JudikaturJustiz2Ob81/23k

2Ob81/23k – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch square17 Rechtsanwalts GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach dem * 2017 verstorbenen D*, vertreten durch den Verlassenschaftskurator D*, dieser vertreten durch Dr. Michael Göbel Rechtsanwalts GmbH in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei D*, vertreten durch Dr. Dietmar Kinzel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Auskunft und Eidesleistung sowie 4.936.291,69 EUR sA über die außerordentliche Revision der beklagten Partei sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. März 2023, GZ 16 R 163/22s 65, mit dem deren Berufung gegen das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 14. Juni 2022, GZ 9 Cg 130/20h 54, teilweise Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es – unter Einschluss des unbekämpften Teils – insgesamt wie folgt lautet:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, einen Eid dahin zu leisten, dass die mit Schriftsatz vom 21. 1. 2022 gemachten Angaben richtig und vollständig sind.

2. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei binnen vier Wochen Auskunft über die Aktiven und Passiven der Verlassenschaft nach dem am * 2017 verstorbenen D*, insbesondere unter Berücksichtigung der Mobilien, zum Todeszeitpunkt und über sämtliche zu Lebzeiten des Erblassers von diesem getätigte, pflichtteilsrelevante unentgeltlichen Zuwendungen, jeweils unter Nennung des Zuwendungsgegenstands, des Datums der Zuwendung sowie des ziffernmäßig bestimmten Werts der Zuwendung zum Zuwendungszeitpunkt zu erteilen, wird abgewiesen.

3. Die Entscheidung über das Zahlungsbegehren und die Kosten des Verfahrens erster Instanz bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei die mit jeweils 685,50 EUR bestimmten Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist einer von zwei Söhnen des 2017 verstorbenen Erblassers. Die Nebenintervenientin ist dessen bis zu seinem Tod mit ihm verheiratet gewesene zweite Ehefrau. Das Verlassenschaftsverfahren ist beim Bezirksgericht Döbling anhän gig.

[2] Der Erblasser bezog eine monatliche Pension in Höhe von rund 2.100 EUR. Im Jahr 2015 veräußerte er Immobilienbesitz um rund 550.000 EUR. Zusätzlich lukrierte er aus der Vermietung von Liegenschaften im Jahr 2016 Nettomieteinnahmen in einer Größenordnung von rund 210.000 EUR bis 300.000 EUR, wobei er im Jahr 2016 hierfür Akontozahlungen von etwa 70.000 EUR erhielt. Im selben Jahr bezog er drei Ausschüttungen aus Gesellschaftsbeteiligungen von je 50.000 EUR. Der Verbleib der vom Erblasser eingenommenen Geldbeträge beginnend mit dem Jahr 2015 kann nicht festgestellt werden.

[3] Über vorprozessuale Anfrage des Klägers gaben sein Bruder und die Nebenintervenientin diverse Schenkungen des Erblassers bekannt.

[4] Nach Einlangen dieser Auskunftsschreiben wies der Kläger den für die beklagte Verlassenschaft bestellten Verlassenschaftskurator darauf hin, dass eine vergleichsweise Bereinigung seiner Pflichtteilsansprüche gescheitert sei und er bei einer allfälligen Klage gegen den Nachlass als Pflichtteilsschuldner seinen Auskunftsanspruch über den Umfang des Nachlasses und pflichtteilsrelevante Zuwendungen geltend machen werde. Er ersuchte den Verlassenschaftskurator, die entsprechenden Informationen einzuholen, weil die bisherigen Bemühungen kein vollständiges Bild gebracht hätten.

[5] Daraufhin ersuchte der Verlassenschaftskurator den Bruder des Klägers und die Nebenintervenientin um Bekanntgabe, ob bzw inwieweit in dem ihm übermittelten, auf ihre Auskünfte Bezug nehmenden Schreiben des Klägers die Werte der Verlassenschaft und der Schenkungen richtig und vollständig angegeben seien, und allfällige Ergänzung. Die Nebenintervenientin gab bekannt, sämtliche Auskünfte erteilt zu haben. Der Bruder des Klägers antwortete nicht.

[6] Die U* gab dem Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren ua ein Wertpapierdepot mit einem Kurswert von 76.493,10 EUR bekannt. Das Wertpapierdepot war dem Kläger vor diesem Verfahren nicht bekannt. Trotz der Behauptung der Nebenintervenientin im Verfahren, der Erblasser habe vor seinem Tod mehr als die Hälfte des Depots aufgelöst, der Restbetrag gehöre ihr, stellte der Verlassenschaftskurator keine weiteren Erkundigungen dazu an.

[7] Mit im Verfahren erstattetem Schriftsatz vom 21. 1. 2022 übermittelte die beklagte Verlassenschaft eine Aufstellung über die – ua auch das Wertpapierdepot beinhaltenden – Aktiva und Passiva des Nachlasses samt Bewertung sowie Zuwendungen des Erblassers an den Bruder des Klägers, die Nebenintervenientin, die Schwester des Erblassers sowie den Kläger unter Anführung des jeweiligen Zuwendungszeitpunkts sowie – soweit bekannt – den Wert der Zuwendung. Bei einzelnen Nachlassbestandteilen bzw Zuwendungen wies die Beklagte auf die strittige Nachlasszugehörigkeit bzw den strittigen Schenkungscharakter hin.

[8] In einer Unterkunft in der B*gasse in Wien befinden sich weitere Mobilien des Erblassers, die dem Kläger bis zum 18. 2. 2022 weder von der Beklagten noch der Nebenintervenientin bekannt gegeben wurden. Lichtbilder dieser Mobilien des Erblassers hatte der Bruder des Klägers an den Verlassenschaftskurator übermittelt.

[9] Der Kläger begehrt von der beklagten Verlassenschaft „Rechnungslegung“ über ihre Aktiva und Passiva zum Todeszeitpunkt sowie Auskunft über pflichtteilsrelevante Zuwendungen des Erblassers, Beeidigung der Angaben und Zahlung eines vorläufig mit 4.936.291,69 EUR bezifferten Pflichtteils. Er brachte – soweit für das derzeit zu beurteilende Auskunfts- und Eidesleistungsbegehren relevant – vor, die Nebenintervenientin habe in der von ihr vom Kläger angeforderten Auskunft die Schenkung von Liegenschaftsanteilen verschwiegen und auch die für die Bewertung der Schenkung von Geschäftsanteilen notwendigen Unterlagen nicht übermittelt. Das deshalb an den Nachlasskurator gerichtete Aufforderungsschreiben sei unbeantwortet geblieben. Der die Beklagte vertretende Nachlasskurator müsse und könne über das ihm ohnehin bekannte Nachlassvermögen Auskunft geben und sei verpflichtet, Nachforschungen (Anfragen bei potentiellen Wissensträgern, Belegdurchsicht) zu allfälligen pflichtteilsrelevanten Schenkungen anzustellen. Allfällige Schwierigkeiten, Informationen zu erlangen, könnten nicht zu Lasten des Klägers gehen. Die letztlich im Verfahren übermittelte Auflistung sei in Anbetracht der erfolgten Relativierung, diese stelle kein Anerkenntnis der Nachlasszugehörigkeit oder des Schenkungscharakters dar, keine Erfüllung des Auskunftsanspruchs. Der Kläger habe die begründete Besorgnis, dass ihm nach wie vor nicht das ganze Nachlassvermögen bekannt sei.

[10] Die beklagte Verlassenschaft wendet ein, der Kläger verfüge über alle zu beauskunftenden Tatsachen, sodass sein Auskunftsanspruch befriedigt sei. Überdies überspanne er die Auskunftspflicht der Beklagten und verstoße gegen das Schikaneverbot. Der Auskunftsanspruch sei jedenfalls mit Schriftsatz vom 21. 1. 2022 erfüllt. Auch aus der verlangten Durchsicht der Konten und Depots ließen sich keine (weiteren) Schenkungen ableiten. Eine unbeschränkte Eidesleistung durch den Verlassenschaftskurator sei der Beklagten nicht möglich, weil dieser von der Informationserteilung Dritter abhänge.

[11] Die Nebenintervenientin wendet ein, der Kläger begehre die Offenlegung ihm aufgrund der bereits erteilten Auskünfte bekannter Umstände, sodass ihm das privatrechtliche Interesse fehle. Der Verlassenschaftskurator habe keine Kenntnis über sämtliche unentgeltlichen Zuwendungen des Verstorbenen und könne auch nicht vollständig beurteilen, welche der ihm bekannten Zuwendungen zu welchem Datum erfolgt und pflichtteilsrelevant seien. Bei dem – dem Kläger zunächst nicht bekannt gegebenen – Wertpapierdepot handle es sich um eine gemeinsame Anlage des Erblassers und der Nebenintervenientin. Der Erblasser habe vor seinem Tod mehr als die Hälfte dieses Depots abgehoben bzw aufgelöst. Er sei mit der Nebenintervenientin übereingekommen, dass der verbleibende Rest der Nebenintervenientin gehöre.

[12] Das Erstgericht gab dem Begehren auf „Rechnungslegung“, Auskunft sowie Eidesleistung mit Teilurteil statt. Dem Kläger stehe als Pflichtteilsberechtigtem ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Auskunft und Eidesleistung über das Verlassenschaftsvermögen sowie pflichtteilsrelevanter Zuwendungen des Erblassers gegen die beklagte Verlassenschaft zu. Da Schenkungen an den Bruder des Klägers und die Nebenintervenientin erwiesen seien, der Verbleib erheblicher Geldmittel unklar sei und das Beweisverfahren bisher nicht bekannte Vermögenswerte ergeben habe, sei die Besorgnis des Klägers begründet, nicht alle für die Pflichtteilsberechnung relevanten Umstände zu kennen. Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 21. 1. 2022 getätigte eidesstättige Erklärung stelle weder eine Erfüllung des Auskunfts noch des Eidesleistungsbegehrens dar. Der Eid sei vor dem Außerstreitrichter abzulegen. Auch inhaltlich werde die Auskunft insoweit relativiert, als darauf hingewiesen werde, diese bedeute keinerlei Anerkenntnis hinsichtlich der Fragen der Nachlasszugehörigkeit, der erfolgten oder nicht erfolgten Schenkungen, der Pflichtteilsrelevanz oder – mit Ausnahme der Außerstreitstellungen – der Bewertung.

[13] Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin nur insoweit Folge, als es das Begehren, auch bei nicht in Geld bestehenden Schenkungen den ziffernmäßig bestimmten Wert zu nennen, (unbekämpft) abwies. Es schloss sich in rechtlicher Hinsicht im Übrigen im Wesentlichen den Ausführungen des Erstgerichts an. Der Kläger habe sein rechtliches Auskunftsinteresse, seine begründete Besorgnis ausreichend dargetan. Der Auskunftsanspruch sei auch durch die zwar formell vollständig wirkende Auskunft im Schriftsatz vom 21. 1. 2022 nicht erfüllt, weil der Verlassenschaftskurator zumutbare Erhebungen in Bezug auf das Wertpapierdepot zur Überprüfung der Angaben der Nebenintervenientin über dessen wirtschaftliche Zuordnung zu ihr unterlassen habe. Auch habe er den Verbleib der Einnahmen aus den Liegenschaftsverkäufen und der Vermietungstätigkeit etwa durch Einsicht in Kontoauszüge nicht nachvollzogen. Ebenso wenig habe er trotz Hinweises des Bruders des Klägers keine Nachforschungen zum Mobilienbesitz des Erblassers in seiner ehemaligen Wohnung angestellt. Die zwar formell vollständig wirkende, aber auf unzureichender Erhebungsgrundlage beruhende Auskunft sei daher keine Erfüllung des Auskunftsanspruchs. Überdies nehme die Erklärung, sie stelle kein Anerkenntnis hinsichtlich der Fragen der Nachlasszugehörigkeit, der erfolgten oder nicht erfolgten Schenkungen, der Pflichtteilsrelevanz oder – mit Ausnahme der Außerstreitstellungen – der Bewertung dar, der Auskunft jeglichen Wert. Der Verurteilung der beklagten Verlassenschaft zur Eidesleistung stehe ein allfälliges Unvermögen des Verlassenschaftskurators, (weitere) Informationen zu erlangen, nicht entgegen.

[14] Gegen diese Entscheidung richten sich die außerordentlichen Revisionen der Beklagten sowie der Nebenintervenientin mit dem Abänderungsantrag, die Begehren auf Rechnungslegung und Eidesleistung abzuweisen. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

[15] Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revisionen zurückzuweisen, hilfsweise ihnen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[16] Die außerordentlichen Revisionen sind zulässig , weil dem Berufungsgericht eine aufzugreifende Fehlbeurteilung im Zusammenhang mit der Erfüllung des Auskunftsanspruchs unterlaufen ist. Sie sind auch teilweise berechtigt .

[17] Die Revisionen argumentieren zusammengefasst, weitere Nachforschungen seien dem Verlassenschaftskurator nicht zumutbar. Vielmehr habe die Beklagte den Auskunftsanspruch des Klägers durch die erteilte Auskunft vollständig erfüllt. Die Richtigkeit und Vollständigkeit sei nicht zu prüfen. Das Rechnungslegungsbegehren des Klägers könne nicht Gegenstand der Eidesleistung sein. Der Verlassenschaftskurator könne die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben nicht beeiden, weil er von Auskünften Dritter abhängig sei.

Dazu hat der erkennende Fachsenat erwogen:

[18] 1. Die gerügten Aktenwidrigkeiten und Verfahrensmängel des Berufungsgerichts liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[19] 2. Da der Erblasser nach dem 31. 12. 2016 verstorben ist, ist die Rechtslage idFd ErbRÄG 2015 anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB).

[20] 3. Schon bisher konnten Pflichtteilsberechtigte von der Verlassenschaft und nach Einantwortung von den Erben auf materiell rechtlicher Grundlage (§ 786 und §§ 784, 804 aF ABGB) Auskunft über das vorhandene Verlassenschaftsvermögen und Zuwendungen des Erblassers an andere Pflichtteilsberechtigte und Dritte verlangen. Im Anwendungsbereich des Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO bestand der Anspruch schon bei konkret dargelegter begründeter Besorgnis des Pflichtteilsberechtigten, dass ihm nicht das gesamte Nachlassvermögen oder nicht alle für den Schenkungspflichtteil relevanten Verfügungen des Erblassers bekannt waren. Der Anspruch war an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft und seine Ausübung nur durch das Schikaneverbot beschränkt. Er verpflichtete die Verlassenschaft oder die Erben, Auskunft über das vorhandene Verlassenschaftsvermögen und sämtliche pflichtteils-relevanten Schenkungen zu geben (2 Ob 227/19z Rz 16 mwN; 2 Ob 39/21f Rz 22 mwN).

[21] 3.1 Daran hat die Schaffung des – bisher verneinten (2 Ob 227/19z Rz 17 mwN) – Auskunftsanspruchs gegen die Geschenknehmer in § 786 ABGB idFd ErbRÄG 2015 nichts geändert, sollte doch damit nur klargestellt werden, dass auch vom Geschenknehmer Auskunft verlangt werden kann (ErlRV 688 BlgNR XXV. GP 35; vgl auch 2 Ob 39/21f Rz 31).

4. Begründete Besorgnis

[22] 4.1 Voraussetzung für den Anspruch auf genaue und vollständige Ermittlung des Nachlasses ist (nur) die subjektiv begründete Besorgnis des Berechtigten, dass weiteres, ihm bisher nicht bekanntes Nachlassvermögen vorhanden ist, wofür schon der ungeklärte Verbleib von Vermögenswerten ausreichend sein kann (2 Ob 144/18t Pkt 1. und 2.). Trotz „begründeter Besorgnis“ wäre der Auskunftsanspruch nur dann zu verneinen, wenn aufgrund des Beweisverfahrens feststeht, dass die Besorgnis tatsächlich unbegründet ist (RS0127349 [T2]).

[23] 4.2 Auch der Auskunftsanspruch gegen die Verlassenschaft über pflichtteilsrelevante Schenkungen ist schon durch eine sonst nicht erklärbare Verminderung des Vermögens – auch ohne Nennung bestimmter Empfänger – ausreichend begründet (2 Ob 227/19z Rz 24).

[24] 4.3 Die Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch liegen daher schon im Hinblick auf den ungeklärt gebliebenen Verbleib erheblicher Einkünfte des Erblassers aus der Vermietung und der Veräußerung von Immobilienbesitz sowohl in Bezug auf das Nachlassvermögen als auch pflichtteilsrelevante Schenkungen vor. Dass der Kläger bereits Kenntnis von zahlreichen (sonstigen) Nachlassbestandteilen und diversen Zuwendungen an seinen Bruder und die Nebenintervenientin hat, steht dem nicht entgegen.

5. Inhalt und Erfüllung des Auskunftsanspruchs

[25] 5.1 Inhalt und Ausgestaltung eines allfälligen Auskunftsanspruchs des Pflichtteilsberechtigten sind im materiellen Recht zu suchen. Der Anspruch richtet sich nach dem Zweck der Auskunftspflicht, der allgemein darin liegt, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Leistungsansprüche gegen den Verpflichteten festzustellen und geltend zu machen. Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten ist inhaltlich auf genaue und vollständige Ermittlung des Nachlasses gerichtet. Er soll sich ein Urteil verschaffen können, das ihn in die Lage versetzt, seinen Pflichtteilsanspruch zu errechnen (2 Ob 142/19z Pkt III.3.1. mwN). Ob ein zur Auskunft Verpflichteter dem Berechtigten auch die dazu gehörigen Belege zugänglich zu machen hat, bestimmt sich nach dem Zweck der Auskunftserteilung und hängt davon ab, ob das durch den Auskunftsanspruch geschützte Interesse des Berechtigten ansonsten nicht oder zumindest nicht vollständig befriedigt werden könnte (RS0035044 [T4]).

[26] Auch der Anspruch auf Auskunft über Schenkungen dient der Pflichtteilsberechnung oder zumindest der Einschätzung der Höhe nach. Der Pflichtteilsberechtigte soll den Gegenstand und – im Hinblick auf § 788 ABGB – den Zeitpunkt der Schenkung kennen. Bei Geldschenkungen ist der geschenkte Betrag zu beziffern. Bei Sachschenkungen muss der Auskunftspflichtige eine (eigene oder gar sachverständige) Bewertung nicht vornehmen, vielmehr liegt es am Berechtigten selbst, den Wert der geschenkten Sache einzuschätzen (2 Ob 220/21y Rz 16 = RS0134043 [T1, T2]).

[27] 5.2 Die urteilsmäßige Verpflichtung zur Auskunfsterteilung ist erfüllt, wenn eine formell vollständige Auskunft erteilt wurde. Der darüber hinaus bestehende Anspruch auf vollständige und wahrheitsgemäße Auskunftserteilung kann – abgesehen von der Möglichkeit der Klage auf Eidesleistung nach Art XLII EGZPO (vgl dazu unten Pkt 6.) – prozessual nicht erzwungen werden, sondern berechtigt nur zur Erhebung von Schadenersatzansprüchen. Das gilt auch im Titelprozess für die Beurteilung der Frage, ob ein Auskunftsanspruch erfüllt wurde. Liegt eine formell vollständige Auflistung vor, so ist der Anspruch erfüllt. Dass der Berechtigte diese Auflistung für unrichtig oder unvollständig hält, ändert daran nichts (2 Ob 220/21y Rz 14 mwN).

[28] 5.3 Die Beklagte hat die unter Pkt 5.1 dargestellten Angaben im Schriftsatz vom 21. 1. 2022 gemacht. Er enthält eine formell vollständige Auflistung von detailliert angeführten Aktiven (unter anderem das Wertpapierdepot) und Passiven sowie Zuwendungen des Erblassers samt Zeitpunkt und teils auch eine – nicht erforderliche – Bewertung. Allein, dass der Kläger die Auflistung nach wie vor für inhaltlich unrichtig, weil unvollständig hält, ändert an der formellen Vollständigkeit der erteilten Auskunft nichts. Auch die Tatsache, dass der Anspruch, wie erörtert, schon bei subjektiv begründeter, wenn auch konkret darzulegender Besorgnis des Pflichtteilsberechtigten besteht, verhindert nicht, dass er durch eine den dargelegten Kriterien entsprechende Auskunft erfüllt wird. Nach Bekanntgabe einer den formalen Kriterien vollständig entsprechenden Auskunft durch den Verpflichteten bleibt dem Anspruchsberechtigten nur das Verlangen auf Eidesleistung (vgl 2 Ob 142/19z Pkt III.3.2. und III.3.3.). Die Vorlage auch von Belegen für die erteilten Auskünfte ist hier nicht Teil des Klagebegehrens (vgl 3 Ob 264/06d).

[29] 5.4 Der der Auskunft beigefügte Zusatz, diese stelle kein Anerkenntnis hinsichtlich der Fragen der Nachlasszugehörigkeit, der erfolgten oder nicht erfolgten Schenkungen, der Pflichtteilsrelevanz oder – mit Ausnahme der Außerstreitstellungen – der Bewertung dar, nimmt dieser auch nicht jegliche Bedeutung. Damit wird lediglich – wie auch bei einzelnen Punkten angeführt – zum Ausdruck gebracht, dass die Nachlasszugehörigkeit oder der Schenkungscharakter einzelner Positionen laut den von der Beklagten eingeholten Auskünften strittig ist. Der Zweck der Auskunftserteilung schließt es vielmehr aus, dass der Belangte in zweifelhaften Fällen selbst entscheidet, ob Nachlasszugehörigkeit gegeben ist oder eine Hinzurechnung zu erfolgen hat (vgl RS0133355). Der Hinweis ist daher auch im Interesse des Klägers und steht einer Erfüllung des Auskunftsanspruchs nicht entgegen.

[30] Weitere Einwände gegen die derart erfolgte, formell vollständige Auskunft, insbesondere das Fehlen weiterer Erhebungen, das die erteilte Auskunft formell unvollständig machen würde, hat der Kläger in erster Instanz schließlich nicht (mehr) erhoben.

[31] Das – zunächst nicht bekannt gegebene – Wertpapierdepot lautend auf den Erblasser und die Nebenintervenientin hat die Beklagte ohnehin in ihre Auskunft aufgenommen und darauf hingewiesen, dass dessen Nachlasszugehörigkeit aufgrund der Einwände der Nebenintervenientin strittig ist.

[32] Zur zunächst vom Kläger in Bezug auf allfällige Schenkungen verlangten, nicht näher konkretisierten Konten- und Belegdurchsicht hat die Beklagte im Zuge der mit Schriftsatz vom 21. 1. 2022 übermittelten Aufstellung vorgebracht, aus dieser ließen sich keine weiteren Schenkungen ableiten. Dies hat der Kläger auch nicht substanziiert bestritten, sondern gegen die Erfüllung letztlich nur mehr den beigefügten Zusatz ins Treffen geführt. Soweit das Berufungsgericht gegen das Erlöschen des Auskunftsanspruch insoweit die Nichtdurchführung weiterer zumutbarer Erhebungen ins Treffen führt, lässt es das unstrittige Parteienvorbringen außer Acht.

[33] Auch macht der vom Erstgericht festgestellte, in der von der Beklagten erteilten Auskunft nicht enthaltene Mobilienbesitz des Erblassers in einer ehemaligen Wohnung die zuvor erteilte, formell vollständige Auskunft nicht nachträglich unvollständig, liefe dies doch auf die – gerade nicht vorzunehmende (RS0004372 [T1]) – Überprüfung von deren Richtigkeit hinaus. Da die Beklagte mit der übermittelten Aufstellung auch bereits genau jene Leistung erbracht hat, zu der sie verpflichtet war, ist der Auskunftsanspruch gemäß § 1412 ABGB überdies erloschen (RS0033273). Das Hervorkommen weiterer Vermögenswerte führt nicht zum „Wiederaufleben“ des Auskunftsanspruchs, weil auch dadurch der erteilten Auskunft nicht (nachträglich) die geschuldete formelle Vollständigkeit genommen wird. Dass die Auflistung in Bezug auf die Mobilien des Nachlasses (formell) unvollständig wäre, hat der Kläger im Übrigen auch gar nicht behauptet.

[34] Soweit der Kläger wiederholt eine Unzulänglichkeit der erteilten Auskunft wegen des Fehlens von für die Bewertung notwendiger Unterlagen (Schenkung von Geschäftsanteilen) releviert, steht dies schon deshalb der Erfüllung nicht entgegen, weil eine Bewertung bei nicht in Geld bestehenden Schenkungen nicht geschuldet und eine Zugänglichmachung von Belegen nicht Teil des Klagebegehrens ist.

[35] Im Ergebnis hat die Beklagte den Auskunftsanspruch des Klägers daher bereits erfüllt.

[36] 5.5 Bei den Anspruchsarten nach Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO kann zwischen der zeitpunktbezogenen Auskunftspflicht, die auf die Angabe von Vermögen und Schulden in der Form eines Verzeichnisses von Aktiven und Passiven zu einem bestimmten Zeitpunkt gerichtet ist, und der Rechnungslegung, die periodenbezogen eine Darstellung von Vermögensbewegungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums umfasst, unterschieden werden (2 Ob 142/19z Pkt III.6.1. mwN). Der Kläger begehrt von der Beklagten wörtlich „Rechnung in der Form eines Verzeichnisses von Aktiven und Passiven zum […] zu legen, und über sämtliche zu Lebzeiten des Verstorbenen […] von diesem getätigte pflichtteilsrelevante Zuwendungen […] Auskunft zu erteilen“. Inhaltlich verlangt er zu beiden Manifestationsbegehren keine Angaben über periodenbezogene Vermögensbewegungen. Sein Klagebegehren ist daher insgesamt als solches auf Erteilung von Auskünften zu verstehen.

6. Eidesleistung

[37] 6.1 Wer nach einer der beiden Varianten des Art XLII Abs 1 EGZPO zur Auskunft über Vermögen oder Schulden gezwungen werden kann, ist zudem verpflichtet, diese zu beeiden ( Konecny in Fasching/Konecny ³ II/1 Art XLII EGZPO Rz 96, 99). Das Klagebegehren ist im ersten Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO auf eidliche Angabe des Vermögens zu richten (RS0034921). Der hier nach § 786 ABGB erhobene Auskunftsanspruch fällt unter Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO (2 Ob 220/21y Rz 14 mwN).

[38] 6.2 Der Kläger stellt inhaltlich kein Rechnungslegungs-, sondern ein Auskunftsbegehren betreffend einen bestimmten Zeitpunkt (siehe oben Pkt 5.6). Der Einwand der Nebenintervenientin, eine Rechnungslegung könne nicht Gegenstand der Eidesleistung sein, ist deshalb verfehlt.

[39] 6.3 Die Beurteilung des im Erkenntnisverfahren – im Hinblick auf die notwendige Einbindung eines Dritten (hier: Abhängigkeit der Beklagten bzw ihres Kurators von der Informationserteilung Dritter) – erhobenen Einwands der Unmöglichkeit der Leistung (§§ 878, 1447 ABGB) deckt sich nicht zwingend mit dem Verständnis der Unzulässigkeit der Exekution nach § 354 EO wegen notwendiger Mitwirkung eines Dritten ( Höllwerth in Deixler Hübner , § 354 EO Rz 17).

[40] Zu 3 Ob 213/12p (Pkt 5.) wurde in diesem Sinn lediglich ausgeführt, dass bezweifelt werden müsse, ob ein auf eidliche Vermögensabgabe lautender Titel im Weg des § 354 EO durchzusetzen ist, wenn nur eine dritte Person über die erforderlichen Informationen verfügt.

[41] Die Abhängigkeit von der Informationserteilung durch Dritte bedeutet noch nicht eine zur Klagsabweisung führende, im Erkenntnisverfahren zu berücksichtigende Unmöglichkeit der (Eides )Leistung.

[42] Diese liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn dem Schuldner die Bewirkung der versprochenen Leistung physisch oder rechtlich dauernd (endgültig) unmöglich ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Leistung ein dauerhaftes Hindernis entgegensteht. Ein solches ist anzunehmen, wenn nach der Verkehrsauffassung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden kann. Die Unmöglichkeit ist von demjenigen zu beweisen, der sich auf sie beruft (2 Ob 39/21f Rz 30 mwN zum Auskunftsanspruch Pflichtteilsberechtigter). Besteht kein Grund zur Annahme, dass es der Beklagten unmöglich wäre die Mitwirkung des Dritten an der geschuldeten Leistung zu erreichen, steht auch eine mangelnde Vollstreckbarkeit des Begehrens gemäß § 354 Abs 1 EO einem stattgebenden Urteil nicht entgegen (RS0016423 [T2]). Der bloße Hinweis der Beklagten, sie sei von der Informationserteilung Dritter abhängig, bedeutet daher noch keine Unmöglichkeit der eidlichen Vermögensangabe. Wer letztlich tatsächlich für die beklagte Verlassenschaft den Eid abzulegen hat, ist nicht im Erkenntnisverfahren zu beurteilen (vgl RS0001804; RS0001972).

[43] 6.4 Mangels Erfüllung der grundsätzlich im Außerstreitverfahren vorzunehmenden Eidesleistung (vgl 2 Ob 220/21y Rz 19 mwN) war den Revisionen insoweit ein Erfolg versagt. Das Teilurteil ist daher wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern, wobei auch der bereits in Rechtskraft erwachsene abweisende Teil des Berufungsurteils berücksichtigt ist.

7. Kosten

[44] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO (RS0035972). Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte waren das Auskunfts und Eidesleistungsbegehren gleich zu bewerten, sodass die Beklagte im Berufungs und Revisionsverfahren als zur Hälfte obsiegend zu betrachten ist. Die Vertretungskosten des Rechtsmittelverfahrens sind daher gegeneinander aufzuheben. Da die Beklagte auf dieser Grundlage keinen Kostenersatzanspruch hat, gilt dies auch für die auf ihrer Seite beigetretene Nebenintervenientin (RS0035807 [T7]). Ihnen gebührt jedoch jeweils die Hälfte der im Berufungs- und Revisionsverfahren entrichteten Pauschalgebühr ohne Streitgenossenzuschlag (§ 19a GGG).

Rechtssätze
11