JudikaturJustiz1Ob22/19w

1Ob22/19w – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. März 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Mag. Korn und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj L*****, geboren ***** 2007, und des mj P*****, geboren ***** 2008, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter N*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Grogger, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. September 2017, GZ 44 R 434/17z 251, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 7. Juli 2017, GZ 55 Ps 137/12t 241, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Obsorge für die beiden minderjährigen Kinder der Revisionsrekurswerberin wurden mit Beschluss vom 4. 9. 2011 dem Jugendwohlfahrtsträger übertragen. Im März 2015 beantragte die Mutter (erstmals), sie wieder mit der alleinigen Obsorge für ihre Kinder zu betrauen. Dieser Antrag wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Erstgerichts vom 18. 9. 2015 abgewiesen. Den kurz darauf gestellten gleichlautenden Antrag wies das Erstgericht ebenfalls ab, wobei es erläuterte, dass Voraussetzung für eine Neuregelung der Obsorge eine maßgebliche Veränderung der Verhältnisse sei, geänderte Verhältnisse aber nicht behauptet worden seien, sich nicht hätten feststellen lassen und in nächster Zukunft auch nicht zu erwarten seien. Die dagegen von der Mutter erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos. Schon kurz nach Beendigung dieses Rechtsmittelverfahrens (durch Zustellung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 30. 8. 2016, 1 Ob 117/16m, an ihren damaligen Verfahrenshelfer) stellte die Mutter den nächsten Antrag auf Übertragung der Obsorge (samt Eventualantrag auf Ausdehnung der Besuchskontakte), der vom Erstgericht gleichfalls abgewiesen wurde. Das Rekursgericht bestätigte – mit dem nun bekämpften Beschluss vom 12. 9. 2017 – auch diese Entscheidung.

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs ist verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Die Mutter überreichte binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Beschlusses (am 4. 10. 2017) einen – allerdings trotz Anwaltspflicht (§ 6 Abs 2 AußStrG) bloß – eigenhändig verfassten Revisionsrekurs, weshalb ihr vom Erstgericht aufgetragen wurde, das Rechtsmittel binnen 14 Tagen (unter anderem) unterfertigt durch einen Anwalt oder Notar erneut bei Gericht einzubringen, widrigenfalls es als ursprünglich nicht eingebracht gelte. Ihren Antrag auf Verlängerung der Frist für die Verbesserung wies es zurück, handelte es sich doch um eine nicht erstreckbare Frist (§ 10 Abs 5 AußStrG; RIS-Justiz RS0124824). Da die Mutter ihr Rechtsmittel nicht mehr (weder verbessert noch unverbessert) einbrachte, war eine Entscheidung darüber nicht mehr erforderlich (vgl RIS-Justiz RS0035753 [T9]; RS0115805 [T4]) und der Beschluss des Rekursgerichts erwuchs (schon Ende November 2017) in Rechtskraft.

Daran vermag auch der Umstand, dass ihr (ungefähr ein Jahr später) Verfahrenshilfe (aus Anlass des Revisionsrekurses gegen einen später gefassten Beschluss des Rekursgerichts [vom 9. 10. 2018, ON 280]) gewährt wurde, nichts zu ändern. Ihr nächster Antrag auf „Rückgabe der Kinder“ war erneut sowohl in erster, wie auch in zweiter Instanz erfolglos geblieben. Weil sie während der offenen Verbesserungsfrist zu ihrem wiederum nur eigenhändig verfassten Revisionsrekurs (gegen den im Verfahren zuletzt ergangenen Beschluss des Rekursgerichts ON 280) Verfahrenshilfe beantragte und diese auch bewilligt wurde, stellte das Erstgericht dem Verfahrenshelfer den Bewilligungsbeschluss und den Bescheid über seine Bestellung mit einer „Aktenkopie ab ON 236“ zu. Es wies ihn darauf hin, dass der Akt dreibändig sei und weitere Kopien bei Bedarf übermittelt würden. Binnen 14 Tagen ab Zustellung des Bestellungsbeschlusses brachte dieser den sowohl nach der Anfechtungserklärung als auch nach dem Rechtsmittelantrag ausdrücklich gegen den Beschluss des Rekursgerichts vom 12. 9. 2017 zu 44 R 434/17z erhobenen Revisionsrekurs ein.

Der darin eingenommene Standpunkt, es sei das Rechtsmittel gegen den Beschluss des Rekursgerichts vom 12. 9. 2017 deswegen rechtzeitig eingebracht, weil (auch) dieser nun angefochtene Beschluss dem Verfahrenshelfer am 15. 1. 2019 gemeinsam mit dem Beschluss über die Bewilligung der Verfahrenshilfe zugestellt worden sei, ist verfehlt. Die in § 7 Abs 2 AußStrG angeordnete Unterbrechungswirkung kommt nur bei noch offenen Rechtsmittelfristen in Betracht. Nur dann, wenn eine Partei innerhalb einer verfahrensrechtlichen Notfrist oder einer für eine solche eingeräumten Verbesserungsfrist die Beigebung eines Rechtsanwalts im Wege der Verfahrenshilfe beantragt, beginnt für sie die Frist mit der Zustellung des Bescheids über die Bestellung des Rechtsanwalts und, wenn ein Schriftstück fristauslösend war, mit Zustellung auch dieses an den bestellten Rechtsanwalt neu zu laufen (vgl RIS Justiz RS0036235 [T13]; RS0111923 [T2]). Selbst wenn also ein Erstgericht – weil es etwa den Ablauf einer Rechtsmittelfrist übersieht – irrtümlich ein Verbesserungsverfahren durchführt und Verfahrenshilfe bewilligt, beseitigt diese Bewilligung die durch Ablauf der Rechtsmittelfrist eingetretene Rechtskraft nicht und das Rechtsmittel ist als verspätet zurückzuweisen (vgl 9 Ob 8/17t mwN = RIS-Justiz RS0036251 [T13]; vgl auch RIS-Justiz RS0036235 [T11]). Ebensowenig kann die – im Zuge der Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Bekämpfung einer später ergangenen Entscheidung erfolgte – Übermittlung (auch) einer früher gefällten Entscheidung – offenbar wurde dem Verfahrenshelfer auch gar keine Ausfertigung, sondern lediglich eine Kopie ausgefolgt – (gemeinsam mit der Zustellung des Bestellungsbescheids) deren bereits eingetretene Rechtskraft beeinflussen.

Der Revisionsrekurs ist demnach als verspätet zurückzuweisen.

Rechtssätze
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