JudikaturJustiz1Ob206/16z

1Ob206/16z – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj S***** P*****, geboren am ***** 2010, *****, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters H***** P*****, vertreten durch die Sattlegger, Dorninger, Steiner Partner Anwaltssocietät, Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 21. April 2016, GZ 20 R 2/16h 76, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Korneuburg vom 18. November 2015, GZ 21 Pu 15/14m 71, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der Revisionsrekurswerber ist der Vater der mittlerweile sechsjährigen Unterhaltsberechtigten. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 30. 4. 2014, der vom Rekursgericht bestätigt wurde und in Rechtskraft erwuchs, wurde er zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 340 EUR an seine Tochter verpflichtet. Diese befindet sich in der Obsorge der Mutter.

Der Vater übt sowohl eine unselbständige Tätigkeit als Angestellter als auch die (gewerbliche) Tätigkeit als Versicherungsagent aus. Die steuerpflichtigen Bezüge aus seiner nichtselbständigen Arbeit betrugen im Jahr 2014 (brutto) 37.999 EUR. Infolge des Verlusts aus seinen Einkünften aus dem Gewerbebetrieb betrug laut Einkommensteuerbescheid 2014 die Abgabengutschrift in diesem Jahr 3.729 EUR. Das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters aus seiner unselbständigen Tätigkeit betrug von Mai 2014 bis April 2015 (inklusive der Abgabengutschrift für das Jahr 2014) rund 2.851 EUR (inklusive Sonderzahlungen, Sachbezug Pkw, abzüglich der Hälfte der Diäten). Der Vater hat keine weiteren Sorgepflichten.

Die Tochter begehrte, vertreten durch den zuständigen Kinder und Jugendhilfeträger, vom Vater zusätzlich zum bisher festgesetzten monatlichen Unterhalt von 340 EUR beginnend mit 1. 5. 2014 eine monatliche Unterhaltsleistung von weiteren 70 EUR, insgesamt somit monatlich 410 EUR. Ihr Vater sei sowohl selbständig als auch unselbständig erwerbstätig. Ausgehend vom Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 habe er in seinem Gewerbebetrieb keine Einkünfte erzielt. Mittels nichtselbständiger Arbeit und inklusive Abgabengutschrift habe er ein für die Unterhaltsbemessung anrechenbares Nettoeinkommen von rund 2.882 EUR monatlich im Jahresschnitt erzielt. Die anteilige Anrechnung der Transferleistungen sei berücksichtigt.

Der Vater sprach sich gegen die Unterhaltserhöhung aus und wandte ein, er habe im Jahr 2014 keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Aus unselbständiger „und selbständiger“ Tätigkeit habe er im Jahr 2014 insgesamt monatlich 1.938 EUR netto inklusive Sonderzahlungen verdient. In der Unterhaltsberechnung seien lediglich die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit plus die Steuergutschrift, der Verlust aus dem Gewerbebetrieb jedoch nicht berücksichtigt worden. Zu beachten sei jedoch, dass die Einkommensteuergutschrift gerade aus diesem Verlust resultiere, sodass sich daraus ein monatlicher Unterhalt für seine Tochter von 363,61 EUR errechne.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, seiner Tochter ab 1. 5. 2014 zusätzlich zur bereits rechtskräftig auferlegten Unterhaltsleistung von monatlich 340 EUR einen Betrag von monatlich 70 EUR, insgesamt monatlich 410 EUR, zu zahlen. (Die Unterhaltserhöhung von 25 EUR erwuchs in Rechtskraft.) Aus dem monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von rund 2.851 EUR stünden seiner Tochter 16 % zu. Unter Berücksichtigung der Familienbeihilfe ergebe sich ihr Unterhaltsanspruch von rund 410 EUR monatlich. Diäten seien mit 50 % in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, soweit nicht ein tatsächlicher Mehrverbrauch nachgewiesen sei. Der Sachbezug sei mit dem Bruttowert der Bemessungsgrundlage hinzuzurechnen. Die Abgabengutschrift sei der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzurechnen, weil dieser Betrag dem Vater tatsächlich zur Verfügung gestanden sei. Verluste aus dem Gewerbebetrieb, der bereits seit 2007 bestehe, könnten nicht zu Lasten der Tochter berücksichtigt werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters, der sich gegen die Stattgebung des Unterhaltserhöhungsantrags im Umfang von monatlich 45 EUR (den Betrag, der über den monatlichen Unterhaltsbeitrag von 365 EUR hinausgeht) wendete, nicht Folge. Rechtlich führte es aus, dass Steuerrückzahlungen die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen in dem Jahr erhöhten, in dem sie ihm zugeflossen seien, weshalb diese Einkommensbestandteile auf dieses Jahr aufzuteilen seien. Die für das Jahr 2014 erteilte Steuergutschrift sei in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, während „früher“ erlittene Verluste aus dem Gewerbebetrieb nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten gehen könnten. Auch die Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrags sei „im Zusammenhang mit der Berücksichtigung der Transferleistungen“ erfolgt.

Das Rekursgericht ließ nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung zu, weil eine (nicht belegte) „einheitliche Judikatur“ des Obersten Gerichtshofs „zur Frage, ob Steuergutschriften aus Verlustgeschäften in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen“ seien „sowie zur Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage durch den Abzug des Unterhaltsabsetzbetrags von der Einkommensteuerbelastung“ fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er die Abweisung des Unterhaltserhöhungsantrags im Umfang von 45 EUR monatlich anstrebt. Hilfsweise stellt er ein Aufhebungsbegehren.

Seine Tochter hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1.1. Verluste aus selbständiger Erwerbstätigkeit eines unselbständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen sind bei der Berechnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, es sei denn die Erfolgsaussichten sind positiv (7 Ob 197/07g = EF Z 2008/86, 145 [zustimmend Gitschthaler ]; RIS Justiz RS0047586; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 140 ABGB Rz 156 mwN). Der Vater geht entsprechend dieser Rechtsprechung davon aus, dass seine Verluste aus dem Gewerbebetrieb (im Jahr 2014: 7.584,56 EUR) die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht vermindern.

1.2. Aufgrund der geltend gemachten Verluste aus Einkünften aus Gewerbebetrieb ergab sich 2014 eine Abgabengutschrift von 3.729 EUR. Sind allerdings die Verluste des Vaters aus seiner nebenberuflichen selbständigen Tätigkeit als Versicherungsagent bei der Unterhaltsbemessung ausgeklammert, sind auch die durch die Verluste ausgelösten Steuervorteile nicht zu berücksichtigen (vgl 2 Ob 91/01y; offenbar zustimmend Siart/Dürauer , Der Beobachtungszeitraum für die Unterhaltsbemessung bei selbständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen, EF Z 2008/3, 9 [11]; Tews , Steuerliche abziehbare Ausgaben und Steuergutschriften im Unterhaltsrecht, EF Z 2016/88, 192). Es ist aber bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage die von den übrigen Einkünften (hier aus nichtselbständiger Arbeit) zu zahlende Einkommensteuer zu ermitteln und von den Einkünften in Abzug zu bringen (vgl 6 Ob 46/97a).

1.3. Zur Durchführung der erforderlichen Berechnungen (einschließlich der Berücksichtigung der Familienbeihilfe) ist der angefochtene Beschluss daher aufzuheben und die Rechtssache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückzuverweisen (vgl § 70 Abs 3 AußStrG; 4 Ob 109/14d; 3 Ob 100/15z; RIS Justiz RS0114942).

1.4. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts liegt hier nicht der Fall vor, dass Steuerrückzahlungen etwa aus der Berücksichtigung von Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnlichen Belastungen oder infolge zu viel bezahlter Einkommensteuer erfolgen und diese Rückzahlungen in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen wären (vgl RIS Justiz RS0000433; RS0013386 [T10]; 2 Ob 223/98b; 3 Ob 138/12h; RS0047261). Die Abgabengutschrift, die von den Vorinstanzen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage des Vaters eingerechnet wurde, basiert nicht auf solchen Aufwendungen, sondern auf dem unterhaltsrechtlich neutralen Verlust aus der gewerblichen Tätigkeit, wobei dann bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage auch die durch die Verluste ausgelösten Steuervorteile zu neutralisieren sind.

2. In erster Instanz machte der Vater nicht geltend, dass die Unterhaltsbemessungsgrundlage um den Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs 4 Z 3 EStG 1988) zu reduzieren sei. Neben der nicht mehr relevanten Berücksichtigung eines Kredits für die Wohnraumschaffung war sein Einwand, den er auch durch seinen Steuerberater formulieren ließ, ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von 410 EUR sei deshalb unrichtig berechnet, weil die Einkommensteuergutschrift nicht zu berücksichtigen sei.

Eine Pflicht zur amtswegigen Prüfung, ob das vom Unterhaltsschuldner zugestandene Einkommen und somit die Unterhaltsbemessungsgrundlage um Steuerabsetzbeträge zu entlasten ist, besteht nicht: Auch im Bereich des vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahrens außer Streitsachen sind subjektive Behauptungs und Beweislastregeln jedenfalls dann heranzuziehen, wenn über vermögensrechtliche Ansprüche in einem Verfahren zu entscheiden ist, in dem sich die Parteien in verschiedenen Rollen gegenüberstehen (RIS Justiz RS0006261 [T1]).

Das erstmals im Rekurs zum Unterhaltsabsetzbetrag erstattete und im Revisionsrekurs aufrecht erhaltene Vorbringen widerspricht dem im Außerstreitverfahren grundsätzlich geltenden Neuerungsverbot. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 49 Abs 2 AußStrG hat sich der Vater in seinem Rekurs nicht berufen.

Daraus folgt, dass es keiner Prüfung bedarf, ob an der in der Entscheidung 3 Ob 248/09f vertretenden Auffassung festzuhalten ist, wonach der Unterhaltsabsetzbetrag die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht mindere (vgl auch 3 Ob 100/15z). Sollten die schwer verständlichen Ausführungen im Revisionsrekurs darauf hinauslaufen, dass der Unterhaltsabsetzbetrag nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage eingerechnet werden soll, ist nicht ersichtlich, dass die Vorinstanzen dies taten.

3. Dem Revisionsrekurs des Vaters ist daher nur aus den zu Punkt 1. dargelegten Gründen Folge zu geben.

Rechtssätze
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