JudikaturJustiz1Ob7/89

1Ob7/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martin H***, Pensionist, Kaprun 666, vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 693.649,15 samt Anhang und Feststellung (Gesamtstreitwert S 793.649,15) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 8. November 1988, GZ 12 R 76/88-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12. April 1988, GZ 8 Cg 212/86-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben; das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben; die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger, der als Kellner im Gastgewerbebetrieb seiner Mutter arbeitete, lernte Andrea K*** Ende März, Anfang April 1985 kennen. Nach kurzer Zeit kam es zwischen ihm und Andrea K*** zu geschlechtlichen Beziehungen, die am 11. Mai 1985 vom Kläger beendet wurden. Schon damals erklärte Andrea K***, wenn der Kläger sie stehen lasse, werde sie ihn umbringen. Der Kläger versetzte daraufhin Andrea K*** eine Ohrfeige. In der Folge kam es wiederholt zu Telefonanrufen Andrea K*** beim Kläger oder dessen Mutter, in denen Andrea K*** ihre Drohungen, den Kläger zu töten, wiederholte. Andrea K*** wurde mit Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 3. Jänner 1986, 21 Vr 1463/85, 21 Hv 35/85-57, ua rechtskräftig des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt. Nach dem Wahrspruch der Geschwornen hat sie in der Zeit vom 11. Mai bis 20. Mai 1985 in Kaprun durch die wiederholte direkte und telefonische Ankündigung gegenüber dem Kläger und seiner Mutter Renate H***, den Kläger umzubringen, diesen mit dem Tod gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen; sie hat weiters am 22. Mai 1985 in Kaprun versucht, den Kläger zu töten, indem sie von einem Flobertgewehr aus einer Entfernung von ca. 15 m einen Schuß gegen den Kopf des Klägers abgab und ihn am Hals traf, wodurch der Kläger einen Durchschuß durch den Hals mit Verletzung der Schilddrüse, einen Schußbruch des 5. Halswirbelkörpers, Durchtrennung des Rückenmarks sowie eine Rißquetschwunde am Hinterhaupt links, sohin eine schwere Verletzung mit bleibender Querschnittslähmung, erlitt.

Der Kläger begehrt aus dem Rechtsgrund der Amtshaftung den Zuspruch des Betrages von S 693.649,15 samt Anhang (Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Prozeßkosten des gegen Andrea K*** geführten Verfahrens 5 Cg 206/85 des Landesgerichtes Salzburg) und die Feststellung, die beklagte Partei habe dem Kläger für sämtliche Schäden aus dem Vorfall vom 22. Mai 1985 zu haften. Der Kläger und seine Mutter hätten die zuständigen Sicherheitsorgane von den gefährlichen Drohungen der Andrea K*** in Kenntnis gesetzt und um entsprechenden sicherheitsbehördlichen Schutz gebeten. Andrea K*** sei aber nicht inhaftiert worden. In der Nacht vom 17. Mai auf den 18. Mai 1985 habe Andrea K*** wiederholt telefonisch konkrete Morddrohungen dem Kläger gegenüber ausgestoßen. Sie habe gesagt, sie bekomme von Anton K***, Inhaber des Nachtclubs Jasmin in Saalfelden, eine Feuerwaffe und werde dann den Kläger erschießen. Der Kläger sei durch diese Ankündigung sehr beunruhigt gewesen. Die Mutter des Klägers habe telefonisch mit Anton K*** Rücksprache gehalten. Dieser habe ihr bestätigt, daß Andrea K*** versucht habe, von ihm eine Waffe zu erhalten. Sie habe dafür bis zu S 10.000,-- geboten. Eine Waffe sei ihr aber nicht ausgefolgt worden. Durch diese Bestätigung Anton K*** sei die Beunruhigung des Klägers noch mehr gestiegen. Dies habe ihn dazu gebracht, ab Mitternacht die Haustüre zu versperren und keine Gäste mehr ins Lokal zu lassen. Obwohl einem Beamten des Landesgendarmeriekommandos Salzburg diese Umstände mitgeteilt worden wären, habe dieser erklärt, bevor nicht der erste Schuß gefallen sei, schreite die Gendarmerie nicht ein. Da die telefonischen Morddrohungen in dieser Nacht angehalten hätten, habe der Kläger mit seiner Mutter in den frühen Morgenstunden des 18. Mai 1985 am Gendarmierposten Zell am See Anzeige gegen Andrea K*** erstatten wollen. Erst über Weisung eines Vorgesetzten habe der Gendarmeriebeamte diese Anzeige entgegengenommen. Der Gendarmerie sei bekanntgegeben worden, daß Andrea K*** versucht habe, sich eine Faustfeuerwaffe zu verschaffen. Dennoch sei eine Haft der Andrea K*** nicht angeordnet worden.

Die Vorschriften der §§ 175 Abs 1 Z 4, 180 Abs 2 Z 3 StPO seien zugunsten des Klägers Schutzgesetze im Sinn des § 1311 ABGB. Wäre Andrea K*** in Untersuchungshaft gekommen, hätte sie den Mordversuch an dem Kläger nicht begehen können. Hätten die Sicherheitsorgane der beklagten Partei gesetzmäßig gehandelt, wäre der Kläger heute gesund. Die Organe der beklagten Partei hätten rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

Die beklagte Partei wendete ein, Andrea K*** sei über Anzeige des Klägers am 18. Mai 1985, 6 Uhr, vorläufig festgenommen worden. Eine Schußwaffe habe sie nicht bei sich geführt. Um 9,45 Uhr sei dem diensthabenden Staatsanwalt der Sachverhalt geschildert worden. Der Staatsanwalt habe verfügt Andrea K*** auf freiem Fuße anzuzeigen, da die Drohungen wiederholt ausgesprochen worden seien und Andrea K*** bisher keinen wie immer gearteten Versuch unternommen habe, die Drohungen in die Tat umzusetzen. Bei der Verfügung der vorläufigen Verwahrung handle es sich um eine Ermessensentscheidung. Ein Ermessensmißbrauch liege nicht vor. Die Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Zell am See hätten auf Anzeige des Klägers hin alles Notwendige veranlaßt. Es sei zu Recht von einer Verwahrung der Andrea K*** Abstand genommen worden. Andrea K*** habe auch erst nach dem 18. Mai 1985 ernstlich den Entschluß gefaßt, sich eine Waffe zu beschaffen und den Kläger umzubringen. Vor ihrer vorläufigen Festnahme habe sie nicht versucht, eine Waffe zu erwerben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest:

Vermutlich am Freitag, dem 17. Mai 1985, habe der Kläger von Anton K***, dem Inhaber eines Bordells in der Nähe von Saalfelden, erfahren, daß Andrea K*** versucht habe, von ihm eine Schußwaffe zu kaufen. Andrea K*** habe Renate H*** auch telefonisch mitgeteilt, sie habe nun eine Waffe, diese habe sie von Anton K*** erhalten, jetzt sei es soweit. In der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 1985 habe Andrea K*** wiederholt beim Kläger und dessen Mutter im Lokal angerufen und diesen bedroht; der Kläger und seine Mutter hätten das Lokal darauf versperrt gehalten und die Gäste nur mehr einzeln herausgelassen. Renate H*** sei gegen 5,30 Uhr mit dem Kläger zum Gendarmeriepostenkommando Zell am See gefahren und habe verlangt, mit dem Gendarmeriebezirkskommandanten, den sie persönlich gekannt habe, zu sprechen. Diesem habe sie geschildert, daß der Kläger bedroht werde und ihr die Sache deswegen gefährlich erscheine, weil Andrea K*** angeblich in einem Saalfeldener Bordell beginnen solle und ihr dessen Inhaber Anton K*** möglicherweise eine Waffe geben werde. Darauf habe für den Bezirksgendarmeriekommandanten Gefahr im Verzug wegen der Drohung im Zusammenhang mit dem möglichen Waffenbesitz bestanden. Er habe den Journalbeamten angewiesen, sofort BezInsp. Peter H***, den ranghöchsten Beamten des Kriminaldienstes, stellig zu machen, der im Gendarmeriegebäude gewohnt habe. Peter H*** habe sich unmittelbar darauf beim Bezirksgendarmeriekommandanten gemeldet und den Auftrag erhalten, Andrea K*** vorläufig festzunehmen. Andrea K*** sei darauf von zwei Gendarmeriebeamten in der Centro-Bar in Zell am See angetroffen worden. Andrea K*** sei den Beamten geistig abwesend erschienen. Die Gendarmeriebeamten hätten die vorläufige Festnahme ausgesprochen und Andrea K*** zum Gendarmerieposten gebracht. Dort habe Andrea K*** den Kläger und dessen Mutter gesehen und ihnen einige Schimpfworte zugerufen. Eine Waffe sei bei Andrea K*** nicht gefunden worden; sie habe verneint, eine solche zu besitzen. Mit dem Kläger und Renate H*** sei am Morgen des 18. Mai 1985 im Gendarmeriepostenkommando Zell am See eine Niederschrift aufgenommen worden. Um 9,45 Uhr habe BezInsp Peter H*** mit dem Journalstaatsanwalt Dr. Hubert M*** der Staatsanwaltschaft Salzburg telefoniert und ihn darüber informiert, daß Andrea K*** den Kläger bereits seit längerer Zeit, letztmalig auch in der Nacht zum 18. Mai 1985, mit dem Umbringen bedroht habe. Nach weiterer Information über den Fall habe Dr. Hubert M*** verfügt, Andrea K*** auf freiem Fuß anzuzeigen, weil die Drohungen wiederholt ausgesprochen worden seien und Andrea K*** bisher keinen wie immer gearteten Versuch unternommen habe, diesen in die Tat umzusetzen und damit die Ernstlichkeit der Drohung in Frage gestellt sei. Sollte aber eine Sinnesverwirrung vorliegen, solle ein Arzt beigezogen werden, der im Bedarfsfall die Einweisung in die Landesnervenklinik veranlassen könne. Eine Mitteilung darüber, daß Andrea K*** versucht habe, sich eine Waffe zu besorgen, sei nicht erfolgt. Wäre eine solche Mitteilung erfolgt, hätte Staatsanwalt Dr. Hubert M*** wegen der Gefahr der Tatbegehung einen Haftbefehl gegen Andrea K*** beantragt. Es werde generell so gehandhabt, daß dann, wenn ein Drohender versuche, sich eine Waffe zu besorgen, Haftbefehl beantragt werde. BezInsp. Peter H*** habe dann den Vertreter des Sprengelarztes ersucht, Andrea K*** zu untersuchen. Der Arzt habe anschließend erklärt, eine Einweisung Andrea K*** in die Landesnervenklinik oder in ein Krankenhaus sei nicht erforderlich. Andrea K*** befinde sich derzeit in einem seelischen Tief, eine Vernehmung sei nicht zweckmäßig. Zur Ausführung der gefährlichen Drohung sei Andrea K*** im derzeitigen Zustand gar nicht fähig. Andrea K*** wurde darauf um 11,50 Uhr aus der Verwahrung entlassen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe Andrea K*** nicht die Absicht gehabt, die Drohung dem Kläger gegenüber tatsächlich wahrzumachen. Sie habe sich dazu erst nach ihrer Entlassung entschlossen. Am 21. Mai 1985 habe sie im Waffengeschäft des Siegfried W*** in Zell am See ein Flobertgewehr gekauft. Dem Waffenhändler habe sie angegeben, sie benötige das Gewehr als Geschenk für ihren Vater; in der folgenden Nacht habe sie dann die Tat verübt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, die Bestimmung des § 175 Abs 1 Z 4 StPO bezwecke auch den Schutz des Bedrohten. Wäre Andrea K*** am 18. Mai 1985 in Verwahrungshaft genommen worden, wäre sie mit Sicherheit in der Nacht vom 21. auf den 22. Mai 1985 nicht in der Lage gewesen, den Schuß auf den Kläger abzugeben, weil das Haftprüfungsverfahren beim Landesgericht Salzburg noch nicht durchgeführt gewesen wäre. Wäre der Staatsanwalt von der Gendarmerie davon in Kenntnis gesetzt worden, daß sich Andrea K*** bemüht hatte, eine Faustfeuerwaffe zu erwerben, wäre Andrea K*** auch in Haft genommen worden. Es wäre dann Sache der beklagten Partei gewesen, zu beweisen, daß der Schaden auch ohne die Übertretung des Schutzgesetzes eingetreten wäre. Daß diese Information des Staatsanwaltes durch den zuständigen Gendarmeriebeamten unterblieben sei, sei zumindest auf Grund leichter Fahrlässigkeit geschehen. Andrea K*** habe aber ihren Tatentschluß erst nach ihrer Enthaftung gefaßt. Damit sei das Unterbleiben ihrer weiteren Verwahrung nicht kausal für den eingetretenen Erfolg gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Ob zwischen dem eingetretenen Erfolg und der Unterlassung der Verhängung der Verwahrungshaft der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang bestehe, könne nur auf Grund einer ex-ante-Betrachtung beurteilt werden. Die Frage, wann eine rechtmäßige Verhaftung ausgesprochen werden dürfe, dürfe nicht mit dem Problem, ob die Unterlassung einer objektiv gerechtfertigten Verhaftung in jedem Fall einen Schadenersatzanspruch auslöse, vermengt werden. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang müsse nicht zwingend gegeben sein, auch wenn die Festnahme nach den dafür maßgeblichen objektiven Indizien für das Vorliegen eines Haftgrundes begründet gewesen wäre. Eine Verhaftung könne also unter Umständen rechtmäßig sein, da die äußeren Umstände für das Vorliegen eines Haftgrundes sprächen, auch wenn dieser Haftgrund tatsächlich nicht vorliege, etwa wenn im Fall der Ausführungsgefahr mangels eines Tatentschlusses des Täters diese Gefahr nicht gegeben sei. Bei der Frage der Rechtswidrigkeit der Unterlassung einer Verhaftung im Verhältnis zum Bedrohten, der bei bestehender Ausführungsgefahr durch die Verhaftung des Drohenden geschützt werden solle, spiele hingegen sehr wohl eine Rolle, ob die Verhaftung materiell richtig in dem Sinn gewesen wäre, daß der durch die Haft verfolgte Zweck, einer konkret vorhandenen Ausführungsgefahr zu begegnen, die Festnahme erforderlich gemacht hätte. Die Untersuchungshaft dürfe nicht dazu eingesetzt werden, auf den Täter eine heilsame spezialpräventive Wirkung im Sinne einer Schockstrafe auszuüben, oder dazu, dem Täter die schnelle und unerbittliche Reaktion auf eine Straftat vor Augen zu führen. In diese Richtung ginge aber die Argumentation des Klägers, der die Ansicht vertrete, Andrea K*** hätte den Tatentschluß nicht gefaßt, wäre ihr durch die Haft auf eindrucksvolle Weise die staatliche Sanktion vor Augen geführt worden. Da dies dem Zweck der Haftbestimmungen widerspräche, sei die Unterlassung der Anwendung dieser Methode durch die Organe der beklagten Partei nicht vorwerfbar. Die Unterlassung einer Maßnahme, die den Zweck habe, einer tatsächlich schon bestehenden Gefahr zu begegnen, solle nicht dazu dienen, in Form eines Denkzettels einer möglicherweise eintretenden Gefahr vorzubeugen. Dies mache nicht haftbar, auch wenn der Erfolg später tatsächlich eintrete. Sonst käme man zu einer Erfolgshaftung, die dem Schadenersatzrecht fremd sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist berechtigt.

Ein rechtswidriges und schuldhaftes Organhandeln in Vollziehung der Gesetze, das den Rechtsträger gemäß § 1 AHG zum Schadenersatz verpflichtet, kann auch in einer Unterlassung liegen, wenn eine Pflicht des Organs zum Tätigwerden bestand und ein pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte (EvBl 1988/140; SZ 59/68; SZ 55/161 uva; Loebenstein-Kaniak, AHG2 129 f; Apathy in Aicher, Die Haftung für staatliche Fehlleistungen im Wirtschaftsleben 213). Nach § 175 Abs 1 Z 4 StPO idF des Strafverfahrensänderungsgesetzes 1983, BGBl. Nr. 168, kann der Untersuchungsrichter auch ohne vorangegangene Vorladung die vorläufige Verwahrung des einen Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen ua dann anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, der Verdächtige werde die angedrohte Tat (§ 74 Z 5 StGB) ausführen. Daß Andrea K*** den Kläger gefährlich bedrohte, steht auf Grund des rechtskräftigen verurteilenden Straferkenntnisses bindend fest.

Während die Haftgründe der Flucht- oder Verdunkelungsgefahr die Durchführung des eingeleiteten Strafverfahrens sichern wollen, bezweckt der Haftgrund der Wiederholungs- und Ausführungsgefahr den Schutz der Allgemeinheit bzw. des Bedrohten

(RV 1084 BlgNR 15. GP 22; RV 39 BlgNR 12. GP 39; vgl. Boujong in Karlsruher Kommentar zur StPO2 Rz 10 vor § 112 und Rz 4 zu § 112 a). Es muß auf Grund bestimmter Tatsachen die Befürchtung und nicht bloß die Möglichkeit bestehen, der Beschuldigte werde ohne Haftverhängung und ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens seine gefährliche Drohung wahrmachen (Foregger-Serini, StPO Kurzkommentar4 220 f; Bertel in Korinek-Kain, Grundrechte und Untersuchungshaft 24). Diese Befürchtung muß nicht nur in der Überzeugung des Richters entstanden sein, sie muß auch objektiv begründet sein (SSt 38/45). Das Erstgericht nahm auch unter Berücksichtigung der Tendenz, die Verhängung von Verwahrungs- und Untersuchungshaft in gebotenem Umfang einzuschränken (RV 1084 BlgNR 15. GP 22), zu Recht an, daß die in Erscheinung getretene Handlungsweise des Täters, der sein Opfer schon mehrmals gefährlich mit Mord bedroht hatte, sich eine Faustfeuerwaffe zu besorgen, eine solche bestimmte Tatsache ist, die die objektive Besorgnis begründete, der angedrohte Mord werde auch ausgeführt werden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes war aber die Unterlassung der rechtmäßigen Verhängung der Verwahrungshaft nicht nur rechtswidrig, es ist auch der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem eingetretenen Erfolg zu bejahen. Das Gesetz schreibt nicht vor, die Verhängung der Verwahrungshaft habe nur dann zu erfolgen, wenn feststeht, der Verdächtige habe bereits seinen unabänderlichen Entschluß zur Ausführung der angedrohten Tat gefaßt. Die Verwahrungshaft ist vielmehr zu verhängen, wenn die objektiv begründete Befürchtung der Ausübung der angedrohten Tat besteht. Ob auf Grund bestimmter Tatsachen Ausführungsgefahr anzunehmen ist, ist auch nach den sogenannten "inneren Tatsachen", d.h. den Charaktereigenschaften und den Wesenszügen des Verdächtigen (Beschuldigten), zu beurteilen (AB 512 BlgNR 12. GP 9). Ändert sich während der Haft die Beurteilung, daß Ausführungsgefahr vorliege, was gerade bei angedrohten Eifersuchtsdelikten der Fall sein mag (vgl. JABl 1930 Nr. 30 und J***l 1900 Nr. 45), wird zwar, weil die Voraussetzungen zur Haftverhängung nicht mehr vorliegen (§ 193 Abs 2 StPO), die Haft aufzuheben sein; aber auch hier wird nicht darauf abgestellt, ob und welche Entschlüsse der Verhaftete tatsächlich gefaßt hatte, sondern nur, ob die objektiv begründete Befürchtung der Ausführung der angedrohten Tat weggefallen ist. Ein freies Ermessen ist den Organen in den Vorschriften der §§ 175 und 180 StPO ungeachtet der Verwendung des Wortes "kann" im § 175 Abs 1 im Gegensatz zur Formulierung "muß" im § 175 Abs 2 nicht eingeräumt. Durch die Verwendung des Wortes "muß" im § 175 Abs 2 StPO soll nur zum Ausdruck gebracht werden, daß beim Verdacht von Verbrechen, bei denen nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, das Vorliegen von Haftgründen vermutet wird (Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts2, Rz 414, 428), wogegen die Verwahrungshaft sonst nur anzuordnen ist, wenn besondere Umstände (bestimmte Tatsachen) die Gefahr der Ausführung objektiv befürchten lassen. Die Haftgründe des § 175 Abs 1 StPO ermöglichen nicht nur die vorläufige Verwahrung, sie bedingen sie auch (Lohsing-Serini, Österreichisches Strafprozeßrecht4 234); die Verhängung der Haft ist aber nicht in das freie Belieben des Organes gestellt, sie muß vielmehr bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen angeordnet werden (Roeder, Lehrbuch des österreichischen Strafverfahrensrechts2 117 FN 3). Nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt wonach die erhebenden Gendarmeriebeamten wußten, daß sich Andrea K*** bereits bemüht hatte, in den Besitz einer Faustfeuerwaffe zu gelangen, wären am 18. Mai 1985 die Voraussetzungen für die Beantragung und Anordnung der Verwahrungshaft nach § 175 Abs 1 Z 4 StPO gegeben gewesen. Die durch die Nichtinformation des Staatsanwaltes vom Versuch, eine Waffe zu beschaffen, verursachte Unterlassung der Antragstellung und Anordnung der Haft wäre daher rechtswidrig.

Es besteht aber auch der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang. Wie der erkennende Senat zuletzt wieder in der Entscheidung JBl 1989, 43 ausgeführt hat, ist auf Grund jedes rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens für jene verursachten Schäden zu haften, die die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern sollte (SZ 55/190; SZ 52/44; SZ 49/96 uva; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 274; Loebenstein-Kaniak aaO 123). Zum Amtshaftungsrecht wird zwar anerkannt, daß ein subjektives Recht auf Führung der Verwaltung in gesetzmäßiger Weise nicht Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch ist. Es reicht auch trotz Kausalität die rechtswidrige schuldhafte Schadensverursachung allein nicht hin, um eine Schadenersatzpflicht des Rechtsträgers auszulösen. Diese tritt vielmehr nur ein, wenn die übertretene Vorschrift gerade auch den Zweck hat, den Geschädigten vor den eingetretenen Nachteilen zu schützen (SZ 59/68; SZ 57/149; JBl 1984, 373; SZ 55/190 uva; Loebenstein-Kaniak aaO 124 mwN in Rz 121). Der Auffassung Klecatskys, JBl 1981, 115 ff, der eine weitergehende Haftung der Rechtsträger befürwortet und die Auffassung vertritt, daß jegliches objektiv rechtswidrige schadensverursachende Verhalten hinreicht, um einen Amtshaftungsanspruch zu begründen (aaO 117), wurde bereits von Rebhahn (JBl 1981, 512 ff) mit überzeugenden Gründen entgegengetreten; ihr wurde auch vom Obersten Gerichtshof die Gefolgschaft versagt (ImmZ 1988, 36; SZ 55/190; vgl. Loebenstein-Kaniak aaO 125 f). Der Normzweck ist durch Auslegung im Sinn einer wertenden Beurteilung des Sinnes der Norm zu ermitteln (SZ 59/68; Koziol in JBl 1986, 105; Welser in ÖJZ 1975, 43; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 1311; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 9 zu § 1311; Heinrichs in Palandt48 255; Grunsky in Münchener Kommentar2 vor § 249 BGB, Rz 44). Es wird nur für solche Schäden gehaftet, die sich als Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellen, deretwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat (Grunsky aaO); die verletzte Amtspflicht muß gerade dem geschädigten Dritten gegenüber oblegen sein (ImmZ 1988, 36 mit Hinweis auf BGHZ 90, 310, 311 f, BGHZ 89, 1, 5 f, BGHZ 39, 358, 362 ff; Harrer aaO Rz 10). Normzweck der Bestimmung des § 175 Abs 1 Z 4 StPO ist insbesondere der Schutz des Bedrohten. Die verletzte Amtspflicht bestand daher auch gerade gegenüber dem Kläger.

Die Unterlassung hat sich nach den getroffenen Feststellungen auch kausal ausgewirkt, weil Andrea K*** bei pflichtgemäßem Vorgehen der Organe der beklagten Partei am 22. Mai 1985 in Haft gewesen wäre. Das Verhalten der Organe war nach diesen Feststellungen auch schuldhaft, weil die erhebenden Gendarmeriebeamten dem zuständigen Staatsanwalt gerade jene bestimmten Tatsachen nicht mitteilten, die diesen verpflichtet hätten, den berechtigten Haftantrag zu stellen. Der der beklagten Partei dann obliegende Beweis, daß Andrea K*** die Tat auch noch begangen hätte, nachdem das Gericht die Überzeugung erlangt hatte, die Tatausführungsgefahr bestehe nicht mehr, ist nicht erbringbar. Die in erster Instanz siegreiche beklagte Partei bekämpfe aber schon in ihrer Berufungsbeantwortung die Feststellung des Erstgerichtes, der Kläger und seine Mutter hätten vor dem 18. Mai 1985 von Anton K*** erfahren, Andrea K*** habe versucht, sich bei ihm eine Faustfeuerwaffe zu beschaffen und dies den erhebenden Gendarmeriebeamten anläßlich der Anzeigeerstattung am 18. Mai 1985 auch mitgeteilt. Andrea K*** habe vielmehr sich erst nach ihrer Enthaftung erstmals bemüht, in den Besitz einer Waffe zu gelangen. Das Berufungsgericht ging aus rechtlichen Erwägungen auf diese Beweisrüge nicht ein. Die beklagte Partei wiederholt nun die Beweisrüge in ihrer Revisionsbeantwortung. Würde sich Andrea K*** vor ihrer Verhaftung am 18. Mai 1985 nicht bei Anton K*** um den Erwerb einer Waffe bemüht habe, oder hätten der Kläger bzw. seine Mutter diesen Sachverhalt den Gendarmeriebeamten bei der Anzeigeerstattung nicht bekanntgegeben, wären keine bestimmten Tatsachen vorgelegen, die auf die Gefahr der Ausführung der angedrohten Tat durch Andrea K*** objektiv hätten schließen lassen. Die Verhängung der Verwahrungshaft wäre demnach in einem solchen Fall nicht zulässig gewesen. Hat das Berufungsgericht aber bei seiner Entscheidung eine Überprüfung der erstinstanzlichen Feststellungen nicht vorgenommen, kann die Bekämpfung der Beweiswürdigung auch noch in einer ordentlichen Revision erfolgen bzw. wiederholt werden (SZ 55/123; SZ 55/115, SZ 26/262 uva). Der Revision ist Folge zu geben. Das Urteil des Berufungsgerichtes ist aufzuheben; die Rechtssache ist an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Behandlung der Beweisrüge der beklagten Partei zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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