JudikaturJustiz14Os114/95

14Os114/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Oktober 1995 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Eckert als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 20. April 1995, GZ 20 n Vr 3.233/94-126, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tiegs, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Dr.Scheed-Wiesenwasser zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Karl S***** wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (I) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 1 WaffG (II) schuldig erkannt. Darnach hat er am 20.März 1994 in Wien

I. seine ehemalige Lebensgefährtin Brigitte W***** durch drei Schüsse aus einem Revolver der Marke Smith Wesson, Kaliber 38 Spezial, wobei einer der Schüsse den Rumpf sowie zwei Schüsse den Schädel durchdrangen und eine Atem- und Gehirnlähmung zur Folge hatten, vorsätzlich getötet, sowie

II. die oben bezeichnete Faustfeuerwaffe unbefugt besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 5, 6, 8 und 12 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrages "auf Einholung eines ergänzenden psychiatrischen Gutachtens zum Beweise dafür, daß ein Schuldausschließungsgrund des § 11 StGB oder eine Unzurechnungsfähigkeit durch fahrlässige Einnahme einer Überdosis von Medikamenten im Sinne des § 287 StGB zum Tatzeitpunkt vorgelegen hat", Verteidigungsrechte nicht verletzt. Im Beweisantrag wurden Mängel von Befund und Gutachten des in der Hauptverhandlung vernommenen Sachverständigen Dr.Heinz P*****, welcher aus medizinisch-psychiatrischer Sicht keine Begründung dafür fand, daß beim Täter zum Tatzeitpunkt eine akute Psychose, höhergradiger Schwachsinn, eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung oder eine sonstige schwere seelische Störung bzw Beeinträchtigung vorlag, nicht behauptet. Damit fehlte es aber an einem Vorbringen, das den Schwurgerichtshof in die Lage versetzt hätte, die Berechtigung des Beweisantrages (§§ 125, 126 StPO) zu überprüfen. In der Rechtsmittelschrift kann dies nicht nachgeholt werden.

Auch die Behauptung der Verletzung von Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) durch Unterlassung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags (§ 76 StGB) trifft nicht zu. Im Beweisverfahren wurden keine Tatsachen vorgebracht, welche bei richtiger Gesetzesauslegung die Unterstellung der Tat unter diesen Tatbestand gestattet hätten, zumal sich der Beschwerdeführer dahin verantwortet hat, sich infolge Einnahme von 15 Tabletten Rohypnol und anderer Psychopharmaka ab etwa 10 Uhr des Tattages an nichts mehr erinnern zu können. Zudem hätte der Schwurgerichtshof die reklamierte Frage auch bei Unterstellung einer zur Tatzeit vorliegenden heftigen Gemütsbewegung nicht stellen dürfen, weil die in der Beschwerde genannte Ursache (daß ihn die ehemalige Lebensgefährtin "hysterisch" anschrie) diese nicht als allgemein begreiflich - dh sittlich verständlich und nicht bloß im Charakter des Täters bzw in seinen verwerflichen Neigungen und Leidenschaften sondern lediglich in äußeren Umständen begründet - erscheinen läßt. Ein Affekt infolge durch Medikamentenmißbrauch herabgesetzter Frustrationstoleranz bei einer an sich belanglosen wörtlichen Auseinandersetzung vermag die Stellung einer Frage nach § 76 StGB nicht zu rechtfertigen.

Soweit unter diesem Nichtigkeitsgrund die Fragestellung nach dem Verbrechen des Mordes (§ 75 StGB) mit dem Einwand gerügt wird, diese sei "nicht indiziert" gewesen, genügt der Hinweis auf § 312 StPO, wonach eine anklagekonforme Hauptfrage jedenfalls zu stellen ist.

Die Belehrungsrüge (Z 8), das Erstgericht hätte "auch auf die Möglichkeit eines Totschlags hinweisen müssen", ist verfehlt, weil den Geschworenen nur tatsächlich im Frageschema aufscheinende Rechtsbegriffe zu erläutern sind.

Der weitere Einwand, in der Rechtsbelehrung sei nicht darauf eingegangen worden, daß der Schuldausschließungsgrund nach § 11 StGB auch in durch Medikamente und Suchtgift herbeigeführten Bewußtseinsstörungen gelegen sein kann, ist unbegründet. Der in diesem Zusammenhang verwendete generelle Begriff "eines anderen berauschenden Mittels", der nach allgemeinem Verständnis auch Medikamente und Suchtgift umschließt, reichte zur sachgerechten Unterrichtung der Laien vollkommen aus.

Der Beschwerde zuwider ist die Rechtsbelehrung, wonach der Beweggrund des Täters unbeachtlich ist und der Tötungsvorsatz (spätestens) bei Tatbegehung vorliegen muß, richtig.

Dem allgemeinen Einwand einer Überforderung der Geschworenen durch die schriftliche Rechtsbelehrung trägt die Prozeßordnung dadurch Rechnung, daß sie zur Beseitigung allfälliger Verständnisschwierigkeiten den Vorsitzenden verpflichtet, sich nach einer eingehenden Besprechung davon zu überzeugen, ob seine Belehrung von den Geschworenen verstanden worden ist (§ 323 Abs 2 und Abs 3 StPO).

Über die Möglichkeit einer außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) sind die Laienrichter erst im Rahmen der gemeinsamen Beratung mit dem Schwurgerichtshof über die Strafe zu belehren.

Schließlich entbehrt die Rechtsrüge (Z 12), wonach der Angeklagte angesichts "genügender Anhaltspunkte" lediglich des Totschlags schuldig zu erkennen bzw der Schuldausschließungsgrund nach § 11 StGB, allenfalls die volle Berauschung nach § 287 StGB anzunehmen gewesen wäre, gesetzmäßiger Ausführung, weil sie nicht von den sich aus dem Wahrspruch ergebenden Tatsachenfeststellungen ausgeht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28 Abs 1, 75 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe, wobei es die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die heimtückische und grausame Vorgangsweise als erschwerend, keinen Umstand hingegen als mildernd wertete.

Auch die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten, mit der er eine unter dem gesetzlichen Mindestmaß liegende (§ 41 StGB) zeitliche Freiheitsstrafe anstrebt, ist nicht berechtigt. Das Geschworenengericht hat die Strafbemessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt und auch zutreffend gewürdigt. Als besonders erschwerend fällt ins Gewicht, daß der Angeklagte sein Opfer mit Vorbedacht gestellt und es rücksichtslos mit mehreren Schüssen niedergestreckt hat, ohne daß diesem nur die geringste Chance auf Gegenwehr verblieben wäre (§ 32 Abs 3 StGB). Demgegenüber vermochte der Berufungswerber keine Gründe darzutun, die zu einer Revision des Strafausspruches Anlaß geboten hätten.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in § 390 a StPO begründet.

Rechtssätze
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