JudikaturJustiz2Ob91/23f

2Ob91/23f – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Mai 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*, vertreten durch Mag. Vančo Apostolovski LL.M., Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. E*, 2. K*, beide *, vertreten durch Mag. Karl Peter Resch, Rechtsanwalt in Knittelfeld, wegen 43.734 EUR und Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Februar 2023, GZ 3 R 227/22k 33, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20. September 2022, GZ 21 Cg 15/21d 24, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird – soweit es die erstbeklagte Partei betrifft – bestätigt. Hinsichtlich der zweitbeklagten Partei wird das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass das Ersturteil in der Hauptsache wiederhergestellt wird.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Über Vermittlung der Klägerin erwarb der Erstbeklagte (= Vater der Zweitbeklagten) im März 2018 das Pferd „Lolli“ für die Zweitbeklagte. Die Klägerin und die gleichaltrige Zweitbeklagte, die damals 17 Jahre alt waren, sind seit ihrer Kindheit passionierte Reiterinnen, jahrelange enge Freundinnen und als Nachbarinnen zusammen aufgewachsen.

[2] Urlaubsbedingt war die Zweitbeklagte im Juli 2018 abwesend. In dieser Zeit war nur die Grundversorgung für das Pferd (Einstellung, Ausmisten und Fütterung) durch das Gestüt gewährleistet. Für den Beritt an einigen Tagen in der Woche wurde eine junge Frau gegen Entgelt engagiert. Pferde brauchen mehr Betreuung, als die bloße Grundversorgung. Sie müssen insbesondere auch bewegt werden.

[3] Die Zweitbeklagte ersuchte die Klägerin, die notwendige Zusatzbetreuung (bewegen, putzen, reiten, auf die Koppel führen, Zusatzfutter, etc) für das Pferd zu übernehmen, zumal die Klägerin am gleichen Gestüt ein eigenes Pferd hatte. Die Klägerin stimmte zu, die erbetenen Aufgaben zu übernehmen, und meinte diese Zusage auch verbindlich. Wegen der Freundschaft zur Zweitbeklagten übernahm die damals 17 jährige Klägerin die zusätzlichen Aufgaben unentgeltlich. Die Zweitbeklagte hat sich darauf verlassen, dass die Klägerin diese Tätigkeiten vornimmt.

[4] „Lolli“ war von seinem Charakter her unauffällig und ein gemütliches, umgängliches und braves Pferd. Weil es im Juli 2018 lahmte, konnte es nicht geritten werden. Die Klägerin führte es während des Urlaubs der Beklagten nur für 1,5 Stunden zum Grasen, was ohne Probleme funktionierte. Das wollte sie am nächsten Tag wiederholen, dabei wurde sie vom ausschlagenden Pferd im Gesicht schwer verletzt, als sie dieses vom Grasen zurück in den Stall führte.

[5] Die Klägerin begehrt von den Beklagten aus dem von ihr behaupteten Auftragsvertrag Schadenersatz (Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Heilungskosten, Ersatz für Pflegeaufwand etc) und die Feststellung ihrer Haftung für zukünftige Schäden.

[6] Soweit für das drittinstanzliche Verfahren noch relevant stützt sie ihre Ansprüche auf die unmittelbare und auch die analoge Anwendung des § 1014 ABGB. Der Erstbeklagte hafte als Eigentümer und Halter des Pferdes zum Zeitpunkt des Schadenseintritts. Die Zweitbeklagte hafte als Auftraggeberin. Die Leistungen seien im Interesse der Beklagten erbracht worden, weil sie in diesem Zeitpunkt die Leistung nicht selbst erbringen haben müssen.

[7] Die verschuldensunabhängige Pflicht des Auftraggebers zum Ersatz der mit der Erfüllung des Auftrags verbundenen Schäden resultiere aus der Fremdnützigkeit des beauftragten Handelns. Erfasst seien jedenfalls Schäden, die durch die Gefahrenerhöhung infolge der typischen Risiken des aufgetragenen Geschäfts entstanden seien. Die Verletzung durch einen Pferdetritt sei geradezu ein typischer Fall der Risikoerhöhung, welche mit der Auftragserfüllung (Betreuung eines Pferdes während Urlaubsabwesenheit, insb Bewegen eines Pferdes und Zurückführen des Pferdes in den Reitstall nach dem Grasen) verbunden sei. § 1014 ABGB sei auch für unentgeltliche „Freundschaftsdienste” anwendbar. In § 1014 ABGB komme das allgemeine Prinzip der „Risikohaftung bei Tätigkeit in fremdem Interesse” zum Ausdruck.

[8] Die Beklagten wandten unter anderem ein, dass ein Auftrag bzw eine Geschäftsbesorgung iSd §§ 1002 ff ABGB nicht vorgelegen sei, sodass die Klägerin nicht zu einem bestimmten Tun verpflichtet gewesen sei. § 1014 ABGB sei weder unmittelbar noch analog anwendbar. Die Tätigkeiten der Klägerin seien als Gefälligkeitsleistungen zu qualifizieren, ohne dass sich die Beteiligten rechtsgeschäftlich binden wollten. Mangels vertraglicher Grundlage sei der Haftungstatbestand des § 1014 ABGB nicht anzuwenden. Auch eine Analogie scheide aus.

[9] Das Erstgericht wies die Klage gegen den Erstbeklagten ab und erkannte das Klagebegehren gegen die Zweitbeklagte mit Teil Zwischenurteil dem Grunde nach als zu Recht bestehend.

[10] Der Erstbeklagte hafte nicht, weil er das Pferd vor dem Unfall der Zweitbeklagten geschenkt habe.

[11] Zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagte sei ein Auftragsverhältnis iSd § 1002 ABGB begründet worden. Eine unverbindliche Abrede im Sinne eines Gefälligkeitsverhältnisses liege nicht vor. Die Zweitbeklagte trage als Auftraggeberin verschuldensunabhängig alle geschäftsspezifischen Risiken. Mangels Entgelts bestehe die Haftung aus der ratio legis der Risikohaftung, wonach der Auftraggeber ausschließlich im eigenen Interesse die schadensgeneigte Tätigkeit des Auftragnehmers veranlasst, damit eigene Vorteile verfolgt und daher auch die auftragsspezifischen Risiken zu tragen habe.

[12] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Hingegen gab es der Berufung der Zweitbeklagten Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass das gegen die Zweitbeklagte erhobene Zahlungsbegehren mit Teilurteil abgewiesen wurde.

[13] Eine unmittelbare Anwendung des § 1014 ABGB scheide aus, weil kein vertragliches Auftragsverhältnis nach § 1002 ABGB vorliege. Auch sonst sei das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts zu verneinen, sodass auch eine Analogie ausscheide. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin und die Zweitbeklagte mit ihrer Verabredung zur Urlaubspflege des Pferdes rechtliche Wirkungen auslösen wollten, die erforderlichenfalls mit behördlichem Zwang durchgesetzt werden könnten. Vielmehr habe es sich um einen Freundschaftsdienst mit lediglich sozialer Wirkung gehandelt. Zudem stehe einem rechtswirksamen Rechtsgeschäft die Minderjährigkeit der Klägerin und der Zweitbeklagten entgegen.

[14] Eine analoge Anwendung von § 1014 ABGB auf das vorliegende Gefälligkeitsverhältnis scheide ebenfalls aus.

[15] Auch auf eine Geschäftsführung ohne Auftrag könne sich die Klägerin nicht berufen, weil sie über ausdrückliches Ersuchen der Zweitbeklagten gehandelt habe.

[16] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zur Frage zu, ob die verschuldensunabhängige Risikohaftung nach § 1014 ABGB auch für Gefälligkeitsverhältnisse gelte.

Rechtliche Beurteilung

[17] Die dagegen erhobene Revision der Klägerin, mit der diese die Klagsstattgabe anstrebt (hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt), ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Die Revision ist hinsichtlich der Klage gegen die Zweitbeklagte berechtigt, bezüglich des Erstbeklagten jedoch nicht.

I. Zum Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten:

[18] 1. Die Klägerin macht geltend, dass das Berufungsgericht das Vorliegen eines Vertrags zwischen ihr und der Zweitbeklagten unvertretbar verneint habe. Vielmehr habe Letztere mit ihr eine Abrede mit Rechtsfolgewillen abgeschlossen. Es sei daher von einer vertraglichen Bindung auszugehen. Das Berufungsgericht sei dabei auch von den Feststellungen abgewichen bzw habe diese in unvertretbarer Weise interpretiert.

[19] 2.1 Ob sich Parteien binden wollen, ist – ebenso wie der Inhalt einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung – nach allgemeinen Auslegungsregeln zu beurteilen ( RS0038607 [T11], RS0013968). Ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis setzt den Willen voraus, eine Rechtsbindung zu begründen. Maßgeblich ist daher, ob nach dem objektiven Erklärungswert des Verhaltens eine die Rechtslage gestaltende Erklärung mit Bindungswirkung vorliegt ( RS0102748 [T1]). Eine vertragliche Bindung ist unter anderem dann zu bejahen, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Zusage verlässt ( 2 Ob 300/03m ).

[20] 2.2 Mangelt es hingegen am Bindungswillen im Sinne eines Rechtsfolgewillens, liegt ein bloßes Gefälligkeitsversprechen vor, das keinen Vertrag begründet ( 2 Ob 48/84, 7 Ob 233/03w, 1 Ob 216/15v; dazu umfassend Kolbitsch , Die Haftung im Gefälligkeitsverhältnis [2020]). Abreden, die ausschließlich auf einem „außerrechtlichen” Geltungsgrund, wie Verwandtschaft, Freundschaft, Kollegialität oder Nachbarschaft beruhen, sind daher keine Schuldverhältnisse im Rechtssinn (vgl 7 Ob 233/03w).

[21] 2.3 Für die Annahme eines Vertrags zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten wäre es also erforderlich, dass zwischen ihnen der übereinstimmende Geschäftswille vorhanden war, durch ihre Willenserklärungen rechtliche Wirkungen auszulösen ( 2 Ob 48/84 ; RS0013956 [T1, T2]). Ist das zu verneinen, fehlt den Parteien erkennbar das Bewusstsein, mit ihrer Vereinbarung Rechtsfolgen auszulösen, liegt eine unverbindliche, jederzeit widerrufliche Vereinbarung vor, der nur die Bedeutung einer Regelung beiderseitiger Gefälligkeiten beizumessen wäre, vor (RS0013956).

[22] 3. Ob durch Erklärungen oder ein sonstiges Verhalten ein Vertragsverhältnis zustande kommt oder nur eine Gefälligkeitshandlung ohne rechtliche Bindungen vorliegt, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und liegt daher grundsätzlich in dem auch den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenbereich (2 Ob 300/03m) .

[23] 4. Wendet man die referierten Grundsätze auf den hier vorliegenden Sachverhalt an, ist die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, wonach die beiden Schülerinnen mit ihrer Abrede zur urlaubsbedingten Betreuung des Pferdes nicht auf eine Regelung mit rechtlicher Bindungswirkung abzielten, nicht zu teilen. Es steht vielmehr fest, dass die Klägerin ihre Zusage gegenüber der Zweitbeklagten zur Übernahme der Tätigkeiten als verbindlich gemeint hat. Die Zweitbeklagte hat sich auf diese Zusage verlassen. Die Vereinbarung der beiden Freundinnen geht über eine bloß unverbindliche und jederzeit widerrufliche Gefälligkeit hinaus. Es war für die Klägerin auch erkennbar, dass für die Zweitbeklagte wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und sie sich auf die Zusage verlassen hat. Erst durch die Zusage der Klägerin war die wichtige und notwendige Betreuung des Pferdes gewährleistet, sodass die Zweitbeklagte ihren Urlaub antreten konnte. Damit liegt gerade keine unverbindliche, jederzeit widerrufliche Vereinbarung iSv RS0013956 vor.

[24] 5. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten auch daran scheitere, dass die Schülerinnen im Sommer 2018 minderjährig gewesen seien und eine Ausnahme (§ 170 Abs 2 und 3, § 171, § 865 ABGB) von der Klägerin nicht behauptet worden sei ( vgl 2 Ob 2390/96a).

[25] 5.1 Die Klägerin zeigt zutreffend auf, dass das Berufungsgericht damit gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen (§ 182a ZPO) verstoßen hat. Diese Bestimmung und die richterliche Anleitungspflicht gelten auch im Rechtsmittelverfahren ( RS0036876 [T1]).

[26] 5.2 Die eingeschränkte Geschäftsfähigkeit der minderjährigen Beteiligten wurde weder von beiden Streitteilen als bedeutend erachtet noch von den Vorinstanzen erörtert. Damit war es dem Berufungsgericht nach § 182a ZPO ohne weitere Erörterung verwehrt, sich auf die (insb für die Klägerin) überraschende Rechtsansicht zu stützen, das ein Vertragsabschluss an der Minderjährigkeit der Parteien scheitert. Die Klägerin legt auch dar, welches Vorbringen sie im Fall einer Erörterung erstattet hätte ( RS0037300 [T28]), aus dem sich ein wirksamer Vertragsabschluss ergibt. Sie stützt sich unter anderem darauf, dass die Vereinbarung zwischen ihr und der Zweitbeklagten durch die zumindest stillschweigende Einwilligung der jeweiligen gesetzlichen Vertreter gedeckt sei (§ 170 Abs 1 ABGB). Dem tritt die Zweitbeklagte in ihrer Revisionsbeantwortung nicht ansatzweise entgegen.

[27] 5.3 Der Umstand, dass die jeweiligen gesetzlichen Vertreter der Betreuung des Pferdes durch die Klägerin zugestimmt haben, ist somit unstrittig, sodass eine Aufhebung des Berufungsurteils mit dem Auftrag zur neuerlichen Entscheidung nach Erörterung unterbleiben konnte.

[28] 6. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass aufgrund des aus den Feststellungen abzuleitenden Rechtsfolgewillens zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten ein Vertrag zustande gekommen ist, dessen Wirksamkeit wegen der Einwilligung der Vertreter (§ 170 Abs 1 ABGB) auch nicht die Minderjährigkeit der Beteiligten entgegensteht.

II. Zur verschuldensunabhängigen Haftung der Zweitbeklagten:

[29] 7. Für den Bereich des Auftragsvertrags normiert § 1014 ABGB eine verschuldensunabhängige Risikohaftung des Auftraggebers (RS0019610; Riedler , ZR III SchRBT VertrSch 6 Rz 9/18). Diese Norm verpflichtet den Auftraggeber zum Schadenersatz, soweit es um die typischen Gefahren des aufgetragenen Geschäfts – also um eine Art „Betriebsgefahr” – geht; er umfasst nur den „ ex causa mandati” , nicht aber auch den „ ex occasione mandati” entstandenen Schaden ( RS0019477; dazu zB Apathy/Burtscher in Schwimann/Kodek 5 § 1014 ABGB Rz 11 ff).

[30] 8. Eine Geschäftsbesorgung im Rahmen eines Auftrags besteht in der Vornahme von Rechtsgeschäften oder anderen Rechtshandlungen, wobei rein tatsächliche Handlungen im allgemeinen nicht unter den Begriff des Auftrags fallen (RS0019377). Die vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur Betreuung des Pferdes begründet damit keinen Auftrag iSd § 1002 ABGB, weil sich die Klägerin auf rein faktische Tätigkeiten beschränkte. Damit scheidet auch eine direkte Anwendung des § 1014 ABGB aus.

[31] 9. Allerdings kommt hier eine analoge Anwendung dieser Norm auf den gegenständlichen Tierbetreuungsvertrag in Betracht. Diese Analogie kann sich auf die Judikatur stützen, die eine analoge Anwendung des § 1014 ABGB auch für faktische Tätigkeiten und außerhalb des Auftragsrechts bejaht.

[32] 9.1.1 Das in § 1014 ABGB zum Ausdruck kommende allgemeine Prinzip der „Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse” ließ nach der Rechtsprechung zu Sach und Vermögensschäden eine Analogie auf Arbeitsverträge sachgerecht erscheinen (RS0019522). Der Arbeitnehmer kann gerade deshalb Ersatz seiner Schäden begehren, weil diese aus der Verwirklichung der spezifischen Gefahren der ihm durch den Arbeitsvertrag übertragenen Tätigkeiten resultieren ( Rubin in Kletečka/Schauer 1.03 § 1014 ABGB Rz 38), zu deren Durchführung er verpflichtet ist. Der Arbeitsvertrag ist dabei wertungsmäßig insoweit mit einem Auftragsvertrag zu vergleichen, weil ein Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsvertrags (ebenso wie ein Machthaber beim Auftragsvertrag) im Interesse seines Vertragpartners tätig wird ( Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger 4 § 1014 ABGB Rz 51). Die Analogie wird auch dann bejaht, wenn das Arbeitsverhältnis keine Geschäftsbesorgung, sondern nur faktische Tätigkeiten im fremden Interesse umfasst ( 9ObA 142/05f ).

[33] 9.1.2 Darüber hinaus ist § 1014 ABGB auch auf „andere Fälle“ einer (vertraglichen) Tätigkeit im fremden Interesse analog anwendbar ( RS0125786 ; 2 Ob 134/09h; Schurr in Schwimann/Neumayr 5 § 1014 ABGB Rz 10).

[34] 9.1.3 Schließlich wendet die Rechtsprechung § 1014 ABGB auch im Bereich der Geschäftsführung ohne Auftrag analog an ( 2 Ob 46/95 ).

[35] 9.2 Auch mit Blick auf die aufgezeigte Judikatur besteht kein Hindernis, § 1014 ABGB auf das vorliegende Vertragsverhältnis analog anzuwenden.

III. Zu den geltend gemachten Personenschäden und zum Dienstgeberhaftungsprivileg nach § 333 Abs 1 ASVG:

[36] 10. Die Klägerin macht den Ersatz für Personenschäden geltend.  Die Beklagten berufen sich auf das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG. Es läge eine Tätigkeit iSd § 176 Abs 1 Z 6 ASVG vor. Darüber hinaus könne die Klägerin – unabhängig von der Anwendung des § 333 Abs 1 ASVG – bei nur analoger Anwendung des § 1014 ABGB keine Personenschäden geltend machen.

Dazu ist auszuführen:

[37] 11.1 Das Haftungsprivileg nach § 333 Abs 1 ASVG gilt auch für Unfälle, die durch § 176 Abs 1 Z 6 ASVG den Arbeitsunfällen gleichgestellt sind ( RS0085264 [T1]). Die Norm ist somit auch dann anzuwenden, wenn den Unfall nicht ein aufgrund eines Arbeitsverhältnisses, Dienstverhältnisses oder Lehrverhältnisses Beschäftigter, sondern eine Person erlitten hat, die wie ein solcher Beschäftigter, wenn auch nur vorübergehend, tätig geworden ist. Dabei kommt es allerdings entscheidend auf die Einordnung in den Betrieb an ( RS0085264 ). Für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit ist wesentlich, dass es sich um eine ernstliche, dem in Frage stehenden Unternehmen dienliche, wirtschaftlich als Arbeit zu wertende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, und durch die ein enger ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird ( 2 Ob 33/21y , Rz 15 mwN). Das Haftungsprivileg setzt voraus, dass dem Geschädigten ein übergeordneter „Dienstgeber“ im weitesten Sinn bzw ein dem Dienstgeber Gleichgestellter als Schädiger gegenüberstand ( Neumayr in Schwimann/Neumayr 5 § 333 ASVG Rz 16 mwN).

[38] 11.2 Im Anlassfall scheitert die Anwendung des Haftungsprivilegs schon daran, dass die Klägerin weder in einem (fremden) Betrieb eingegliedert war noch ihr die Zweitbeklagte als einem Dienstgeber (Unternehmer) Gleichgestellte gegenüberstand. Die bloße Haltung eines Pferdes (durch die Zweitbeklagte) begründet kein Unternehmen, sodass sich die Klägerin durch die kurzzeitige Betreuung des Pferdes auch in keinen Betrieb eingliedert hat.

[39] 12. Es besteht auch sonst keine Grundlage, der Klägerin den Ersatz von Personenschäden zu verweigern.

[40] 12.1 Im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 1014 ABGB sind Personenschäden jedenfalls ersatzfähig ( 2 Ob 203/0 2w; Apathy/Burtscher in Schwimann/Kodek 5 § 1014 Rz 17; F. Bydlinski , Die Risikohaftung des Arbeitgebers [1986] 91; P. Bydlinski in KBB 6 § 1014 ABGB Rz 10; W. Faber , Risikohaftung im Auftrags und Arbeitsrecht [2001] 331 f; Hartlieb/Zollner in Rummel/Lukas/Geroldinger 4 § 1014 ABGB Rz 51; Rubin in Kletečka/Schauer 1.03 § 1014 ABGB Rz 27).

[41] 12.2 Das gilt auch für die analoge Anwendung dieser Norm (vgl für die notwendige GoA: 2 Ob 46/95 ).

[42] 12.3 Hingegen erfasst wegen des Dienstgeber Haftungsprivilegs nach § 333 Abs 1 ASVG die analoge Anwendung des § 1014 ABGB auf Arbeitsverträge keinen Ersatz für Personenschäden ( F. Bydlinski , Die Risikohaftung des Arbeitnehmers 17; P. Bydlinski in KBB 6 § 1014 ABGB Rz 10 mwN; Kerschner , Die Reichweite der Arbeitgeberhaftung nach § 1014 ABGB, in Tomandl , Haftungsprobleme im Arbeitsverhältnis [1991] 65 f; Rubin in Kletečka/Schauer 1.03 § 1014 Rz 48).

[43] 12.4 Außerhalb eines Arbeitsverhältnisses bestehen keine Bedenken, einen Ersatz von Personenschäden auf eine Analogie des § 1014 ABGB zu stützen, weil die Bestimmungen des § 333 ASVG außerhalb eines Arbeitsunfalls nicht anzuwenden sind. Verneint man im Sinne von Apathy ( Risikohaftung des Arbeitsgebers für Personenschäden? JBl 2004, 746) für Personenschäden die analoge Anwendung des § 1014 ABGB im Arbeitsrechtsverhältnis (auch) deshalb, weil eine Körperverletzung im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Arbeitnehmers durch die Unfallversicherung abgedeckt werde, kommt dieses Argument abseits eines Arbeitsunfalls (oder eines mit ihm gleichgestellten Unfalls, dazu Punkt 11) nicht in Betracht.

[44] 12.5 Die Klägerin war nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig, sodass sie berechtigt war, Personenschäden geltend zu machen.

IV. Ergebnis bezüglich der Zweitbeklagten:

[45] 13. Das Erstgericht ist zutreffend von einem Vertrag zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten ausgegangen. Dem steht wegen § 170 Abs 1 ABGB die Minderjährigkeit der Beteiligten nicht entgegen. Auf das Vertragsverhältnis ist § 1014 ABGB analog anwendbar, der im Anlassfall die geltend gemachten Personenschäden umfasst. Die Zweitbeklagte kann sich nicht auf § 333 Abs 1 ASVG berufen, weil mangels betrieblicher Eingliederung der Klägerin kein Unfall vorliegt, der einem Arbeitsunfall gleichgestellt ist.

V. Zum Anspruch gegen den Erstbeklagten:

[46] 14.1 Die Klägerin stützt ihren Anspruch gegen den Erstbeklagten darauf, dass dieser als Eigentümer und Halter des Pferdes hafte. Die Leistungen der Klägerin seien für ihn in seiner Eigenschaft als Eigentümer und Halter in seinem Interesse erbracht worden.

[47] 14.2 Die Beweisrüge der Klägerin zur erstgerichtlichen Feststellung, wonach der Erstbeklagte das Pferd der Zweitbeklagten vor dem Unfall geschenkt hat, wurde vom Berufungsgericht mangels Relevanz nicht erledigt. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

[48] 15. Der Ersatzanspruch nach § 1014 ABGB beruht auf der Veranlassung eines spezifischen Risikos in Verbindung mit der Verfolgung eigener Vorteile ( 9 ObA 111/89 ; 2 Ob 203/02w ; Apathy , JBl 2004 , 746; Apathy/Burtscher in Schwimann/Kodek 5 § 1014 Rz 11). Im Anlassfall hat der Erstbeklagte die Tätigkeit der Klägerin aber gerade nicht veranlasst. Die Klägerin wurde nur von der Zweitbeklagten mit der Betreuung des Pferdes beauftragt. Der Umstand, dass die Betreuungsdienste der Klägerin auch im allfälligen Interesse des Erstbeklagten (als allfälligen Eigentümer bzw Halter) vorgenommen wurden, reicht somit nicht hin, um von ihm einen auf § 1014 ABGB (analog) gestützten Ersatz zu verlangen. Die Vorinstanzen haben die Klage hinsichtlich des Erstbeklagten damit zutreffend abgewiesen, sodass der Revision insoweit nicht Folge zu geben war.

[49] 16. Das Berufungsgericht hat die Kostenentscheidung gemäß § 52 Abs 3 Satz 1 ZPO vorbehalten, weshalb auch vom Obersten Gerichtshof keine Kostenentscheidung zu treffen ist (3 Ob 1/23b mwN).

Rechtssätze
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  • RS0038607OGH Rechtssatz

    14. Dezember 2023·3 Entscheidungen

    Für das Zustandekommen eines Vertrages ist die Einigung der Vertragsteile über den Vertragsinhalt und die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlusswillens erforderlich. Eine Einigung der Parteien über den Vertragsinhalt ist erst anzunehmen, wenn über sämtliche Vertragsbestimmungen Einigkeit besteht. Solange über einzelne Vertragsbestimmungen - wesentliche oder unwesentlich - Fragen noch offen sind, ist der Vertrag nicht zustandegekommen. Ein synallagmatischer Vertrag erfordert somit Einigung der Parteien über Leistung und Gegenleistung. Sofern eine dieser Leistungen in einem zu entrichtenden Preis besteht, anerkennt die Rechtsprechung jedoch in fortschreitendem Maße, dass die Vereinbarung eines bestimmbaren Preises (Marktpreis, "angemessener Preis genügt, der Preis also nicht schon vor Abschluss des Vertrages ziffernmäßig festgestellt werden muss. Wird der allein zulässige Mietzins durch das Gesetz bestimmt und ist dieser Umstand den Parteien bekannt, genügt zum Zustandekommen des Mietvertrages der übereinstimmende Wille der Parteien, den Bestandgegenstand dem anderen Teil in Bestand zu geben beziehungsweise von diesem Bestand zu nehmen. Denn die Vereinbarung jedes anderen als des nach dem Gesetz zulässigen Mietzinses wäre rechtsunwirksam. Konnten sich die Parteien aber im besonderen Fall nicht rechtswirksam auf einen anderen als den im Gesetz vorgesehenen Mietzins einigen, dann hindert eine mangelnde Einigung der Parteien über die Höhe des das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschreitenden Mietzinses (Ablöse, Baukostenzuschuss) das Zustandekommen des Mietvertrages nicht, wenn kein Zweifel am Abschlusswillen der Parteien besteht, also von keiner Seite hinsichtlich des Abschlusses des Bestandvertrages ein Vorbehalt gemacht wurde (hier: Mietzinsbildung nach § 32 WBFG 1968).