JudikaturJustiz1Ob173/16x

1Ob173/16x – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Oktober 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** D*****, vertreten durch Dr. Herwig Mayrhofer, Dr. Karl Heinz Plankel und Mag. Stefan Ganahl, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei I***** T*****, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH, Bregenz, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 29. Juli 2016, GZ 1 R 39/16t 28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 24. November 2015, GZ 33 C 48/15d 20, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger hat das Eigentum an einer von der Beklagten benützten Liegenschaft im Wege der Zwangsversteigerung erworben und begehrt nun die Räumung der Liegenschaft mit Ausnahme des auf der Liegenschaft befindlichen Hauses. Entgegen dem nicht näher begründeten „Antrag“ der Beklagten auf „Unterbrechung des Revisionsverfahrens“, besteht kein Anlass, mit der Entscheidung über ihre außerordentliche Revision iSd § 62 Abs 6 VfGG iVm § 528b ZPO inne zu halten. Aus Anlass der Entscheidung des Berufungsgerichts kann auch nach der Judikatur des VfGH ein Normenkontrollantrag nach Art 140 Abs 1 lit b B VG nicht gestellt werden (G 121/2015, G 124/2015, G 378/2015 ua).

1. Die Revisionswerberin, die als Mangel des Berufungsverfahrens geltend macht, dass das Berufungsgericht trotz ausdrücklicher Antragstellung vor der Urteilsfällung keine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, ist in erster Linie darauf hinzuweisen, dass es nach § 480 Abs 1 ZPO grundsätzlich keinen Verfahrensmangel darstellt, die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zu erledigen, wenn eine abschließende Sacherledigung auch ohne eine solche Verhandlung möglich ist (RIS Justiz RS0125957). Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Norm bestehen nicht. Ob (ausnahmsweise) die Durchführung einer Verhandlung geboten gewesen wäre, kann schon deshalb dahingestellt bleiben, weil die Revisionswerberin nicht einmal behauptet, aus welchen Erwägungen und in welcher Weise es zu einer für sie günstigeren Entscheidung gekommen wäre, wenn mündlich verhandelt worden wäre (vgl RIS Justiz RS0043027; RS0116273).

2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass ein nicht verbücherter Bestandvertrag vom Ersteher – insoweit nach dem Grundsatz „Kauf bricht Miete“ – ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder eine vertragliche Beschränkung auf bestimmte Kündigungsgründe zu den gesetzlichen Terminen unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist wirksam aufgekündigt werden kann, entspricht ständiger Rechtsprechung (RIS Justiz RS0113869; RS0002979; 5 Ob 525/88 = RS0038520 ua). Dass die einschlägige Regelung des § 1121 ABGB eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums nicht bewirken kann, zumal der Schutz des Bestandnehmers darin besteht, dass er auch bei Zwangsversteigerungen in der Regel Ersatzansprüche gegenüber dem (seinerzeitigen) Bestandgeber hat (3 Ob 381/36 = SZ 18/83), hat der Verfassungsgerichtshof erst kürzlich in zwei Beschlüssen (G 363/2015, G 678/2015) ausgesprochen, mit denen im Zusammenhang mit den beiden Räumungsverfahren zwischen den Parteien die Behandlung von Normenkontrollanträgen der Beklagten abgelehnt wurde. Darauf ist die Revisionswerberin auch mit ihrem Einwand zu verweisen, sie verliere durch die Vertragsbeendigung ihre „weitreichenden“ Investitionen. Die Ausführungen der Revisionswerberin vermögen auch beim erkennenden Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 1121 ABGB und deren Auslegung durch die herrschende Judikatur zu erwecken.

3. Auch der Inhalt des Versteigerungsedikts, in dem unter anderem festgehalten wurde, dass der Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot neben einem Wohnrecht auch „allenfalls bestehende Bestandrechte zu übernehmen“ habe, vermag entgegen der Auffassung der Revisionswerberin die dargelegte Kündigungsmöglichkeit, die dem Ersteher kraft Gesetzes zukommt, nicht zu ihren Gunsten zu verändern.

Schon die Formulierung, in der auf „allenfalls bestehende“ Bestandrechte hingewiesen wird, ohne diese nachvollziehbar zu individualisieren, deutet darauf hin, dass damit bloß auf die gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolgen (vgl RIS Justiz RS0002979) hingewiesen werden sollte, nach denen nicht verbücherte Bestandrechte zwar vorerst bestehen bleiben, aber vom Ersteher gekündigt werden können. Rechtlich wäre es auch gar nicht zulässig, einen unveränderten Vertragsübergang auf den Ersteher anzuordnen. § 146 Abs 1 EO legt nämlich taxativ ( Angst in Angst/Oberhammer , EO 3 § 146 Rz 3) fest, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Rahmen die „gesetzlichen Versteigerungsbedingungen“ durch gerichtliche Anordnung im Versteigerungsedikt abgeändert werden können; andere Änderungen können weder bewilligt noch von Amts wegen angeordnet werden. Zu den „gesetzlichen Versteigerungsbedingungen“ gehört nun auch die Vorschrift des § 150 EO (aaO Rz 2), in der angeordnet wird, welche Lasten vom Ersteher (endgültig) zu übernehmen sind, wobei in Abs 3 für bücherlich eingetragene Bestandrechte die Vorschriften des § 1121 ABGB für maßgebend erklärt werden. Die Übernahme nicht bücherlich eingetragener Bestandrechte ohne Kündigungsmöglichkeit ist somit in den „gesetzlichen Versteigerungsbedingungen“ nicht vorgesehen. Der Katalog des § 146 Abs 1 böte somit auch keine Grundlage für eine derartige gerichtliche Anordnung. Ob eine Last ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen ist, hat im Übrigen zunächst Auswirkungen auf den Schätzwert (vgl § 143 Abs 2 EO), in der Folge aber nach § 150 EO solche nur für ein – hier nicht behauptetes – verbüchertes Bestandrecht (vgl 8 Ob 534/89; 5 Ob 138/08t).

4. Da die Revisionswerberin somit insgesamt nicht aufzeigen kann, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhinge, ist ihre außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
9