zu steuern und gegebenenfalls auch zu verhindern. Unter solchen Umständen wird die Störereigenschaft auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Dritten aus eigenem Antrieb und selbstverantwortlich handeln (bei vergleichbarer Rechtslage Pikart in BGB-RGRK12, Rz 63 zu § 1004; vgl Gursky in Staudinger12, Rz 120 f, 194).

Eine derartige Situation ist hier gegeben. Die beklagte Partei, welche die Verteilung der Werbemittel durch dritte Personen vornehmen läßt, ist eine mittelbare Störerin. Wie der BGH in einem vergleichbaren Fall entschieden hat (BGHZ 106, 229 [235]), ändert das aber nichts daran, daß auch sie eine Adressatin der Unterlassungsansprüche der klagenden Partei ist. Sie hat die Störung der klagenden Partei veranlaßt, indem sie den Auftrag zur Verteilung der Werbemittel erteilt; sie verfügt aus ihrer vertraglichen Beziehung zu den Zettelverteilern über die rechtliche Möglichkeit, gegen weitere Störungen des Eigentums der klagenden Partei einzuschreiten.

In dieser Richtung hat die beklagte Partei bisher ausreichende Maßnahmen unterlassen. Sie ist zu einer entsprechenden Organisation und Kontrolle der Verteilungsaktionen verpflichtet, muß entsprechende geeignete Schutzvorkehrungen einsetzen, Beanstandungen nachgehen und bei weiteren Verstößen entsprechende wirtschaftliche und rechtliche Sanktionen verhängen (vgl BGHZ 106, 229 [235 f]).

Die Vorinstanzen haben somit zutreffend auch im vorliegenden Fall die Berechtigung der Unterlassungsklage bejaht; die Wahl der Mittel, um eine derartige unzulässige Werbemittelverteilung abzustellen, darf nicht Gegenstand des Unterlassungsbegehrens sein.

Zutreffend haben die Vorinstanzen auch das Weiterbestehen der Wiederholungsgefahr bejaht. Durch das Anbot eines vollstreckbaren Vergleiches kann die Wiederholungsgefahr schon deshalb nicht weggefallen sein, weil dieses Anbot nicht den Unterlassungsanspruch, mit dem die klagende Partei obsiegt, umfaßt (vgl ÖBl 1980, 70; SZ 51/87 uva); das Anbot, sich zu einer Anweisung der Werbemittelverteiler zu verpflichten, reicht jedenfalls nicht aus.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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