JudikaturJustiz14Os30/04

14Os30/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. April 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. April 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fuchs als Schriftführerin, in der Auslieferungssache des Kire A***** zur Strafvollstreckung an die Republik Mazedonien, AZ 286 Ur 248/03z des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 10. Februar 2004, GZ 22 Ns 23/03-9, nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss erklärte das Oberlandesgericht Wien die vom Ministerium für Justiz der Republik Mazedonien mit Note vom 6. November 2003, Zl 08/1-3872/2003, begehrte Auslieferung des mazedonischen Staatsangehörigen Kire A***** zur Vollstreckung der über ihn mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichtes Kavadarci vom 5. Juni 2000, Nr 72/2000, (wegen Erzeugung von 2689,5 Gramm Marihuana zwecks Verkaufes nach Griechenland) verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten nicht für unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung, AZ 13 Os 51/03, mit eingehender Begründung dargelegt hat, ist dagegen in analoger Anwendung des GRBG eine Beschwerde an den Obersten Gerichtshof zulässig, welche vom Auszuliefernden auch rechtzeitig eingebracht wurde.

Ihr kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Insofern sie unter Hinweis auf die Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Umstand, dass gegen den Beschwerdeführer ein Asylverfahren anhängig ist, ein Auslieferungshindernis abzuleiten sucht, genügt ihr entgegenzuhalten, dass die Bedachtnahme auf völkerrechtliche Verpflichtungen, insbesondere auf dem Gebiet des Asylrechts, gemäß § 34 Abs 1 ARHG in die Kompetenz des Bundesministers für Justiz fällt, mithin einer Überprüfung durch das Oberlandesgericht entzogen ist (JBl 2002, 670 = EvBl 2002/154).

Im Übrigen ist der Ausgang eines Asylverfahrens für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung nicht präjudiziell (Linke, Grundriss des Auslieferungsrechts 62; Schwaighofer, Auslieferung und Internationales Strafrecht 117).

Mit Recht hat das Oberlandesgericht befürchtete Verstöße gegen Art 3 EMRK mit der Begründung verneint, dass Mazedonien die EMRK ratifizierte (BGBl III 2000/59). Abgesehen davon, dass die Möglichkeit von Übergriffen, die auch in jedem Rechtsstaat vorkommen können, die Auslieferung nicht unzulässig macht (12 Os 111/03), hat das Oberlandesgericht unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen logisch und empirisch einwandfrei dargestellt, dass auf Kire A***** keiner der in Art 3 Abs 2 EuAusliefÜb angeführten Gründe zutrifft. Warum er aber seinerseits durch in die Regierung eingebundene ethnische Minderheiten gefährdet wäre, legt die Beschwerde nicht substantiiert dar.

Soweit sie sich mit der nicht näher begründeten Behauptung, die Strafe stehe zur erzeugten Suchtgiftmenge außer Verhältnis, auf die "Härteklausel" des § 22 ARHG beruft, übergeht sie, dass das hier - auch von der Beschwerde unbestritten - zur Anwendung gelangende EuAusliefÜb eine vergleichbare Bestimmung nicht vorsieht. Da zwischenstaatliche Vereinbarungen nach § 1 ARHG Vorrang gegenüber den Bestimmungen dieses Gesetzes haben und vertragliche Auslieferungspflichten grundsätzlich zu erfüllen sind (Art 1 EuAusliefÜb), kann die Härteklausel des § 22 ARHG hier nicht angewendet werden (11 Os 123/03; Mayerhofer, Nebenstrafrecht4 § 22 ARHG E 1; Schwaighofer aaO 90).

Mit Blick auf das Beschwerdevorbringen und die im angefochtenen Beschluss dargelegten Tatumstände hat der Oberste Gerichtshof schon deshalb keinen Anlass, gegen die Anwendung dieser Staatsverträge aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken zu hegen (Art 89 Abs 2 und 4 B-VG), weil danach von einer im Auslieferungsverfahren relevanten Verletzung des Art 8 EMRK nicht die Rede sein kann (vgl 13 Os 69/03).

Der Beschwerde war daher - in inhaltlicher Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - nicht Folge zu geben.

Rechtssätze
4
  • RS0117728OGH Rechtssatz

    23. November 2010·3 Entscheidungen

    1.) Ein - sogleich mit Verkündung rechtskräftiger - Beschluss des Oberlandesgerichtes, mit dem die Auslieferung nicht für unzulässig erklärt wurde, kann in analoger Anwendung des Grundrechtsbeschwerdegesetzes mit dem außerordentlichen Rechtsmittel einer an den Obersten Gerichtshof gerichteten Grundrechtsbeschwerde angefochten werden. 2.) In der Beschwerde ist daher anzugeben und zu begründen, worin der Beschwerdeführer die Verletzung eines bestimmt zu bezeichnenden, als Auslieferungshindernis in Betracht kommenden Grundrechtes des Betroffenen - vgl § 19 Z 1 (Art 3 und Art 6 MRK), § 20 ARHG (Art 1 6.ZPMRK) und § 22 ARHG (Art 8 MRK) - erblickt. Die angefochtene Entscheidung ist genau zu bezeichnen. Die Beschwerde muss von einem Verteidiger unterschrieben sein (vgl § 3 GRBG). 3.) Die Beschwerde ist binnen vierzehn Tagen ab Zustellung der (im Fall mündlicher Verkündung der Entscheidung als Grundlage des weiteren Auslieferungsverfahrens gebotenen, vgl § 33 Abs 6 ARHG) schriftlichen Beschlussausfertigung an den Betroffenen (falls er durch einen Verteidiger vertreten ist, an diesen - § 79 Abs 2 StPO) beim Gerichtshof zweiter Instanz einzubringen, der die zur Entscheidung über die Beschwerde erforderlichen Akten unverzüglich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen hat. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde rechtzeitig beim Obersten Gerichtshof eingebracht wird (vgl § 4 GRBG). Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (vgl § 5 GRBG). 4.) Über die Beschwerde entscheidet der Oberste Gerichtshof nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung durch Erkenntnis. Insoweit lässt sich auch § 6 GRBG analog anwenden. Zur Entscheidung ist jedoch gemäß § 6 OGHG ein Senat aus fünf Mitgliedern berufen, weil kein von § 7 Abs 1 Z 8 OGHG angesprochenes "Erkenntnis nach dem Grundrechtsbeschwerdegesetz, BGBl Nr 35/1993" vorliegt. 5.) Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren sind subsidiär die für den Obersten Gerichtshof und die für das gerichtliche Strafverfahren geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden (vgl § 10 GRBG).