JudikaturJustiz3Ob119/17x

3Ob119/17x – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Juli 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen die verpflichtete Partei L*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP Co KG in Wien, wegen Unterlassung und Rechnungslegung, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 10. März 2017, GZ 17 R 182/16k 8, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 11. November 2016, GZ 3 E 3384/16b 4, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der betreibenden Partei auf Zuspruch der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Betreibende ist ein auf die Herstellung und den Vertrieb von Tiefkühlbackwaren spezialisiertes Unternehmen. Ihr System, zu 80 % vorgebackene Backwaren tiefzukühlen und erst unmittelbar vor Verzehr durch die Gastronomie oder Privatkunden fertig backen zu lassen, stellt sie im Rahmen eines Franchisesystems auch anderen selbständigen Unternehmen zur Verfügung. Das Franchisesystem umfasst grundsätzlich drei Bereiche, nämlich die Produktion, den Vertrieb an Gastronomiebetriebe und den Vertrieb an Privatkunden.

Die Betreibende schloss mit der Verpflichteten einen Franchisevertrag (nur) im Bezug auf den Vertrieb an Gastronomiebetriebe. Die Verpflichtete vertreibt auch eigene vorgebackene, tiefgekühlte und schockgefrostete Tiefkühlprodukte, die nicht dem Franchisevertrag mit der Betreibenden unterliegen, sondern aufgrund spezifischer Aufträge für bestimmte Kunden der Verpflichteten (etwa H*****) entwickelt wurden.

Mit Schreiben vom 20. April 2015 kündigte die Verpflichtete den Franchisevertrag mit sofortiger Wirkung. Seit 21. April 2015 tritt die Verpflichtete am Markt unter der Marke „K*****“ auf. Etwa drei bis vier Wochen lang lieferte sie noch die Produkte der Betreibenden unter deren Marke aus, danach lieferte sie neben den Produkten der Betreibenden auch schon Produkte unter der Marke „K*****“ an die bestehenden Kunden aus und seit Ende Mai oder Anfang Juni 2015 werden nur noch Produkte unter der neuen Marke ausgeliefert, wobei die Produkte größtenteils dieselben Artikel-Nummern haben wie die Produkte der Betreibenden. In einem Schreiben an ihre Kunden teilte die Verpflichtete unter anderem mit, das vertraute Team nehme weiterhin gern die Bestellungen entgegen und die Fahrer lieferten die Produkte zu den gewohnten Lieferzeiten, sowohl das Service als auch die Preise blieben gleich.

Das von der Betreibenden nach der von der Verpflichteten ausgesprochenen fristlosen Kündigung des Franchisevertrags angerufene Schiedsgericht kam zum Ergebnis, dass kein wichtiger Grund für eine fristlose Vertragsauflösung bestanden habe. Es sprach mit End-Schiedsspruch vom 22. September 2016 (Vollstreckbarkeits-bestätigung vom 13. Oktober 2016) aus, dass der Franchisevertrag – infolge Umdeutung der fristlosen in eine ordentliche Kündigung – bis 31. Dezember 2016 aufrecht sei (Punkt 1.). Darüber hinaus lautet der End Schiedsspruch auszugsweise wie folgt:

„2. Die Schiedsbeklagte ist schuldig, der Schiedsklägerin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution über die Lieferungen von Waren, die dem Produktsortiment der Schiedsklägerin entsprechen (das sind insbesondere vorgebackene, schockgefrostete und tiefgekühlt gelagerte Backwaren) und dem Franchisevertrag unterliegen, der Schiedsbeklagten im Zeitraum vom 1. April 2015 bis zum Schluss der Verhandlung am 12. September 2016 Rechnung zu legen. […]

4. Die Schiedsbeklagte ist schuldig, es zu unterlassen, während des aufrechten Franchisevertrags ein Unternehmen zu errichten und/oder zu betreiben, welches mit dem Vertriebsmodell der Schiedsklägerin in Konkurrenz steht, dies insbesondere wie derzeit über einen näher bezeichneten Internetauftritt oder durch das Beziehen und Weiterverkaufen von Waren, die dem Produktsortiment der Schiedsklägerin entsprechen (das sind insbesondere vorgebackene, schockgefrostete und tiefgekühlt gelagerte Backwaren) und dem Franchisevertrag unterliegen, ohne Verwendung der Marke der Schiedsklägerin 'R*****' [...].“

Die Betreibende beantragte aufgrund dieses End-Schiedsspruchs die Bewilligung der Exekution nach § 354 und § 355 EO zur Durchsetzung der Rechnungslegungs- und der Unterlassungsverpflichtung. Die Verpflichtete betreibe weiterhin, so auch am 13. Oktober 2016, insbesondere über den näher bezeichneten Internetauftritt das Unternehmen „K*****“, das in Konkurrenz mit dem Vertriebsmodell der Betreibenden stehe. Sie biete weiterhin, so auch am 13. Oktober 2016, vorgebackene, schockgefrostete und tiefgekühlt gelagerte Waren, unter anderem Kaisersemmeln, Frühstückskipferl, Salzstangerl, Kornspitze, Chiaweckerl etc, ohne Verwendung der Marke der Betreibenden „R*****“, sondern vielmehr unter Verwendung der konkurrenzierenden Marke „K*****“ an die Gastronomie an näher genannten Orten in Wien und Niederösterreich an. Die Verpflichtete sei auch ihrer Rechnungslegungsverpflichtung noch nicht nachgekommen.

Das Erstgericht wies den Exekutionsantrag ab. Die im Spruch des Exekutionstitels enthaltene Formulierung „Waren, die dem Produktsortiment der Schiedsklägerin entsprechen […] und dem Franchisevertrag unterliegen“ bezeichne eine Schnittmenge von Waren. Die Rechnungslegungs und Unterlassungspflicht beziehe sich also nicht auch auf Waren, die entweder nicht dem Produktsortiment der Betreibenden entsprächen oder nicht dem Franchisevertrag unterlägen. Aufgrund dieser Formulierung könne aber nicht beurteilt werden, welche Waren vom Titel umfasst seien, zumal der Schiedsspruch keine weitere Präzisierung der betroffenen Waren enthalte. Der Exekutionstitel sei deshalb mangels ausreichender Bestimmtheit nicht exequierbar.

Das Rekursgericht bewilligte über Rekurs der Betreibenden die beantragte Exekution, verhängte über die Verpflichtete wegen Zuwiderhandelns gegen das Unterlassungsgebot eine Geldstrafe von 25.000 EUR und trug ihr unter Androhung einer Geldstrafe von 10.000 EUR die Rechnungslegung binnen vier Wochen auf. Das Unterlassungsgebot sei ebenso wie die Rechnungslegungsverpflichtung hinreichend bestimmt. Nach dem Spruch des Titels bleibe zwar unklar, welches Unternehmen mit dem Vertriebsmodell der Betreibenden in Konkurrenz stehe, ebenso welche Waren dem Franchisevertrag unterlägen und dem Produktsortiment der Betreibenden entsprächen. Allerdings habe das Schiedsgericht in der Begründung hinreichend umschrieben und festgelegt, welche Backwaren dem Franchisevertrag unterlägen; daraus folge, dass sämtliche vorgebackenen, schockgefrosteten und tiefgekühlt gelagerten Backwaren vom Produktsortiment der Betreibenden und dem Franchisesystem umfasst seien.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands (jeweils) 30.000 EUR übersteigt, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil die Beurteilung der ausreichenden Bestimmtheit des Titels zwar grundsätzlich einzelfallbezogen sei, hier aber drei Verpflichtete in die juristische Auseinandersetzung involviert und bereits sechs Rechtsmittel anhängig seien; zudem widersprächen einander von den Streitteilen eingeholte (Rechts )Gutachten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Verpflichteten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig .

1.

Gemäß § 7 Abs 1 EO darf die Exekution nur bewilligt werden, wenn aus dem Exekutionstitel nebst der Person des Berechtigten und Verpflichteten auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der geschuldeten Leistung oder Unterlassung zu entnehmen sind. Der Begriff der Bestimmtheit eines Unterlassungsbegehrens darf nicht allzu eng ausgelegt werden, weil es praktisch unmöglich ist, alle nur denkbaren Eingriffshandlungen zu beschreiben. Das erlassene Eingriffsverbot umfasst deshalb alle gleichen oder ähnlichen Handlungsweisen (RIS Justiz RS0000845).

Die Abgrenzung verbotenen Verhaltens von zulässigem Verhalten muss allerdings so bestimmt sein, dass es zu keiner Verlagerung des Rechtsstreits in das Exekutionsverfahren kommt (RIS Justiz

RS0000878 [T10]).

2. Das Bewilligungsgericht hat die Verpflichtung nur aufgrund des Titels festzustellen, muss sich dabei an den Wortlaut des Titels halten und kann nur aus diesem selbst schließen, was die Parteien oder das Gericht dabei in Wirklichkeit gemeint haben (RIS Justiz RS0000207). Die Entscheidungsgründe sind für die Auslegung der Tragweite des Spruchs bei Zweifeln über dessen Tragweite heranzuziehen (RIS Justiz

RS0000300 [T6]).

Wie ein singulärer Exekutionstitel aufzufassen ist, ist keine erhebliche Rechtsfrage (RIS Justiz

RS0000207 [T14]).

3. Dass es sich bei „Waren, die dem Produktsortiment der Schiedsklägerin entsprechen“ jedenfalls um vorgebackene, schockgefrostete und tiefgekühlt gelagerte Backwaren handelt, ergibt sich bereits aus dem Spruch des Titels. Die weitere in den Spruch aufgenommene Einschränkung auf Waren, die „dem Franchisevertrag unterliegen“, ist in Verbindung mit den Feststellungen des Schiedsgerichts zweifelsfrei so zu verstehen, dass es um all jene angesprochenen Backwaren geht, die an Gastronomiebetriebe (und nicht an den Handel oder Privatkunden) weiterverkauft werden: Ist doch nur dieser Vertrieb Gegenstand des Franchisevertrags. Somit ist nach dem Titel ausreichend klargestellt, dass die Verpflichtete den Betrieb eines Unternehmens zu unterlassen hat, das ohne Verwendung der Marke der Betreibenden vorgebackene, schockgefrostete und tiefgekühlt gelagerte Backwaren – ohne jede Einschränkung auf bestimmte Produkte – an die Gastronomie vertreibt. Auf diesen Vertrieb bezieht sich auch die Rechnungslegungspflicht.

Es schadet deshalb nicht, dass dem Schiedsspruch nicht im Detail zu entnehmen ist, welche konkreten Backwaren Bestandteil des Sortiments der Betreibenden sind (bzw bei Schaffung des Titels waren).

4. Die Betreibende hat in ihrem Exekutionsantrag die behaupteten Titelverstöße der Verpflichteten (auch zur Unterlassungsverpflichtung noch) ausreichend konkret behauptet (vgl RIS Justiz

RS0000614 [T5, T6]). Die Richtigkeit ihrer Behauptungen hat sie entgegen der Ansicht der Verpflichteten nicht bereits im Exekutionsantrag zu bescheinigen, sondern erst in einem allfälligen Impugnationsprozess zu beweisen (RIS Justiz RS0000756).

5. Der Antrag auf Zuspruch von Kosten der Revisionsrekursbeantwortung ist abzuweisen, weil das Rechtsmittelverfahren in Exekutionssachen – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – einseitig ist. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Fachsenats ist eine dennoch erstattete Revisionsrekursbeantwortung mangels gesetzlicher Anordnung nicht zurückzuweisen (RIS Justiz RS0118686 [T11]); sie dient allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und ist daher nicht zu honorieren (RIS Justiz RS0118686 [T12]).

Rechtssätze
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