JudikaturJustiz1Ob129/16a

1Ob129/16a – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****gesmbH, *****, vertreten durch die pfletschinger . renzl Rechtsanwalts Partnerschaft, Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch die Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH, Wien, und die Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei 1. i*****gmbH, *****, vertreten durch Mag. Jörg C. Müller, Rechtsanwalt in Wien, und 2. O***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch die Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 208.440 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Mai 2016, GZ 34 R 24/16y 70, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 17. Dezember 2015, GZ 47 Cg 34/13x 63, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin erwarb von der Beklagten im Juni 2010 eine bebaute Liegenschaft um einen Kaufpreis von 1.737.000 EUR. Punkt V. des Kaufvertrags lautet:

„Die im A2 Blatt eingetragenen Belastungen werden von der Käuferin ohne Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen.

Die Käuferin hat den Vertragsgegenstand besichtigt und kennt diesen aus eigener Wahrnehmung eingehend. Sie übernimmt den Vertragsgegenstand im Zustand, in welchem er sich im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befindet.

Die Verkäuferin haftet ausschließlich dafür, dass

Darüber hinaus haftet die Verkäuferin weder für eine bestimmte Verwendbarkeit, die Freiheit von Sach und Rechtsmängeln, einen bestimmten (Bau )Zustand, Flächenausmaß, Beschaffenheit oder Eigenschaft, für das Vorliegen behördlicher Bewilligungen, für das Nichtbestehen behördlicher Auflagen oder Aufträge, für die Freiheit von Altlasten und Kontaminierungen und einen bestimmten Ertrag und/oder Werthaltigkeit des Vertragsgegenstandes.

Alle Ansprüche und Rechte aus welchem Titel auch immer (z.B. Gewährleistung, Schadenersatz, Bereicherung, Anfechtung z.B. wegen Irrtum oder Wegfall der Geschäftsgrundlage) sind einvernehmlich dazu ausgeschlossen. [...]“

Erst im Zuge von Abbrucharbeiten erlangte die Klägerin Kenntnis davon, dass sich im Kellergeschoß des bestehenden Gebäudes eine Trafostation befand, die von einem Energieversorgungsunternehmen (bzw dessen Rechtsvorgänger) seit dem Jahr 1970 betrieben wurde und auch der Stromversorgung benachbarter Liegenschaften diente; eine Dienstbarkeit zum Betrieb dieser Trafostation zu Gunsten des Energieversorgers war nicht verbüchert. Unstrittig ist, dass sich die genannte Einrichtung in einem gesonderten Kellerraum befand, zu dem nur Mitarbeiter des Energieversorgers bzw verbundener Unternehmen Zugang hatten; dies war durch ein entsprechendes Warnschild an der versperrten Tür gekennzeichnet. Nachdem der Energieversorger gegenüber der Klägerin ein Recht behauptet hatte, diese Trafostation weiter zu betreiben, die allerdings in Anbetracht des geplanten Bauvorhabens nicht an der bisherigen Stelle verbleiben konnte, verlegte die Klägerin die Station in Absprache mit dem Energieversorger auf ihre Kosten an eine andere (oberirdische) Stelle der Liegenschaft. Unter der Annahme, dass dem Energieversorger kein Nutzungsrecht zustand, hatte die Liegenschaft zum Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin einen Verkehrswert von 1.400.000 EUR.

Die Klägerin begehrte letztlich die Zahlung von 208.440 EUR samt Zinsen aus dem Titel der Preisminderung und brachte dazu im Wesentlichen vor, vertraglich sei die Freiheit des Kaufobjekts von dinglichen Lasten und sonstigen Nutzungsrechten Dritter vereinbart worden. Tatsächlich habe aber das Recht des Energieversorgers bestanden, auf der Liegenschaft eine Trafostation zur Versorgung auch der umliegenden Liegenschaften zu betreiben. Im Zusammenhang mit der Errichtung der Station sei offenbar keine vertragliche Nutzungsregelung getroffen worden. Der Energieversorger habe durch den langjährigen Betrieb der Anlage ein entsprechendes Nutzungsrecht im Sinne einer Dienstbarkeit ersessen. Dieses Recht sei auch nicht anlässlich des Erwerbs durch die Klägerin erloschen, sei doch aufgrund der ausschließlichen Nutzung des betreffenden Raums sowie der entsprechenden Beschilderung offenkundig gewesen, dass der Energieversorger hier ein Nutzungsrecht ausübt, auch wenn dies der Klägerin, die auf die Lastenfreiheitszusage der Beklagten vertraut habe, mangels entsprechender Nachforschungen nicht bekannt gewesen sei. Für die Annahme eines (schriftlichen) Vertragsabschlusses über ein Nutzungsrecht des Energieversorgers gebe es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es müsse daher von der Ersitzung eines solchen Rechts ausgegangen werden. Darüber hinaus wäre der Energieversorger auch berechtigt gewesen, im Wege der Enteignung zwangsweise eine die Klägerin belastende Dienstbarkeit zu erlangen, um den Fortbestand der Anlage zu erreichen. Da somit die von der Beklagten im Vertrag zugesagte Lastenfreiheit nicht vorliege, sei die Klägerin berechtigt, Preisminderung geltend zu machen und den zu viel bezahlten Kaufpreis (samt Zinsen) zurückzuverlangen.

Die Beklagte und die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenientinnen wandten im Wesentlichen ein, allfällige Gewährleistungsrechte seien durch die zitierte Vertragsklausel vertraglich ausgeschlossen worden; die Freiheit von Leitungsrechten sei jedenfalls nicht Parteiwille gewesen. Es sei lediglich eine (verschuldensabhängige) schadenerstzrechtliche Haftung für bestimmte Eigenschaften vereinbart worden. Angesichts der eindeutigen Kennzeichnung des Kellerraums sei die Nutzung durch einen Dritten offenkundig im Sinne des § 928 ABGB gewesen. Bei Errichtung der Trafostation sei dem Energieversorger (zumindest konkludent) ein vertragliches Nutzungsrecht eingeräumt worden; eine Ersitzung sei daher schon deshalb nicht möglich, weil es an der Redlichkeit mangle. Die bloße Möglichkeit einer zukünftigen Begründung einer Zwangsservitut stelle keinen Mangel des Vertragsgegenstands dar. Zudem wäre der Klägerin im Falle einer Enteignung eine entsprechende Entschädigung zugestanden. Die Klägerin habe vom Bestehen der Trafostation keine Kenntnis gehabt und damit gutgläubig lastenfrei erworben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen aus, es könne nicht festgestellt werden, dass bei Vertragsabschluss zu Gunsten des Energieversorgers ein dingliches Recht zur Errichtung und Betreibung der Trafostation bestanden hat. Rechtlich folgerte es daraus, dass diese Negativfeststellung zu Lasten der für den Rechtsmangel beweispflichtigen Klägerin gehe. Es müsse daher nicht darauf eingegangen werden, ob die Parteien die Gewährleistung vertraglich ausgeschlossen haben.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Weder fehlten entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellungen, noch habe das Erstgericht mit der erwähnten Negativfeststellung den Bereich der Tatfrage überschritten. Die Verwendung von Rechtsbegriffen sei im Rahmen von Feststellungen dann zulässig, wenn es sich dabei um gängige kürzelhafte Umschreibungen von Tatsachenkomplexen handle, die auch Inhalt einer zulässigen Außerstreitstellung sein könnten; die Begriffe „dingliches Recht“ und „Servitut“ zählten nach Auffassung des Berufungsgerichts zu solchen gängigen Begriffen. Die Rechtsrüge in der Berufung entferne sich vom festgestellten Sachverhalt, wenn sie vom Vorliegen einer offenkundigen Servitut ausgehe. Hier seien eben zu Lasten der Klägerin in diesem Zusammenhang Negativfeststellungen getroffen worden. Nur wer einen gültigen Titel besitzt, wäre bei offenkundigen Dienstbarkeiten, bei denen das Eintragungsprinzip durchbrochen wird, trotz Nichtverbücherung geschützt; ein solcher Titel sei hier nicht konstatierbar. Die Klägerin habe den von ihr behaupteten und von ihr zu beweisenden Rechtsmangel, also die erfolgte Ersitzung, nicht unter Beweis gestellt. Die geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel lägen nicht vor, weil die Feststellungsgrundlage nur dann mangelhaft sei, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind, und diese Umstände nach dem Parteivorbringen zu prüfen gewesen wären. Hier habe aber kein „bindendes dingliches Recht“ in Bezug auf die Trafostation festgestellt werden können, womit auch die Ersitzung einer Servitut, wie sie die Klägerin anstrebe, ausscheide. Auf die Frage, ob die Voraussetzungen für die Begründung einer „Zwangsservitut“ nach §§ 10 f Wiener StarkstromwegeG vorlagen, komme es als bloß hypothetisch nicht an, weil die Klägerin die Trafostation verlegt habe, ohne dass ein Enteignungsverfahren durchgeführt worden wäre. Damit sei es ebenfalls irrelevant, ob die „Enteignungsvoraussetzungen“ vorgelegen seien. Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage in der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene (außerordentliche) Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Zutreffend weist die Revisionswerberin nämlich – wie bereits in ihrer Berufung – darauf hin, dass die entscheidungserhebliche Frage, ob dem Energieversorger ein „dingliches Recht“ zustand, das die (dauerhafte) Nutzung der Trafostation umfasste, eine Rechtsfrage darstellt, die nur auf der Basis konkreter Tatsachenfeststellungen – und seien es auch Negativfeststellungen – beantwortet werden kann; schon gar, wenn es um das Vorliegen sämtlicher für den Rechtserwerb durch Ersitzung erforderlichen Umstände geht. Wie bereits dargestellt wurde, hat die Klägerin dazu auch Tatsachenvorbringen erstattet, insbesondere zur Dauer und zum Umfang der Nutzung durch den Energieversorger sowie zur Unerweislichkeit einer dieser Nutzung zugrunde liegenden vertraglichen Regelung bzw deren Inhalts. Sollte aus dem Prozessvorbringen der rechtliche Schluss auf die behauptete Belastung der Liegenschaft möglich sein, wären die Tatsacheninstanzen gehalten gewesen, die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen. Sollte sich das Vorbringen hingegen als unzureichend und ergänzungsbedürftig erweisen, wäre der betreffenden Prozesspartei nach ausreichender Rechtserörterung Gelegenheit zu geben gewesen, ihr Vorbringen gegebenenfalls zu ergänzen. Hingegen ist es nicht zulässig, die Prüfung der entscheidungserheblichen Sachverhaltsdetails zu unterlassen und – ohne entsprechende Tatsachengrundlage und als vermeintliche Tatsachen-feststellung – nur abstrakt die Rechtsfrage zu beantworten, ob dem Energieversorger ein „dingliches Recht“ – oder eine vergleichbare Rechtsstellung – zukam. Eine solche Argumentation ist auch einer Überprüfung nicht zugänglich. Entgegen der Auffassung der Revisionsgegner macht die Klägerin in diesem Zusammenhang keinen Verfahrensmangel, sondern eine (im Fehlen ausreichender Feststellungen bestehende) sogenannte sekundäre Mangelhaftigkeit geltend, die der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist (vgl RIS Justiz RS0043304; RS0043310; RS0043322 etc). Im Folgenden soll die maßgebliche Rechtslage kurz dargestellt werden, um ausreichende Anhaltspunkte dafür zu geben, welche Umstände im fortzusetzenden Verfahren – gegebenenfalls nach Erörterung mit den Parteien – als rechtserheblich zu betrachten und daher auf tatsächlicher Ebene zu prüfen sein werden:

Auch im Anwendungsbereich des § 1500 ABGB gehen (nicht verbücherte) Lasten auf den Erwerber über, wenn vom dienenden Grundstück aus bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrgenommen werden können, die das Bestehen einer entsprechenden Belastung vermuten lassen (vgl nur RIS Justiz RS0034803). Dies gilt nicht nur für – regelmäßig durch Ersitzung – bereits endgültig erworbene dingliche Rechte, sondern auch für vertraglich eingeräumte Dienstbarkeiten (RIS Justiz RS0011631), sofern diese nach dem Vertragswillen der Partner des Bestellungsvertrags dinglich wirken sollen. Ein solcher Vertragswille ist insbesondere dann anzunehmen, wenn für beide Vertragsparteien klar ist, dass der Berechtigte sein Recht über längere Zeit und unabhängig vom jeweiligen Eigentümer des dienenden Grundstücks ausüben will, was etwa der Fall ist, wenn der Berechtigte zur Ausübung seiner Dienstbarkeit eine kostspielige Anlage errichtet (vgl RIS Justiz RS0011650).

Besteht eine die (dauerhafte) Nutzung rechtfertigende Vereinbarung mit dem Grundeigentümer nicht oder kann zumindest deren Zustandekommen und/oder deren Inhalt nicht bewiesen werden, kommt ein Dienstbarkeitserwerb nach den allgemeinen Grundsätzen der Ersitzung in Betracht. Nimmt jemand eine fremde Liegenschaft in der Annahme in Anspruch, dazu berechtigt zu sein, hat derjenige im Sinne des § 328 ABGB die Unredlichkeit zu beweisen, der sie behauptet (vgl auch RIS Justiz RS0034237 [T5]). Wer sich auf die Ersitzung beruft, hat hingegen neben einer Besitzausübung die nach Inhalt und Umfang dem zu erwerbenden Recht entspricht, nur noch die Vollendung der Ersitzungszeit zu beweisen, wobei es genügt, wenn der Bestand des Rechtsbesitzes am Beginn und Ende der Ersitzungszeit feststeht (RIS Justiz RS0034251). Der Grundsatz, dass Sachen – oder Rechte an Sachen –, an denen den Berechtigten die Gewahrsame rechtsgeschäftlich überlassen wurde, nicht ersessen werden können, weil es an der erforderlichen Redlichkeit des Besitzes fehlt (RIS Justiz RS0034095), gilt entgegen der Rechtsauffassung der Revisionsgegnerin keinesfalls uneingeschränkt. Die Redlichkeit fehlt regelmäßig nur dann, wenn dem Nutzer – wie das häufig der Fall ist – der Umstand der bloß obligatorischen Gebrauchsüberlassung bekannt ist oder bei ausreichender Sorgfalt bekannt sein muss. Andererseits hat die (uneigentliche) Ersitzung gerade in jenen Fällen Bedeutung, in denen der Ersitzende zwar eine frühere vertragliche (dinglich gemeinte) Rechtseinräumung annimmt, diese aber nicht ausreichend nachweisbar ist (vgl nur M. Bydlinski in Rummel ABGB 3 § 1477 Rz 2) oder wenn ein Recht trotz ausreichenden Titels nicht verbüchert wurde ( Koziol Welser/Kletečka , BR I 14 Rz 1062). Auch nach § 1477 Satz 2 ABGB hat derjenige die Unredlichkeit des Besitzes zu beweisen, der dessen Redlichkeit bestreitet (RIS Justiz RS0034138).

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren die dargestellte Rechtslage mit den Parteien zu erörtern und im Rahmen des (allenfalls ergänzten) Tatsachenvorbringens der Parteien Feststellungen zu treffen haben, die die rechtliche Beurteilung zulassen, ob dem Energieversorger im dargestellten Sinn ein Recht zum Betrieb der Trafostation auf der von der Klägerin erworbenen Liegenschaft zugekommen ist. Daran, dass die Nutzung der Trafostation durch den Energieversorger offenkundig war, kann angesichts der unstrittigen Tatsachen kein Zweifel bestehen, befand sich doch an der Eingangstür zum Traforaum im Keller ein eindeutiger Hinweis darauf, dass dieser Raum nur von Mitarbeitern des Energieversorgers betreten werden darf, und außer dem war dieser Raum auch tatsächlich für die Parteien nicht zugänglich. Für die allein objektiv zu beantwortende Frage nach der Offenkundigkeit ist es ohne Bedeutung, ob der Erwerber tatsächlich Kenntnis von der Nutzung durch einen Dritten hatte oder darüber wegen unzureichender Nachforschungen in Unkenntnis blieb. Ein Betreten des Kellerbereichs und ein Wahrnehmen der Tür zum Traforaum samt der festgestellten Aufschrift wäre sicher möglich gewesen. Eine unrichtige Wissenserklärung der Klägerin im Kaufvertrag über eine angeblich genaue Kenntnis vom Kaufgegenstand kann entgegen der Ansicht der Beklagten die Annahme einer Offenkundigkeit nicht erschüttern.

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass dem Energieversorger ein seiner offensichtlichen Nutzung entsprechendes Recht zukam, wären die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Preisminderung gemäß § 932 Abs 4 ABGB zweifellos zu bejahen, schränkte diese Belastung die freie Nutzbarkeit der Liegenschaft gegenüber dem bedungenen lastenfreien Zustand doch zweifellos ein. Dass die Beklagte für das Bestehen derartiger Lasten bzw Nutzungsrechte Dritter gewährleistungsrechtlich einzustehen hat, ergibt sich eindeutig aus der entsprechenden Vertragsklausel, ohne dass es insoweit zusätzlicher Feststellungen zum (übereinstimmenden) Vertragswillen bedürfte. Davon, dass im gegebenen Zusammenhang nur eine schadenersatzrechtliche Haftung der Beklagten geregelt werden sollte – für die es aber am Verschulden mangle –, gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte.

Auf § 928 erster Satz ABGB kann sich die Beklagte nicht berufen, weil auch ein in die Augen fallender Zustand des Kaufobjekts im Falle einer ausdrücklichen Zusage der Lastenfreiheit die Gewährleistungspflicht nicht aufhebt; in einem solchen Fall kann sich der Erwerber ja auf die Zusage des Veräußerers verlassen und von einer näheren Prüfung des Objekts Abstand nehmen (vgl nur 9 Ob 167/97t; 6 Ob 390/97i).

Sollte bei Übergabe der Liegenschaft an die Klägerin ein Nutzungsrecht des Energieversorgers nicht bestanden haben, wird auf die von der Klägerin (hilfsweise) aufgestellte Rechtsbehauptung einzugehen sein, eine Mangelhaftigkeit des Kaufobjekts liege bereits darin, dass dem Energieversorger die Möglichkeit offenstehe, gemäß § 10 Abs 1 lit a Wiener StarkstromwegeG im Wege eines Enteignungsverfahrens jederzeit eine Zwangsservitut zu begründen. Wenn das Berufungsgericht in dem Zusammenhang lediglich ausgeführt hat, auf dieses Risiko komme es als „bloß hypothetisch“ nicht an, weil die Klägerin die Trafostation ohne Durchführung eines Enteignungsverfahrens verlegt habe, stellt dies insoweit eine verkürzte Sicht dar, weil es nicht auf die spätere Verlegung sondern auf die Situation bei Erfüllung des Kaufvertrags ankommt. Dass damals ein im Verhältnis zur „durchschnittlichen“ Qualität einer städtischen Liegenschaft ungünstigerer Zustand vorlag, ist zu bejahen, war diese doch aufgrund des Vorhandenseins der Trafostation einem höheren Risiko der Begründung einer „Zwangsservitut“ ausgesetzt als eine Liegenschaft ohne eine bestehende derartige Einrichtung. Ob ein somit insoweit bestehender Mangel Gewährleistungsansprüche der Klägerin begründet, hängt nun aber von der Auslegung der einschlägigen Vertragsklausel unter Berücksichtigung des (übereinstimmenden) – allenfalls hypothetischen – Vertragswillens der Streitteile ab. Die Klägerin hat zum Entstehen des endgültigen Wortlauts der Klausel detailliertes Vorbringen erstattet. Sollte es für das Prozessergebnis auf die Frage des erhöhten Risikos der Begründung einer Zwangsservitut zu Gunsten des Energieversorgers ankommen, wird das Erstgericht auch dazu ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen und rechtlich zu beurteilen haben, ob die Parteien eine Haftung der Beklagten für dieses Risiko festlegen oder aber insoweit die Gewährleistung ausschließen wollten.

Sollte sich schließlich ergeben, dass der Klägerin das Recht auf Preisminderung zusteht, wird das Erstgericht auch dazu – im Rahmen der Prozessbehauptungen der Parteien – die erforderlichen ergänzenden Tatsachen-feststellungen zu treffen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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