JudikaturJustiz10ObS116/04p

10ObS116/04p – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juli 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Loibl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mehmed S*****, Pensionist, *****, Bosnien Herzegowina, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 11. März 2004, GZ 7 Rs 13/04t 50, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom 17. November 2003, GZ 36 Cgs 345/00d 47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen mit Ausnahme der Kostenentscheidung des Erstgerichtes, die als unangefochten unberührt bleibt, und das ihnen vorangegangene Verfahren betreffend das Begehren des Klägers auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 6. 1999 als nichtig aufgehoben. Die Klage wird in diesem Umfang zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagevertreters die mit EUR 242,93 (darin EUR 40,49 USt) bestimmten anteiligen Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 166,56 (darin EUR 27,76 USt) bestimmten anteiligen Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der am 2. 5. 1944 geborene Kläger hat nach Beendigung der Pflichtschule keine qualifizierte Berufsausbildung erworben. Er war in den Jahren 1972 bis 1980 in Österreich als Asphaltierer und im Zeitraum 1981 bis 1996 in Kroatien und Bosnien ebenfalls als Asphaltierer oder Tischlerhelfer beschäftigt. Diese Tätigkeiten kann er ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht mehr verrichten. Seit April 2001 ist dem Kläger die Ausübung einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar. Die Beklagte hat daher mit Bescheid vom 10. 12. 2001 den Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension ab 1. 4. 2001 anerkannt und gewährt ihm seither eine Invaliditätspension.

Im Revisionsverfahren ist noch ein Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab dem Stichtag 1. 6. 1999 strittig.

Der damals 52 Jahre alte Kläger hatte bereits mit Schreiben vom 3. 7. 1996 - bei der Beklagten eingelangt am 17. 7. 1996 - unter Hinweis auf seine gesundheitlichen Beschwerden den Antrag auf "Verwirklichung des Rechtes auf eine Pension (Rente)" gestellt. Der bosnische Sozialversicherungsträger übermittelte an die Beklagte ein mit 23. 7. 1998 datiertes Formular BH/A 13 (Mitteilung über einen Antrag auf Invaliditätspension), wobei als Datum der Antragstellung der 22. 4. 1998 aufscheint. Dabei wurde von den vorgedruckten drei Möglichkeiten "Alterspension, Invaliditätspension und Hinterbliebenenpension" das Kästchen "Invaliditätspension" angekreuzt.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 11. 2. 1999 den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Invaliditätspension mangels Invalidität ab. In einem daraufhin bei der Beklagten am 19. 3. 1999 eingelangten Schreiben verwies der Kläger neuerlich auf seine krankheitsbedingten Beeinträchtigungen. Die Beklagte ersuchte ihn daraufhin mit Schreiben vom 14. 5. 1999 um Mitteilung darüber, ob dieses Schreiben als Klage gegen den Bescheid vom 11. 2. 1999 zu werten sei.

Mit einer am 12. 10. 2000 bei der Beklagten eingelangten "Klage" erklärte der von einem österreichischen Rechtsanwalt vertretene Kläger, dass sein Schreiben vom 19. 3. 1999 als Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. 2. 1999 zu werten sei und begehrte die Zuerkennung der Invaliditätspension in gesetzlicher Höhe ab dem in der Tagsatzung vom 23. 7. 2001 konkretisierten - Stichtag 1. 8. 1996. Er sei im Hinblick auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage, einer geregelten Arbeit nachzugehen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, dass der Kläger nicht invalid im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG sei.

Mit Schriftsatz vom 13. 3. 2002 modifizierte der Kläger sein Begehren dahingehend, dass er die Zuerkennung einer Invaliditätspension in gesetzlicher Höhe ab 1. 8. 1996, in eventu ab 1. 4. 2001, sowie in eventu die Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit in gesetzlicher Höhe ab 1. 6. 1999 beantrage. Er verwies auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Buchner, Rs C 104/98 vom 23. 5. 2000, wonach auch bei männlichen Versicherten bereits durch die Vollendung des 55. Lebensjahres die altersmäßige Anspruchsvoraussetzung für eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 253d ASVG erfüllt sei und es sich bei dieser Pensionsleistung nicht um eine Alterspension, sondern um eine Invaliditätspension handle. Es sei daher diese Pensionsleistung von seinem Antrag auf Gewährung einer Invaliditätspension mitumfasst, zumal das verwendete Antragsformular keine weitere Unterscheidung (zwischen Invaliditätspension und einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit) vorsehe.

Mit Schriftsatz vom 25. 6. 2002 änderte der Kläger sein Begehren dahingehend, dass als Hauptbegehren die Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 1. 6. 1999 begehrt werde und als Eventualbegehren die Gewährung einer Invaliditätspension ab 1. 4. 2001, in eventu ab 1. 10. 2001, beantragt werde.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 18. 8. 2003, das Begehren des Klägers auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zurückzuweisen, weil der Kläger niemals einen diesbezüglichen Antrag gestellt, noch die Beklagte darüber einen Bescheid erlassen habe. Der Antrag des Klägers auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit im Schriftsatz vom 13. 3. 2002 sei jedenfalls verspätet, weil der 7. 7. 2000 die letztmögliche Antragstellung für diese Pensionsleistung gewesen sei.

Diesem Vorbringen hielt wiederum der Kläger entgegen, dass er nicht nur am 17. 7. 1996 sondern auch am 22. 4. 1998 einen Pensionsantrag wegen Krankheit beim bosnischen Versicherungsträger gestellt habe, der bei richtiger Auslegung auch als Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu werten sei. Pensionsanträge könnten grundsätzlich auch schon vor Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen gestellt werden, weshalb es nicht schade, dass der Kläger zum Antragszeitpunkt das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe.

In der Tagsatzung vom 22. 9. 2003 schränkte der Kläger sein Eventualbegehren auf Gewährung der Invaliditätspension (ab 1. 4. 2001) auf Kostenersatz ein.

Die Beklagte verwies darauf, dass der Kläger zum Zeitpunkt der seinerzeitigen Antragstellung das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe, weshalb nur über die Invaliditätspension abzusprechen gewesen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab 1. 6. 1999 ab und sprach dem Kläger - unbekämpft - die gesamten Vertretungskosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu. Nach seiner rechtlichen Würdigung sei bei der Beurteilung von Anträgen im Lichte der sozialen Rechtsanwendung vorzugehen, also sei ein Antrag im Zweifel zu Gunsten des Versicherten auszulegen. Dies gelte umso mehr, wenn das entsprechende Antragsformular eine ausdrückliche Antragstellung auf eine bestimmte Pensionsleistung - wie hier - gar nicht ermögliche. Damit sei der Antrag auf Invaliditätspension grundsätzlich auch als solcher auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu werten, der an sich zum Stichtag 1. 6. 1999 auch noch möglich gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung (11. 2. 1999) habe der Kläger jedoch das erforderliche Anfallsalter noch nicht erreicht gehabt, weshalb die Beklagte zu Recht nur über die begehrte Invaliditätspension abgesprochen habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Nach seinen Rechtsausführungen könne der Grundsatz, dass ein Pensionsantrag auch bereits vor Entstehung des Leistungsanspruches gestellt werden könne, nicht zeitlich uneingeschränkt gelten, weil dies zu untragbaren Ergebnissen führen würde. Es müsste zwischen dem Zeitpunkt der Antragstellung auf eine bestimmte Pensionsleistung und deren Anfallsmöglichkeit ein wenn auch nicht zu eng zu ziehender zeitlicher Zusammenhang bestehen. Nur vor diesem Hintergrund werde auch die Praxis von Sozialversicherungsträgern verständlich, bei einem Versicherten, der das Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bereits erreicht habe, aber nur einen Antrag auf Invaliditätspension gestellt habe, bescheidmäßig auch über die erstgenannte Versicherungsleistung abzusprechen oder einen Versicherten zu befragen, ob er im Falle der Ablehnung eines Antrages auf Berufsunfähigkeitspension mit einer Behandlung seines Pensionsantrages als Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit einverstanden sei. Gegenteiliges sei auch den in jüngster Zeit ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes nicht zu entnehmen, weil diese vom Sachverhalt her mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar seien.

Im Fall des Klägers sei davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung (17. 7. 1996) erst knapp über 52 Jahre alt gewesen sei, womit ihm auf das zu diesem Zeitpunkt erforderliche Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit von 57 Jahren nahezu 5 Jahre gefehlt hätten. Ein solcher Zeitraum sei aber zu lang, um bei einem Antrag auf Invaliditätspension, über den die Beklagte ohnehin entschieden habe, auch eine Entscheidungspflicht des Sozialversicherungsträgers über einen gar nicht gestellten, aber als vom Pensionsantrag umfasst anzusehenden Antrag auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit auszulösen, obwohl der Versicherungsfall erst lange danach eintreten hätte können. Ebensowenig bestehe eine Verpflichtung des Sozialversicherungsträgers, diesen Antrag nur in Bezug auf die Invaliditätspension einer Entscheidung zuzuführen, aber hinsichtlich der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bis zur Erreichung des Anfallsalters durch den Kläger in Evidenz zu halten. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung (11. 2. 1999) habe der Kläger nach der damaligen Rechtslage das erforderliche Anfallsalter ebenfalls bei weitem noch nicht erreicht gehabt. Demnach liege auch nach Ansicht des Berufungsgerichtes kein Säumnisfall vor. Gegenteiliges wäre nur dann der Fall, wenn ein entsprechender zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Antragstellung und der nachfolgenden Erreichung des Anfallsalters bestehe. Einen solchen erachte das Berufungsgericht analog zu der Bestimmung des § 67 Abs 1 Z 2 lit b ASGG dann gegeben, wenn er 6 Monate nicht übersteige.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht möglicherweise von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen sei und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob bei einer als mitumfasst anzusehenden Antragstellung ein zeitlicher Zusammenhang mit der Erfüllung der altersmäßigen Anspruchsvoraussetzungen zu fordern sei, fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Zuerkennung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ab dem 1. 6. 1999 abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt zusammengefasst weiterhin die Ansicht, sein am 17. 7. 1996 bei der Beklagten eingebrachter Antrag auf Invaliditätspension und sein beim bosnischen Versicherungsträger eingebrachter Antrag auf Invaliditätspension vom 22. 4. 1998 seien auch als Anträge auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu werten gewesen und er sei, da die Beklagte über diesen Anspruch bescheidmäßig nicht abgesprochen habe, zur Einbringung einer Säumnisklage berechtigt gewesen.

Den Ausführungen des Klägers ist zunächst folgendes entgegenzuhalten:

Für die Feststellung von Leistungsansprüchen in der Pensionsversicherung gilt das Antragsprinzip (§ 361 Abs 1 Z 1 ASVG). Eine Leistungsgewährung ist daher nur auf Grund eines Antrages zulässig (10 ObS 205/03z; SSV NF 14/83, 12/135, 11/156 mwN ua; RIS Justiz RS0085092).

Wie festgestellt wurde, hat der Kläger am 17. 7. 1996 bei der Beklagten unter Hinweis auf seine gesundheitlichen Beschwerden den Antrag auf "Verwirklichung des Rechtes auf eine Pension (Rente)" gestellt. Zusätzlich brachte der Kläger am 22. 4. 1998 beim bosnischen Sozialversicherungsträger einen Antrag auf "Invaliditätspension" ein, der mit einem mit 23. 7. 1998 datierten Formular BH/A 13 an die Beklagte weitergeleitet wurde. Mit dem Bescheid der Beklagten vom 11. 2. 1999 wurde der Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Invaliditätspension abgelehnt und damit über die beiden Anträge des Klägers, die ein identes Begehren zum Gegenstand hatten, abgesprochen (vgl SSV NF 10/134 ua). Nach Erlassung dieses Bescheides war daher kein Antrag des Klägers offen. Im Verlauf des gegenständlichen Verfahrens wurde im Zuge einer vom neurologisch psychiatrischen Sachverständigen festgestellten Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers (vgl Gutachten ON 18) von der Beklagten mit Bescheid vom 10. 12. 2001 der Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension ab 1. 4. 2001 anerkannt, was auch zur Gewährung dieser Leistung an den Kläger ab dem genannten Zeitpunkt führte.

Im vorliegenden Fall ist nun vor allem strittig, ob einer der beiden erwähnten Anträge des Klägers vom 17. 7. 1996 bzw 22. 4. 1998 auch als Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 253d ASVG zu werten ist.

Für die verfahrensrechtliche Bewertung von Anträgen, also von Willenserklärungen Privater im Bereich des öffentlichen Rechtes, gelten nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes analog die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, soweit nicht nach allgemeinen Verwaltungsrechtsgrundsätzen oder den besonderen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes ausdrücklich Abweichendes festgelegt ist. Danach ist schon wegen der der Behörde ganz allgemein obliegenden Betreuungspflicht anzunehmen, dass der Sozialversicherungsträger durch entsprechende Belehrungen und Auskünfte auf eine Antragstellung hinzuwirken hat, die den rechtlichen Interessen von Anspruchswerbern weitestgehend Rechnung trägt. Zusätzlich muss bei der Beurteilung von Anträgen durch die Sozialversicherungsträger im Geiste sozialer Rechtsanwendung vorgegangen, dh der Antrag im Zweifel zu Gunsten des Versicherten ausgelegt werden. Bestehen Zweifel über die mit dem Antrag verfolgte Parteiabsicht, ist der Versicherungsträger verpflichtet, den Parteiwillen - etwa durch Vernehmung der Partei - klar zu stellen. Dem Versicherten darf aber keine andere Leistung zuerkannt werden, als diejenige, die er zweifelsfrei beantragt hat (10 ObS 205/03z; SSV NF 15/144, 14/83, 10/134 mwN ua; in diesem Sinne auch jüngst VwGH, 21. 4. 2004, Zl 2001/08/0077 mwN ua).

Der Versicherte soll somit im Rahmen der sozialen Rechtsanwendung im Verwaltungsverfahren und auch im sozialgerichtlichen Verfahren davor geschützt werden, materiell bestehende Ansprüche aus formellen Gründen (etwa zufolge einer prozessualen Ungeschicklichkeit) zu verlieren. Verletzt der Sozialversicherungsträger die ihm nach den oben dargelegten Grundsätzen obliegende Betreuungspflicht (Manuduktionspflicht), so darf sich dies nicht zum Nachteil des Antragstellers auswirken (SSV NF 15/144 mwN ua).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes handelt es sich bei der Invaliditätspension einerseits und der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 253d ASVG andererseits um zwei verschiedene Versicherungsfälle. Hat der Versicherungsträger nur über einen Anspruch auf Invaliditätspension entschieden, bildet dies keine Grundlage für die Führung eines gerichtlichen Verfahrens über ein Begehren auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (SSV NF 13/149 mwN ua). Es ist daher grundsätzlich auch nicht davon auszugehen, dass ein Antrag auf Invaliditätspension auch einen Antrag auf die, auf einen anderen Versicherungsfall gestützte vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit umfasst (SSV NF 11/74). Wie jedoch bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Oberste Gerichtshof in jüngster Zeit in besonderen Anlassfällen (vgl insb 10 ObS 398/02f; 10 ObS 205/03z) auch bereits zu dem Ergebnis gelangt, dass Gegenstand des Antrages des Versicherten im konkreten Fall sowohl ein Antrag auf Gewährung der Invaliditätspension als auch auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gewesen sei. Es handelte sich dabei um im Ausland wohnhafte Versicherte, die für den beklagten Sozialversicherungsträger erkennbar die Gewährung einer Pensionsleistung aus Krankheitsgründen beantragt hatten. Ausgehend von den oben dargelegten Grundsätzen für die verfahrensrechtliche Bewertung von Pensionsanträgen wurde darauf hingewiesen, dass gerade die Besonderheit, dass die entsprechenden zwischenstaatlichen Formulare eine Unterscheidung der bei einer gesundheitlichen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit in Betracht kommenden Pensionsleistungen in "Invaliditätspension" und "vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit" nicht vorsehen und den (im Ausland wohnhaften) Versicherten in der Regel auch nicht bekannt ist, dass es sich bei der Invaliditätspension um eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit und bei der vorzeitigen Alterspension um eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Alters handelt, eine Beurteilung dahingehend erfordern kann, dass ein Antrag auf Invaliditätspension auch als Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit zu werten und als solcher auch zu behandeln ist. Es wurde in diesem Zusammenhang auch auf eine in der Rechtsmittelschrift dargestellte Praxis des beklagten Sozialversicherungsträgers hingewiesen, wonach in vergleichbaren Fällen dann, wenn der Versicherte das Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit bereits vollendet hatte und der Versicherte auch die Voraussetzungen der allgemeinen und besonderen Wartezeit des § 253d ASVG erfüllte, in der Regel auch ohne ausdrückliche diesbezügliche Antragstellung bescheidmäßig auch über einen Anspruch auf eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 253d ASVG abgesprochen wurde. Weiters wurde auf ein im Bereich der seinerzeitigen Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten verwendetes Antragsformular verwiesen, in dem für den drohenden Fall der Ablehnung eines Antrages auf Berufsunfähigkeitspension an den Versicherten ausdrücklich die Frage gestellt wurde, ob er in diesem Fall mit einer Behandlung seines Antrages auf Berufsunfähigkeitspension als Antrag auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit einverstanden sei (vgl dazu 10 ObS 15/03h). In diesem Sinne ist somit auch die Praxis der Sozialversicherungsträger in sozialer Rechtsanwendung davon ausgegangen, dass ein Antrag auf Invaliditätspension bzw Berufsunfähigkeitspension, wenn sich während des Verfahrens vor dem Versicherungsträger herausstellt, dass zwar nicht die Voraussetzungen für die Invaliditätspension bzw Berufsunfähigkeitspension, wohl aber die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit vorliegen, als auch auf die letztgenannte Pension gerichtet anzusehen ist.

Mit diesen Erwägungen, an denen weiterhin festzuhalten ist, lässt sich der Prozessstandpunkt des Klägers jedoch nicht begründen:

Es trifft zwar zu, dass nach der bereits vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ein Pensionsantrag grundsätzlich auch bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles, somit auch schon vor Erreichung des Anfallsalters (§ 223 Abs 1 Z 1 ASVG), wirksam gestellt werden kann und die Pension in diesem Fall erst mit der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung anfällt, doch ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der am 2. 5. 1944 geborene Kläger sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung (17. 7. 1996 bzw 22. 4. 1998) als auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (11. 2. 1999) das nach der damaligen Gesetzeslage für die Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit für männliche Versicherte maßgebende Anfallsalter von 57 Jahren noch nicht vollendet hatte. Damit war aber eine Umdeutung des Pensionsantrages des Klägers nach dem Grundsatz der sozialen Rechtsanwendung dahin, dass dieser auch einen Antrag auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit umfasst, nicht geboten, weil der Kläger selbst im Zeitpunkt der Bescheiderlassung als letztmöglichen Zeitpunkt für eine Antragsumdeutung nicht einmal die altersmäßigen Voraussetzungen für diese Pensionsleistung nach § 253d ASVG erfüllte (vgl SSV NF 14/83). Der Umstand, dass in der Folge auf Grund des Urteiles des EuGH vom 23. 5. 2000, Rs C 104/98, Buchner, auch Männer diese Pensionsart bis zum Wirksamwerden einer mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmenden neuen Regelung (§ 255 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000, BGBl I 2000/43) bereits nach Vollendung des 55. Lebensjahres in Anspruch nehmen konnten (vgl 10 ObS 200/00k ua) hatte auf die Frage, wie die Beklagte die Antragstellung des Klägers in dem bis zur Erlassung des Bescheides am 11. 2. 1999 dauernden Verwaltungsverfahren nach dem Grundsatz der sozialen Rechtsanwendung verstehen musste, keinen Einfluss mehr. Im Übrigen hatte der Kläger auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von dem der Entscheidung SSV NF 14/83 zugrundeliegenden Sachverhalt, da der damalige Kläger bereits im Zeitpunkt der Antragstellung das 60. Lebensjahr vollendet hatte. In dem zu 10 ObS 205/03z entschiedenen Fall hatte der am 10. 10. 1943 geborene Kläger im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (12. 9. 2001) das 57. Lebensjahr bereits vollendet. Der Entscheidung 10 ObS 398/02f lag ein unerledigt gebliebener Pensionsantrag des Versicherten zugrunde, über den der österreichische Sozialversicherungsträger mangels Weiterleitung durch den bosnischen Versicherungsträger nicht entschieden hatte. Es war daher in diesem Fall auch im Zeitpunkt der Klagseinbringung des damals knapp 60 jährigen Klägers die Entscheidung des Sozialversicherungsträgers über den Pensionsantrag des Versicherten (und damit eine mögliche Antragsumdeutung) noch offen.

Der erkennende Senat gelangt daher zu dem Ergebnis, dass die beiden Pensionsanträge des Klägers nicht auch als Anträge auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit nach § 253d ASVG zu werten waren. Damit liegt aber, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, auch kein Säumnisfall im Sinn des § 67 Abs 1 Z 2 lit b ASGG vor. Es fehlt damit in Ansehung des vom Kläger geltend gemachten Begehrens auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit an einer wesentlichen Voraussetzung für die Erhebung der Klage. Gemäß § 73 ASGG ist die Klage in diesem Fall in jeder Lage des Verfahrens zurückzuweisen. Es war daher das von den Vorinstanzen über den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit geführte Verfahren für nichtig zu erklären und insoweit mit der Zurückweisung der Klage vorzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Im Hinblick auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und die angespannten finanziellen Verhältnisse des Klägers entspricht es der Billigkeit, dem Kläger trotz seines gänzlichen Unterliegens im Rechtsmittelverfahren die Hälfte seiner Vertretungskosten zuzusprechen (vgl SSV NF 7/80 ua).

Rechtssätze
8