JudikaturJustiz13Ra30/23v

13Ra30/23v – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
28. November 2023

Kopf

Im Namen der Republik

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser sowie den Richter des Oberlandesgerichts MMag. Dr. Dobler und die fachkundigen Laienrichter Mag. Stefan Wanner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. a Dr. in Silvia Zangerle-Leberer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Mitglieder des Senats in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* GmbH , FN **, B* C*, **, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen die beklagte Partei Mag. D* , geb am **, Unternehmer in B* C*, ** E*, vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer, LL.M., Mag. Eva Suitner, BSc und MMMag. Nadja Auer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, wegen EUR 69.183,40 s.Ng., über die Berufung der beklagten Partei (ON 56; Berufungsinteresse: EUR 10.000,-- s.Ng.) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 1.2.2023, 79 Cga 24/21d 52, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird in der Hauptsache k e i n e Folge, im Kostenpunkt dahin F o l g e gegeben, dass der Kostenzuspruch an die beklagte Partei auf EUR 11.170,38 erhöht wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.215,56 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte schloss das Studium der Translationswissenschaften für die Sprachen Deutsch und Französisch erfolgreich ab. Seine Muttersprache ist Italienisch. Er lebt mit seiner Ehefrau und seinem dreijährigen Sohn in einer 98 m² großen Eigentumswohnung in C*. Für deren Anschaffung nahm er einen Kredit von EUR 300.000,-- auf 30 Jahre mit einer aktuellen monatlichen Kreditrate von EUR 1.015,-- auf. Zum 1.2.2023 hafteten davon noch ca EUR 250.000,-- aus. Die Eltern und Geschwister des Beklagten leben in Italien.

Vor der am 15.5.2008 begonnenen Berufstätigkeit bei der Klägerin hatte der Beklagte keine Arbeitserfahrung im Transport- und Logistikbereich. Er erlernte den Beruf des Disponenten erst dort. Am 15.5.2008 unterfertigte der Beklagte den Dienstvertrag mit der Klägerin, der als Pkt 12. eine Konkurrenzklausel mit nachstehendem Inhalt enthält:

„In Ergänzung zum bestehenden Dienstvertrag verpflichtet sich der Dienstnehmer der Firma A* GmbH gegenüber, innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Dienstverhältnisses weder einen Posten in Speditions- und/oder Transportgewerbes anzunehmen, oder sich an einem Speditions- und/oder Transportgewerbe zu beteiligen, noch selbst ein solches auszuüben.

Das Zuwiderhandeln gegen die Konkurrenzklausel (§ 36 Angestelltengesetz) berechtigt A* GmbH, den vollen Ersatz jedes wie immer der Firma erwachsenen Schadens, der durch die Verletzung der Konkurrenzklausel entstanden ist, zu begehren.

Zumindest ist die A* GmbH jedoch berechtigt, auch ohne Nachweis eines konkreten Schadens, die Bezahlung einer Konventionalstrafe (gemäß § 37 Angestelltengesetz) in Höhe des Zehnfachen des letzten Bruttomonatsbezuges sowie den Ersatz aller Ausbildungskosten in voller Höhe von mir zu begehren. Der Bruttomonatsbezug ist einschließlich anteiliger Sonderzahlungen und aller allfälligen sonstigen Zahlungen zu verstehen. Es wird ausdrücklich auf das richterliche Mäßigungsrecht verzichtet.

Der Dienstnehmer erklärt ausdrücklich, dass diese Konkurrenzklausel keine unbillige Erschwerung meines Fortkommens darstellt, dass er die Angemessenheit der Konventionalstrafe anerkennt und dass er diese Vereinbarung gelesen, verstanden und freiwillig anerkannt hat.“

Die Klägerin ist im Geschäftszweig Transport und Logistik mit räumlichem Tätigkeitsbereich in Gesamteuropa tätig. Sie schließt mit Frächtern Verträge über die zurückgelegten Strecken ab und zwar sowohl „One-way-Vereinbarungen“ (ein Frächter absolviert nur eine Strecke), als auch Verträge mit Rundkursfrächtern (die für längere Zeit Dienste bereitstellen).

Der Beklagte war für die Klägerin zunächst als Disponent für den Verkehr Italien-Österreich, nach zwei Jahren Italien-Deutschland und ab 2014 befördert als Traffic Manager im Bereich Italien-Deutschland-Süd eingesetzt. In letzterer Funktion war er Leiter eines Teams mit vier bis fünf Disponenten.

Am 1.7.2014 übergab der Beklagte dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin ein Schreiben, mit dem er das Dienstverhältnis zum nächstmöglichen Termin kündigte, weil er mit der Anpassung der Prämienvereinbarung an die neu aufgenommene Tätigkeit als Traffic Manager unzufrieden war. Einige Tage später wandte sich der damalige Geschäftsführer an den Beklagten und einigte sich mit diesem auf eine Gehaltserhöhung. Daraufhin setzte der Beklagte seine Arbeit bei der Klägerin fort.

Während der folgenden rund vier Jahre war der Beklagte mit seiner Position und Tätigkeit bei der Klägerin zufrieden. Nach Ablauf dieser Jahre wollte er weiter zum Division Manager aufsteigen. Aufgrund dieses beruflichen Ziels sowie des Wunsches, teilweise im Homeoffice arbeiten zu können, auch um mehr Zeit bei seiner Familie in Italien verbringen zu können, sprach er im Juli 2018 mit F* G*, dem Leiter der Division 1 der Klägerin. Dieser teilte dem Beklagten mit, es gebe derzeit keine solchen Entwicklungsmöglichkeiten und Homeoffice sei derzeit nicht möglich.

Im Herbst 2018 übernahm F* G* die operative Leitung der Klägerin. Bis Ende des Jahres 2018 waren zwei Positionen als Division Manager zu besetzen. Auch der Beklagte war ein möglicher Kandidat dafür. Im März 2019 wurde entschieden, dass die Mitarbeiter H* und I* J* zu Division Managern aufsteigen. Der Beklagte teilte seine Enttäuschung F* G* mit, der erwiderte, es werde weitere Möglichkeiten geben.

Im Juli 2019 übernahm F* G* die Geschäftsführung im Unternehmen der Klägerin und leitete interimistisch die Division 1 mit deren Bereichen weiter. Ab diesem Zeitpunkt begleitete der Beklagte F* G* bei vielen Besprechungen und übernahm Schritt für Schritt Verantwortung für die Division 1. Im September 2019 wurde der Beklagte offiziell zum Division Manager der Abteilung D1 befördert. Als solcher war der Beklagte für die Bereiche CE (Osteuropa), Italien-Österreich und Italien-Deutschland-Süd zuständig. Ihm waren 20 Disponenten unterstellt. Der Zuständigkeitsbereich des Beklagten betraf eher kürzere Strecken, auf denen öfter „One-Way-Strecken“ anfielen.

Es ist bei der Klägerin üblich, dass bei einer Beförderung zum Traffic Manager oder Division Manager die Ausarbeitung der schriftlichen Vereinbarungen, darunter der Prämienvereinbarung, einige Monate Zeit erfordert. Der Beklagte wusste dies. K* G* kommunizierte dies dem Beklagten zusätzlich bei seiner Beförderung zum Division Manager.

Bei der Beförderung im September 2019 wurde das Gehalt des Beklagten zunächst noch nicht an die neue Position angepasst. Im Jänner 2020 vereinbarten der Beklagte und der Geschäftsführer der Klägerin die Erhöhung des Grundgehalts von EUR 2.700,-- auf EUR 3.500,-- brutto. Ab Jänner 2020 erhielt der Kläger zusätzlich zum Grundgehalt von EUR 2.700,-- monatlich EUR 800,-- an „Verwendungszulage DM“.

Zum Thema Prämiengarantie wurde dem Beklagten eine Tabelle mit vorgeschlagenem Prämiensystem gemäß ua Kriterium „DB3“ (= Deckungsbetrag 3) vorgelegt. Das Entlohnungssystem DB3 bezog sich auf einen Prozentsatz dessen, was ein Division Manager erwirtschaftet minus der Kosten, die er selbst beeinflussen kann, etwa Personalkosten. DB3 wurde damals auch mit anderen Mitarbeitern wie L* J* besprochen, jedoch letztlich bei der Klägerin nicht eingeführt.

Die Tabelle samt dem Prämiensystem war für den Beklagten nicht nachvollziehbar und transparent. Deshalb versendete er das E Mail vom 28.1.2020 an F* G*, in dem er konkrete Punkte nannte, die für ihn nicht erklärbar waren. Er teilte mit, dass der Parameter DB3 für ihn weder transparent noch richtig sei. Abschließend formulierte der Beklagte:

„[…] Im Allgemeinen finde ich nicht richtig, dass wir diese Gespräche führen, nachdem ich schon Division Manager seit September bin. Ich hoffe, dass du mich nicht missverstehst, aber als Traffic Manager habe ich immer gut verdient und hatte nur mit max 6 Köpfen zu tun. Jetzt sind 20 MA in dieser Division und dieses Jahr bekommen wir DM auch einige Kunden zu betreuen das ist alles schön aber das ist sowieso mehr Verantwortung und mehr Arbeit und ich finde diesen ersten Vorschlag nicht genug.

Sag mir bitte Bescheid, wenn du Zeit hast, damit wir gerne darüber reden können.

Danke im Voraus […]

Anfang Februar 2020 besprachen sich der Beklagte und F* G* ua über die zuvor vorgelegte Tabelle samt Prämiensystem. Dabei wurde diese Tabelle mit handschriftlichen Notizen ergänzt. Die beiden einigten sich zusätzlich zum Grundgehalt von EUR 3.500,-- auf eine monatliche Prämie von EUR 2.900,-- zuzüglich EUR 300,-- Mobilitätszulage (monatliche Gesamtprämie EUR 3.200,--).

Die Auszahlung der Prämien erfolgt bei der Klägerin im Nachhinein. Der Beklagte erhielt ab Februar jeweils eine „Prämie Division“ von EUR 2.900,-- und eine „Mobilitätszulage“ von EUR 300,-- brutto.

F* G* stellte dem Beklagten die Erstellung der Verträge und deren Unterfertigung für Ende Februar 2020 in Aussicht.

Aufgrund der um sich greifenden Covid 19-Pandemie wurde in Österreich ab 16.3.2020 der erste bundesweite Lockdown verfügt. Die Pandemie beeinflusste die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin erheblich. Mitarbeiter wurden gekündigt, Kurzarbeit angeordnet. Die Mitarbeiter, darunter der Beklagte, arbeiteten zumindest drei bis vier Wochen im Homeoffice.

Die pandemiebedingten Turbulenzen verzögerten die Vertragserstellung für den Beklagten. Auch nach einer weiteren Kontaktaufnahme des Beklagten mit K* G* im Mai 2020 wurde der Prämienvertrag nicht schriftlich abgeschlossen. Im Mai erkundigte sich der Beklagte bei F* G* nach dem Vertrag. Dieser meinte, momentan sei nicht die richtige Zeit, darüber zu sprechen. Das Kriterium Deckungsbeitrag 3 sei aufgrund der Pandemie schwierig. Der Beklagte sollte noch Geduld haben.

Ende Mai/Anfang Juni war der Beklagte auch mit einigen anderen Umständen seiner beruflichen Tätigkeit bei der Klägerin unzufrieden. Es kam zu einem Konflikt mit dem Prokuristen M*. Dieser schrieb in einem E Mail vom 8.6.2020 an den Beklagten, es bringe nichts, wenn der Beklagte „saublöde E Mails“ schreibe. Es kam zwischen den beiden zu einer Aussprache, wobei der Beklagte M* verzieh. Zwischen dem Beklagten und F* G* gab es Unstimmigkeiten über die Zeiterfassung des Beklagten.

Am 16.6.2020 übermittelte der Beklagte dem Geschäftsführer ein E Mail mit seiner Sicht der aktuell bestehenden Probleme, unter anderem zur Unstimmigkeit mit M*, zur Zeitverfassung und zur Vertragserstellung. Zum Thema Vertragserstellung verwies er ua auf seine offizielle Leitung der Abteilung D1 ab September 2019. Es sei „fixer Lohn (mit allen Leistungen)“ vereinbart, die Unterfertigung des Vertrags und der Prämienvereinbarung sei in Aussicht gestellt worden. Zudem hätte er laut F* G* ab März den Überblick über DB3 durch eine neue Auswertung mit allen nötigen Daten (Deckungsbeitrag - Lohnkosten der Mitarbeiter) erhalten sollen. Bis zum 16.6.2020 habe er davon nichts gesehen bzw unterschrieben. Abschließend lautete das E Mail:

„[…] Aktuell weiß ich nicht, wie viel ich mit den Prämien verdienen kann. Wir haben über Aliquote für jeden Monat gesprochen. Wir haben auch gesagt, dass ich nächstes Jahr sehr wahrscheinlich kein Minimum garantiert mehr haben werde aber mehr weiß ich leider immer noch nicht. Wäre es möglich dass ich bis Ende Juni einen Überblick bekomme? Ich möchte schon wissen was ich verdienen kann und welche Konditionen ich habe und die Hälfte des Jahres ist schon vorbei.

Danke für deine Zeit, ich weiß, dass ich eine lange Email geschrieben habe aber in der letzten Zeit hatten wir knapp Zeit darüber zu sprechen und wollte dir ehrlich schreiben, was bei mir passiert. […]“

Aufgrund dieses E Mails kamen der Beklagte und F* G* am 17.6.2020 zu einem Gespräch zusammen, bei dem F* G* dem Beklagten ankündigte, er werde den schriftlichen Prämienvertrag bis zum Monatsende erstellen. Der Beklagte zeigte sich damit einverstanden und erwiderte darauf „Ok passt“. F* G* antwortete mit „Na also“.

Mit folgendem Schreiben vom 23.6.2020 kündigte der Beklagte das Dienstverhältnis mit der Klägerin:

„[…] hiermit kündige ich das mit Ihnen bzw. der A* GmbH bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich und firstgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Bestätigen Sie mir bitte den Erhalt der Kündigung und das Aufhebungsdatum des Arbeitsvertrags in schriftlichen Form. Außerdem bitte ich um ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, welches Sie mir an die oben genannte Adresse zukommen lassen können.

Ich bedanke mich für die jahrelange gute Zusammenarbeit mit Ihnen. Aus der Beschäftigung in Ihrem Unternehmen konnte ich auf fachlicher wie auch auf persönlicher Ebene viel für meine berufliche Zukunft mitnehmen. Dafür bedanke ich mich und wünsche Ihnen und dem Unternehmen für den weiteren Werdegang alles Gute

Mit freundlichen Grüßen […]“

Bei der Kündigung plante der Beklagte noch nicht, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Er verfügte über mehrere Angebote von anderen Unternehmen, dies auch außerhalb des Speditionsbereichs. Unter anderem hatte er die Möglichkeit, in Italien Logistikchef von N* zu werden.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 10.8.2020 gründete der Beklagte gemeinsam mit der O* GmbH die P* Q* GmbH. Die Eintragung in das Firmenbuch erfolgte am 2.9.2020. Der Beklagte fungiert neben einem weiteren Geschäftsführer als Geschäftsführer der P* Q* GmbH. Der Geschäftszweig der P* Q* GmbH umfasst Transport und Logistik. Der geografische Tätigkeitsbereich erstreckt sich auf Italien, Deutschland und die Benelux-Staaten. Neben dem Beklagten sind in der P* Q* GmbH noch vier weitere Disponenten tätig. Bei der Klägerin sind ca 200 Personen beschäftigt.

R* S*, T* U*, V* W* und X*, die Ehefrau des Beklagten, arbeiteten zunächst ebenfalls bei der Klägerin.

T* U* kündigte ihr Dienstverhältnis zur Klägerin Ende Juni 2020; es endete Ende Juli 2020. Am 1.9.2020 begann sie bei der P* Q* GmbH als Disponentin zu arbeiten, wo sie bis Dezember 2021 tätig war. R* S* kündigte ihr Dienstverhältnis zur Klägerin ebenfalls im Juni 2020 zum Ende Juli. Am 1.9.2020 nahm sie bei der P* Q* GmbH ihre Tätigkeit als Disponentin auf. Als T* U* und R* S* kündigten, war es für sie noch kein Thema, danach für den Beklagten zu arbeiten.

V* W* kündigte das Dienstverhältnis zur Klägerin mit Schreiben vom 29.6.2020 zum 31.7.2020. Er begann nach seiner Kündigung zunächst ebenfalls bei der P* Q* GmbH als Disponent zu arbeiten. Er kündigte jedoch auch dieses Dienstverhältnis, weil er im Allgemeinen nicht mehr als Disponent arbeiten wollte. Grund für die Kündigung bei der Klägerin war nicht, eine Tätigkeit für den Beklagten aufzunehmen.

X* befand sich damals bei der Klägerin in Karenz; diese hätte im September 2020 geendet. Das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Klägerin wurde einvernehmlich aufgelöst. Danach begann sie als Disponentin bei der P* Q* GmbH zu arbeiten. Y* wurde nach der Kurzarbeit von der Klägerin gekündigt.

Sowohl T* U* als auch R* S*, V* W* sowie X* beendeten das Dienstverhältnis zur Klägerin aus eigenem Wunsch.

Grund für die Arbeitnehmerkündigungen war jeweils nicht die Gründung des Unternehmens P* Q* GmbH. Sie wurden vor den Kündigungen nicht vom Beklagten abgeworben.

Die Klägerin stellte nach dem Weggang des Beklagten und der ehemaligen Mitarbeiter R* S*, T* U* und V* W* keine neuen Mitarbeiter ein, verteilte deren Positionen auf bereits bei ihr tätige Mitarbeiter. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Klägerin für deren Ein- bzw Umschulung Kosten entstanden sind.

Ob die Klägerin als Folge des Abgangs des Beklagten und der Mitarbeiter U*, S* und W* weniger Umsatzerlös lukrierte, kann nicht festgestellt werden.

Nicht festgestellt werden kann, ob der Beklagte Kunden von der Klägerin abgeworben hat.

Nicht festgestellt werden kann zudem, ob die P* Q* GmbH Kundenaufträge erhielt, die ohne deren Gründung an die Klägerin vergeben worden wären.

Im Allgemeinen kann nicht festgestellt werden, ob der Klägerin durch die Gründung und Geschäftstätigkeit der P* Q* GmbH ein Vermögensschaden entstanden ist.

Der Beklagte entnimmt sich als Geschäftsführer der P* Q* GmbH monatlich brutto EUR 6.000,--. Davon verbleibt ihm ca die Hälfte als Nettoeinkommen, dies zwölf Mal im Jahr. Er war an der Gesellschaft zunächst zu 30 %, ab April 2020 ist er zu 50 % beteiligt. Im Falle von Gewinnausschüttungen erhält er davon 50 %, 2022 etwa EUR 3.500,-- netto.

Der Beklagte wusste, dass er mit der Gründung des Unternehmens P* Q* GmbH gegen die vereinbarte Konventionalstrafe verstieß.

Mit Schreiben des Klagsvertreters vom 20.9.2020 an den Beklagten wurde die Konventionalstrafe von EUR 69.183,40 geltend gemacht, wobei die Zahlung bis längstens 2.10.2020 gefordert wurde. Die Forderung wurde mit Schreiben der Z* vom 11.10.2020 abgelehnt.

Von diesem Sachverhalt muss das Berufungsgericht - als vom Rechtsmittel unberührt - gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 498 Abs 1 ZPO ausgehen.

Mit der am 6.4.2021 beim Landesgericht Innsbruck eingelangten Mahnklage begehrt die Klägerin EUR 69.183,40 samt 4 % Zinsen ab 3.10.2020. Dazu bringt sie - soweit für das Verständnis der Berufungsentscheidung erforderlich - zusammengefasst vor:

Die Konkurrenzklausel zwischen den Streitteilen sei nach wie vor aufrecht. Sie sei nicht aufgrund des Ausschlusses des richterlichen Mäßigungsrechts unwirksam; sie sei unionsrechtskonform, zumal Auslandsbezug fehle. Sie erschwere das Fortkommen des Beklagten nicht unbillig im Sinn des § 36 Abs 1 Z 3 AngG, der monatliche Bruttobezug bei der vom Beklagten selbst gegründeten neuen Arbeitgeberin liege vermutlich über seinem letzten Bruttobezug bei der Klägerin. Konkurrenzklauseln für Disponenten in größeren Speditionsbetrieben hätten sich nahezu flächendeckend durchgesetzt. Sie seien Resultat des schnelllebigen Speditionsgeschäfts, in dem der Disponent einen bestimmten Kundenbereich betreue und diesen nach Möglichkeiten und Fähigkeiten ausweite. Es fehle praktisch jeder persönliche Kontakt, der nur über moderne Kommunikationsmedien stattfinde. Bei einem Arbeitsplatzwechsel werde die neue E Mail-Adresse bekannt gegeben, sodass sich für den Kunden im Ablauf nichts ändere und die Kontinuität gewahrt bleibe. Daher könne ein Disponent den Großteil der Kunden zum neuen Arbeitgeber „mitnehmen“. Nur eine Konkurrenzklausel mit einer zeitlichen Dauer von einem Jahr könne diese Kontinuität unterbrechen. Zusätzlich werde die Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen dadurch bestmöglich erreicht.

Die Klägerin habe die Kündigung des Beklagten nicht schuldhaft veranlasst. Grund dafür sei der Wunsch des Beklagten nach persönlicher Veränderung und Verbleib bei seiner Familie in Italien gewesen.

Der Beklagte habe mindestens drei zuvor bei der Klägerin beschäftigte Mitarbeiter:innen abgeworben. Der durchschnittliche Deckungsbeitrag pro Monat in der vom Beklagten betrauten BA* habe sich seit August 2020 rückläufig entwickelt. Im CEE Verkehr, für den der Beklagte ebenfalls zuständig gewesen sei, müsse ein noch deutlicher Umsatzrückgang verzeichnet werden. Die Klägerin habe die vom Beklagten schuldhaft verursachten Umsatzrückgänge wieder ausgleichen und dabei neue Disponenten einschulen müssen. Pro Disponent müsse die Klägerin EUR 41.319,-- aufwenden.

Falls es im Jahr 2014 zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten gekommen wäre, sei dieses einvernehmlich rückgängig gemacht worden. Das Dienstverhältnis einschließlich der Konkurrenzklausel sei fortgesetzt worden. Dienstvertrag und Konkurrenzklausel seien somit weiterhin Vertragsgrundlage des Beschäftigungsverhältnisses bei der Kündigung des Beklagten zum 31.7.2020 gewesen.

Der Beklagte bestreitet, beantragt kostenpflichtige Klagsabweisung und wendet - soweit im Berufungsverfahren relevant - ein:

Die Klägerin könne sich nicht auf die Konkurrenzklausel stützen, weil das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Kündigung durch den Beklagten ohne diese Konkurrenzklausel neu begründet worden sei. Die Konkurrenzklausel stelle eine unzulässige Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar; sie sei überdies unter Druck zustande gekommen und deshalb rechtsunwirksam. Da sie einen Verzicht auf das richterliche Mäßigungsrecht umfasse, sei sie eklatant sittenwidrig.

Die Konventionalstrafe sei nach § 37 Abs 1 AngG verwirkt, weil die Klägerin schuldhaft Anlass zur Kündigung des Beklagten gegeben habe. Nachdem dem Beklagten mehrfach die Beförderung zum Abteilungsleiter der BA* versagt geblieben sei, habe die Klägerin ihn ab 1.9.2019 dazu ernannt. Mit der Bezahlung des angemessenen Entgelts sei der Beklagte jedoch hingehalten worden. Konkrete Gespräche habe es erst im Jänner 2020 gegeben. Ein dem Beklagten zur Kenntnis gebrachtes Prämiensystem sei für ihn nicht nachvollziehbar gewesen. Zusagenwidrig habe die Klägerin keine neue Provisionsvereinbarung erstellt. Trotz mehrfacher Urgenzen und Mitteilung des Beklagten, dass er sein Dienstverhältnis ohne Verschriftlichung der zugesagten Prämien- und Entgeltvereinbarung beenden müsse, habe die Klägerin keine solchen Vereinbarungen abgeschlossen. Der für den 22.6.2020 zur Unterfertigung der Gewinnbeteiligung vereinbarte Termin sei von der Klägerin ohne Begründung abgesagt worden. Daraufhin habe der Beklagte die Kündigung vom 23.6.2020 übermittelt. Erst nach Erhalt der Kündigung habe der Geschäftsführer der Klägerin die Vereinbarung zur Gewinnbeteiligung aufsetzen wollen. Der Beklagte habe jedoch an seiner Kündigung festgehalten. Die Klägerin habe die Kündigung des Beklagten schuldhaft herbeigeführt, indem sie die ihm zugesagte Prämien- und Entgeltvereinbarung nicht geschlossen habe. Der Beklagte habe diesen Kündigungsgrund der Klägerin auch mitgeteilt.

Der geforderte Betrag sei weit überhöht und richterlich zu mäßigen. Unter Berücksichtigung seiner Sorgepflichten für Ehegattin und das im August 2021 zwei Jahre alte Kind und die Kreditverbindlichkeiten für eine Eigentumswohnung von ca EUR 300.000,-- sowie monatlichen Rückzahlungsraten á EUR 1.050,-- für 30 Jahre sei der Betrag richterlich zu reduzieren.

Der von der Klägerin behauptete Umsatzrückgang und Rückgang von Ladungszahlen stünde nicht im Zusammenhang mit dem Abgang des Beklagten. Gerade im Italien-Verkehr seien die Rückgänge auf pandemiebedingte Umstände zurückzuführen. Großkunden der Klägerin seien nicht zum Beklagten gewechselt. Der Beklagte habe keine Geschäftsbeziehung zu ehemaligen Kunden der Klägerin aufgenommen. Die betreffenden Unternehmen führten routinemäßige Anfragen bei Marktteilnehmern über die Preiskonditionen durch. Im kleinen Umfang habe der Beklagte Aufträge erhalten, denen keine Abwerbehandlungen vorausgegangen seien, sondern nur routinemäßige Beantwortung von Preisanfragen.

Der Beklagte habe keine Mitarbeiter abgeworben. Abgegangene Mitarbeiter seien durch Verteilung der Aufgabenbereiche auf andere Mitarbeiter der Klägerin ersetzt worden, was der pandemiebedingte Auslastungsrückgang erleichtert habe.

Mit dem in die bekämpfte Entscheidung aufgenommenen (in der Berufung nicht mehr relevierten) Beschluss wies das Erstgericht den Antrag des Beklagten auf Einholung eines betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachtens zurück (Spruchpunkt I.). Mit dem teilweise bekämpften Urteil verpflichtete das Erstgericht den Beklagten zur Leistung von EUR 10.000,-- samt 4 % Zinsen seit 3.10.2020 (Spruchpunkt II.1.) und die Klägerin zum Ersatz der mit EUR 11.094,78 bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz des Beklagten (Spruchpunkt II.3.). Das Mehrbegehren von EUR 59.183,40 samt 4 % Zinsen seit 3.10.2020 wies das Erstgericht (unbekämpft) ab (Spruchpunkt II.2.).

Diesem Erkenntnis legte das Erstgericht den eingangs der Berufungsentscheidung sinngemäß und verkürzt wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde. Darüber hinaus traf das Erstgericht folgende im Rechtsmittelverfahren bekämpfte Feststellungen:

(I) „Bei dieser Vereinbarung [im Juli 2014] zur Fortführung des Arbeitsverhältnisses kam es den beiden [dem Beklagten und dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin] darauf an und vereinbarten sie, das Dienstverhältnis abgesehen vom erhöhten Gehalt mit dem bisherigen Vertragsinhalt samt der Konkurrenzklausel fortzusetzen. Ein neuer Dienstvertrag wurde nicht erstellt. […]

(II) „Die Nichterstellung der Prämienvereinbarung und des Division-Manager-Vertrags von Seiten der klagenden Partei war für den Beklagten nicht ausschlaggebend für die Kündigung. Kurz vor der Entscheidung zur Kündigung war der Beklagte unzufrieden mit der Vereinbarung seines Urlaubs. Der Geschäftsführer der klagenden Partei hatte dem Beklagten mitgeteilt, dass es bei dem Zeitraum, in dem er seinen Urlaub plane, eine Überschneidung gibt. Der Beklagte wurde sich insgesamt im Klaren, dass er in seinem Leben mehr Flexibilität und Freiheit will. Er wollte die Möglichkeit haben, im Homeoffice von Italien aus zu arbeiten. Aus diesen Gründen entschied er sich zur Kündigung.“

(III) „Als der Kläger [gemeint: Beklagte] das Dienstverhältnis zur klagenden Partei kündigte, wusste er noch nicht, wie es in beruflicher Hinsicht für ihn weitergehen wird. Er kündigte aus den genannten persönlichen Gründen.“

Die angefochtene Hauptsachenentscheidung (Spruchpunkt II.1.) begründete das Erstgericht präzise und unter Heranziehung zahlreicher Belegstellen aus Judikatur und Literatur (§§ 2 Abs 1 ASGG, 500a ZPO). Daraus wird hervorgehoben:

Die Berufstätigkeit des Beklagten sei vollständig auf Österreich ausgerichtet gewesen, sodass ein Verstoß gegen die Grundfreiheit des Art 45 AEUV nicht in Betracht komme. Der Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens sei daher nicht nachzukommen.

Wohl habe die der Klägerin zugegangene Kündigungserklärung des Beklagten vom 1.7.2014 das bis dahin bestehende Dienstverhältnis beendet. Aufgrund der nachfolgend getroffenen Vereinbarungen zwischen den Streitteilen und der uneingeschränkten Fortsetzung des Dienstverhältnisses sei jedoch ein neues Dienstverhältnis mit den nicht abgeänderten Kautelen des alten Dienstverhältnisses begründet worden. Die neu verhandelten Konditionen beträfen insbesondere nicht die am 15.5.2008 abgeschlossene Konkurrenzklausel, die übernommen worden und im Jahr 2020 aufrecht gewesen sei.

Mangels konkretisierten Vorbringens und diesbezüglicher Verfahrensergebnisse könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Konkurrenzklausel unter Druck zustande gekommen sei. Die Formulierung eines Verzichts auf das richterliche Mäßigungsrecht schlage nicht durch, weil das Mäßigungsrecht des § 38 AngG gemäß § 40 AngG unabdingbarer und einseitig zwingender Natur sei. Diese Formulierung beeinträchtige die Gültigkeit des nicht von der Nichtigkeit erfassten Teils der Konkurrenzklausel nicht.

Anhaltspunkte für eine Veranlassung der Kündigung des Beklagten durch die Klägerin nach § 37 Abs 1 AngG bestünden nicht, weil der Beklagte weder im Kündigungsschreiben noch im Rahmen einer mündlichen Erklärung ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin, das Grundlage seiner Kündigung gewesen sei, ausgeführt habe. Das Beweisverfahren habe überdies ergeben, dass persönliche Gründe des Beklagten für die Kündigungserklärung von 2020 maßgeblich gewesen seien.

Der Beklagte habe unstrittig gegen die Konkurrenzklausel verstoßen. Da die Vereinbarung vor dem 29.12.2015 erfolgt sei, schade es nicht, wenn sie das 6-fache des letzten Nettomonatsgehalts übersteige. Trotzdem sei die Höhe der Konventionalstrafe nach § 38 AngG richterlich zu mäßigen. Nach dem festgestellten Sachverhalt stehe nicht fest, ob durch die Gründung und Geschäftstätigkeit der P* Q* GmbH ein Schaden bei der Klägerin eingetreten sei. Auch ein Umsatzrückgang und Nachschulungskosten für die ausgeschiedenen Mitarbeiter:innen seien nicht feststellbar gewesen. Die Klägerin habe die ausgeschiedenen Mitarbeiter:innen durch Umverteilung der Aufgaben ersetzt. Da die Konkurrenzklausel grundsätzlich keine Kündigungen untersage, sei auch nicht relevant, ob ein Umsatzrückgang alleine durch das Ausscheiden des Beklagten und von anderen Mitarbeiter:innen der Klägerin eingetreten sei. Im Rahmen der richterlichen Mäßigung sei nur jener Schaden relevant, der durch das konkurrenzverbotswidrige Verhalten, also durch den Verstoß gegen die Beschränkungen in der Konkurrenzklausel entstünde. Diese enthalte weder eine Mitarbeiter- noch eine Kundenschutzklausel.

Der eingetretene Schaden rücke als Mäßigungskriterium nach den Tatsachenfeststellungen in den Hintergrund. Bei Ausübung des Mäßigungsrechts müsse sich das Gericht daran orientieren, dass der Beklagte sorgepflichtig gegenüber einem minderjährigen Sohn sei, und er mit monatlichen Kreditraten à EUR 1.015,-- den noch zu EUR 250.000,-- aushaftenden Wohnungskredit abtragen müsse. Sein Verschulden sei erheblich, weil er unmittelbar nach dem Ende des Dienstverhältnisses bei der Klägerin eine konkurrenzierende Tätigkeit in der Branche seines bisherigen Dienstgebers mit überschneidendem geografischen Tätigkeitsbereich aufgenommen habe. Zugute zu halten sei ihm, dass er aus rein persönlichen Gründen gekündigt habe und der Klägerin keinen Schaden zufügen habe wollen. Im Hinblick auf seine finanziellen Belastungen und seine im Vergleich zur vorherigen Tätigkeit nur geringfügig verminderte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (brutto EUR 6.000,-- anstelle brutto EUR 6.918,34) erscheine eine Mäßigung der Konventionalstrafe auf EUR 10.000,-- angemessen. Das Mehrbegehren müsse abgewiesen werden.

Die bekämpfte Kostenentscheidung (Spruchpunkt II.3.) stütze sich auf die §§ 2 Abs 1 ASGG, 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin sei nur mit rund 14 % ihres verfochtenen Anspruchs obsiegt, sodass sie nur 14 % ihrer Barauslagen verlangen könne. Der Beklagte habe Anspruch auf 86 % seiner Barauslagen und 72 % seiner Vertretungskosten. Wie die Klägerin eingewendet habe, sei vom Beklagten die Transkription des Gesprächs vom 17.6.2020 verspätet vorgelegt worden. Sie hätte bereits früher angefertigt und in Vorlage gebracht werden können. In diesem Fall der früheren Vorlage wäre die Verhandlung in der Tagsatzung vom 8.7.2022 geschlossen worden und jene vom 1.2.2023 entfallen. Dem Beklagten stehe daher der Ersatz der verzeichneten Kosten für die Tagsatzung vom 1.2.2023 (EUR 1.270,80) nicht zu. Unabhängig vom Prozessausgang könne die Klägerin aber den vollen Ersatz der für diese Tagsatzung verzeichneten Kosten von EUR 1.334,10 verlangen (§ 48 ZPO).

Gegen den klagsstattgebenden Teil (Spruchpunkt II.1.) und die Kostenentscheidung (Spruchpunkt II.3.) wendet sich nunmehr die (rechtzeitige) Berufung des Beklagten in der Hauptsache (aus den Rechtsmittelgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung) und im Kostenpunkt (aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung). Damit beantragt der Beklagte die Abänderung des angefochtenen Spruchpunkts II.1. im Sinn einer vollen und gänzlich kostenpflichtigen Klagsabweisung; hilfsweise wird insoweit ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt; in eventu die Erhöhung des Kostenzuspruchs an den Beklagten auf EUR 11.171,22 verlangt (ON 56 S 23 f).

Die Klägerin beantragt in ihrer (fristgerechten) Berufungsbeantwortung in der Hauptsache und im Kostenpunkt, die auch eine Anschlussbeweisrüge enthält, dem gegnerischen Rechtsmittel den Erfolg in beiden Aspekten kostenpflichtig zu versagen (ON 56 S 23).

Nach Art und Inhalt der geltend gemachten Rechtsmittelgründe war die Anberaumung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung entbehrlich. Über das Rechtsmitttel war daher auch in der Hauptsache in nichtöffentlicher Sitzung zu befinden (§§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO). Dabei erwies es sich aus nachstehenden Erwägungen in der Hauptsache als unbegründet:

Rechtliche Beurteilung

A. Zu den Beweisrügen:

a. Beklagter:

1.: Im ersten Teil der Beweisrüge bekämpft die Berufung die oben kursiv dargestellte und mit I. bezeichnete Urteilsannahme des Erstgerichts in ON 52 S 9 vorletzter Absatz aE. Anstelle dieser verlangt die Berufung die (erkennbare: § 84 Abs 2 letzter Satz und Abs 3 letzter Satz ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG) Feststellung, wonach „es nach der Kündigung vom 1.7.2014 durch den Beklagten zum nächstmöglichen Kündigungstermin zum mündlichen Neuabschluss eines Dienstvertrags gekommen ist, welcher jedoch nicht mehr schriftlich ausgefertigt wurde, jedenfalls aber das neue Dienstverhältnis ohne Konkurrenzklausel fortgesetzt wurde“ (ON 56 S 2 f Pkt I.1.). Diesem Teil der Beweisrüge kann aufgrund nachstehender Argumentation nicht gefolgt werden:

1.1.: Die erfolgreiche Geltendmachung des Berufungsgrunds der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung erfordert die bestimmte Angabe 1. welche konkrete Feststellung bekämpft wird, 2. infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, 3. welche Feststellung stattdessen begehrt wird und 4. aufgrund welcher Beweisergebnisse die begehrte Ersatzfeststellung zu treffen gewesen wäre (RIS Justiz RS0041835; OLG Innsbruck RIS Justiz RI0100145). In der Berufung muss nicht nur deutlich gemacht werden, welche konkrete Tatsachenfeststellung (dh welche Sätze/welcher Satz) des Urteils der Berufungswerber bekämpft und „ersetzt wissen will“, sondern es muss auch hinreichend klar werden, welche Feststellungen er statt dieser im Detail getroffen wünscht (die dann einer anderen rechtlichen Beurteilung unterzogen werden könnten: RIS Justiz RS0043190; RS0042386). Es ist nicht Aufgabe des Berufungsgerichts zu ermitteln und zu mutmaßen, durch welche konkreten Fetstellungen sich der Berufungswerber für beschwert erachtet und welche Urteilsannahmen mangels ausdrücklicher Anfechtung unbestritten sind (§§ 2 Abs 1 ASGG, 498 Abs 1 ZPO; vgl zB 9 ObA 99/20d ErwGr 2.). Daher wird für die Ausführung von Berufungen - letztlich auch im Interesse des (potenziellen) Berufungsgegners, der sinnvoll entgegnen können muss, und im Sinn des § 474 Abs 2 ZPO - empfohlen, die bekämpfte(n) Feststellung(en) in ihrer vollen Länge zu benennen und ebenso die begehrte(n) Ersatzfeststellung(en) deutlich herauszustellen und in voller Länge zu bezeichnen ( Pochmarski/Tanczos/Kober , Berufung in der ZPO 4 [2022] S 173 f, 239; Pochmarski/Lichtenberg/Tanczos/Kober , Berufung in der ZPO³ [2017] S 148, 208 f mwN in FN 26, 28; OLG Innsbruck zB 23 Rs 5/23s, RIS Justiz RI0100140; 3 R 31/22s ErwGr A. 2.2.; 13 Ra 35/21a ErwGr 1.1.). Die Ausführungen zur Beweisrüge müssen überdies eindeutig erkennen lassen, aufgrund welcher Umwürdigung welcher bestimmten Beweismittel welche vom Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden (7 Ob 66/18h ErwGr 1.1.; 5 Ob 311/85; RIS Justiz RS0041835 [T2]). Dabei reicht der Verweis auf einzelne für den Berufungswerber günstigere Beweisergebnisse nicht aus; erforderlich ist vielmehr eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen . Es ist darzustellen, warum das Erstgericht bei richtiger Beweiswürdigung gerade die begehrten (und nicht aufgrund anderer vorliegender Beweismittel andere) Feststellungen treffen hätte müssen (10 ObS 5/22s Rz 10; 6 Ob 177/21d Rz 3).

1.2.: Diesen Erfordernissen entspricht die Beweisrüge des Beklagten zu Pkt I.1. (ON 56 S 2 4) jedoch nicht: Sie stellt weder dar, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung welcher konkreten Beweismittel die bekämpften Feststellungen angeblich getroffen wurden und aufgrund welcher vom Erstgericht abweichenden Beweiswürdigung welcher konkreten Beweismittel - die Berufung verweist insoweit ohne deren nähere inhaltliche Erörterung auf die Beilagen 1 und 2 - die gewünschten Ersatzfeststellungen getroffen werden könnten. Die Beweisrüge erschöpft sich in diesem Zusammenhang neben einer Wiedergabe von getroffenen und angestrebten Annahmen und Teilen von Beweisergebnissen im Wesentlichen in der Meinung „das Klagebegehren hätte daher aufgrund dieses objektiven Beweisergebnisses mit der Begründung zur Gänze abgewiesen werden müssen, dass eine Konkurrenzklausel im aktuellen Dienstverhältnis gar nicht vereinbart ist“ (ON 56 S 4 vierter Absatz), was im Kern eine erwünschte rechtliche Beurteilung und keine Auseinandersetzung mit konkreten Beweisergebnissen und Darstellung einer nach Auffassung des Berufungswerbers richtigen Beweiswürdigung konkret welcher Verfahrensergebnisse darstellt.

1.3.: Die Beweisrüge wäre aber insoweit auch inhaltlich nicht begründet: Das Erstgericht hat seine Feststellungen, wie die Klammerzitate ergeben (zB ON 52 S 9 vorletzter Absatz und S 10 erster Absatz), im angefochtenen Teil in erster Linie auf die Einvernahme des Beklagten selbst in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 30.9.2021 gestützt. In dieser Vernehmung war eingangs ausdrücklich die Rede von der 2008 abgeschlossenen Konkurrenzklausel (ON 14 S 6 erster Absatz). Danach stellte der Beklagte dar, dass es 2014 zunächst zu seiner Kündigung und danach zu einer Verbesserung des Lohnniveaus und weiterer Arbeitsbedingungen ( „höheres Grundgehalt … und andere Konditionen, mit denen ich zufrieden war“ ) kam (ON 14 S 6 letzter Absatz). Mit keinem Wort hat der Beklagte dabei erwähnt, dass diese „anderen Konditionen“, die ihn zufrieden gestellt hätten, etwa den Entfall der unmittelbar zuvor besprochenen Konkurrenzklausel umfasst hätte. Auch im Rahmen der später anschließenden umfangreichen und detaillierten Befragung durch die Beklagtenvertretung (ON 14 S 10 untere Hälfte) war nur die Rede von der schriftlichen Kündigung, von den Gesprächen mit dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin und von der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit Ausnahme der geänderten Entgeltbedingungen. Aus dem Gesamtzusammenhang dieser Darstellung hat das Erstgericht daher zutreffend und nachvollziehbar abgeleitet (§ 277 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG), dass das Arbeitsverhältnis auch nach der in der Berufung beschriebenen Kündigung des Beklagten im Jahr 2014 abgesehen von den geänderten Entgeltkonditionen unter den Bedingungen des früheren Arbeitsverhältnisses fortgesetzt wurde. Gegenteilige zwingende Beweisergebnisse vermag die Berufung nicht anzuführen.

1.4.: Zu diesem Themenkreis ist der Vollständigkeit halber noch zu ergänzen, dass die Beweisrüge (oder die Mängelrüge) der Berufung konzeptionsgemäß nicht dazu dienen kann, in erster Instanz unterbliebene Klarstellungen des Inhalts der Ergebnisse von Personalbeweismitteln nachzuholen: Eine konkrete Fragestellung der in dieser Tagsatzung anwesenden Parteienvertretung des Beklagten zu einem allfälligen ausdrücklichen Ausschluss der Fortgeltung der selbstständigen Nebenabrede der Konkurrenzklausel erfolgte nicht, obwohl ua diese ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, diesen Gegenstand zu erörtern und zweckdienliche weitere Fragen dazu an den Beklagten zu richten (§§ 2 Abs 1 ASGG, 380 Abs 1 iVm 341 Abs 1 und 289 Abs 1 ZPO; 10 ObS 401/97m; 1 Ob 28/96; OLG Wien 12 R 142/85, REDOK 1491; 31 R 263/82, JBl 1984, 687; 35 R 2004/78, ZAS 1978/28; OLG Graz 7 Rs 1056/87, SVSlg 33.921; LGZ Wien 44 R 666/06a, EFSlg 115.185). Wenn es im konkreten Fall die Vertretung des Beklagten unterlassen hat, an den Beklagten entsprechende Fragen zu stellen, bedeutet dies ein dem Beklagten zuzurechnendes (§§ 2 Abs 1 ASGG, 39 ZPO) Versäumnis: Wenn die rechtsfreundliche Vertretung des Berufungswerbers die Gelegenheit verstreichen ließ, selbst solche ergänzenden Fragen zu stellen, kann dieser das Unterbleiben weiterer Klarstellungen weder als Verfahrensmangel noch als Mangel des Beweisverfahrens erfolgreich geltend machen (10 ObS 401/97m; OLG Wien 35 R 2004/78, ZAS 1980/28). Wenn die Vertretung des Berufungswerbers solcherart den Sachverhalt in den für die Berufung nun bedeutsamen Richtungen nicht weiter aufgeklärt hat, kann sich der Rechtsmittelwerber nunmehr im Rechtsmittel durch die bei seiner Parteienvernehmung gewonnenen Verfahrensergebnisse und deren Umfang nicht für beschwert erachten (OGH wie vor; OLG Wien wie vor). Diesen eigenen Verfahrensfehler kann der Beklagte also weder in der Mängel- noch in der Beweisrüge seiner Berufung gegen die Sachentscheidung noch mit günstigem Effekt geltend machen (OLG Wien 12 R 142/85, REDOK 1491; 31 R 263/82, JBl 1984, 687; LGZ Wien 44 R 666/06a, EFSlg 115.185).

2.: Der zweite Teil der Beweisrüge ist nach den oben zu A) 1.1. wiedergegebenen Kriterien nicht einfach nachvollziehbar, weil bekämpfte und gewünschte Feststellungen teilweise verbunden und nur in indirekter Rede wiedergegeben werden (vgl OLG Innsbruck RIS Justiz RI0100140 mwN). Ausgehend von dem Maßstab eines Berufungsgegners, der diesen Ausführungen sinnvoll begegnen und erwidern können muss, wird noch objektiv erkennbar, dass sich die Berufung gegen die oben im Text kursiv wiedergegebene und mit II. bezeichnete Urteilsfeststellung (ON 56 S 4 f Pkt I.2.) wendet. Das Rechtsmittel begehrt (noch objektiv erkennbar) die Ersatzfeststellung „dass es sehr wohl der Umstand der Nichterstellung der Prämienvereinbarung und des Division-Managervertrags von Seiten der klagenden Partei war, welche für den Beklagten ausschlaggebend für die Kündigung war“ . Auch diese Kritik an den erstinstanzlichen Feststellungsgrundlagen schlägt nicht durch:

2.1.: Die allgemeinen Erfordernisse einer judikaturkonformen erfolgreichen Beweisrüge wurden oben zu ErwGr A). 1.1. dargestellt. Auch in diesem Teil der Beweisrüge wird nicht auf konkrete gegenteilige Beweisergebnisse verwiesen, sondern auf Urteilsfeststellungen des Erstgerichts (ON 56 S 5 dritter bis letzter Absatz sowie S 6 erster Absatz). Mit anderen Teilen der Urteilsfeststellungen lässt sich jedoch eine rechtsprechungskonforme Beweisrüge nicht begründen. Daher scheitert die Beweisrüge auch in ihrem zweiten Teil schon an einer judikaturkonformen Ausführung.

2.2.: Die Beweisrüge ist aber auch in diesem Punkt inhaltlich unbegründet; wenn man etwa die schon zitierte Aussage des Beklagten als Partei vom 30.9.2021 heranzieht: Dieser führt zwar aus, er sei im Jänner 2020 über die mit dem dort vertretungsbefugten Geschäftsführer der Klägerin ausgehandelte Entgeltregelung (Verwendungszulage, Entfall der Tankkarte, Prämiensystem) unzufrieden gewesen (ON 14 S 8 Mitte). In der Folge stellt der Beklagte jedoch dar, es sei zu einer ihn zufriedenstellenden Entgeltregelung über eine monatliche Mobilitätszulage gekommen (ON 14 S 10 unteres Drittel auf Frage des Beklagtenvertreters) und er habe auch dem damaligen Prokuristen seine Vorwürfe und das darin gelegene Fehlverhalten „verziehen“ (ON 14 S 9 zweiter Absatz). Vielmehr sah sich der Beklagte durch die Arbeitszeitregelung, die er als zu wenig flexibel für ihn als Führungskraft einstufte (ON 14 S 9 zweiter Absatz) und, weil für ihn im Gefolge der Pandemie die Familie oberste Priorität gewonnen hatte (ON 14 S 10 erster Absatz), die Urlaubsvereinbarung (ON 14 S 9 letzte Zeile), die fehlende Flexibilität und Freiheit sowie die fehlende Möglichkeit, allenfalls von Italien aus (gemeint also im Home-Office) arbeiten zu können, zunehmend eingeschränkt (ON 14 S 10 erster Absatz). Mit keinem Wort ließ der Beklagte erkennen, dass diese Direktiven für andere Mitarbeiter der Klägerin in vergleichbarer Funktion nicht verbindlich gewesen wären und nur ihn betroffen hätten. Wie sich aus der Aussage des Beklagten in ON 14 S 10 erster Absatz ergibt, lag seine Entscheidung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Kern in der Unvereinbarkeit mit der Familienpriorität, also insbesondere in der fehlenden Flexibilität und der fehlenden Möglichkeit, von Italien aus arbeiten zu können, begründet. Bringt man diese Ausführungen des Beklagten auf den Punkt, gab es zwar einige Unzukömmlichkeiten über die Entgelthöhe, im Zusammenhang mit Vorwürfen des Prokuristen und beim verzögerten Abschluss der zwei für den Beklagten in Betracht kommenden Vereinbarungen (Divisions-Managervertrag und Prämienvereinbarung). Wie das Erstgericht richtig festgestellt hat, waren diese für den Beklagten zwar nach dem Gesamtinhalt seiner Ausführungen nicht restlos befriedigend. Allein diese Umstände, mit denen er offenbar zurecht gekommen wäre, haben ihn aber ganz offensichtlich nicht dazu motiviert, das Dienstverhältnis zu beenden. Entscheidend für die Beendigung aus seiner Warte war die vom Erstgericht richtig festgestellte mangelnde Flexibilität beim Urlaub und beim Ort der Arbeitsverrichtung, weil diese fehlende Freiheit und Anpassungsfähigkeit mit dem nach der Pandemie neu definierten Vorrang seines Familienlebens kollidierte. Ausgehend von diesen eigenen Einlassungen des Beklagten sind daher die Feststellungen des Erstgerichts nicht zu beanstanden.

3.: Die Beweisrüge der Berufung muss daher erfolglos bleiben.

b. Klägerin:

1.: In der Anschlussbeweisrüge der Klägerin (ON 62 S 4 8) bekämpft diese die oben kursiv dargestellten und mit (III) bezeichnete Urteilsannahme des Erstgerichts in ON 62 S 4 vierter Absatz. Anstelle dieser verlangt die Berufung folgende Ersatzfeststellung:

„Er kündigte aus den genannten persönlichen Gründen. Der Beklagte kündigte aus den genannten persönlichen Gründen, wobei die Neugründung der Firma BB* Q* GmbH ebenfalls zu diesen persönlichen Gründen zählt“ (ON 62 S 8 fünfter Absatz).

Diese Anschlussbeweisrüge erweist sich aus nachstehenden Erwägungen als unberechtigt:

2.: Dazu ist aus formaler Hinsicht zunächst festzuhalten, dass sich in der angefochtenen Entscheidung folgende Urteilsfeststellung - und zwar ebenfalls in ON 52 S 14 vierter Absatz - findet, welche die Klägerin ausdrücklich nicht bekämpft:

„Bei der Kündigung hatte er [der Beklagte] auch noch nicht den Plan zur Gründung eines eigenen Unternehmens. Er hatte auch mehrere Angebote von anderen Unternehmen, dies auch außerhalb des Speditionsbereichs. Unter anderem hatte er die Möglichkeit, in Italien Logistikchef von N* zu werden.“

3.: Würde der erkennende Senat nun in Stattgebung der Anschlussbeweisrüge anstelle der dort ausschließlich bekämpften Feststellung jene setzen, die die Klägerin in ihrer Beweisrüge als Ersatzfeststellung anstrebt, so stünde diese mit dem zuletzt angeführten unbekämpft gebliebenen Tatsachensubstrat in einem unlösbaren Widerspruch. Widersprüchliche Feststellungen, die eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht ermöglichen, begründen aber Feststellungsmängel, die einen Aufhebungsgrund im Sinn des § 503 Z 4 ZPO darstellen, weil dann eine einwandfreie rechtliche Beurteilung nicht möglich ist (RIS Justiz RS0043182; RS0042744; vgl RS0042101; OLG Innsbruck zB 23 Rs 10/23a; 13 Ra 45/14m). Dies führt also hier zunächst zur Konsequenz, dass sich das Berufungsgericht schon aus diesem formalen Grund inhaltlich nicht mit der Anschlussbeweisrüge der Klägerin befassen kann, weil die angestrebten Feststellungen zu einer Sachverhaltsgrundlage führten, die einer abschließenden rechtlichen Beurteilung nicht mehr zugänglich wäre (OLG Innsbruck 23 Rs 10/23a ErwGr 4.2. = RIS Justiz RI0100163; ferner 13 Ra 11/23z Rz 38; 13 Ra 49/14d je mwH).

4.: Die Beweisrüge wäre aber auch aus folgenden inhaltlichen Überlegungen nicht berechtigt:

4.1.: Welche innere Vorstellung der Beklagte über seinen künftigen beruflichen Werdegang zum Zeitpunkt der Kündigung (E Mail vom 23.6.2020: ON 52 S 13 f) hatte, stellt eine Frage dar, die seine innere Motivation betraf. Das Erstgericht hat diese inneren Vorstellungen des Beklagten aus seiner Parteienvernehmung (ON 14 S 10 f) entnommen.

4.2.: Diesen authentischen Beweisergebnissen setzt die Klägerin in ihrem Rechtsmittel insbesondere den Hinweis auf die Dienstnehmerkündigung (Beilage B) in den der Beklagte keine Gründe für seine Kündigung anführte, den Firmenregisterauszug der BB* Q* GmbH (Beilage O) und die Überlegung entgegen, dass in nahem zeitlichen Zusammenhang auch weitere Mitarbeiter der Klägerin kündigten, um anschließend bei der vom Beklagten neu gegründeten Firma BB* Q* GmbH zu arbeiten, nämlich T* U* und V* W*, R* S* und X*. Aus keiner dieser Beweisergebnisse kann mit Sicherheit entnommen werden, dass der Beklagte sich zum Zeitpunkt seiner Kündigung (23.6.2020) bereits die feste Absicht gehabt hätte, die vorgenannte Firma zu gründen, wie dies in der gewünschten Ersatzfeststellung zum Ausdruck gelangen soll. Auch die Anschlussbeweisrüge behauptet nicht, dass einem der genannten Zeugenvernehmungen (R* S* [ON 31 S 3 ff], T* U* [ON 37 S 9 f], X* nicht vernommen [ON 31 S 3 ff]) oder den erwähnten Beilagen (B, O, I [Dienstnehmerkündigung der T* U*] und J [Dienstnehmerkündigung des V* W*]) unmittelbar zu entnehmen wäre. Unwidersprochen blieb in der Berufung auch die an der erwähnten Stelle festgestellte Tatsache, dass der Beklagte Angebote von anderen Unternehmen außerhalb des Speditionsbereichs hatte, unter anderem von N* BC* die Stelle als deren Logistikchef angeboten erhalten hatte. Aus dem Gesamtzusammenhang der nur teilweise bekämpften Feststellungen des Erstgerichts ergibt sich also, dass die Ungewissheit über den weiteren beruflichen Werdegang des Beklagten auch darin begründet war, dass er zum Kündigungszeitpunkt auch noch andere Berufsoptionen als die Gründung der erwähnten GmbH hatte. Schon aus dieser Überlegung, die auch in die Beweiswürdigung des Erstgerichts eingeflossen ist (ON 52 S 19 letzter Absatz), ergibt einen begründeten Anhaltspunkte für die von der Berufung bekämpfte Negativfeststellung, nämlich dass aufgrund der mehreren dem Beklagten zur Verfügung stehenden beruflichen Optionen (im Kündigungszeitpunkt) noch nicht klar war, wie er sich in beruflicher Hinsicht weiterentwickeln werde. Diesen Überlegungen vermag die Berufung kein wirklich schlüssiges und überzeugendes Gegenargument entgegenzuhalten.

5.: Auch die Anschlussbeweisrüge der Klägerin muss daher versagen.

B. Zur Rechtsrüge:

1.: Die Berufung vermag in ihren - teilweise in die Beweisrüge eingestreuten (zB ON 56 S 7 drittletzter Absatz) - Ausführungen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts nicht zu erschüttern, wonach das Arbeitsverhältnis mit der Konkurrenzklausel aus dem Jahr 2008 auch nach der einvernehmlich zurückgenommenen Kündigungserklärung 2014 unverändert fortgesetzt wurde:

1.1.: Auch eine einseitig empfangsbedürftige Erklärung wie insbesondere eine Kündigungserklärung (oder auch eine Entlassungserklärung) ist ua einvernehmlich widerrufbar (für viele: 9 ObA 124/11t; vgl 9 ObA 85/18t für kurzfristige Vertragsverlängerungen etwa im Sinn der Abänderung des Endtermins auf einen späteren Zeitpunkt mwH; 8 ObA 105/06h; RIS Justiz RS0028711; OLG Innsbruck zB 13 Ra 32/20h ErwGr 6.7. [bestätigt durch 9 ObA 33/21z]; Burger-Ehrnhofer/Drs Beendigung von Arbeitsverhältnissen [2014] 8; Reissner/Heinz-Ofner in Reissner [Hrsg] AngG 4 [2022] § 20 Rz 21 je mwH). Auch die einvernehmliche Rücknahme der Kündigung ist daher ein Vertrag, für den die allgemeinen Rechtsgeschäftsregeln gelten (9 ObA 30/92; Trost in Löschnigg AngG 11 II [2021] § 20 Rz 34). Ob eine solche Rücknahmeerklärung des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers vorliegt, hängt - wie die Auslegung aller rechtsgeschäftlichen Erklärungen - von den jeweiligen konkreten Umständen des Einzelfalls ab ( Reissner/Heinz-Ofner aaO), denen regelmäßig keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt, sofern keine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vorliegt (9 ObA 124/11t; RIS Justiz RS0042936). Vor allem bei vorzeitigen Auflösungen ist das Gesamtverhalten des Erklärenden zu beachten (9 ObA 182/87).

1.2.: Nach den vom Erstgericht getroffenen, vom Rechtsmittel aber nicht ausreichend gewürdigten Feststellungen traf der Beklagte mit dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin im Anschluss an seine Kündigung vom 1.7.2014 eine besondere Vereinbarung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Die beiden fanden eine Einigung zur Erhöhung des Gehalts des Beklagten, woraufhin der Beklagte bei der Klägerin weiterarbeitete (ON 52 S 9 vorletzter Absatz). In diesem Zusammenhang darf auf den besonderen konkludenten Erklärungswert der unveränderten Weiterarbeit bei einvernehmlicher Kündigungsrücknahme verwiesen werden (näher dazu etwa 4 Ob 135/77, ArbSlg 9663; LG Linz 15 Cga 1099/87, ArbSlg 10.691; Löschnigg aaO). Schon aufgrund dieser konkludenten Umstände wäre daher davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis dem Wunsch des Erklärungsgegners, also der Klägerin entsprechend, weiterhin fortzusetzen, kein neues Rechtsverhältnis begründet, sondern das Arbeitsverhältnis wieder in Funktion gesetzt, also (mit Ausnahme der vereinbarten Änderungen beim Entgelt) so fortgesetzt, als ob keine Unterbrechung stattgefunden hätte (9 ObA 30/92 mzwN).

1.3.: Zusätzlich hat das Erstgericht den bei dieser Vereinbarung zwischen dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten zur Fortführung des Arbeitsverhältnisses maßgebenden beiderseitigen Willen der Erklärenden noch ausdrücklich festgestellt: Demnach „kam es den beiden darauf an und vereinbarten sie, das Dienstverhältnis abgesehen vom erhöhten Gehalt mit dem bisherigen Vertragsinhalt samt der Konkurrenzklausel fortzusetzen“ . Immerhin hat der Beklagte danach das Arbeitsverhältnis rund sechs Jahre fortgesetzt.

1.4.: Ausgehend von diesen in der Berufung vergeblich angefochtenen Feststellungen des Erstgerichts ist daher der Standpunkt der Berufung, das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen sei nach der Kündigung des Beklagten vom 1.7.2014 ohne die eine selbstständige Nebenabrede darstellende Konkurrenzklausel fortgesetzt worden, unhaltbar. Dazu erübrigen sich also weitere Ausführungen des Berufungsgerichts.

2.: Auch der - ebenso unsystematisch in die Beweisrüge eingearbeitete (ON 56 S 4 vierter Absatz) - Hinweis der Berufung auf den Schriftformvorbehalt im Dienstvertrag Beilage 2 führt die Berufung zu keinem sachlichen Erfolg:

2.1.: Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann von einem vereinbarten Formvorbehalt, also auch einem Schriftformvorbehalt - wie jenem in Pkt 14. Beilage A = 2 - einvernehmlich abgegangen werden, und zwar auch ohne Einhaltung der Schriftform und nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (4 Ob 165/20y Rz 39; 9 Ob 57/16x ErwGr 1.; 4 Ob 185/15g ErwGr 3.; 5 Ob 205/14d ErwGr 3.3.; 8 ObA 38/14t ErwGr 2.; 9 ObA 156/12z ErwGr 1.; 9 ObA 61/09z; 8 ObA 30/09h ErwGr II.; RIS Justiz RS0038673; RS0014378). Stillschweigend/konkludent bedeutet dabei, dass das Verhalten der Vertragsteile mit Überlegung aller Umstände des Falls den Schluss zulässt, die Parteien hätten für die fragliche Abrede auf diese Form verzichten wollen (5 Ob 37/06m ErwGr 1.3.; 8 Ob 661/90). Die ua mündliche oder konkludente Abweichungsmöglichkeit gilt selbst für den Fall, dass die Parteien die Schriftform auch für das Abgehen vom Erfordernis der Schriftlichkeit selbst vereinbart haben sollten (7 Ob 136/09i; 2 Ob 221/08a ErwGr 2.; 5 Ob 37/06m ErwGr 1.3.; 7 Ob 101/74; RIS Justiz RS0038673 [T7]; RS0014378 [T12]). Der Grundsatz der Vertragsfreiheit lässt nämlich eine Selbstbindung der Parteien mit unwiderruflicher Wirkung für die Zukunft nicht zu (10 Ob 122/93h; 8 Ob 661/90). Aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ist vielmehr abzuleiten, dass die Parteien wie auch sonst, wenn sie eine bestimmte Form vereinbart haben, vor deren Erfüllung sie nicht gebunden sein wollten (§ 884 ABGB), an die zunächst getroffene Vereinbarung der Unwirksamkeit allfälliger neuer Vereinbarungen und an den Verzicht an eine einverständliche Abänderung im Fall einer späteren gegenteiligen Willensübereinstimmung nicht gebunden sind (8 Ob 661/90).

2.2.: Mit der eben zu B. 1.2. und 1.3. wiedergegebenen Feststellung des Erstgerichts, wonach es den Streitteilen (Klägerin vertreten durch ihren damaligen Geschäftsführer) zur Fortführung des Arbeitsverhältnisses darauf ankam, das Dienstverhältnis abgesehen vom erhöhten Gehalt mit dem bisherigen Vertragsinhalt samt der Konkurrenzklausel fortzusetzen (ON 52 S 9 vorletzter Absatz aE), ist aber jedenfalls auch der Wille der Parteien klar erkennbar, von der im Pkt 14. Beilage A = 2 seinerzeit 2008 vereinbarten Schriftform konkludent und einvernehmlich wieder abzugehen. Dass ihnen dies rechtlich möglich war, wurde eben dargelegt. Somit scheitert auch dieses Argument der Berufung.

3.: Von einem Verstoß des Beklagten gegen die aufrechte Konkurrenzklausel ging das Erstgericht zu Recht aus:

3.1.: Die Frage, ob das tatsächliche Verhalten des Arbeitnehmers einen Verstoß gegen eine zulässige und aufrechte Konkurrenzklausel darstellt, ist immer eine mehrschichtige Wertungsfrage : Nämlich einerseits der Interpretation der gesetzlichen Reglementierungen; zweitens der Auslegung der vereinbarten Konkurrenzklausel (insbesondere welche Erwerbstätigkeiten wollten die Parteien dem Arbeitnehmer untersagen?); drittens der Inhaltskontrolle der Klausel (welche Teile sind zulässig und werden den Interessen der Parteien billig gerecht, insbesondere hat der Arbeitgeber ein ausreichendes geschäftliches Interesse an der Einhaltung der Wettbewerbsabrede?) und viertens und letztens eine Bewertung von Tatsachen, nämlich, ob das faktische Verhalten des Arbeitnehmers qualitativ schon als relevanter Verstoß gegen die zulässigen und billigen Teile der Konkurrenzklausel angesehen - und somit die vorgesehenen Sanktionen ausgelöst - werden können (vgl OLG Wien 8 Ra 315/97w, ARD 4906/12/98; OLG Innsbruck 13 Ra 20/15m; Kohlegger in Reissner [Hrsg] AngG 4 [2022] § 37 Rz 40).

3.2.: Inwieweit das erkennende Gericht auf alle Umstände eingehen kann, hängt dabei stark vom beiderseitigen Vorbringen im Verfahren ab. Nach dem Inhalt des erstinstanzlichen Vorbringens des Beklagten war hier allenfalls die letzte Frage relevant, nämlich die Qualifikation des faktischen Verhaltens des Arbeitnehmers als relevanten Verstoß. Die Beweislast dafür trifft - weil anspruchsbegründendes Sachverhaltselement - hier die klagende Arbeitgeberin (vgl 8 ObA 311/01w; 9 ObA 66/03a). Einen solchen Verstoß des Beklagten räumt die Berufung nun ausdrücklich ein (ON 56 S 7 vorletzter Absatz). Dies ist aufgrund der unangefochten festgestellten Unternehmensgründung und tätigkeit in ON 52 S 14 f auch nicht überraschend. Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich somit.

4.: Das Rechtsmittel vertritt die Auffassung, dass die Nichtfeststellbarkeit irgendeines Schadens (Gewinnentgang oder auch nur Umsatzrückgang) entscheidendes Mäßigungskriterium sei (ON 56 S 7 letzter Absatz).

4.1.: Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die Behauptungs- und vor allem Beweislast für den tatsächlich eingetretenen Schaden (unter dem vereinbarten Strafbetrag) der Arbeitnehmerseite obliegt (zB 8 ObA 49/18s; 8 ObA 5/07d). Selbst wenn der Eintritt eines Schadens erwiesen wäre - wovon aufgrund der Negativfeststellung des Erstgerichts in ON 52 S 16, wonach nicht festgestellt werden könne, ob der Klägerin durch die Gründung und Geschäftstätigkeit der P* Q* GmbH überhaupt ein Vermögensschaden entstanden sei, hier wohl nicht ausgegangen werden darf - und nur die Schadenshöhe oder die Höhe des Gewinns, der dem Arbeitgeber durch die konkurrenzierenden Handlungen des Arbeitnehmers entging (9 ObA 97/18g), nicht feststellbar ist, entfällt dieses Mäßigungskriterium trotzdem (8 ObA 49/18s; 9 ObA 68/16i). Die Bezahlung der Konventionalstrafe ist vom Eintritt oder Nachweis eines Schadens nicht abhängig (8 ObA 80/20b; 9 ObA 97/18g), denn sie soll ua auch ideelle Nachteile abdecken und auf den Arbeitnehmer einen zusätzlichen Erfüllungsdruck ausüben (8 ObA 80/20b; 9 ObA 97/18g).

4.2.: Die Argumentation der Berufung, wonach auf der Basis des festgestellten Sachverhalts entweder die Klage mangels eines konkurrenzverbotswidrigen Verhaltens das Klagebegehren abzuweisen gewesen wäre (welcher Konsequenz die festgestellte konkurrenzklauselwidrige Unternehmensgründung und dessen Geschäftstätigkeit [ON 52 S 14 f] entgegensteht) oder schon aufgrund der Nichtfeststellbarkeit eines Vermögensschadens eine Strafenmäßigung auf EUR 0,-- vorzunehmen gewesen wäre (dem die zitierte Negativfeststellung und die genannte Rechtsprechung entgegensteht), kann daher nicht überzeugen.

5.: Die Berufung kritisiert nicht die ständige Rechtsprechung, wonach eine Kündigung des Arbeitnehmers, um die Konkurrenzklausel wirksam zu beseitigen, gemäß § 37 Abs 1 AngG ausnahmsweise „begründet“ werden muss, auch wenn diese einseitige Lösungserklärung nach allgemeinen Grundsätzen keine Berufung auf einen Grund, eine Zerrüttung und dergleichen verlangt. Der Adressat muss aus dem Inhalt der Lösungserklärung oder aus sonstigen Umständen im Zug der Beendigung zumindest im Sinn des § 863 ABGB eindeutig erkennen können, dass ausnahmsweise ein von ihm verschuldeter wichtiger Auflösungstatbestand „Ursache und Grund“ für die Kündigung ist (8 ObA 121/98x: die AN-Kündigung, die als Grund die beabsichtigte Auswanderung nach Mexiko anführt, ist nicht auf ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers gestützt; aus jüngerer Zeit etwa 9 ObA 36/20i; 9 ObA 141/09i; 9 ObA 19/10z). Unklarheiten gehen zu Lasten des Erklärenden, weil die Kündigung in der Regel ohne Angabe von Gründen ausgesprochen wird (8 ObA 121/98x; 9 ObA 36/20i zur Parallelregelung des § 37 Abs 2 Fall 1 AngG für die AG-Kündigung; OLG Innsbruck 27.9.2023, 15 Ra 22/23g ErwGr 3.3.). Das in der Berufung bezweifelte und vermisste „Klarstellungsinteresse“ liegt darin begründet, eindeutig nachvollziehbar zu machen , ob die Konkurrenzklausel aufrecht bleibt und allenfalls eine Karenzabgeltung gebührt oder nicht (9 ObA 19/10z; 9 ObA 141/09i; RIS Justiz RS0029892 [T5]; OLG Innsbruck 27.9.2023, 15 Ra 22723g ErwGr 3.3.; Kohlegger § 37 Rz 20). Der Hinweis der Berufung (ON 56 S 9 dritter Absatz), diese Judikaturlinie sei grundsätzlich zu überdenken, verfängt daher nicht.

6.: Die Rechtsprechung nimmt an, dass das zur Auflösung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitnehmer führende schuldhafte Verhalten des Arbeitgebers (§ 37 Abs 1 AngG), das die Verfolgung der Konkurrenzklausel ausschließt, keinem Austrittsgrund im Sinn des § 26 AngG entsprechen und daher dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung während der Kündigungsfrist nicht unzumutbar machen muss; sie muss aber immerhin das Arbeitsverhältnis zerrütten (9 ObA 49/11p; RIS Justiz RS0029902).

6.1.: Die in der Berufung in ON 56 S 9 vorletzter Absatz geltend gemachten Überlegungen, wonach

stellen aber keine Umstände dar, aufgrund derer die Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung vom 16.6.2020 zumindest im Sinn des § 863 ABGB eindeutig erkennen konnte, dass ein von ihr verschuldeter wichtiger Auflösungsgrund Ursache und Grund für die Kündigung war. Dazu liegen einerseits die Vorgänge im Jahr 2014 viel zu weit zurück. Andererseits übergeht die Berufung die Feststellung, dass der Beklagte subjektiv zwar mit einigen Umständen seiner beruflichen Tätigkeit unzufrieden war (Stichworte: Probleme mit dem Prokuristen, mit der Abwicklung der Corona-Pandemie und den langwierigen Verhandlungen über seine beiden Verträge), der Grund für die Kündigung jedoch die persönliche Entscheidung des Beklagten war, seinem Familienleben nun Vorrang einzuräumen und eine berufliche Veränderung zu suchen, die ihm mehr Freiheit insbesondere im Bereich der Urlaubs- und Arbeitsortgestaltung einschließlich Home-Office erlaubte (ON 52 S 14). Dazu kommt noch, dass der Beklagte weder im E Mail vom 16.6.2020 noch danach überhaupt einen Grund für seine Arbeitnehmerkündigung anführte, etwa den im Prozess erwähnten Vorfall mit dem Prokuristen (ON 52 S 13 f). Nach den Feststellungen äußerte der Beklagte auch seine bereits erörterte innere Motivation für die Kündigung nicht gegenüber der Klägerin (siehe zB die Feststellung, wonach sich der Beklagte „im Klaren wurde“ und „sich entschied“ [in ON 52 S 14], was zwanglos auf innere Entscheidungsvorgänge schließen lässt). Selbst wenn der Beklagte diese innere Motivation/Prioritätenänderung geäußert hätte - was nach den Feststellungen nicht unterstellt werden darf - läge immer noch im Kern durchaus ein Fall vor, der der Entscheidung 8 ObA 121/98x vergleichbar ist, wo der Arbeitnehmer als Kündigungsgrund die beabsichtigte Auswanderung nach Mexiko anführte und der Oberste Gerichtshof dies nicht als dem Arbeitgeber zurechenbares schuldhaftes Verhalten einstufte.

6.2.: Auch der Hinweis der Berufung, die Konkurrenzklausel wäre deshalb weggefallen, weil die unbegründete Kündigung auf einem der Klägerin eindeutig erkennbaren Fehlverhalten zurechenbar wäre (zB ON 56 S 10 erster und zweiter Absatz), verfängt daher nicht. In diesem Zusammenhang geht die Rechtsrüge in erheblichen Teilen auch nicht vom Urteilssachverhalt aus, sodass das Berufungsgericht darauf nicht weiter eingehen kann (10 Ob 30/04s; RIS Justiz RS0042663 [T1]; RS0043603 [T2, T8]).

7.: Auch soweit die Berufung auf unionsrechtliche Schranken der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 45 ff AEUV abstellt (ON 56 S 10 ff), ist sie nicht erfolgreich:

7.1.: Ein einzelvertragliches Konkurrenzverbot könnte nur dann spürbar und wegen des Beschränkungsverbots des Art 45 AEUV unionsrechtlich betrachtet unwirksam sein, soweit es geeignet ist, den betroffenen Arbeitnehmer wirksam an der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit so zu behindern, dass er dieses Hindernis nicht mehr mit zumutbarem Aufwand umgehen kann (vgl SA GA Maduro vom 23.5.2007 in C 438/05, The International Transport Workers Federation ua /Viking Line ABP ua, Rn 43 ff insb Rn 48; Kohlegger § 36 Rz 82 S 905).

7.2.: Die Berufung würdigt in diesem Zusammenhang die Feststellung des Erstgerichts nicht ausreichend, wonach der Beklagte das Studium der Translationswissenschaften für die Sprachen Deutsch und Französisch im August 2008 erfolgreich abschloss und seine Muttersprache Italienisch ist (ON 52 S 8 Mitte). Vor Aufnahme der Berufstätigkeit bei der Klägerin 2008 gewann der Beklagte zwar noch keine Arbeitserfahrung im Bereich Transport und Logistik. Den Beruf des Disponenten erlernte er erst bei der Klägerin (ON 52 S 9 dritter Absatz). Die mangels anderer Anhaltspunkte im Rahmen der Vertragsverlängerung aufrecht erhaltene Konkurrenzklausel verbietet dem Beklagten nur eine Tätigkeit im Speditions- und Transportgewerbe oder Beteiligung an einem in diesen Branchen tätigen Unternehmen. Mit seiner Dreisprachigkeit ist der Beklagte aber jedenfalls nicht auf die Speditions-/Transportbranche beschränkt, sondern kann in vielen anderen Wirtschaftsbereichen zB dem Tourismusmanagement, im Handel und Gewerbe sowie der Industrie - insbesondere wenn diese wie etwa in ** sehr häufig Kontakte mit dem italienisch- und französischsprachigen Raum unterhält - tätig werden. Umso mehr konnte er dies im Fall einer Verlagerung des Lebensschwerpunkts nach Italien, worauf mangels konkreten Einwands der Klägerin nicht einzugehen ist. Der Beklagte kann somit das Hindernis der einzelvertraglichen Konkurrenzklausel immerhin mit zumutbarem Aufwand überwinden , sodass diese Beschränkung für ihn im konkreten Fall nicht spürbar ist. Das einzelvertragliche Konkurrenzverbot (auf sog „horizontaler Ebene“) unterfällt daher mangels konkreter Spürbarkeit nicht dem in der Berufung angesprochenen Beschränkungsverbot der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Eine Rechtfertigung der Konkurrenzklausel aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses ist daher entgegen dem Standpunkt der Berufung (ON 56 S 19 f) gar nicht mehr nötig.

7.3.: Unabhängig davon ist die Konkurrenzklausel Beilage A = 2 nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs hier ohnehin sachlich gerechtfertigt . Es kommt dabei anders als das Rechtsmittel argumentiert nicht darauf an, ob aus der Entscheidung 4 Ob 125/14g mittlerweile zu entnehmen wäre, dass der Arbeitgeber kein (schutzwürdiges) Interesse mehr an der potenziellen Konkurrenzvermeidung durch ehemalige Mitarbeiter, am Schutz seiner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und an seiner Befugnis, die von ihm erarbeiteten wirtschaftlichen Werte zu seinen Gunsten und ohne Rücksicht auf die Wünsche/Beteiligung ehemaliger Arbeitnehmer mehr habe und daher ein Zweck/Teil der (sachlichen) Rechtfertigung für die Konkurrenzklauseln, nämlich - neben öffentlichem Interesse und Arbeitnehmerschutz - Wirtschaftsinteressen der Arbeitgeber (vgl RIS Justiz RS0029925) weggefallen wäre. Denn es bestehen noch andere „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ (9 ObA 105/19k; 8 ObA 196/99b), zB die Lauterkeit des Handelsverkehrs (EuGH 9.7.1997, C 34 36/95, Konsumentombudsmannen/De Agostini und TV-Shop , ECLI:EU:C:1997:344 Rn 53) oder der soziale Schutz der Arbeitnehmer (EuGH 7.10.2010, C-515/08, Victor Manuel dos Santos Palhota , ECLI:EU:C:2010:589, Rn 53), die eine sachliche Rechtfertigung erlauben (OGH wie vor). Aufgrund des hier unzweifelhaft verwirklichten grenzüberschreitenden Sachverhaltselements durch die Wanderarbeitnehmertätigkeit des Beklagten und durch die ua vom Beklagten bearbeiteten Transportaufträge der Klägerin in Süddeutschland und Mittelosteuropa ist eine Stellungnahme zu den Überlegungen in der Berufung, wonach in der Rechtsprechung des EuGH Tendenzen zur Aufgabe des grenzüberschreitenden Sachverhaltselements zu entnehmen seien (Hinweis auf die Venturini -Formel [ON 56 S 15]), nicht mehr erforderlich. Tatsächlich judiziert der EuGH seit der Entscheidung vom 15.11.2016, C 268/15, Ullens de Schooten , ECLI:EU:C:2016:874 Rn 47 wieder das Erfordernis eines Sachverhalts, der mit einzelnen Merkmalen über die Grenzen eines EU-Mitgliedstaats hinausweisen muss (mit kleinen Modifikationen) ohnehin wieder (zuletzt zB EuGH 18.1.2022, C-261/20, Thelen Technopark GmbH/MN , ECLI:EU:C:2022:33 Rn 50, 52 f, 7.9.2022, C391/20, Boriss Cilevičs ua, ECLI:EU:C:2022:638 Rn 31 oder 13.7.2023, C106/22, Xella Magyroszág Építöanyagipari Kft/Innovációs és Technológiai Miniszter , ECLI:EU:C:2023:267 Rn 51 f).

7.4.: Vom Beschränkungsverbot der Arbeitnehmerfreizügigkeit als Grundfreiheit, das in der Berufung betont wird (ON 56 S 16 f), geht das Berufungsgericht ohnehin aus.

7.5.: Die in der Berufung bestrittene Verhältnismäßigkeit der Beschränkung des Beklagten durch die konkrete einzelvertragliche Konkurrenzklausel (ON 56 S 20 f) ist nicht zu bezweifeln: Sie erfüllt die strengen sachlichen Kriterien der §§ 36 Abs 1 Z 3 und 37 AngG (8 ObA 196/99b): Der Beklagte kann wie oben zu B. 7.2. erörtert mit seiner Dreisprachigkeit in zahlreichen Branchen in ** im Raum C* tätig werden und das Erstgericht hat den Strafbetrag im Rahmen seines Mäßigungsrechts auf ein Siebtel reduziert, was insoweit zu einem Interessenausgleich führt.

7.6.: Auch der im Rechtsmittel enthaltenen Anregung der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens (ON 56 zB S 13) ist nicht zu folgen:

7.6.1.: Einen Sonderfall, in dem auch ein eingangs- oder mittelinstanzliches Gericht vorlagepflichtig sein könnte (Provisorialverfahren zur Gewährung von Rechtsschutz gegen zB primärrechtswidriges Sekundärrecht oder darauf basierendes nationales Umsetzungsrecht, konkrete Gültigkeitsbedenken gegen Sekundärrecht [näher etwa: Kohlegger in Fasching/Konecny ZPO³ II/3 [2015] Anh § 190 ZPO Rz 218 iVm 211 je mzwH) macht die Berufung nicht geltend. Das Oberlandesgericht kann daher auf sein Vorlagerecht unbekämpfbar verzichten.

7.6.2.: Außerdem liegt im Vorabentscheidungsverfahren das Vorlagemonopol bei dem jeweils funktional zuständigen nationalen Gericht und nicht etwa bei den Parteien des dort anhängigen Anlassverfahrens (EuGH zB 21.7.2011, C 104/10, Patrick Kelly , ECLI:EU:C:2011:506 Rn 62; Kohlegger in Fasching/Konecny ZPO³ II/3 [2015] Anh § 190 ZPO Rz 30). Daher geht zB der Oberste Gerichtshof davon aus, dass die Parteien des Ausgangsverfahrens - hier also der Berufungswerber - selbst keine Vorlage durchführen oder das nationale Gericht dazu zwingen können; ebenso wenig können sie darauf dringen, dass das nationale Gericht Fragen ändert, fallenlässt oder solche zusätzlich stellt (EuGH 15.10.2009, C 138/08, Hochtief AG , ECLI:EU:C:2009:627 Rn 21; vgl 6 Ob 110/13i; 10 ObS 63/13g). Die mit unionsrechtlichen Fragen befassten Gerichte prüfen amtswegig selbst, welchen Inhalt eine allfällige Vorlagepflicht, die sich zB aus ihrer letztinstanzlichen Funktion ergeben kann, im konkreten Fall hat (EuGH 18.7.2013, C 136/12, Consiglio nazionale dei geologi , ECLI:EU:C:2013:489 Rn 26 f iVm Rn 30 f; Kohlegger Anh § 190 ZPO Rz 219). Auch bei der Auslegung der CILFIT -Kriterien , insbesondere der Frage, ob eine unionsrechtliche Problematik bereits durch eine Entscheidung des EuGH geklärt ist (zweites CILFIT -Kriterium) oder derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr verbleibt (drittes CILFIT -Kriterium), bleibt den mit unionsrechtlichen Fragen befassten Gerichten ein nicht unerheblicher Beurteilungsspielraum ( Kohlegger Anh § 190 ZPO Rz 227). Nur wenn die Rechtsprechung nationaler mitgliedstaatlicher Gerichte zu bestimmten unionsrechtlichen Fragen divergiert oder ohne Vorlage eindeutig divergieren könnte, ist die Vorlage, um die Entwicklung von Partikularrecht zu vermeiden, erforderlich (zB SA GAin Kokott in C 308/06, Intertanko , Slg 2008, I 4057, ECLI:EU:C:2008:312 Rn 152 FN 89). Dies behauptet die Berufung jedoch ua mangels Namhaftmachung anderer Entscheidungen mitgliedstaatlicher Gerichte oder von Unklarheiten, die zu Partikularrecht führen könnten nicht einmal konkret.

7.6.3.: Die Befassung des Gerichtshofs der Europäischen Union war daher entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers entbehrlich. Da dieser selbst einräumt, dass ihm kein Antragsrecht darauf zukommt und eine Vorgangsweise nach Art 267 AEUV nur anregt, musste sein diesbezüglicher Antrag nicht formell zurückgewiesen werden (3 Ob 82/20k ErwGr 7. = Rn 20; 6 Ob 31/12w ErwGr 3.; 6 Ob 172/01i; RIS Justiz RS0058452 [T16, T17]; Kohlegger Anh § 190 ZPO Rz 30).

8.: Weitere selbstständige Aspekte, die im erstinstanzlichen Verfahren teilweise noch von Relevanz waren, führt die Berufung nicht - schon gar nicht auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts - aus, sodass das Berufungsgericht darauf nicht weiter eingehen darf (RIS Justiz RS0043338; RS0043352 [T17, T23, T26, T31, T33, T34]; RS0041570 insb [T6, T12]). Tritt der Rechtsmittelwerber der Beurteilung einer selbständigen Rechtsfrage durch das Erstgericht in seiner Berufung nicht entgegen, ist diese Rechtsansicht nicht mehr zu überprüfen (RIS Justiz RS0043338 [T18]). Dies gilt im Ergebnis auch für den - schon in erster Instanz - nicht substanziiert erhobenen Einwand, der Beklagte werde durch die Konkurrenzklausel dazu gezwungen, den erlernten Spezialberuf aufzugeben, damit zwangsläufig in eine berufsfremde Sparte mit geringerem Einkommen überzuwechseln, ohne dass ihm die konkrete Möglichkeit offenstehe, in eine andere Sparte des schon bisher ausgeübten Berufs oder gemäß einer anderen abgeschlossenen Ausbildung zu wechseln (RIS Justiz RS0029976; OLG Wien 10 Ra 151/03d, ARD 5529/7/2004; Preyer in Kuras HB AR G:24), obwohl den Beklagten als Arbeitnehmer die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen eines substanziierten Ausschlusstatbestands trifft (9 ObA 103/17p; 4 Ob 138/82). Dieser selbstständige § 36 Abs 1 Z 3 AngG zuzuordnende und schon von der richterlichen Mäßigung zu beachtende Aspekt darf daher vom Berufungsgericht nicht aufgegriffen werden. Auch die Behauptungs- und Beweislast für die Mäßigungsgesichtspunkte einschließlich der unbilligen Höhe der Strafe (zB Unverhältnismäßigkeit zwischen tatsächlichem Schaden und Vergütungsbetrag) trifft den Arbeitnehmer (8 ObA 80/20b; 9 ObA 97/18g; RIS Justiz RS0032167; RS0032195; OLG Innsbruck 15 Ra 15/12m; Preyer in Kuras HB AR 6.28). In der Berufung werden außer den bereits erwähnten selbständigen Aspekten keine Ausführungen gegen die Höhe der vom Erstgericht gefundenen gemäßigten Konventionalstrafe vorgebracht. Auch darauf kann das Berufungsgericht daher nicht mehr eingehen. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das Ausmaß der Mäßigung von den konkreten Umständen des Falls abhängig ist und die für die Mäßigung bestimmenden Kriterien im Sinn eines beweglichen Systems nach dem Grundsatz der Billigkeit gegeneinander abzuwägen sind. Die verhängte Strafe darf nach Maßgabe der Vermögensverhältnisse des Arbeitnehmers schmerzlich sein, jedoch keine ungerechtfertigte Belastung darstellen (ausführlicher: Kohlegger § 37 Rz 47). Nach der Rechtsprechung sind jedoch bei Sorgepflichten für ein bis zwei Personen und Rückzahlungsverpflichtungen für ein Eigenheim bereits ab Eigeneinkommen von brutto EUR 3.500,-- des Arbeitnehmers und Eigeneinkommen der Gattin oder einem entsprechend höheren Bruttoeinkommen des Arbeitnehmers auch ohne besonderes Verschulden des Arbeitnehmers an der Verletzung der Konkurrenzklausel, das hier aber festgestellt wurde, Mäßigungen auf zwei bis drei Bruttoeinkommen durchaus üblich (8 ObA 80/20b; OLG Wien 8 Ra 101/18h ARD 6655/9/2019; Kohlegger aaO). Somit ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger mit einem Bruttoeinkommen von EUR 6.000,-- durch den vom Erstgericht gefundenen gemäßigten Pauschalbetrag von EUR 10.000,-- beschwert sein könnte.

9.: Dem Rechtsmittel war daher in der Hauptsache der Erfolg zu versagen.

C. Zur Berufung im Kostenpunkt:

1.: Die Berufung im Kostenpunkt wendet sich gegen zwei Aspekte der Kostenentscheidung erster Instanz: Die Annahme der Kostenseparation betreffend die Tagsatzung vom 1.2.2023 und in eventu die Berechnung der Kosten der Höhe nach bei zulässiger Separation.

2.: Die Kostenseparation nahm das Erstgericht zu Recht vor:

2.1.: Bei der Frage der Zulässigkeit der Separation fehlt es der Berufung an der ziffernmäßig bestimmten Ausführung (siehe OLG Innsbruck 3 R 25/23k, RIS Justiz RI0100126 mzwH). Schon aus diesem formellen Grund ist dieser Teil der Kostenrüge unberechtigt.

2.2. Aber auch inhaltlich wäre die Argumentation der Berufung erfolglos:

2.3.: Gemäß § 178 ZPO muss eine gedrängte, vollständige und wahrheitsgemäße Sachverhaltsdarstellung beider Parteien samt den erforderlichen Prozesserklärungen möglichst früh im Verfahren abgegeben werden (vgl OLG Wien 15.5.2002, 16 R 69/02p, WR 927 mwH). Nach § 77 Abs 1 ZPO sind Urkunden, auf die in Schriftsätzen Bezug genommen wird, bereits mit dieser Eingabe allenfalls in Kopie vorzulegen. Um eine diesen Grundsätzen zuwiderlaufende verzögerte Prozessführung im Rahmen der Kostenentscheidung zu sanktionieren, sehen die (allgemeineren) §§ 44 (insbesondere Abs 1) und 48 (insbesondere Abs 1) ZPO, aber auch speziellere Kostenseparationsvorschriften wie zB § 142 Abs 1 ZPO (Erstreckung einer Tagsatzung), § 154 ZPO (Wiedereinsetzung), § 359 Abs 2 letzter Satz ZPO (Ergänzungsgutachten) besondere Kostenfolgen vor. Konkret durchbricht § 44 Abs 1 ZPO - der im Rahmen der Endentscheidung amtswegig oder über Antrag angewendet werden kann (für viele M. Bydlinski in Fasching/Konecny ZPO³ II/1 § 44 ZPO Rz 3) - das grundsätzliche Erfolgsprinzip beim Kostenersatz, wenn eine Partei schuldhaft Vorbringen oder Urkundenvorlagen (OLG Wien WR 927; Fucik in Rechberger/Klicka ZPO 5 [2019] § 44 ZPO Rz 2) in einem früheren Prozessstadium unterlassen und dadurch eine kostensparendere Prozesserledigung verhindert hat. Dazu genügt es, wenn die betreffende Partei dazu in der Lage war, das Vorbringen/die Urkundenvorlage früher zu bewerkstelligen (OLG Wien WR 927 mwH). Im Gegensatz zu den §§ 179, 275 Abs 2 ZPO bedarf es keines qualifizierten Verschuldens (grob schuldhaft) und keiner erheblichen Verfahrensverzögerung (siehe zB Rassi , Verschleppung und Obstruktion im österreichischen Zivilverfahren, RZ 2019, 207 [210]).

2.4.: Die Berufung bestreitet nicht einmal (ON 56 S 21 f), dass der Beklagte die Übersetzung des Gesprächs vom 17.6.20 20 in Beilage 10 (die auch die Klägerin mit ihrem Schriftsatz ON 44 und in der Tagsatzung vom 1.2.2023 ON 51.1 mit geringfügigen Änderungen als Beilage T vorgelegt hat) erst in der Tagsatzung vom 8.7.20 22 (ON 40.1 S 3) in Vorlage brachte, obwohl bereits im Einspruch (ON 3 S 2) vom 5.5.20 21 ausdrücklich die Rede davon [war], dass Prämien- und Entgeltvereinbarungen nicht wie in Aussicht gestellt oder angekündigt geschlossen wurden “ (ON 56 S 21 letzter Absatz; vgl das inhaltlich gleiche Vorbringen des Klägers in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 8.7.2022 ON 40.1 S 3). Es mag sein, dass die Übersetzung des Gesprächs erst im Zusammenhang mit der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin vorgelegt wurde und dies auf prozesstaktischen Überlegungen beruhte, wie sie auch in der Berufung im Kostenpunkt in ON 56 S 22 erster und zweiter Absatz ausdrücklich angeführt werden. Die prozesstaktischen Erwägungen in der Berufung finden in der aus den §§ 178, 77 Abs 1 ZPO abgeleiteten Prozessförderungspflicht keine Deckung, sondern widersprechen ihr. Der Hinweis auf die prozess- und vernehmungstaktische Motivation des Beklagten für seine objektiv und subjektiv bewusst verspätete Vorlage der Urkunde Beilage 10 ändert nichts an der schuldhaften objektiven Verspätung der Urkundenvorlage. Diese Überlegungen in der Berufung ändern also nichts daran, dass die Übersetzung aus dem Englischen ein Gespräch vom 17.6.2020 betraf, in dem die vom Beklagten maßgeblich eingewendete Verzögerung bei der Erstellung von zwei Verträgen für den Beklagten (Prämien- und Entgeltvereinbarung) bereits erwähnt wurde - wie der Beklagte in ON 56 S 21 und ON 40.1 S 3 bereits ausdrücklich eingeräumt hat - und diese Translation eben nicht bereits - wie sich das aus dem Zusammenhang der §§ 178 iVm 77 Abs 1, 48 Abs 1 ( M. Bydlinski § 48 ZPO Rz 8) oder § 44 Abs 1 ZPO ergibt - im Einspruch ON 3 vorgelegt wurde: Denn der Urkundenbeweis wird gemäß § 297 ZPO durch Vorlage der Urkunde an das Gericht angetreten. Schwierigkeiten bei der Übersetzung werden in der Kostenrüge nicht behauptet. Die Separation betreffend die Kosten der überflüssigen Tagsatzung vom 1.2.2023 ON 51.1 erweist sich daher entgegen der Berufung im Kostenpunkt als berechtigt.

2.5.: Gegen die Höhe des Mehraufwands (ausführlicher: M. Bydlinski § 48 ZPO Rz 5), nämlich für die ohne verspätete Urkundenvorlage entbehrliche Tagsatzung vom 1.2.2023 ON 51.1, finden sich in der Berufung überhaupt keine rechnerischen oder inhaltliche Ausführungen. Auf die Höhe dieser Kosten kann das Berufungsgericht daher nicht eingehen, weil auch eine Berufung im Kostenpunkt einen ziffernmäßig bestimmten Abänderungsantrag verlangt, der wiederum eine nachvollziehbare ua rechnerische Darstellung voraussetzt, welche konkreten betraglichen Veränderungen der Kostenentscheidung mit den vorgetragenen Argumenten angestrebt werden. Ebenso wie es nicht Aufgabe eines Rechtsmittelgerichts sein kann, erstgerichtliche Kostenentscheidungen zu fällen, sondern vielmehr bereits getroffene Kostenentscheidungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, besteht zweifellos auch keine Verpflichtung, Überlegungen darüber anzustellen, welche Rechenvorgänge ein Rekurswerber vollzogen haben könnte, um zu dem von ihm im Rechtsmittel begehrten Kostenbetrag zu gelangen (OLG Innsbruck RIS Justiz RI0100126 mwH).

3.: Berechtigt ist die Kostenrüge teilweise betreffend die Kostenhöhe:

3.1.: Richtig ist, dass der Klagsvertreter für die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 1.2.2023 Kosten von EUR 847,40 plus 50 % ES EUR 423,70, insgesamt sohin EUR 1.271,10 verzeichnet hat (ON 51.3) und daher diese Summe vom ebenfalls netto errechneten, in der Berufung zugestandenen (ON 56 S 22 vorletzter Absatz) Kostenbetrag zugunsten des Beklagten (EUR 10.334,30) abzuziehen ist.

3.2.: Reduziert man nun den in der Berufung im Kostenpunkt unbestrittenen Kostenbetrag (bis einschließlich der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 8.7.2022) von EUR 10.334,30 (netto) um EUR 1.271,10, verbleiben EUR 9.063,20 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer von EUR 1.812,64, also EUR 10.875,84 und nicht wie vom Erstgericht angesetzt EUR 10.800,24 (ON 52 S 32). Der Differenzbetrag von EUR 75,60 war dem Beklagten daher über seine Berufung im Kostenpunkt zuzuerkennen (EUR 11.170,38 inklusive EUR 1.812,84 USt und EUR 294,54 umsatzsteuerfreie Barauslagen).

4.: Der 5. Senat des Oberlandesgerichts Innsbruck hat sich mit seiner Entscheidung vom 22.9.2023, 5 R 22/23h, der Ansicht der Entscheidungen 1 Ob 9/05p, 8 Ob 45/09i sowie 7 Ob 112/09k (RIS Justiz RS0087844 [ua T8]; RS0119892 [T1]) und von M. Bydlinski (in Fasching/Konecny ZPO³ II/1 [2015] § 50 ZPO Rz 6) angeschlossen und vertritt nun in Abkehr von seiner früheren Judikatur die Ansicht, dass Berufungen im Kostenpunkt (wenn entsprechende Kosten verzeichnet wurden) gesondert zu behandeln und nach dem Erfolg im Kostenpunkt honoriert werden können. Dieser Auffassung tritt auch der 3. Senat vollinhaltlich (und nicht bloß im Sinn seiner vermittelnden Lösung bei erheblichem Überwiegen des Kosteninteresses [3 R 100/22p, ErwGr II.7. oder 3 R 2/14i]) bei:

Die Berufung - gegen die Hauptsachenentscheidung - und der Kostenrekurs (auch: die Berufung im Kostenpunkt/Kostenrüge in der Berufung) - gegen die Kostenentscheidung in der Hauptsachenentscheidung - stellen zwei unterschiedliche Rechtsmittel gegen in gemeinsamer Ausfertigung verbundene verschiedene Entscheidungen dar, die in unterschiedlichen Rechtsmittelverfahren zu erledigen sind. Nur die Anfechtungswirkung der Berufung - bei ihrem (wirtschaftlich ins Gewicht fallenden) Erfolg ist infolge der abändernden Hauptsachenentscheidung auch über die Verfahrenskosten erster Instanz ohne Bindung an die beseitigte Kostenentscheidung erster Instanz neu zu befinden (§ 50 ZPO) - löst keine gesonderte Kostenersatzpflicht des Berufungsgegners aus und führt dazu, dass die Kosten als Nebengebühren weder auf die Ermittlung der Erfolgsquote noch auf die Bemessung der Anwaltskosten Einfluss nehmen. Die Anfechtungswirkung des Kostenrekurses äußert sich erst beim Misserfolg der Berufung (aller Parteien) in der Hauptsache, und nur im Umfang der Anfechtungserklärung (§ 11 Abs 1 Satz 2 RATG), sodass hier kostenrechtlich Teilrechtskraft zu beachten sein kann. Der Mehraufwand, der mit der judikaturkonformen ziffernmäßig bestimmten Ausführung eines (ua) Kostenrekurses (dazu zB OLG Innsbruck RIS Justiz RI01000126 mzwH auf die Rsp anderer OLGs) verbunden ist, kann ausgehend vom allgemeinen Erfolgsprinzip nicht unbeachtet bleiben. Das Kostenersatzsystem bei einem mit der Berufung verbundenen (ua) Kostenrekurs wäre sonst von der Zufälligkeit der - zB bei bescheinigten Kommunikationsproblemen mit der Partei zulässigerweise vorab - gesonderten Erhebung des Rechtsmittels gegen die Kostenentscheidung abhängig.

5.: Im vorliegenden zweiseitigen Verfahren über die Berufung im Kostenpunkt (im Kern einem Kostenrekurs) richtet sich die Kostenersatzpflicht nach den §§ 40, 41 Abs 1, 43 ZPO: Es ist die bei zweiseitigen Rechtsmitteln gebotene Quotenkompensation vorzunehmen ( Obermaier Kostenhandbuch³ [2018] Rz 1.100 mzwH in FN 361 und 364). Dies gilt selbst dann, wenn sich eine der Parteien am Kostenrekursverfahren oder Verfahren über die Berufung im Kostenpunkt nicht beteiligt (OLG Wien 30 R 46/09v; OLG Linz 2 R 31/15v; Obermaier Rz 1.100 FN 363; OLG Innsbruck 13 Ra 13/21s ErwGr 4.). Es kommt auf die im anzuwendenden Verfahrensgesetz vorgesehene Zweiseitigkeit und nicht auf die tatsächliche Gegnerbeteiligung im Rechtsmittelverfahren an ( M. Bydlinski § 50 ZPO Rz 14 aE; OLG Innsbruck 13 Ra 13/21s ErwGr 4.). Ausgehend vom eigenen Berufungsinteresse im Kostenpunkt (die Berufung im Kostenpunkt bestreitet die Zulässigkeit der Kostenseparation überhaupt, was wie erwähnt einen Bruttobetrag [EUR 1.271,40 + EUR 254,28] von EUR 1.525,68 ergibt, ist der Beklagte mit einem Bruttobetrag von EUR 75,60 oder 4,96 % erfolgreich. Er müsste daher der Klägerin 95 - 5 = 90 % der Kosten der gegnerischen Berufungsbeantwortung im Kostenpunkt ersetzen. Da diese Kosten für die Berufungsbeantwortung im Kostenpunkt nicht verzeichnet und ohnehin sämtliche verzeichneten Kosten des Berufungsverfahrens in der Hauptsache ersetzt erhält, ist der Klägerin unter diesem Aspekt kein (weiterer) Kostenersatz zuzuerkennen.

D. Verfahrensrechtliches:

1.: Der im Berufungsverfahren unterlegene Beklagte muss die Kosten seines Rechtsmittels gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 40, 50 ZPO selbst bestreiten. Die Beklagte hat Anspruch auf Ersatz der mit insgesamt EUR 1.215,56 verzeichneten Kosten ihrer erfolgreichen Berufungsbeantwortung (§§ 2 Abs 1 ASGG, 41, 50 ZPO).

2.: Das Berufungsgericht konnte sich - wie durch mehrere Zitate belegt - auf eine einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichts stützen, von der es nicht abgewichen ist. Darüber hinaus stellen die Fragen der einvernehmlichen Vertragserneuerung nach Auflösung und der Mäßigung einer vereinbarten Konventionalstrafe maßgeblich durch den konkreten Einzelfall charakterisierte Entscheidungsbereiche dar, die keine Rechtsfragen in der von den §§ 2 Abs 1 ASGG, 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität darstellen. Der weitere Rechtszug nach diesen Gesetzesstellen erweist sich daher als nicht zulässig, worüber gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 500 Abs 2 Z 3 ZPO ein eigener Ausspruch in den Tenor der Berufungsentscheidung aufzunehmen war.

Rechtssätze
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